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Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

10 September 2019

Von Rotterdam nach Hoek

Rotterdam liegt noch nicht an der Rheinmündung, es sind immer noch 35 Kilometer zu fahren. Der erste Teil der Strecke führt auf roten Radwegen durch verschiedene Stadtviertel, zuerst um diesen Park herum, wo der riesige Aussichtsturm Euromast steht. Außerdem stand da noch etwas anderes.

An beiden Ufern befindet sich ein seltsames Gebäude. Als ich das erste Mal in Rotterdam war, dachte ich, dieses absonderliche Ding sei eine Art Gotteshaus. Das ist Quatsch.

Im Gebäude führt eine räudige Rolltreppe nach unten.

Und dort gibt es einen Tunnel unter dem Fluss - für Fahrräder! Natürlich auch für andere Verkehrsteilnehmer. Autos fahren im Tunnel nebenan, Fußgänger nehmen dieselbe Rolltreppe und steigen dann noch eine andere Treppe nach unten.
Der Tunnel heißt Maastunnel. Er ist schon ziemlich alt. Selbst die Nazis haben versucht, ihn fertigzubauen, als sie das Gebiet besetzt hatten. Und naja, dem Tunnel sieht man sein Alter auch durchaus an.
Wir sind schon über und neben Flüssen gefahren, aber noch nie unter einem Fluss. Eigentlich mussten wir gar nicht ans andere Ufer. Ich wollte das nur mal ausprobieren.

Hinter Rotterdam passieren wir zuerst Schiedam, wo der bekannte Schnaps Jenever hergestellt wird. Dort gibt's wieder mal Kanäle im Amsterdam-Stil und noch eine Windmühle. Die Karte will uns auf Zickzackwegen da durchführen. Wir hatten aber keine Lust darauf und folgten der Hauptstraße.

Die Autobahn verschwindet im Beneluxtunnel unter dem Fluss. Der hat auch einen Fahrradtunnel, sieht aber deutlich moderner aus.

Als zweites passieren wir Vlaardingen. Dort kommt noch die zweite Querverbindung von Süden dazu, die hier Oude Maas heißt. Und was machen die Niederländer dann? Ganz genau, einmal den Fluss umbenennen!
Ab hier heißt der Fluss dann Nieuwe Waterweg, manchmal auch noch Scheur. Dieser letzte Abschnitt des Rhein-Hauptstroms ist eigentlich künstlich. Früher floss hier ein Arm der Maas namens Brielse Zeegat, aber der ist versandet. Dadurch war der Rotterdamer Hafen vom Meer abgeschnitten. Das war ziemlich ungünstig, deswegen buddelten sich die Rotterdamer 1872 selbst einen Zugang zum Meer. Und mittlerweile wurde das Rheindelta so stark verändert, dass da jetzt der Großteil des Rheinwassers rheinfließt.

Hier sollte dann endlich mal wieder ein Radweg am Wasser entlangführen. Aber der war blöderweise gesperrt. Leider ist niemand auf die Idee gekommen, ein paar Kilometer früher darauf hinzuweisen. Wir schoben die Räder über den Deich auf einen Kiesweg, aber da ging es auch nicht weiter. Also mussten wir ein ganzes Stück zurück.

In Maasluis überquerten wir diese ungewöhnlich spitze Klappbrücke.

Dieses Kilometerschild zeigt, wie viel Strecke wir seit Konstanz am Bodensee zurückgelegt haben.

Am anderen Ufer erhoben sich dünne Bäume in schnurgerade aufgereihten Grüppchen. Dahinter stand eine lange Reihe von Windrädern. Das sind die modernen Nachkommen der Windmühlen von Kinderdijk.
Die Schilder warnen vor dem gefährlichen Golfslag. Das ist offenbar eine gelbe Welle mit schwarzer Oberfläche, die durch Schiffe verursacht wird und offene Klammern erzeugt, die Menschen nach oben spülen.

Am Horizont tauchen zwei ein gewaltige weiße Dingsbumse aus dicken Stahlstangen auf. Als die Rotterdamer sich nämlich ihren Nieuwe Waterweg gebuddelt hatten, merkten sie: Ups, die Hochwassergefahr ist ja jetzt viel höher. Alle Flüsse wurden eingedeicht. Berechnungen zeigten aber: Das reicht nicht. 1953 gab es ein sehr schlimmes Hochwasser.
1999 wurde deshalb dieses Sturmflutwehr eröffnet. Es heißt Maeslantkering

Im Prinzip besteht das aus zwei gebogenen dicken Wänden, die bis zum Flussgrund reichen. Normalerweise befinden die sich in solchen engen Wassergräben am Ufer. Da nehmen sie eine Menge Platz ein, deswegen mussten wir einen Bogen drumherum fahren.
Ein Wirrwarr aus dicken weißen Stangen verbindet die Wand mit einem Gelenk.

Übersteigt der Rhein einen bestimmten Pegel, werden beide Wände auf den Fluss gefahren und machen ihn dicht.
Am Maeslantkering stießen wir auf etwas schier Unglaubliches: Eine Hinweistafel, die nicht nur eine englische Übersetzung hatte (was schon bemerkenswert genug wäre), sondern sogar eine deutsche!

Außerdem befindet sich hier ein Museum namens Maeslantkeringshuis. Auf dem Wasserspielplatz dort wird den niederländischen Kinder von klein auf beigebracht, wie man sich mit Mini-Sandsäcken und Mini-Wehren vor einer Flut schützt. Unser Vater pumpte und pumpte dort so lange, bis die Mini-Landschaft unter Wasser stand. Hätte er noch weiter gepumpt, hätte sich die Maeslantkering sicher automatisch geschlossen.

Und dann kamen wir in Hoek van Holland an. Hier stehen Backsteinhäuser und Leuchttürme. "Excuse me, I'm going to England?", fragte jemand. Unserer Mutter war davon sehr irritiert, aber der Typ war nicht verrückt, denn hier fahren Fähren nach Großbritannien. Harwich - 2 km stand zum Beispiel auf einem Schild.
Der Bahnhof von Hoek van Holland war früher sehr wichtig, denn hier setzten Züge von Moskau nach London mit der Fähre über. Der Bau des Eurotunnels in Frankreich hat den Bahnhof jedoch schlagartig seiner Bedeutung beraubt.
Seit 2017 fahren nicht mal mehr Regionalzüge nach Schiedam, wo man nach Rotterdam umsteigen kann. Die Bahnstrecke wird zu einem Teil der Rotterdammer Metro umgebaut, das Design der Bahnhöfe muss entsprechend geändert werden. Das sollte eigentlich schon 2017 fertig sein, aber es gab zuerst weichen Boden und dann Softwareprobleme. Auf der Strecke waren ständig Testzüge unterwegs, auf denen "Sorry, buiten dienst" stand. Es fahren Schienenersatzverkehsbusse, aber ob die Räder mitnehmen? Laut Website nehmen Rotterdamer Busse normalerweise keine Räder mit. Letztlich hatten wir keine Lust, auf den Bus zu warten, und radelten alle wieder zurück nach Rotterdam. Dort wollten wir auch noch die zweite Nacht schlafen, denn in Hoek gab es keine Unterkünfte.

In Hoek leben nicht nur Möwen, sondern auch zahlreiche Raben, die um Kekskrümel betteln.

Die Alpakas hingegen bevorzugen Gras.

Hier haben wir Fischbrötchen erworben, welche wir dann selbst zusammenpuzzeln mussten. Das war aber nicht so kompliziert.

Wir folgen ein Weilchen der Straße. Aber nicht auf der Straße fahren! Wer den Radweg übersieht und noch aus deutscher Gewohnheit auf der Straße radelt, wird von der Polizei zurechtgewiesen. Also, das schreibe ich jetzt ganz allgemein so, nicht dass mir das passiert wäre, ähem.
Dann knickt die Straße rechts ab, von der Rheinmündung weg. In ungefähr einem Kilometer ist die Reise zu Ende. Aber wo? Tja, es gibt da zwei mögliche Schlusspunkte.

Offiziell und laut unserer Karte endet die Tour an diesem Wegweiser, der die Entfernung nach St. Petersburg, Shanhai, New York und all so was zeigt (haha, ist jetzt auch die neuste originellste Idee). Der steht in einer Passage von Strandgeschäften.

Hier befindet sich auch das letzte Rheinradwegschild.

Es gibt aber noch einen anderen Schlusspunkt, der viel mehr hermacht.
An der Stelle, wo die Straße abknickt, führt geradeaus ein Betonweg namens Noorderhoofd weiter.
Einige Bunker und das Atlantikwall-Museum (im Hintergrund) erinnern dort an die wichtige Rolle, die Hoek im Zweiten Weltkrieg an der Front spielte.
Das Radfahren ist da nicht explizit verboten, aber wahrscheinlich nicht so sehr erwünscht wie auf der offiziellen Route. Das hielt aber weder uns noch andere Radfahrer auf.

Was uns hingegen aufhielt: Der Noorderhoofd ist teilweise von Sand, Matsch, Pfützen und Fußgängern bedeckt. Alle vier Dinge können manchmal zum Absteigen zwingen. Auf einigen Fotos im Internet habe ich gesehen, wie tosende Wellen auf den Weg schlagen, bei starkem Wind würde ich mich da nicht rauftrauen. Heute war die See aber ziemlich ruhig.
Rechts erhebt sich eine breite Dünenlandschaft. Die Holzwürfel da hinten sind Ferienhäuser. Die waren uns aber zu teuer, und andere Unterkünfte gibt es in Hoek fast gar nicht.

Der Strand selbst hat laut einem Schild uitstreckende (herausragende) waterkwalitet. Das Wasser war in der Tat sehr klar und wunderbar quallenfrei. Es wurde nur ganz allmählich tiefer. Gerade zog sich das Wasser zur Ebbe zurück, und es wollte mich mitziehen. Es war problemlos möglich, gegen die Strömung zu laufen. Wollte ich jedoch dagegen anschwimmen, kam ich nicht vom Fleck. Man sollte also besser nicht so tief reingehen, dass man keinen Boden mehr unter den Füßen hat. Ansonsten passiert einem dasselbe wie dem Rhein: Man verschwindet in der Nordsee.

Am anderen Ufer ist wieder mal ein moderner Hafen, und zwar der von Maeslantvlakte. Der verteilt sich noch auf einige Inseln. Auf den letzten Metern kommt noch der Calandkanal dazu.

Der Betonweg führt weit hinaus in die Nordsee auf das Pier von Hoek van Holland. Das ist ein beliebter Punkt zum Fotografieren von Schiffen. Das Wasser von Rhein und Nordsee ist noch getrennt, sieht aber schon sehr ähnlich aus. Auf dem Rhein waren sogar mehr Wellen.

Das Pier endet dann an einer Betonmauer, und das wars. Fertig!

Kurz nach unserer Ankunft kam noch eine andere Fahrradfamilie dazu, die aus Konstanz am Bodensee losgefahren sind. Dadurch konnten wir gegenseitig Gruppenfotos machen.
Weiter hinten liegen noch große Betonwürfel im Wasser. Darauf kann man aber nicht ganz so gut radfahren. Der Steinhaufen zieht sich noch weit ins Meer hinaus, bis sich Rhein (bzw. der Nieuwe Waterweg) und Nordsee vereinen.
Damit haben wir unseren zweiten Fluss geschafft, und diesmal sogar mit der ganzen Familie.

Und zum Abschied wieder einmal ein kleiner Nachtrag zur Bahn. Das Besondere daran ist: Diesmal ist es wohl der letzte.
Nach einer Fahrt mit diversen Problemen (in Rotterdam Centraal wird aus irgendeinem Grund der Fahrradwagen abgehängt, ins Osnabrück 35 Minuten Verspätung) passierte etwas, das für unsere Eltern das Fass zum Überlaufen brachte. Wir wollten in einen ICE einsteigen, der nicht genug Fahrradplätze hatte. Das ging nicht, also wir mussten wieder aussteigen, das ist absolut nachvollziehbar. Nun, wie könnte man dieser dreisten Familie dies darlegen? Sie höflich, aber bestimmt bitten, auszusteigen? Wie langweilig!
Ein Zugbegleiter namens "Mein Vorname geht Sie einen Scheiß an" Schmitz brüllte lieber aus dem Stand in einer Lautstärke drauflos, dass unser kleiner Bruder instinktiv wegrannte. So etwas haben wir noch nie erlebt.
In Zukunft wollen sich unsere Eltern also nicht mehr für 550 Euro Hin- und Rückfahrt anbrüllen lassen. Sie werden nur noch das Auto nehmen. Herr Schmitz hat die Bahn also 500 bis 1000 Euro Einnahmen im Jahr gekostet.

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