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Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

04 August 2019

Von Keeken nach Oosterbeek

Die Straße führt schnurgerade in den ersten niederländischen Ort: Millingen aan de Rijn. Nanu, gibt es hier kein Grenzschild? Ah, doch, es wurde einfach ins Ortseingangsschild integriert.
Hier kommt die Grenze wieder aus dem Rhein raus und führt über das Land.
Exakt an der Grenze wechselt auch der Radweg seine Nationalität. Aus dem grauen Asphaltweg im Gras werden rote Seitenstreifen.

Millingen ist eigentlich sehr niedlich und hübsch. Es hat zum Beispiel so eine Mini-Burg. Darin verbirgt sich eine Gießerei.

Doch für mich wurde Millingen zum Ort des Grauens. Daran ist aber nicht die Stadt schuld, sondern mein Fahrrad. Ich wollte heute eigentlich meine Familie einholen und zwei Etappen am Stück fahren. Stattdessen war ich in einer Zeitschleife oder einem Albtraum gefangen, in dem ich nicht aus Millingen hinauskam. Zuerst war der Fahrradschlauch kaputt und ich kaufte einen neuen. Ich fuhr mit der Fähre hinüber. Dann explodierte die Felge. Ein prasselnder Regenguss durchnässte mich. Ich fuhr mit der Fähre zurück, denn in den nächsten Orten gab es keinen Fahrradladen. Im Laden hatten sie zum Glück ein anderes Fahrrad mit passendem Hinterrad vorrätig, das bei mir eingebaut werden konnte. Ich fuhr ein zweites Mal zur Fähre.
Dann riss die Kette. Und abermals setzte der Sturzregen ein.
Insgesamt habe ich den Fahrradladen und die Fähre drei mal genutzt. Die haben eine Menge Geld mit mir verdient. Dann war es schon 17 Uhr.
"Naja, du kannst ja im Blog schreiben, wie gelassen du das genommen hast und dass du das mit Humor nimmst.", trösteten mich die anderen telefonisch. Nun, das würde ich tatsächlich gern schreiben, aber das wäre eine Lüge. Ich war am Verzweifeln.

Die Niederlande sind bekannt dafür, sehr flach zu sein. Wenn ein Fluss so ein flaches Land erreicht, dann hat er nur noch einen sehr geringen Höhenunterschied zu überwinden, er wird langsamer und verliert seinen Elan. Dann passiert in der Natur folgendes: Der Fluss verstreut sich über eine weite Fläche und teilt sich in kleine Flüsschen auf, die einzeln ins Meer münden. So entsteht ein Delta.
Für den Schiffsverkehr ist das nicht so praktisch, denn das Delta ist flach und die Strömung schwach. Für die Menschen ist das auch nicht so toll, wenn tausend kleine Flüsse jederzeit über ihre Ufer treten können, weil das Meer oder Hauptfluss überlastet sind. Und wenn sich das Delta quer durch ein komplettes Land zieht, gibt es entsprechend viele betroffene Menschen. Da ist es wohl wirklich zu viel verlangt, das gesamte Delta im Naturzustand zu lassen.
Wir überquerten den Niederrhein an seiner allerdicksten Stelle mit einer laut dröhnenden, qualmenden Fähre.

Der Fluss teilt sich nun zum ersten Mal. In der Mitte erhebt sich das Fort Pannerden. Das ist eine typisch niederländische Festung: Roter Stein auf grünen Graswällen. Werbetafeln bewerben es mit den Worten "machtig und prachtig".
Hier bei Millingen beginnt das Rhein-Maas-Delta. Erst einmal ist das Delta noch ziemlich übersichtlich: Der Rhein teilt sich nur in zwei Teile. Der südliche Arm nennt sich Waal und bekommt etwa zwei Drittel des Wassers. Der nördliche Arm heißt zunächst (aber nur ganz kurz) Pannerdensch Kanaal (wird manchmal auch Pannerdens geschrieben) und bekommt das restliche Drittel.
Beide Flüsse werden von Dämmen eingerahmt, damit sie tief genug für Schiffe sind und nicht über die Ufer treten. So sieht ein zivilisiertes Delta aus.
Nun hat der Radfahrer die Waal. Entweder er fährt die Waalvariant (hier ein Bericht davon) und fast bis zum Schluss am südlichen Arm entlang. Der Vorteil daran ist, dass man dabei die ganze Zeit dem wasserreichsten Hauptstrom des Rheins folgt.
Oder man folgt dem offiziellen Rheinradweg. Der kann sich nicht so ganz entscheiden, welchem Arm er folgt und führt im Zickzack zwischen den Armen hin und her. Die Planer des Radwegs dachten sich womöglich: Oh, da steht noch irgendwas mit Rijn auf der Karte, dann da lang. Oh, jetzt ist nichts mehr mit Rijn, dann doch lieber runter zum größeren Fluss. Oh, da ist Rotterdam und der offizielle Hauptfluss ist auch wieder oben, dann doch wieder hoch! Dabei sieht man immerhin mehr und lernt beide Mündungsarme kennen. Deshalb folgen wir dieser Route. Außerdem ist die Waalvariant in unserer Karte gar nicht eingezeichnet.

Das hier ist die Oude Waal (Alte Waal). Die ist nicht nur vom Hauptfluss abgeschnitten, sondern im Moment auch noch ausgetrocknet.

Ich dachte, ich hätte mich ja in den letzten Tagen schon an niederländischen Gegenwind gewöhnt, doch das hier war noch einmal ein ganz anderes Level. Auf dem Deich brauste und tobte mir eine Wand aus nasser Luft entgegen.
Auf diesem Bild ist gut zu erkennen, warum man die Niederlande als ausgehöhltes Land bezeichnet.

Bei Pannerden (wo ich zum Glück keine Panne mehr hatte) warf ich einen Blick ans andere Ufer. Da drüben entspringt ganz in der Nähe die Linge. Dieses kleine Flüsschen werden wir bald noch besser kennenlernen.

Dann überquerten wir noch einen alten Mündungsarm, den De Keel/Oude Rijn. Dann muss die Flussspaltung früher ja viel weiter östlich gewesen sein, wahrscheinlich noch in Deutschland.

Dieses Mammut bewacht einen Eisenbahntunnel, der den Pannerdensch Kanaal unterquert.

Nebenan leben Kühe in einer Blumenwiese.

Die nächste Fähre überquert den Pannerdensch Kanaal. Der ist viel schmaler als der Niederrhein. Die Fähre nimmt auch Autos mit und fährt im Gegensatz zur Millinger Fähre nicht nur stündlich, sondern ständig.

Oh, die Sonne schaut wieder aus den Wolken raus! Sie beleuchtete unter anderem diesen klatschnassen Matschwald.

Kurze Zeit später folgt die nächste Teilung. Der Pannerdensch Kanaal spaltet sich auf. Rechts fließt die Ijssel zum Ijsselmeer, den größten Süßwassersee der Niederlande, der durch einen riesigen Damm von der Nordsee abgetrennt wird. Durch Schleusen fließt das Wasser ganz kontrolliert in die Nordsee. Einst war die Ijssel ein eigenständiger Fluss mit Quelle, doch der Mensch hat sie mit dem Rhein verbunden.
Links fließt der Nederrijn. Der hat jetzt nur noch 12 Prozent des Rheinwassers, aber wir folgen ihm trotzdem erstmal weiter.
Das ist ein Grund, warum das Rhein-Maas-Delta so unübersichtlich ist. Sobald irgendwas rein- oder rausfließt, geben die Niederländer dem Flussarm gleich einen komplett anderen Namen. Ich fände es viel besser, die beiden Mündungsarme einfach durchgehend von Millingen bis zum Meer Waal und Nederrijn zu nennen.

Dann taucht am anderen Ufer Arnhem auf. Im zweiten Weltkrieg kamen die Aliierten hier nicht über den Fluss, weil Arnhem verbittert verteidigt wurde. Über den Rhein kamen die erste später in Remagen. Dadurch verzögerte sich deren Sieg ziemlich.

Heute hingegen besteht eine umfassende Auswahl an frei zugänglichen Brücken. Auf der dritten Brücke führt der Radweg in die Stadt hinein. Fahrräder und Motorräder haben diese breite Brücke nur für sich, direkt neben einer noch breiteren Autobrücke.

Am anderen Ufer stehen dann niederländische Backsteinhäuser mit Restaurants drin. Die Straßen führen rein in die Innenstadt. Sobald die Straße eine gewisse Mindestbreite hat, sind rote Radwege auf beiden Seiten obligatorisch.

Ein Stück weiter besteht der Radweg vornehmlich aus Grafitti.

Mitten an einer großen Kreuzung, in einer Art Grube, hat Arnhem sogar einen Kreisverkehr nur für Fahrräder. In der Mitte steht ein Mahnmal an den Zweiten Weltkrieg. Das scheint die wichtigste Epoche der Stadt zu sein, wo am meisten von historischer Bedeutung geschehen ist. In den Ausstellungen der Kirche zum Beispiel spielen alle anderen Zeitabschnitte kaum eine Rolle. Ein kleines Städtchen existiert hier zwar schon seit dem 9. Jahrhundert, aber so richtig aufgewacht ist Arnhem erst fast tausend Jahre später zur Industrialisierung.

Das Rathaus von Arnhem sieht modern aus. Rechts steht das kleine historische Rathausgebäude.

Ein typisch niederländischer Kirchturm ist viereckig, erinnert etwas an einen Burgturm und hat auf jeden Fall ein goldenes Ziffernblatt. Und er ist sehr luftig. Niederländische Glocken müssen offenbar gut belüftet werden.
Die Eusebiuskirche in Arnhem weist all diese Merkmale auf. Doch wer genau hinsieht, erkennt, dass sie weit mehr zu bieten hat als das. Ich kenne keine Kirche, die so viel Ähnlichkeit mit einem Freizeitpark hat. (Wer mich kennt, weiß, dass das nicht beleidigend gemeint ist.) Genau genommen habe ich in dieser Kirche mehr Adrenalin gespürt als im Europapark oder Kalkar Wunderland.

Im zweiten Weltkrieg hielten die Amerikaner Arnhem versehentlich für eine deutsche Stadt und bombardierten es. Der Kirchturm nahm großen Schaden, kurz nach Kriegsende schlug auch noch ein Blitz ein. Er musste komplett neu aufgebaut werden. Seitdem haben die Arnhemer eine Art Erlebniskirche daraus gemacht. Dafür kostet die Kirche mit dem Turm auch gleich 9 Euro Eintritt.
Im ersten Stockwerk des Turms befindet sich eine Installation mit so etwas wie holografischen Projektionen. Der Küster und der Feuerwehr-Hauptmann schildern den Krieg aus ihrer Sicht. Die Feuerwehr musste ihre Versuche aufgeben, die Kirche zu löschen, weil die Deutschen ein Maschinengewehrnest am Eingang aufgebaut hatten.

Nur das Grab des Herzogs hat die Bombardierung überstanden, weil es vorsorglich einen Betonmantel bekommen hatte.
Im Kirchenschiff gibt's noch Audioguides, eine Fotoausstellung und eine Videoinstallation, die jede einzelne Schlacht auf der Welt im 20. Jahrhundert zeigt. Irgendwo flog noch eine Drohne herum.

Jede Viertelstunde erklingt ein lautes Carillion (Glockenspiel). Nebenan ragen zwei gläserne Balkons aus dem Turm. Es kostet viel Überwindung, sie zu betreten. Am Anfang konnte ich mich noch an den Stahlseilen festhalten, die ein Gefühl von Sicherheit verleihen. Aber ganz hinten war nur noch Glas um mich herum.

In Arnhem fand gerade ein Kunstfestival mit Straßenmalerei statt.

Es gibt dort ausgedehnte Parks mit einem Freilichtmuseum...

...und einem Wassermuseum. Das sieht alles sehr idyllisch aus.

Bereits auf meinen früheren Reisen in die Niederlande habe ich folgenden Eindruck bekommen: Niederländer können gut Lebensmittel zum Naschen herstellen (den Käse zähle ich jetzt auch mal dazu), aber so Fleisch und Herzhaftes, das können die nicht. Würstchen (die sogenannten Frikandeln) zum Beispiel, aber auch Kroketten. Die enthalten hierzulande keine Kartoffeln, sondern eine undefinierbare schleimige Masse.

Das ist der futuristische Bahnhof Arnhem Centraal. Es war schon nach 19 Uhr und ich würde die anderen nie mehr mit dem Rad einholen, deshalb stieg ich in einen Zug.
Der Bahnhof ist zwar extrem modern, aber das machte die Fahrt nicht gerade einfacher. Zunächst einmal besteht der Haupteingang nur aus stylischen Drehtüren, durch die kein Fahrrad passt. Die Zeit drängte und ich konnte nicht noch das ganze Gebäude von außen nach dem korrekten Eingang absuchen, also zwängte ich mein Rad durch den Notausgang einer Fahrradgarage in die Eingangshalle.
Der Fahrkartenkauf klappte problemlos. Vor den Bahnsteigen stehen aber Tore, an denen man seine Karte scannen soll, und die öffneten sich nicht für meine Fahrkarte. Ich fragte einen Mitarbeiter auf Englisch. "Da müssen Sie woanders hin", antwortete er hilfreich auf Deutsch. "Keine Ahnung wo." Was? Ist mein Bahnsteig in einem anderen Gebäudeteil? Nein, er meinte, ich solle zu einem Mitarbeiter der Niederländischen und nicht der Deutschen Bahn gehen. Naja, seine Nationalität hätte ich an der Servicequalität eigentlich erkennen sollen.
Der niederländische Mitarbeiter öffnete das Tor mit seinem Ausweis. Ich eilte zum Zug und fuhr davon zur übernächsten Etappe.
Das Internet im Zug funktionierte auch nicht. Also: Deutsche müssen hier nicht eingeschüchtert sein. Die Niederländische Bahn gibt sich zwar hypermodern, ist aber genau wie unsere alles andere als perfekt, eigentlich sogar noch weniger perfekt als unsere.

Die anderen haben bereits einen Tag vorher hinter Arnhem im Vorort Oosterbeek übernachtet. Dort steht in die Villa Hartenstein, in der die aliierten Anführer gegen Ende des Krieges untergekommen sind. Heute ist da ein Kriegsmuseum drin.

03 August 2019

Von Xanten nach Keeken

Dieser Radweg auf dem Deich wird leider von einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art blockiert.

Also nehmen wir stattdessen den Kiesweg an der Xantener Nordsee.

Ah, das ist also einer dieser Gärten des Grauens. Die kannten wir bisher nur von Instagram. Im Schotter versinken sogar Fahrräder.

Es folgten niedrige Backsteinhäuser, Straßen mit schmalen roten Fahrradstreifen, eine flache Landschaft und viel Gegenwind. Dieses Ensemble gab mir das Gefühl, wir wären aus Versehen einen Tag zu früh in den Niederlanden gelandet.

Sodann taucht am Horizont das Highlight des Tages auf: Das Atomkraftwerk von Kalkar. Das sollte eine sensationelle, neue Art von Atomkraftwerk werden, nämlich ein schneller Brüter.
Normalerweise kann nur ein Teil des Urans im Atomkraftwerk gespalten werden, der Rest ist erstmal nutzlos. Wenn man das Uran jedoch mit Neutronen beballert, verwandelt sich bei der Kernspaltung nicht spaltbares Uran in spaltbares. Auf diese Weise wird neues Uran "ausgebrütet". Mit jeder Kernspaltung entsteht mehr spaltbares Material, als verbraucht wird. Zugegeben, das klingt schon sehr praktisch.

Wasser bremst die Neutronen allerdings so sehr ab, dass nicht mehr ausgebrütet als verbraucht wird. Deswegen erhitzt der Reaktor im Schnellen Brüter kein Wasser (wie in einem normalen Atomkraftwerk), sondern Natrium, und das erhitzt dann wiederum das Wasser. Das verdampft und treibt eine Turbine an, wie gehabt.

Beim Bau des Kraftwerks arbeiteten Deutschland und die Niederlande zusammen. Von den Bürgern gab es dabei eine Menge Widerstand. Der Bauer Maas weigerte sich, sein Land zu verkaufen. Er wurde enteignet und klagte, das Bundesverfassungsgericht entschied: Der Schnelle Brüter ist verfassungsgemäß.
1985 war das Kraftwerk fertig, das Natrium schon in den Röhren und das Uran lag abholbereit in Belgien.
Und dann entschied sich die Regierung plötzlich anders. Warum? Wegen 40000 demonstrierender Bürger? Nee, das hatte die vorher auch nicht gejuckt. Da musste schon etwas Heftigeres passieren, und zufällig passierte kurz vor der Eröffnung in Tschernobyl etwas Heftigeres.

Indirekt verdanken wir also der Katastrophe von Tschernobyl, dass sich hier heute ein Freizeitpark namens Kalkar Wunderland befindet (oder auch Kernies Familienpark, das ist der Name für den eigentlichen Park ohne das Hotel).
Das graue Hauptgebäude ist ein Hotel (rechts). Im gelben Gebäude (links) mit den Notfall-Dieselgeneratoren ("Dieses Gebäude ist sicher vor Erdbeben und Flugzeugabstürzen. Sie sind hier also ziemlich sicher.") befindet sich das Brütermuseum, in dem ich alles eben geschriebene gelernt habe.  Das Heckenlabyrinth (vorne rechts) war leider geschlossen.

Ich habe natürlich damit gerechnet, dass hier viele niederländische Gäste unterwegs sind. Womit ich nicht gerechnet habe, war, dass nahezu 100 Prozent der Gäste niederländisch waren und mich auch ganz selbstverständlich in ihrer Sprache ansprechen.
Auf dem Gelände stehen vor allem Fahrgeschäfte für ganz kleine Kinder. Der Freizeitpark hat aber auch eine Achterbahn...

...und eine Wasserbahn.

Rund um den mit einem Hochgebirge bemalten Kühlturm scharen sich diverse Buden, in denen es schnell frittierte Tiefkühlpommes, Softeis und Getränke gibt. Das ist im Eintrittspreis inbegriffen und man kann sich jederzeit Nachschub holen. Allerdings machen das auch alle, deshalb gab es da (anders als an den meisten Fahrgeschäften) teilweise extreme Wartezeiten. Daher habe ich nicht allzu viel gratis gefuttert.
Die Kletterwand am Kühlturm war leider geschlossen.
Direkt unter dem Turm befindet sich ein Indoorspielplatz. Mit kleinen Booten können die Kinder auf einem Wasserkanal drumherum fahren. Leider gibt es insgesamt nur etwa drei Boote, sodass die Wartezeiten ewig dauern.

Ganz anders sieht es oben im Kühlturm aus. Dort befand sich nur eine kurze Warteschlange, ansonsten wurde der Raum ausgefüllt von Leere und erstaunlich kräftigen Echos. ("Wie heißt der Bürgermeister von Wesel?" - "Ulrike Westerkamp - Westerkamp - Esterkamp…") Das Tal der Dämmerung aus Jim Knopf existiert tatsächlich.
Doch nun kommen wir zum größten Manko des Wunderlands: Viele Attraktionen öffnen spät und schließen früh. Vor allem das berühmte Kettenkarussell im Kühlturm. Als ich zum ersten Mal reinging, sollte es um 13 Uhr öffnen. Als ich um 13 Uhr reinging, stand 14 Uhr dran. Um 14 Uhr wurde es auf 14:30 verschoben. Dann öffnete es endlich und Leute stiegen ein. Während der ersten Fahrt plumpsten mehrmals Schuhe von oben in den Kühlturm hinab.

Man kann entweder außen an den Ketten oder innen direkt am Turm sitzen.

Die Sitze schrauben sich zwischen den runden grauen Wänden hinauf. Und auf einmal sind die Wände zu Ende und die weite Landschaft gerät in Sicht. Der breite Niederrhein fließt direkt neben dem Wunderland.
Irgendwie betont der graue Kühlturm die Landschaft noch einmal ganz besonders. Das ist mit Sicherheit das erstaunlichste Kettenkarussell, das ich kenne.

Als nächstes folgt, hurra, wieder einmal eine Streckensperrung, diesmal mithilfe von Schildern, Zäunen und gewaltigen Steinblöcken (dreifach hält besser).

Also müssen wir auf einen Trampelpfad neben einem Kieswerk-Fließband ausweichen.

Danach führt der Radweg neben einer Hauptstraße schnurgeradeaus weiter. Der Gegenwind wird immer kräftiger.
Eine riesige Brücke führt nach Emmerich, die letzte rechtsrheinische Stadt Deutschlands. Das dürfte die größte Rheinbrücke sein, denn es kommt keine andere Brücke mehr, bevor sich der Rhein aufspaltet.

Da hinten kommt schon die Grenze der Niederlande aus dem Norden und schwimmt ein Stückchen auf dem Rhein mit.
Och nö, schon wieder eine Straßensperrung? Na gut, dann nehmen wir eben die Straße nach links.

Unterwegs passierten wir das Haus Schmithausen. Nanu, was ist an dem Häuschen denn so außergewöhnlich, dass es in der Karte extra markiert wird? Früher stand da eine Wasserburg mit Adligen drin. Damals floss hier noch ein Rheinarm entlang, sodass sie Zölle kassieren konnten. Dann versandete der Arm. Später wurde daraus eine klassizistische Villa, in der preußische Geheimräte wohnten, dann eine Landwirtschaftsschule, eine Grundschule und heute sitzt da die Euregio Rhein-Waal für deutsch-niederländische Zusammenarbeit. Alles klar? Gut, dann fahren wir weiter.

Folgt man dieser Straße immer weiter, so gelangt man nach Kleve. Das war mal eine Kurstadt. Kleve ist bekannt für seine Architektur, die ich jetzt allerdings nicht so bemerkenswert fand,..

...und für seine Parkanlagen und Alleen. Okay, diese Platanenallee ist wirklich beeindruckend. Sie wird von einer Draisinenstrecke gekreuzt. Die Draisine hat sogar eigene Ampeln, die auf Rot schalten, wenn einer der Fahrer draufdrückt. So modern sind unsere Draisinen in Mecklenburg noch nicht.

Über der Innenstadt ragt die auffällige Schwanenburg auf.
In Kleve heißt es nun: Halbzeit. Ich habe mein Rad angeschlossen und bin weggefahren, um eine Prüfung zu schreiben. Das klappte wunderbar. Zwei Tage später kehrte ich zurück, um meine Familie einzuholen. Das klappte nicht ganz so wunderbar.

Die anderen fuhren noch ein paar Kilometer weiter (und gar nicht durch Kleve). Eine Windmühle präsentierte sich oben ohne und kündigt die Niederlande an.

Der Weg führt am Griethäuser Altrhein entlang.

Hier gibt's mal wieder eine ganz andere Art von Informationstafel. Man soll eine Telefonnummer anrufen und dann wird was vorgelesen.
Die anderen haben im sogenannten Hasenkaat im vorletzten Dorf Deutschlands übernachtet: Keeken. Danach kommt noch Bimmen, und dann die Niederlande.

Keeken ist wortwörtlich ein Kuhdorf, denn es definiert sich vor allem über seine Milchwirtschaft. Dazu gibt es ein Informationszentrum und viele Informationstafeln, auf denen die Kühe ihre Vorzüge aufzählen. ("Ohne uns gäbe es nicht diese schön gemähten grünen Wiesen.")
Oh, da brennt was auf dem Misthaufen! Ah, die Landwirte habens schon gesehen.