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Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

28 September 2019

Rheinbücher

Zur ergänzenden Lektüre habe ich zwei Rheinreisebücher gelesen, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Das eine beschreibt den Rhein aus chemisch-naturwissenschaftlich-extremsportlicher Sicht, das andere befasst sich mit der kulturell-historisch-poetischen Seite des Flusses. Die eine Rheinreise ist furchtbar anstrengend, die andere total gechillt. Irgendwo zwischen diesen Extremen liegt unsere Reise.

Rheines Wasser von Andreas Fath (2014)


Als Professor Faths Förderungsantrag auf ein teures Wasser-Analysegerät abgelehnt wurde, kam er auf die Idee, als dritter Mensch der Welt durch den Rhein zu schwimmen. Das klingt erst einmal nach einer absurden Lösung, ist aber eigentlich total logisch. Schließlich ist er sowohl Chemieprofessor als auch leidenschaftlicher Schwimmer und ist in Speyer am Rhein aufgewachsen. Er wollte unterwegs mit einem Team Wasserproben untersuchen und so Medienaufmerksamkeit und Sponsoren finden. Das Buch hat also zwei Handlungsströme: Das Schwimmen und die Chemie. Daher ist es sowohl mit Schwarzweißfotos des schwimmenden Professors als auch mit ein paar schwarzweißen Diagrammen ausgestattet.
Das Schwimmen hat, wie er selbst sagt, eigentlich nix mit dem Schwimmen im Freibad zu tun, wie wir Normalschwimmenden es kennen. Er trägt dabei ein bis zwei Neoprenanzüge, im Wildwasser in der Schweiz noch ganz viele Extrapuffer und wird von einem Motorboot und Kanu begleitet, die den Weg weisen. Auf diese Weise schwimmt er bis zu 80 Kilometer am Tag (im Bodensee, wo ihn keine Strömung unterstützt, immerhin noch über 30). Dabei ist er anscheinend permanent dem Tode nahe, vollkommen fertig und kämpft mit allerhand Krankheiten, aber spontane Ruhetage lässt der superstraffe Zeitplan nicht zu. Spaß klingt anders.
Als erstes durchschwimmt er den eiskalten Tumasee, wo auch schon Mikroplastik im Schnee steckt. Er beschreibt, wie unglaublich kalt der ist, dass er seine Hände und Füße nicht spüren konnte und tatsächlich bezweifelt hat, ob er das schafft. Da war ich schon ein bisschen stolz, schließlich war ich ja zur selben Jahreszeit in diesem Wasser, auch wenn ich nicht komplett durchgeschwommen bin. Bei Illanz ist der Rhein wieder tief genug zum Schwimmen, also steigt er da ins Wildwasser der Rheinschlucht ein, wo er an der Felswand namens Schwarzes Loch sogar echte Todesangst empfindet. Am Bodensee will er eigentlich wie wir dem Alten Rhein folgen, bleibt aber aus Versehen im Neuen Rhein. In Frankreich wählt er die Strecke durch den Rheinseitenkanal, in den Niederlanden durch den nördlichen Mündungsarm Nederrijn/Lek. Nur am Rheinfall, zwischen Bingen und der Loreley sowie im Rotterdamer Hafen muss er wegen Schwimmverboten einen Abschnitt überspringen.
Lustige Übereinstimmungen mit unserer Reise sind: An derselben Stelle am Bodensee plagte ihn und mich Durchfall, und wo wir bei Breisach unsere längste Tagestappe fuhren, hatte er seine zweitlängste (die vier Kilometer länger war als unsere - obwohl er schwamm). Ich fand es äußerst faszinierend, die Landschaften, die ich schon so gut kannte, aus einer ganz anderen Perspektive zu lesen. Das mit der Medienaufmerksamkeit klappt super, beim Rausklettern begrüßen ihn überall Bürgermeister, Hochschulrektoren und die Presse. Nüchtern, wissenschaftlich und pflichtbewusst schildert er die extremen Erlebnisse, seine Gefühle und die Schönheit der Landschaft (sofern sie denn schön ist, oft ist sie aus der begrenzten Perspektive eines Schwimmers auch sehr monoton).
Die wissenschaftliche Seite der Reise konzentriert er vor allem in drei Kapiteln und dem Epilog. Er erklärt, welche Chemikalien und wie viel Mikroplastik sie aus dem Fluss gefiltert haben. Vor allem hier zeigt sich aber, dass ein begnadeter Schwimmer und Chemiker ist, aber nun einmal kein Schriftsteller. Besonders die Passagen, wo er einführend erklärt, worum es sich bei den einzelnen Chemikalien und Messwerten handelt, sind für wissenschaftliche Laien doch etwas ermüdend - ein Ghostwriter hätte das wohl etwas gekürzt und aufgelockert.
Interessanter wird es dann wieder, wenn es darum geht, wie genau das Zeug in den Fluss kommt und was aus seiner Sicht dagegen unternommen werden sollte. Hauptsächlich müssen Kläranlagen weiterentwickelt werden, weil sie noch nicht alles herausfiltern können. Und eigentlich, sagt Fath, ist es Unsinn, Trinkwasser zum Waschen und Klospülen zu benutzten. Will er etwa zwei getrennte Wasserleitungen zu jedem Haus bauen? Nein, Faths Ziele sind etwas realistischer: Die Industrie sollte stattdessen zum Ausspülen geschlossene Wasserkreisläufe anstatt Leitungswasser nehmen. Zu Hause sollte das benutzte Wasser von Dusche nochmal zum Klospülen verwendet werden.
Wir Normalverbraucher sollen bis dahin keine Light-Getränke trinken (die eh nicht dünner machen), Zahnpasta, Shampoo und Kosmetik ohne Mikroplastik nutzen, keine Medikamente ins Klo und kein Plastik in den Biomüll hauen (und auch nicht in die Natur, das ist ja klar), wenn wir den Rhein uns selbst schützen wollen, weil wir das Zeug sonst irgendwann wieder essen.

Alles fließt von Elke Heidenreich (2017)

Heidenreich beschreibt eine Rheinreise mit dem Auto und einem Kreuzfahrtschiff. Während wir jeden Kilometer selbst zurückgelegt haben, hat sie auf dem Schiffsdeck gemütlich Wein getrunken (und zwar wirklich viel Wein, so oft, wie sie das erwähnt). Die Germanistin erzählt vor allem Geschichten und kulturelle Hintergründe des Ober- und Mittelrheins. Ein Kapitel behandelt ihre hässliche Kindheit im Ruhrgebiet. Der große Vorteil des Buchs ist, dass man damit gewissermaßen alle Bücher über den Rhein gleichzeitig liest. Es wird nämlich aus so gut wie allem zitiert, was je über den Rhein geschrieben und gesagt wurde: Reiseberichte, weise Sprüche und natürlich viele Gedichte. Das ist aber nicht total deutschlehrerhaft (naja, ein bisschen vielleicht), sondern fröhlich und unterhaltsam geschrieben. Die ganz kleinen und sehr großen Fotos von Tom Krausz vermitteln einen richtig schönen Eindruck, wie es am Rhein aussieht.
Den überlaufenen Mittelrhein mag Elke Heidenreich nicht so, den breiten Niederrhein um so mehr. So würde es uns vielleicht auch gehen, wenn wir zur Hochsaison am Mittelrhein gewesen wären.
Weil das Kreuzfahrtschiff nur von Basel nach Amsterdam gefahren ist, kommen die anderen Abschnitte des Flusses ein bisschen kurz. Sie ist zur Quelle vom Vorder- und Hinterrhein gewandert, mit dem Auto zum Bodensee und zum Rheinfall gefahren, aber die Mündung (beziehungsweise eine der Mündungen) hat sie gar nicht gesehen.
Die Beschreibung des Rheinfalls gab mir das Gefühl, dass wir auf unserer Reise irgendetwas richtig gemacht haben. "Ach, wie gern würde ich das auch so stark empfinden... aber Heinse, Mörike und Goethe wanderten noch am Ufer entlang und standen dann plötzlich staunend vor den Wassermassen. (Wir auch!) […] Wir werden erstmal zum Riesenparkplatz gelenkt, eingezäunt mit Sichtblenden am Tor. (Wir nicht! Selber Schuld, wenn du Auto fährst.) […] Fährt je irgendwer nach Schaffhausen hinein? (Ja, wir schon!) […] Und der Rheinfall liegt zwar bei Schaffhausen, aber eigentlich in Neuhausen, und auch dort haben wir nicht mehr Halt gemacht (Wir schon!) - nur eben, wie wohl alle, beim Wasserfall." Mein Gott, Heidenreich, dann park doch dein Auto in Schaffhausen und wandere von da aus am Fluss entlang zum Wasserfall, statt es ohne nachzudenken den dir so unangenehmen Massentouristen gleichzutun.

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