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Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

12 September 2021

Weser: Von Sahlenburg nach Cuxhaven

Weser-Tag 10: Heckenstrecke zum Flusskuss

gefahren im: Juni 2022
Start: Cuxhaven, Bahnhof/Kugelbake
Ziel: Campingplatz Sahlenburg
Länge: 12,5 km
Weserquerungen: 0
Ufer: rechts in großem Wattabstand
Bundesländer: nur Niedersachsen
Landschaft: herrliche Heide und Heckendünen
Wegbeschaffenheit:
 Radwege vor und hinterm Deich
Steigungen: nö
Wetter: Sommerhitze
Wind: Westwind
Highlight: Sahlenburger Heide
Größte Hürde: die siebenmalgottverfluchte Drecksmistbahn
Zitat des Tages: "Zu wenig Platz in deiner Koje? Wirst ohnehin nicht viel Zeit da drin verbringen."
- alter Hochseefischer zum jungen, Tonaufnahme, Museum Windstärke 10, Cuxhaven

1. Die letzte Etappe ist viel kürzer, aber auch viel schöner als die gestrige, längere Nordsee-Strecke. So langsam verstehe ich, warum hier so viele Urlaub machen. Möchten Sie es auch verstehen, besteigen Sie diesen extrabreiten Holzturm und sehen sich um.


Oder noch besser: Gehen Sie zu Fuß durch die Sahlenburger Heide, selbst wenn sie noch nicht blüht. Die geschwungenen Hügel sehen toll aus. Mittendrin wachsen immer wieder Hecken mit Rosen oder so was drin, und die blühen früher als das Heidekraut.
Dahinter liegt der Duhner Anwachs, eine künstliche Salzwiese. Die Menschen haben sie mit Pfählen und Büschen erschaffen, um Land für eine Schafweide zu gewinnen. Jetzt grasen da keine Schafe mehr, weil sie zum Naturschutzgebiet gehört.


2. Die Hecken begleiten Sie den ganzen Tag als gigantische grüne Wand mit rosa Puscheln. Durchqueren Sie einen Tunnel aus Nadelbäumen und lassen Sie den Blick über die Salzwiesen streifen.

3. Fahren Sie in Duhnen auf die Straße, um das Meer den Fußgängern zu überlassen. Duhnen ist im Prinzip ein größeres Sahlenburg mit Wasserrutsche. Die Hotels sind ebenso hässlich, aber die Hecken gehen ebenso schön weiter.

4. Hinter Duhnen verbannt man Sie hinter Düne und Deich, die Strandpromenade gehört den Spaziergängern. Fühlen Sie sich trotz des breiten Radwegs mit Leitlinie ein wenig zurückversetzt. Immerhin sind die Hecken immer noch da.
Nur zu sehr früher oder später Stunde können Sie erwägen, gegen das Fahrradverbot zu verstoßen.

5. Ihre Reise endet an einem Ort, wo ganz viele Radler gegen das Fahrradverbot verstoßen. Gehen Sie mit oder ohne Rad auf die kurze Landzunge zur Kugelbake, sofern Ihnen der Blick vom Deich nicht reicht. Auf der anderen Deichseite ragen die Ziegel des Fort Kugelbake aus dem Gras.
Für alle Auswanderer, die lieber die noch tödlicheren Segelschiffe ab Hamburg statt ab Bremerhaven wählten, war dieses hölzerne Türmchen-Teil das letzte, was sie von Europa sahen. Es markiert die Mündung der... Elbe. Moment, was?
Glückwunsch, Sie haben das nächste Flusssystem erreicht! Wenn die Weser keine eindeutige Mündung hat, dann muss der Weserradweg eben beim Elberadweg schnorren gehen. Auf dem Deich prangen die Symbole beider Radwege. Irgendwo hinter dieser Spitze vermischen sich Elbe und Weser in vielen Prielen. Oder wie der Weserstein von Hann. Münden sagen würde:

Wo Weser sich und Elbe küssen,
sie ihre Namen büßen müssen
und hier entsteht, so weit und leer,
Europas Nordsee - watt ein Meer!


Egal ob vom Wilseder Berg in der Lüneburger Heide oder Eggenstedt in der Magdeburger Börde, ob aus Usseln oder Erndtebrück im westfälischen Rothaargebirge, ob aus den zahllosen Quellen, Gräben Wasserfällen und Stauseen im Harz, aus dem Teutoburger Wald, aus Leinefelde im Eichsfeld, von der Wasserkuppe in der Rhön, aus der Drachenschlucht bei Eisenach, aus dem Steinhuder Meer und dem Dümmer See, aus Siegmundsburg und Fehrenbach tief im Thüringer Wald und zu einem Drittel sogar aus der Hase-Bifurkation - all dies Wasser landet am Ende in diesem Meer.



6. Radeln Sie auf dem Elberadweg zum Bahnhof Cuxhaven. Den Hafen sehen Sie unterwegs, die Innenstadt müssen Sie nicht unbedingt anschauen, aber wenn Sie Zeit haben, lohnt sich das Museum Windstärke 10.
Kehren Sie per Bahn nach Hause zurück und kommen Sie mit viel Glück noch am selben Tag an.

11 September 2021

Weser: Von Nordenham nach Sahlenburg

Weser-Tag 9: Die Weser-Weltreise

gefahren im: Juni 2022
Start: Campingplatz Sahlenburg
Ziel: Campingplatz Nordenham
Länge: 60 km
Weserquerungen: 1 (Fähre)
Ufer: rechts, außer am Anfang
Bundesländer: Niedersachsen, NRW
Landschaft: Wälder, Watt und Wiesen
Wegbeschaffenheit:
 Radwege und Kieswaldwege
Steigungen: wenige Hügelchen
Wetter: Wechselsommer
Wind: Westwind
Highlight: Auswandererhaus & Klimahaus Bremerhaven
Größte Hürde: gesperrte Drehbrücke im Hafen
Zitat des Tages: "Bin unterwegs, komme zurück in zwei Jahren."
- Anrufbeantworter von Axel Werner -

1. Umrunden Sie das Nordemhamer Industriegebiet auf Hauptstraßen, an denen sich drei verstümmelte Windturbinen drehen. Möglicherweise werden in Nordenham kaputte Windräder hergestellt.

2. Setzen Sie Ihre Reise auf Deichradwegen fort, diesmal allerdings ohne Kegel. Es geht zwischen stillen steinernen Vorgärten und Fabriken hindurch.

3. Erreichen Sie den Fähranleger in Blexen und fahren Sie auf das rostige Brückenanlegerdingsbums hinaus. Nebenan liegen ungefähr doppelt so hohe verrostete Röhren. Möglicherweise werden in Blexen rostige Windräder hergestellt.

Hier verkehrt die letzte (und mit 4,2 Euro teuerste) Weserfähre, danach ist der Fluss zu breit. Nehmen Sie das Schiff, Ihnen bleibt keine Wahl. Checken Sie vorher den Fahrplan, der an eine Straßenbahn erinnert: Mal fährt das Schiff stündlich, manchmal auch alle 20 Minuten.


Die Weser wird hier so richtig breit, und Sie stoßen auf die Nordsee und den Nordseeküsten-Radweg.
Glauben Sie deswegen aber nicht, die Weser sei zu Ende.
Komischerweise ist sie das nicht.
Die Unterweser wird nur zur Außenweser.


4. Die Fähre legt an der Mündung der Geeste an. Um den großen Straßen auszuweichen, folgen Sie dem Nebenfluss in die eindrucksvolle Innenstadt von Bremerhaven. Sie ist längst nicht so schön oder alt wie Bremen, aber ihre Geschichten hängen eng zusammen:
Als die Weser verschlammte und die Schiffe ihr Zeug lieber in Brake abluden, hatten die Bremer ein Riesenproblem. Gegen eine ordentliche Stange Geld verkaufte ihnen das Königreich Hannover 1827 geeignete Grundstücke am Meer, auf denen sie einen neuen Hafen bauen konnten, den sie aus akutem Mangel an Kreativität Bremer Hafen nannten - aber mit V, damit die Bedeutung nicht zu offensichtlich ist! Der Hafen wurde belächelt und kam eine Weile nicht richtig in Fahrt.
Gleichzeitig gab es auch eine unabhängige Nachbarstadt namens Wesermünde, die von den Bauern und Fischern aus dem Wurster Land gegründet wurde. Den freiheitsliebenden Wurstern waren die machtgierigen Bremer wurst. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, während Berlin geteilt wurde, schlossen sich Bremerhaven und Wesermünde zusammen, denn da war alles andere eh wurst. Heute werden Sie nicht erkennen, wo die Grenze von Wesermünde verlief.


5. Wenn Sie etwas Eindrucksvolles sehen wollen, fahren Sie rüber zu den Havenwelten. Das ist ein Haufen futuristischer Glaskästen mit vielen Museen. Das Aushängeschild der Stadt erreichen Sie wahlweise über verschiedene Klappbrücken oder einen Glastunnel. (Der bringt Ihnen aber nur was, wenn Sie gerade im Parkhaus ausgestiegen sind, durchradeln können Sie da nicht. Auf den Brücken ist es allerdings auch nicht so einfach mit den Fußgängern.)
Als erstes erwartet Sie das U-Boot Wilhelm Bauer. Es ist etwas kleiner als das U-Boot in Kiel, dafür liegt es noch im Wasser.


Sie befinden sich auf dem Breitengrad 8° 34' Ost. Auf dieser Linie liegen Bremerhaven und die Weser. Die Weser kennen Sie ja nun schon. Möchten Sie auch noch den Rest des Breitengrades bereisen? Es kostet nur 12 Euro.
Das Museum Klimahaus folgt der Spur des Bremer Weltreisenden Axel Werner. Zu jedem Land existieren mehrere Räume mit der richtigen Kulisse, Temperatur und Luftfeuchtigkeit.
Auf dem Breitengrad liegen:
  • Ein Berg in der Schweiz. Brr, der Gletscher ist kalt!
  • Eine zwei Meter hohe Getränkedose in riesigen Grashalmen auf Sardinien
  • Eine großes Stück Wüste in Niger mit genau einem vertrockneten Baum. Uff, ich habe Durst!
  • Das extrem schwüle, dunkle Regenwald-Labyrinth in Kamerun - meine liebste Station
  • Ein schmaler Pfad im Eis der Antarktis. Aaah, schnell raus hier!
  • Felsen mit Schlingpflanzen, eine Kapelle und zahlreiche Aquarien auf Samoa. Wunderschön!
  • Trampoline in der felsigen Ödnis von Alaska
  • Die deutsche Hallig Langeneß: eine Insel aus Kunstrasen, auf der Sie bei Flut vom Wasser umschlossen werden
Ganz interessant ist auch, wie die Entfernungen zwischen den Reisezielen zurückgelegt werden. Anfangs sind die Verkehrsmittel noch irgendwie glaubwürdig, aber mit der Zeit werden Sie immer abstrakter: Per Bahn (das heißt, Sie laufen auf einem Bahngleis), per Sessellift, per Flugzeug, per Himmelsleiter oder unter Wasser.


Sollten Sie nach dem kompletten achten Breitengrad immer noch an Fernweh leiden, können Sie nach Amerika auswandern. Das andere große Museum nennt sich nämlich Auswandererhaus. Hier geht es um das Geschäftsmodell, das den Hafen von Bremerhaven erst so richtig ins Rollen gebracht hat.
Erhalten Sie am Eingang schon wieder eine andere Identität inklusive Pass und Fahrkarte. Lauschen Sie in der Wartehalle von Bremerhaven einer hochgradig unnötigen Einführung. Falls Sie nicht wissen, wer Sie (also Ihre Museumsidentität) sind, suchen Sie in Schubladen und Kopfhörern nach Infos über sich selbst. Die Kopfhörer aktivieren Sie, indem Sie ihren Ausweis drauflegen, weil ein Knopfdruck wohl zu langweilig wäre.
Besteigen Sie anschließend ihr Schiff. Die älteren Segelschiffe waren furchtbar. In den engen Holzverschlägen auf dem Zwischendeck sind 1,8 % der Passagiere an Krankheiten und Mangelernährung gestorben. (Damit hatte Bremerhaven noch eine echt gute Quote, Hamburg hatte 1 Prozent mehr und Großbritannien sogar 3,1 %.) Noch gar nicht einberechnet ist, dass jedes sechste Segelschiff sowieso aufgrund von Verzögerungen im Betriebsablauf außerplanmäßig am Meeresgrund endete.
Nehmen Sie also unbedingt ein Dampfschiff vom Ende des 19. Jahrhunderts, dort wurde sogar in der Dritten Klasse ganz gutes Frühstück serviert, und die Überfahrt dauert nur 10 Tage anstatt 6 Wochen. Aber arbeiten Sie bloß nicht als Heizer. Die Arbeit ist so anstrengend, dass sich vor 1900 zwischen 4 und 16 % der Heizer pro Fahrt das Leben nahmen.


Wenn Sie auf Ellis Island in New York ankommen, achten Sie darauf, möglichst stark und gleichmäßig die Treppe hochzulaufen. Sonst werden Sie heimlich mit einem Kreidekreuz am Mantel als Kranker markiert und das mit der Einbürgerung wird schwierig. Falls Sie zu den wenigen gehören, die nicht genommen werden, muss die Reederei Sie gratis zurückschiffen.
Haben Sie es geschafft, suchen Sie auf dem Bahnhof Grand Central Station in New York ihren Wunsch-Wohnort aus. Unter anderem stehen Ihnen etwa 10 Orte namens Bremen in den USA zur Verfügung (die auf der Karte unten rechts blau leuchten).
Ob Sie vor Hungersnöten fliehen, in Europa als Frau Ihren Schulabschluss nicht machen konnten, einen deutschen Supermarkt eröffnen oder einfach einen höheren Lohn wollen, spielt grundsätzlich keine Rolle. Nur zwei Tipps:
Wenn Sie vor dem deutschen Wehrdienst fliehen, weil Sie nie in Ihrem Leben eine Waffe in die Hand nehmen wollen, sind die USA eventuell nicht das optimale Ziel.
Wenn Sie dagegen vor den Nazis fliehen, ist Brasilien eventuell nicht das optimale Ziel. Ansonsten könnten schon bald ganz ähnliche Leute wie die, vor denen Sie geflohen sind, Ihre selbstgegründete Siedlung infiltrieren und versuchen, sie in ein völkisches Musterdorf umzuwandeln. So ging es Erich Koch-Weser, dem ehemaligen deutschen Vizekanzler, mit seinem Dorf Rolandia (eine Siedlung nach Bremer Vorbild).

Recherchieren Sie schließlich am Computer nach der Auswanderungsgeschichte Ihrer eigenen Familie. Sollten Sie keinen total seltenen Nachnamen haben, lautet das Ergebnis: Hm, da waren echt viele in Amerika mit meinem Namen, aber woher weiß ich jetzt, wer davon mit mir verwandt war?

6. Passieren Sie die letzte Kneipe vor New York. Da Sie ja gerade schon in New York waren, müssen Sie nichts trinken.

Besteigen Sie einen Aussichtsturm, der nur aus Schiffscontainern besteh... ach, schade, die Klappbrücke dorthin ist kaputt.

Folgen Sie den straßenbegleitenden Radwegen einmal quer durchs Hafengebiet, an den Gleisen entlang, und umrunden Sie unbehelligt das Zollgebäude. Willkommen in der Bundesrepublik Deutschland! Och, schön, da wollten Sie bestimmt schon immer mal hin.

Sie dürfen zwar nicht ganz bis zu den Container-Kränen am Wasser, aber schon ziemlich nah dran. Das ist eine Besonderheit - in Hamburg oder Rotterdam werden die Radler großräumig umgeleitet und müssen eine Hafenrundfahrt buchen, um derart viel zu sehen.
Das hat vielleicht auch seine Gründe. Achten Sie auf die Ausfahrten, aus denen ständig gefährliche LKWs rauskommen. Also, rein theoretisch. Außer Sie fahren am Wochenende, dann steht der ganze Hafen still. Das ist sicherer, aber auch langweiliger.


7. Hinter dem Hafen machen Sie einen kleinen Umweg, um die Brücke über einen Nebenfluss zu finden. Zur Belohnung dürfen Sie ein kurzes Stück direkt an der Nordsee fahren, noch vor dem Deich.
An dieser Stelle verändern sich schlagartig zwei Dinge:
Das Meer aus Hafenkränen ist zu Ende. Das Watt beginnt.
Bremen ist zu Ende. Niedersachsen beginnt, genauer gesagt das Wurster Land.
Das ist bitter für Bremen: Niedersachsen, Schleswig-Holstein und sogar Hamburg haben ihr eigenes Watt. Nur Bremen hat kein kein Wattenmeer. Oder besser gesagt: Bremen hat kein Watt mehr. Ich wette, die hatten eins, aber sie haben alles mit ihrem Hafen zugebaut, genau bis zur Grenze. Insofern: Selber schuld.
Die Weser fließt ein Stück vom Ufer entfernt und ist bei klarem Wetter leicht zu finden. Bei Ebbe Niedrigwasser sowieso, dann ist nur dort Wasser drin. Und bei Flut Hochwasser markieren rote und grüne Tonnen den Flusslauf. Anders ausgedrückt: Die Ufer der Weser sind jetzt sehr matschig und befinden sich manchmal unter Wasser. Kann man das überhaupt einen Fluss nennen? Ja, kann man, sonst wäre die Radtour schon vorbei.

Für einen besseren Überblick durchqueren Sie einen Friedhof und besteigen Sie den Ochsenturm. Der Sage nach haben zwei Ochsen bestimmt, dass hier der optimale Platz ist, um eine Kirche zu bauen. Im ständigen Kampf mit dem Meer sind zwei Dörfer, für die diese Kirche zuständig war, in einer Sturmflut untergegangen. Die Kirche hat durchgehalten, also hatten die Ochsen wohl irgendwie Recht. Erst 1881 war die Kirche so baufällig, dass die Gemeinde alles bis auf den Turm als Ziegelsteinbruch verkauft hat. Heute steht ein Stück entfernt ein modernes Kirchenschiff.
Ducken Sie sich und betreten Sie vorsichtig in einen finsteren Ziegelgang. Ist die Treppe etwa unbeleuchtet? Nein, nach ein paar Metern scheint wieder Licht rein. Sie benötigen keine Taschenlampe, außer wenn Sie sich dadurch wohler fühlen.

Einige Kilometer später bietet sich die nächste Gelegenheit, aufs Meer zu schauen: Besteigen Sie das Vogelbeobachtungshaus auf dem Deich... ach nee, lieber doch nicht, es sei denn, Sie halten Stufen als Bestandteil einer Treppe für entbehrlich. Dann schauen Sie eben vom Deich aufs Meer und suchen Sie nach Vögeln oder nach der Wesermündung. Kleiner Tipp: Vögel sind leichter.

In der Nähe von Wremen (der Ort wurde ganz bestimmt absichtlich so genannt, damit ihn alle mit Bremen verwechseln) teilen zwei Wattflächen namens Tegeler Plate und Robbenplate die Weser in zwei Hälften. (Robben können Sie vom Land aus trotzdem nicht sehen.) Die Schiffe benutzen nur noch den westlichen Arm, aber nicht einmal den können Sie von hier aus besonders gut erkennen.

Und noch ein Stück weiter nördlich, bei Misselwarden, knickt die Weser schräg ab und führt von der Küste weg. An der Stelle hat irgendein Geograph gesagt: So, das ist jetzt breit genug, ab jetzt nennen wir das Meer und nicht Fluss. Woraufhin die Seemänner gesagt haben: Mooment, also für uns ist das irgendwie schon noch ein Fluss, immerhin müssen wir da durchfahren, überall sonst ist es zu flach. Und die Bäche, die noch kommen, zählt ihr Geographen schließlich auch noch zum Einzugsgebiet der Weser. Und die Geographen sagten: Also gut, dann nennen wir das halt den Äußeren Teil der Außenweser.
Sie merken schon: Äußerungen zur Außenweser sind nur mit äußerster Vorsicht möglich. Ein richtiges Ende werden Sie nicht finden. Die Weser mündet nicht, sondern geht im Watt verloren.
Kein Wunder, dass sich der Weserradweg ein besseres Ziel gesucht hat.

Folgen Sie weiter dem Deich, auch wenn er sich in eine braune Baustelle verwandelt und Sie da nicht mehr raufdürfen.


8. Pausieren Sie in einem weiteren Melkhus und holen Sie sich gegen Kasse des Vertrauens... diesmal kein Eis, aber etwas ähnliches. Hier gibt es gekühlten Stracciatellajoghurt mit Cappuccino. Er schmeckt wie... naja, Stracciatellajoghurt und Cappucino. So richtig fügen sich die beiden Komponenten nicht zusammen. Nehmen Sie lieber das Holundergetränk mit Ingwer, das ist super.


Erschrecken Sie sich vor einem Reh, das bei näherer Betrachtung nur eine Statue ist. Die vielen Hasen sowie eine Bisamratte, die Ihnen wortwörtlich über den Weg laufen, sind hingegen echt, aber zu schnell zum Fotografieren. Sie taugen nur für einen kurzen Moment des "Guck ma... ach nee, schon weg."


Durchqueren Sie schließlich das urige Naturschutzgebiet des Wernerwalds. Atmen Sie zur Abwechslung mal holzige statt salzige Luft ein.

9. Das Seebad Sahlenburg besteht aus zwei Teilen: In der ersten Reihe am Strand stehen Hotelkästen, weiter hinten folgen kleinere Häuser. Hinzu kommt ein eigenartiger Kirchturm, der wie ein Hochsitz aussieht.
Wollen Sie in Sahlenburg übernachten, müssen Sie sich mit den hinteren Reihen zufriedengeben. Die Campingplätze und Hotels am Meer sind entweder schon lange ausgebucht, nehmen keine Gäste nur für eine Nacht oder nehmen generell keine Zelte (obwohl ihr Logo ein Zelt zeigt), angeblich aus "Baumschutzgründen". Diese Ecke der Nordsee ist wahnsinnig beliebt. Eine Unterkunft zu finden ist Mitte Juni schwieriger als Mitte August an der Ostsee. Warum dat denn? Wegen des Wattenmeeres? Nee, als ob alle, die hier in ihrem Wohnmobil hocken, eine ausgiebige Wanderung im Matsch unternehmen. Wahrscheinlich einfach, weil hier so ein richtig schöner Sandstrand mit Dünen wartet. Also das, was es an der deutschen Ostsee fast überall gibt. Nee, es ergibt immer noch keinen Sinn.

10 September 2021

Weser: Von Bremen nach Nordenham

Weser-Tag 8: Eine leerreiche Strecke

gefahren im: Juni 2022
Start: Campingplatz Nordenham
Ziel: Bremen, Altstadthostel
Länge: 70 km
Weserquerungen: 1 (Brücke)
Ufer: links
Bundesländer: Niedersachsen, Bremen
Landschaft: Deiche mit einem Hauch von Nichts
Wegbeschaffenheit:
 asphaltierte Kegel-Radwege
Steigungen: Deich hoch, Deich runter, Deich hoch
Wetter: Regen verschiedener Art
Wind: leichter Nordwestwind
Highlight: Zu-viel-Cafe in Brake
Größte Hürde: naja, der Regen, aber eigentlich ging es trotzdem
Zitat des Tages: "Wiuwiuwiu!" - Alarmanlage im Hochofen -

1. Überqueren Sie den finsteren Radweg in der unteren Etage der Stephanibrücke. Hier liegen die letzten beiden Weserbrücken, danach ist der Fluss zu breit. Ein Tunnel kommt noch, anschließend müssen Sie sich mit Fähren begnügen.
Ihnen steht sogar die volle Breite des Radwegs zur Verfügung. Bremen hat die Hälfte jahrelang mit einem Bauzaun blockiert, um die Brücke zu entlasten - eine Spur auf der Fahrbahn wollte man nicht sperren. Es dauerte lange, bis den Verantwortlichen auffiel, dass die Bauzäune mehr wiegen als die Radler und Fußgänger, die sich sonst auf dem halben Radweg bewegen würden.


2. Wie beim Reinkommen verabschiedet sich Bremen mit Radwegen durch Industriegebiete. Der Unterschied: Diesmal folgen Sie großen Hauptstraßen, weshalb die Zick-Zack-Windungen viel länger und gradliniger sind. Unterqueren Sie den Tunnel einer Fabrik, in der anscheinend Blattschneideameisen angestellt sind. Suchen Sie vergeblich einen nicht existierenden Aussichtsturm zwischen Zäunen und grauen Mauern.


3. Dann dürfen Sie endlich zurück ans Wasser, denn Industrie und Häfen haben sich ans andere Ufer zurückgezogen. Fühlen Sie sich wie am Niederrhein. Beobachten Sie überrascht, wie aus dem rostigen Hochofen immer noch Rauch aufsteigt. Lauschen Sie dem lieblichen Heulen der Sirenen und hoffen Sie, dass gleich nichts Wichtiges explodiert.


Passieren oder parken Sie in einem erschreckend niedrigen Tierstall aus beigem Blech, der sich bei näherem Hinsehen als Fahrradgarage herausstellt.
Die kleinen Örtchen an der Unterweser haben alle ihre eigene Geschichte, in der sie sich auf irgendeine Art von Schiffahrt spezialisiert haben. In Lemwerder starteten zum Beispiel Schiffe nach Grönland, um Robben und Wale zu jagen.


Am anderen Ufer liegt der Stadtteil Vegesack. Fegende Säcke werden Sie da nicht anzutreffen, sondern nur einen Hafen mit historischen Holzschiffen, hässliche Häuser und die Mündung der Lesum, wo sich jede Menge Wasser aus der Lüneburger Heide der Weser anschließt. Dort (w)endet der Wümmeradweg.
Fahren Sie da nur mit der Fähre rüber, wenn sie ein Segelschiff-Fan sind, eine Runde an der Wümme fahren oder Bremens größtes Schwimmbad besuchen wollen.


So, das war Bremen. Wie die meisten Leute wissen, liegt nördlich von Bremen Bremerhaven. Aber was gibt es eigentlich dazwischen? Das kommt aufs Ufer an.
Bremen und Bremerhaven liegen am rechten Ufer, aber dazwischen ist... gar nichts. Der Radweg am rechten Ufer führt laut Karte durch Leere. Alle Dörfer und Städtchen liegen am linken Ufer. Ein Blick auf einen Netzplan der Bahn bestätigt dies: Rechts gibt's nur eine Bahnstation (Osterholz-Scharmbeck - und das liegt weit von der Weser entfernt), links sind es neun.
Also gut, dann nehmen Sie eben das linke Ufer, damit es nicht ganz so öde wird.
Das klappt bestimmt.
Ähm, ja.


Keine Sorge, die Strecke sieht nicht den ganzen Tag so aus. Also staunen Sie ein paar Kilometer, wie wahnsinnig breit die Weser geworden ist und wie wahnsinnig wenig eine Landschaft enthalten kann.
Betrachten Sie anschließend eine lange Grafittiwand, die unter anderem eine Karikatur der Bremer Stadtmusikanten enthält.


Erkennen Sie zum ersten Mal die Wirkung der Gezeiten. Oder warum sollten diese Segelboote sonst durch Schlamm segeln?


Machen Sie Pause im Melkhus und essen Sie ein Eis - aber nur wenn Sie einen trockenen Sitzplatz unterm Vordach finden, bei dem die Wand in Windrichtung steht. Ein Melkhus ist eigentlich bloß eine grüne Hütte, in der Landwirte ihre regionalen Produkte gegen Kasse des Vertrauens verkaufen. Dieses Hus wurde aber zum Cafe ausgebaut. Es steht in einem Ort namens, ähm, Ohrt.

4. Falls demnächst die volle Stunde beginnt und Sie nicht unbedingt im Schifffahrtsmuseum Schiffssimulator fahren wollen, verzichten Sie auf das Städtchen Elsfleth und fahren Sie weiter geradeaus. Dadurch sparen Sie etwa 10 Kilometer. Überqueren Sie einen schmalen Graben und betreten Sie, ohne es richtig zu bemerken, die Insel Elsflether Sand. Ihre Wäldchen und Deiche sehen etwas natürlicher aus, aber auch nicht völlig anders als auf dem Festland. Passend zum Namen haben sie einen leichten Stich ins Gelbliche.


Passen Sie das richtige Zeitfenster ab und überqueren Sie das Huntesperrwerk - das einzige Sperrwerk, über das ich je mehrere Memes gemacht habe. Es öffnet sich für Fußgänger und Radler "zur vollen Stunde", so steht es überall. Das bedeutet: Von 11:57 bis 12:07 oder halt irgendwie gerade so lange, wie der Brückenwärter Bock hat oder bis ein Schiff die Hunte entlangfährt, dessen Mast nicht unten durchpasst, keine Ahnung, seien Sie einfach zur vollen Stunde da, dann passt das. Außer das Sperrwerk ist wegen einer Baustelle gesperrt.
Wenn Ihnen kurz darauf Radler entgegenkommen und die Brücke wieder hochgeklappt ist, verraten Sie es ihnen ruhig. Sie werden nur mittelmäßig enttäuscht sein, weil sie schon damit gerechnet haben.

 

5. Der Rest der Strecke sieht folgendermaßen aus: Deiche, Schafe und eine Schranke, an der grundsätzlich und generell ein Kegel hängen muss. Kegeln können Sie auf diesem Radweg trotzdem nicht.


6. So, jetzt schauen Sie sich doch noch zwei größere Weser-Städtchen an. Das erste besteht aus bunten Häuschen und einem Bahnhof, der wie eine goldene Kirche aussieht. Brake war eine Zeitlang ein erfolgreicher Hafen, weil die Weser ab 1700 immer flacher wurde und die Schiffe nicht weiter durchkamen. Die Herzöge von Oldenburg bekamen die ganze Waren und die Bremer Kaufleute knirschten mit den Zähnen. Am Ende fand Bremen eine Lösung, welche die Landkarte der Wesermündung völlig veränderte.
Legen Sie eine Pause in einem Café ein, in dem von allem zu viel serviert und sich dafür auch noch entschuldigt wird. Zu viel Kakaopulver auf dem Kakao? Zu viel Karamellsirup im Karamell-Macchiato? Als ob so was geht! Antworten Sie am besten, dass es vielleicht ein bisschen mehr als üblich ist, das aber überhaupt nichts macht. So sind Sie maximal höflich, bekommen aber trotzdem ein zweites Getränk.


Wenn Sie Rentner sind, nehmen Sie das Schiff zum Naturschutzgebiet Harriersand. Zu bestimmten Ausflugsfahrten bringt es die Gäste auf die Insel, wo sie zum einzigen Cafe der Insel latschen und anschließend wieder zurück.

7. Nordenham besteht aus weißen Häusern, roten Ampeln und überdurchschnittlich vielen Bäumen. In den Abendstunden sind nur wenige Spaziergänger unterwegs, dann können Sie ruhig den schöneren Uferweg an der Weser nehmen. Beobachten Sie, wie ein Mann zwei Enten in die Weser verfolgt und lautstark seine Absicht verkündet, diese zum Abendessen zu verspeisen. Rätseln Sie, ob die Bierflasche in seiner Hand oder die Belustigung seiner zwei Kinder die Ursache für diese Handlung darstellen.
Die Stadt Nordenham entstand hauptsächlich aus dem Ochsenpier, von dem erfolgreich Rinder nach England verschifft wurden. Schon damals hatten die Briten wohl Probleme mit ihren eigenen Rindviechern.


Wenn Sie auf dem Campingplatz übernachten, stellen Sie Ihr Zelt lieber nicht vorne in die Mitte der ersten Busch-Bucht von rechts hinter den Sanitäranlagen. Andernfalls zelten Sie unter einem Ast, welcher bei den Nordenhamer Campingtauben in Ermangelung von Statuen als Sanitäranlage dient.
Sollten Sie diesen Hinweis missachten, denken Sie daran, vor dem Einpacken den frischen Vogelkot von ihrem Vorzelt zu wischen.
Wischen Sie vor dem Abendessen Vogelkot unterschiedlichen Alters vom Plastiktisch.
Wischen Sie anschließend erneut den Vogelkot von Ihrem Zelt.

09 September 2021

Weser: Von Verden nach Bremen

Weser-Tag 8: Die Stadt der Musikanten

gefahren im: Juni 2022
Start: Bremen, Altstadthostel
Ziel: Verden, Bahnhof
Länge: 46,5 km
Weserquerungen: 0
Ufer: rechts
Bundesländer: Niedersachsen, Bremen
Landschaft: Kanäle und Steilufer, Deiche and Moor
Wegbeschaffenheit:
 fast nur Asphaltradwege
Steigungen: ein paar am Ende des Kanals
Wetter: Sonne und Regen
Wind: leichter Nordwestwind
Highlight: Bremer Geschichtenhaus
Größte Hürde: Wartezeit im Gasthaus zur Linde, Achim
Zitat des Tages: "Und dann hab ich dem auch was von meiner Mäusebutter aufs Brot gegeben."
- Mörderin Esche Gottfried im Geschichtenhaus -

1. Fahren Sie alle nachfolgenden Etappen in umgekehrter Richtung, der Wind wird es Ihnen danken. Also, vorausgesetzt, Sie haben Glück und er weht auch in umgekehrte Richtung. Bei dem Wind weiß man nie so ganz. Wenn möglich, entscheiden Sie kurzfristig je nach Wettervorhersage über die Richtung, sonst hoffen sie einfach.

2. Radeln Sie zunächst in Richtung Allermündung, aber den Abzweig dorthin müssen Sie nicht unbedingt anschauen.

3. Kurz darauf kommt nämlich eh eine große Flusskreuzung (wenn auch ohne die schönen Weiden der Aller): Zum letzten Mal zweigt ein Schleusenkanal für den Schiffsverkehr von der Weser ab. Folgen Sie seinem schnurgeraden Ufer. Jup, da ist ne Schleuse, der Kanal wird seinem Namen gerecht.


4. An dieser Baustelle müssen Sie wirklich absteigen. Diese Kiesberge wären selbst mit einem Mountainbike schwierig. Seien Sie froh, dass Sie überhaupt mitten durch die Bauarbeiten laufen dürfen!

Erklimmen Sie ein Steilufer. Unter Ihnen vereinigt sich die Weser wieder mit dem Schleusenkanal.

5. Ach, im Zentrum von Achim bimmelt ein unsichtbares Glockenspiel. Es ist eines der größten in Norddeutschland. Lauschen Sie dem Läuten, auch wenn Sie seinen Ursprung einfach nicht lokalisieren können.
Fallen Sie nicht auf die sogenannte Honigkuchenfabrik rein, von der steht nur noch die Fassade. Falls Sie keine Glocken mögen oder das Glockenspiel gerade nicht läutet, umrunden Sie Achim auf dem Deich. Die weiße Kleinstadt ist nichts Besonderes und das Wahrzeichen (eine Windmühle) steht sowieso am Stadtrand.


6. Nun sollen Sie durch Bollen rollen, egal ob Sie durch Bollen rollen wollen.
Fahren Sie ein Stück auf dem Deich, dann daneben. Monotone Moore und Felder schließen Sie ein, Windräder drehen sich, die Weser fließt in der Ferne. Genießen Sie das letzte Stück Natur.
Holzen Sie möglichst keinen Wald ab, das war schon vor Jahrhunderten keine gute Idee. Dank fleißiger Holzfäller ist Wald seit Porta Westfalica Mangelware. So bekamen bereits unsere Vorfahren zu spüren, dass jeder Eingriff in die Natur Folgen hat. Dieser Eingriff sollte Bremen und den Rest der Weser für immer verändern. Die Holzfäller hatten keine Ahnung, dass sie damit indirekt in ferner Zukunft das einzige Bundesland, das in zwei Teile zerhackt ist, erzeugten.


7. Tauchen Sie nun in die Stadt ein und durchkreuzen Sie auf verblüffend guten Radwegen ein Industriegebiet. Fahren Sie am Allerhafen vorbei. Werrahafen, Fuldahafen... hier gibts einen Hafen für jeden großen Nebenfluss, genau wie an der Elbe.
Außerdem staut das Weserwehr den Fluss zum letzten Mal. Danach bestimmen die Gezeiten, wie hoch das Wasser den Bremern steht. Deswegen heißt der Fluss ab da Unterweser.


8. Irgendwann kommen Sie dann wieder am Flussufer raus. Jetzt haben Sie sogar die Wahl zwischen einem hohen und einem tiefen Ufer-Radweg. Der tiefe hat den Nachteil, dass Sie irgendwann wieder hoch müssen.
Die Weser fließt um den Stadtwerder herum, eine lange Freizeitinsel mit Wald und Strand. Wenn Sie da draufwollen, hätten Sie den längeren Weg am Südufer fahren müssen, jetzt ist es zu spät.
Am Ufer ist ein Raumschiff voller Fußballfans gelandet, das sogenannte Weserstadion.

Sollte das Wetter heiß sein, gehen Sie ins Stadionbad, das außergewöhnlichste Schwimmbad in Bremen. Es handelt sich um ein Naturfreibad ohne Chlor. Lassen Sie sich von der steilen Stahlrutsche ins grünliche Wasser schmeißen, und zwar vor der futuristischen Kulisse des riesigen Stadions.


Auch neben der Altstadt können Sie bequem an der Weser radeln. Sie teilen den Weg mit den Fußgängern, trotzdem ist (jedenfalls an Werktagen) genug Platz.
Die Insel Stadtwerder endet unterdessen an der Umgekehrten Kommode, einem alten Wasserwerk. Es hatte mal höhere Türme, die an die Beine eines Möbelstücks erinnerten.
Die Weser sah früher auch ganz anders aus. Mehrere Flussarme umschlangen die Altstadt. Als weiter südlich immer mehr Wald an den Ufern abgeholzt wurde, schleppte die Weser immer mehr Sand mit und wurde flacher. Die Bremer mussten den Fluss kanalisieren, sich Geld beim Kaiserreich holen und dazu blöderweise auch noch dem deutschen Zollgebiet beitreten, was sie eigentlich gar nicht wollten - und das alles nur, damit fünf Meter tiefe Schiffe bis nach Bremen kamen.
Der Hafen von Bremen war durch diese Verzweiflungstat aber auch nicht mehr zu retten.

9. Auch wenn Sie im Weserbergland schon schönere Städte gesehen haben: Durchstreifen Sie die Altstadt und geben Sie dem Bremer Backstein eine Chance. Sollten Sie hungrig sein, verzehren Sie zwischendurch eine Kartoffelspirale. Gehen Sie ein Stück am Zickzack-Graben um die Altstadt und entdecken Sie Blumenfelder und eine Windmühle. Noch weiter müssen Sie nicht gehen, außer Sie wollen zum Bahnhof. Da hinten finden Sie nur noch Gebäude, welche offenkundig per Copy und Paste aus Hannover entwendet wurden.

Bremen wurde mal von den Bischöfen im Dom beherrscht, aber das ist lange her. Die bürgerlichen Kaufleute haben sie immer weiter vertrieben und durch neue Bauten mit ihrer Macht angegeben: Das Rathaus sieht prächtiger aus als der Dom und die Statue vom Ritter Roland guckt entschlossen in Richtung der Kleriker. (Den Roland gab es nie, das ist bloß so eine Personifikation der Bremer Bürgerrechte.) Die Altstadt zieren außerdem der finstere Landtag und viele Tierstatuen. Damit meine ich nicht nur die berühmten Stadtmusikanten, sondern auch eine Herde Schweine in der Fußgängerzone.

Das Märchen der Stadtmusikanten sollte ja bekannt sein: Vier ältere Nutztiere finden heraus, dass die Rente eines gewöhnlichen Nutztiers aus einer scharfen Axt besteht, was sogar noch abschreckender ist als private Altersvorsorge. Weil das mit der Revolution der Tiere ja schon bei George Orwell nicht geklappt hat, hauen sie einfach ab und wollen in Bremen Musiker werden, bleiben dann aber doch lieber in einem Waldhaus, das sie Räubern geraubt haben. Ende.
Bremen kommt in der Geschichte also gar nicht vor (außer in der einen Verfilmung, bei der das Ende komplett anders ist und die vermutlich von der Bremer Tourismuslobby gesponsort wurde). Dennoch basieren erhebliche Teile des Fremdenverkehrs auf dem Märchen, also lassen Sie sich vor der Stadtmusikantenstatue fotografieren und werden Sie Ihren Müll in einen Mülleimer, der anschließend I-A, Wau, Miau oder Kikeriki macht.

Wenn Ihnen Backstein nicht reicht, schließen Sie Ihr Rad an und erkunden Sie die engeren Gassen. Die Böttcherstraße ist berühmt, weil die Ziegel mit Gold und Glocken verziert wurden. Außerdem handelt es sich um eine Kulturgasse, in der sich einige Maler und Museen niedergelassen haben. Lauschen Sie dem Glockenspiel aus Meißner Porzellan zwischen zwei Häusergiebeln, auf dem ein Musiker Volkslieder spielt und immer wieder abrupt zwischen melancholisch und fröhlich wechselt.


Ist Ihnen das nicht eng genug, zwängen Sie sich durch das schräge Schnoorviertel, den einzigen komplett original erhaltenen Teil Bremens. Suchen Sie die schmalste Straße Bremens und finden Sie stattdessen das kleinste Haus Deutschlands. Es wird gerade klimaneutral saniert.
Kaufen Sie in der Bremer Bonbon-Manufaktur oder der Konditorei Süßigkeiten mit komischen Namen, die zwingend mit K beginnen. Bremer Kluten (zuckrige Pfefferminzquader mit Schokolade drum) sind super, ebenso Schnoorkuller (so was wie Pralinen aus Cremes und Baiser). Bremer Kaffeebrot (dünner Zimt-Zwieback) enthält zwar keinen Kaffee, ist aber auch lecker. Bremer Klaben ist eine Art Stollen mit noch mehr Rosinen drin, keine Ahnung, wer so was freiwillig isst.


Zwängen Sie sich durch bis zum Geschichtenhaus. Dieses Museum funktioniert so: Sie laufen von Raum zu Raum, und in jedem Zimmer plaudert eine historische Person vor historischer Kulisse mit Ihnen: Ein Händler, ein Schmuggler, eine alte Frau und die Massemörderin Gesche Gottfried, die gelassen erzählt, wie sie eine ganze Familie vergiftet hat. Lesen Sie hinterher überrascht, dass diese Profidarsteller vorher arbeitslos waren und das Geschichtenhaus eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.
Wenn Sie noch ein faszinierendes Museum suchen, fahren Sie in die Außenbezirke der Stadt zum Universum.


Sollte gerade Oktober sein, können Sie auf dem Freimarkt Achterbahn fahren. Das ist ein erstaunlich großes Volksfest auf einer feuchten Asphaltfläche hinterm Bahnhof. Achten Sie darauf, dass Sie nicht im Regen ertrinken. Ihre Hose wird jedenfalls schon ab der erste Fahrt durchnässt sein, obwohl nach jeder Fahrt ein Schwall Wasser von den Sitzen gewischt wird.