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Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

02 Februar 2020

Rhume: Von Rhumspringe nach Northeim

Die Hauptverbindung zwischen dem Südharz und der Weser bildet ein kleiner Fluss, zu dem es keine Fahrradkarte gibt. Ich bin planlos aufgebrochen und habe festgestellt, dass dennoch ein überraschend schöner Weg die Rhume begleitet.

Er heißt Rhume-Leine-Erlebnisweg und später Hahle-Rhume-Leine-Radweg. Sein Symbol ist ein Rad, das sowohl Indien und den Hinduismus als auch für Fahrräder und das Eichsfeld symbolisieren kann. Es findet sich in regelmäßigen Abständen auf Schildern, die von anderen Schildern gemobbt werden.

Eine Sache hat die Ruhume mit dem Rhein gemeinsam: Die Quelle ist der mit Abstand spektakulärste Ort am ganzen Fluss (was bei einem 48 Kilometer langen Fluss auch nicht so schwer ist).
Die Rhumequelle befindet sich gar nicht im Harz, sondern nur in der Nähe am Weser-Harz-Heide-Radweg, genauer gesagt neben dem Städtchen Rhumspringe, noch genauer gesagt im Ortsteil Rhumasprung (gehört schon zu Herzberg am Harz), und ganz genau gesagt nahe der Straße An der Rhumequelle. Damit dürfte dann auch der letzte Depp kapiert haben, dass da die Rhume entspringt.

Zwischen schlanken Bäumen verbirgt sich ein magischer Teich, wo irgendwo ganz tief unten das Wasser aus dem Gestein strömt und sich um Bäume, Inseln, Halbinseln und durch kleine Bachläufe windet. Diese Karstquelle ist Deutschlands viertstärkste Quelle und die stärkste in Niedersachsen. Sie könnte jeden Deutschen pro Tag mit mehr als zwei Litern Wasser versorgen.

Das bezaubernd blaugrüne Wasser ist Lebensraum einer zur Nixe verwandelten Zwergin, die unter die Erde verbannt wurde, da ihr Vater größistische Einstellungen vertrat und mit ihrer Partnerwahr (ein Riese) nicht einverstanden war. Näheres ist in den vor Ort bereitliegenden Leseproben nachzulesen. Die alte Legende hat eine Frau aus Rüdershausen zu Regional-Fantasy verarbeitet. Eine gute Idee, warum wird das nicht öfter mit den ganzen kurzen Sagen gemacht, die an zahllosen Ecke Deutschlands auf Hinweistafeln harren? Ist mal was anderes als die zig Regionalkrimis.

Auf den ersten Metern sieht die Rhume noch so aus wie die Quelle, bloß länglich. Dann kommt ein Industriegebiet.

Hinter den Schornsteinen wird es wieder rhumantischer. Hier fließt das grüne Wasser unter niedrigen Bogenbrücken durch Rhumspringe.

Weitaus beeindruckender ist diese Bogenbrücke - aber leider kann man da gar nicht drauf. Früher fuhren da Züge nach Herzberg am Harz. Weiter hinten verläuft der Weser-Harz-Heide-Radweg auf dem alten Bahndamm, doch auf der Brücke sieht der Weg ziemlich verwildert und versperrt aus.

Das nächste Dorf heißt Rüdershausen hat ebenfalls eine Sage, die im Buch über die Rhumequelle gleich mitverarbeitet wurde. Hier mahnt der mysteriöse Mahnehund die Einwohner zu ordnungsgemäßem Verhalten (also vermutlich Einhaltung der Nachtruhe, Mülltrennung und regelmäßiges Zurückschneiden der Hecken). Auf dem Schlenker durch Rüdershausen folgt die Straße zum Teil den Schlingen der Rhume. Das Wasser wird immer dunkler, und die Bäume, die es versorgt, werden immer dicker.

Die Rhume durchquert das Eichsfeld. Ich dachte eigentlich, ich kenne diese komisch-katholische Wurstregion voller Hügel und Kreuze zwischen Niedersachsen und Thüringen, schließlich war ich da schon auf vier Radwegen unterwegs (Weser-Harz-Heide, Eiserner Vorhang, Leine, Werra). Auf jedem Radweg zeigte sich das Eichsfeld ein bisschen anders. Deshalb hätte es mich eigentlich nicht überraschen sollen, dass es auch heute so war.
Erst einmal habe ich die grünen Rhumeauen durchquert. Die Rhume (hinten im Bild) hat auf diesen Wiesen jede Menge Platz. Ich nicht so sehr. Für mich stand zuerst eine Landstraße in größerem Abstand zur Verfügung und dann ein schmaler Trampelpfad. Das Highlight diese Pfades ist das eurpopäische Wasserstraßenkreuz aus dem Wollershäuser Koppelgraben (unten) und einem anonymen Entwässerungsgraben (oben).

Eine putzige Brücke kündigt den Flecken Gieboldehausen an.

Gieboldehausen gehört zu den größten Ortschaften im Eichsfeld. Das erkennt man daran, dass es hier mehr als eine Kirche gibt. Ferner ist mir aufgefallen, dass die Sparkasse von Gieboldehausen mit einem Glockenspiel ausgestattet ist. Wer das hören will, muss einen kleinen Hügel in die Innenstadt hochfahren.

In einer Parkanlage kommen die Suhle aus dem Göttinger Stadtwald und die Hahle aus Thüringen angeflossen, um sich der Rhume anzuschließen. Die Hahle ist der längste nur im Eichsfeld fließende Fluss und hat mit ihrem Treibgut gern mal die Grenzanlagen der DDR verstopft.

In Gieboldehausen stehen abgehackte Bäume am Flussufer. Hier entdeckte ich etwas, das an Rhume öfter mal zu sehen ist: Eine sehr platte, breite Brücke und direkt dahinter eine ebenfalls recht flach Mühle mit vorspringendem Dach, von der kaum etwas zu erkennen ist.

Bisher hatte der Rhume-Leine-Erlebnisweg weder viel Weg noch viel Erlebnis im Angebot. Aber jetzt überraschte er mich aber mit einem bahnsinnig tollen Radweg aus Betonplatten. Der führt auf einem Damm schnurgerade aus Gieboldehausen heraus. Klarer Fall: Das ist ein Bahnradweg.

Um das zu erkennen, musste ich nicht einmal die zwei Eisenbahnbrücken sehen. Die Brücke über die Hahle hat ein derart hohes Geländer, dass ich selbst auf Zehenspitzen kein Wasser sehen konnte. Da fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, wie eine Dampflok zwischen diesen dicken rostigen Wänden hindurchschnaufte.

Der Bahnradweg ist richtig, richtig lang, dagegen können die kurzen Bahnstückchen auf dem Weser-Harz-Heide-Radweg im Eichsfeld einpacken. Irgendwann wurden die vielen geraden Kilometer über den Acker allerdings etwas monoton, deshalb war ich ganz froh, als Bilshausen auftauchte, wo das nächste Flache-Brücke-Flache-Mühle-Ensemble wartet.

Jetzt wird es richtig schön. Asphalt gibt es keinen, aber was macht das schon, wenn der Weg so wunderbar schattig zwischen Wald und Wasser dahinzieht? Hier versorgt die Rhume sogar schon richtig große Bäume mit Wasser.

Unterwegs schließt sich die Klingenberg-Quelle an. Auf diesem Rastplatz hätte ich gern eine Pause gemacht, aber eine Familie hatte den schon in Beschlag genommen. Verflixte Abstandsregel!

Nächster Halt: Katlenburg. Hier haben Sie Anschluss an den Harz - denn hier kommen sowohl die Regionalbahn als auch die Oder heran. Dieser Fluss stammt nicht aus Polen, sondern nur aus Deutschlands nördlichstem Gebirge.

Die Oder ist breiter als die Rhume und vergrößert den Fluss in Katlenburg ordentlich. Darüber thront eine Burg (die Katlenburg halt).

Von der Rhume aus ist sie aber nur als dunkler Umriss zu erkennen. An der Hauptstraße konnte ich sie zumindest etwas besser sehen. Sie besteht aus weißer Farbe und (wenig überraschend) Fachwerk.
An dieser Hauptstraße verläuft auch ein Radweg. Mein Notfallplan war, die ganze Zeit an dieser Straße zu fahren, falls ich direkt am Fluss keine brauchbaren Wege finden sollte, was aber überhaupt nicht nötig war.

Denn auch hinter Katlenburg sind die Wege definitiv brauchbar, wenn auch ziemlich hügelig. Hier kommt die Söse, der zweite große Harzfluss, aus einer Wassermühle angerauscht.

Damit wäre die Rhume im Großen und Ganzen komplett. Jetzt muss sie nur noch vom Eichsfeld hinüber ins Leinetal wechseln, und um diesen Transit zu vollziehen, wird das Tal der Rhume deutlich schmaler.
Ich werde von der Beschilderung auf einen Waldweg ans Nordufer geschickt, der hoch über der rauschenden Rhume entlangführt und gelegentlich etwas nervige steile Schlenker in den Wald unternimmt. Aber für solche eine Aussicht nehme ich das doch gern in Kauf.
Je schmaler das Tal, desto anstrengender und sehenswerter wird die Reise. (Diese Radwegregel kann gern auch im übertragenen Sinne als Lebensweisheit interpretiert werden.)

Nach dieser letzten Hürde bin ich auch schon in der größten Stadt an der Rhume herausgekommen, und gewissermaßen auch schon dem Zielort. Zumindest ist Northeim die Ortschaft, die der Mündung am nächsten liegt. Hier musste ich mich durch ein Wirrwarr aus Kleingärten, Flussarmen, Sportplätzen, Holzbrücken und Kindergartenkindern schlängeln.

Erst danach hatte ich mir das Recht verdient, den wunderbaren Kiesweg auf dem Deich zu benutzen. Die Rhume durchquert Northeim in einem grünen Gürtel, der mich ein bisschen an die Leine in Göttingen erinnert hat - aber hier hat der Fluss noch deutlich mehr Platz. Das ist wahrscheinlich auch klug so, denn dieses Wasser kommt vom Harz und hat deutlich mehr Hochwasserpotential als die Leine.

Auf dieser Sandsteinbrücke rauschen ICEs und Metronom-Züge. Unter dieser Sandsteinbrücke rauscht der größte Wasserfall oder die größte Stromschnelle (irgendwas dazwischen) der Rhume. Ein großartiger Anblick!

An der nächsten Brücke treffe ich auf den Leineradweg, und dem soll ich jetzt der Straße entlang folgen, sagen alle Wegweiser. Seltsam, da vorn führt doch ein anderer Weg geradeaus, der näher an beiden Flüssen verläuft... ich habe mich entschieden, ihm einfach mal zu folgen.
So bin ich mitten in die Northeimer Seenplatte hineingeraten, wo die Rhume endet. Ich habe einen Kiesweg zwischen der Rhume und dem See 1 entdeckt. Die Aussichten auf die großen Kiesabbaugeräte im See ist manchmal etwas trist, aber alles in allem hat mir der Weg trotzdem gefallen. Wieso wurde der nicht zum Leine- und Rhumeradweg ernannt, der verläuft doch dichter an beiden Flüssen?

Ah, deswegen - am Ende musste ich zwischen der Autobahn und einem beliebten Badestrand über eine Wiese holpern, ohne jede Art von Weg.
Nach einem kurzen Stück auf dem Leineradweg weist ein Wegweiser auf einen Feldweg hin, an dessen Ende die Rhumemündung liegt. Genau wie die Quelle ist die Mündung sehr grün. Da hört die Ähnlichkeit aber auch schon auch: Während sich die einzigartige Rhumequelle stolz präsentiert, versteckt sich die schüchterne Rhumemündung inmitten von Gestrüpp. So richtig sehen konnte ich sie daher nicht, denn ich hatte keine Lust auf näheren Kontakt mit den hiesigen Brennnesseln.

01 Februar 2020

Eberbach: Vom Kehr nach Göttingen

Das hier ist das Kerstlingeröder Feld. Es ist eine riesige goldene Fläche mit Bäumen, tief verborgen in einem dunkelgrünen Ring namens Göttinger Stadtwald. Aus irgendeinem Grund scheint hier immer die Sonne und es ist praktisch immer wunderschön, aber immer zu kalt. Die Jahreszeit spielt in diesem Zusammenhang nur eine unterordnete Rolle.

Dieses seltsame beständige Wetter fanden in der Vergangenheit irgendwelche Gutsherren gut. Deshalb bauten sie da einen Gutshof. Heute ist der nicht mehr in so gutem Zustand, aber er leuchtet genau so golden wie der Rest des Felds. Mann, woher kommt nur dieses tolle Licht?

Ich habe noch nie erlebt, dass es dort regnet, aber falls sich doch mal ein Wassertropfen im Kerstlingeröder Feld verirren sollte, landet er in solchen Abflussgräben und fließt ab in den Wald.

Das hier ist die Borheckstraße. Sie ist so eine Art Autobahn für all die Radfahrer und Jogger, die auf den Pfaden und Waldwegen im Göttinger Stadtwald unterwegs sind.


Unter den Betonplatten der Borheckstraße entspringt der Eberbach. Also quasi. Als ich mal nachsehen wollte, entdeckte ich keine Quelle, sondern einen düsteren Tunnel mit überraschend schöner Sandsteinfassade.

Auf jeden Fall sagt Google Maps, dass der hier anfängt. Ob das stimmt, ist nicht so leicht zu sagen, denn der Eberbach ist meistens gar nicht da.

Nur ganz selten taucht er auf - der Eberbach, sicherlich einer der unbekanntesten und unbedeutendsten Zuflüsse der Weser, der so klein ist, dass man sogar schon positiv hervorheben muss, wenn er Wasser hat.

In einer Senke durchquert der Bach einen unerforschten, verlassenen Bereich des Stadtwaldes. Da dieses Bild im Frühling entstanden ist, ist hier sogar Wasser zu sehen. Außerdem leben hier viele Buschwindröschen und Waldmäuse, die zwischen den Pflanzen zu ihren Erdlöchern huschen.

Irgendwann tauchen erste Spuren menschlicher Besiedlung auf. Der Eberbach besucht einige eingezäunte Privatgrundstücke. Ein Bach darf das, ohne Hausfriedensbruch zu begehen.

Die Spaziergänger weichen unterdessen auf einen Matschweg aus, der absurderweise mehr Wasser führt als der Bach.

Dann kommt der Bach am Kehr heraus. Das ist eine Wendeschleife im Wald mit Bus-Endhaltestelle und Jägerhaus-Restaurant.

Hinter dem Jägerhaus erstreckt sich ein Wildtiergehege, in dem sogar ein weißer Hirsch lebt. Damit ist der Kehr auf einem Level mit Narnia.

Weitere interessante Orte sind eine Sternwarte und der Bismarckturm. Der sieht aus wie ein Burgturm, wurde aber erst deutlich später zu Ehren des Reichskanzlers errichtet. Darin befindet sich ein Raum, der ausschließlich von einer Bismarck-Büste ausgefüllt wird. Eine Etage höher ragt ein Aussichtspunkt gerade so über die Baumwipfel, und noch eine Etage höher ragt ein Aussichtspunkt ein ganzes Stück höher als die Baumwipfel.

Der Eberbach folgt der Straße eine Weile. Die Zivilisation rückt immer näher. Aber weil der Bach lieber noch ein bisschen mehr Wald erleben will, flieh(ß)t er lieber unter der Straße durch.

Und nun ist dieses kleine Gewässer dann doch ein bisschen beeindruckend. Der Eberbach bildet das herrliche Ebertal. Anfangs schlängelt er sich noch relativ flach durch einen grünen Teppich.

Anders als zu Beginn herrscht hier kein Mangel an Spaziergängern oder Wegen. Das zwingt den Bach ab und zu, ein weiteres Betonrohr zu passieren.

Immer steiler fallen die Seiten des Stadtwaldes ab, und immer tiefer gräbt sich der Eberbach in den Waldboden und die braunen Blätter. Er fließt durch das Ebertal. Wenn er denn fließt. Das tut er meistens im Frühling, wenn viel Regen oder Schnee fällt. Unter einer Schneeschicht sieht das Ebertal so aus.

Und wenige Tage später sieht der Eberbach dann regelrecht wie ein richtiger Bach aus.
Hinter der Holzbrücke am Waldkinderkarten knickt er nach rechts ab.

Nur wenige Meter entfernt befindet sich bereits ein Wohngebiet von Göttingen. Die ersten Häuser wagen sich bis an den Bach vor.

Deshalb muss der Eberbach seltsame Betonbecken durchqueren und immer mal wieder unter die Erde.

Kleine Quellen steuern noch ein wenig Wasser bei. Oder auch nicht, weil sie gerade ebenfalls trockenliegen.

Kinder nutzen dieses Waldgebiet zum rodeln. Oder sie bebauen den Wald mit einfachen Gebäuden aus Holz, für die sie vermutlich keine Baugenehmigung haben.

Sie bauen die Dinger sogar in den Eberbach hinein. Der ist von diesem Vorstoß der Menschen dermaßen eingeschüchtert, dass er endlich aufgibt und sich durch ein Gitter in die Kanalisation zurückzieht. So fließt er unsichtbar unter der Stadt durch und landet in der Leine.


Direkt nebenan fließt (beziehungsweise fließt nicht) übrigens ein Kollege des Eberbachs, der Hainholzgraben. Er bildet ein ebenso tiefes Tal, das bevorzugt von Mountainbikern genutzt wird. Sie haben sich hier eigene Geröllrampen errichtet, über die sie todesmutig sausen. Dabei werden sie nur extrem selten von so etwas wie Wasser gestört. Der Hainholzgraben sollte eher Mountainbikergraben heißen.