NEU! Das Bergparkleuchten - leuchtende Wasserfälle in Wilhelmshöhe

Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

28 September 2019

Rheinbücher

Zur ergänzenden Lektüre habe ich zwei Rheinreisebücher gelesen, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Das eine beschreibt den Rhein aus chemisch-naturwissenschaftlich-extremsportlicher Sicht, das andere befasst sich mit der kulturell-historisch-poetischen Seite des Flusses. Die eine Rheinreise ist furchtbar anstrengend, die andere total gechillt. Irgendwo zwischen diesen Extremen liegt unsere Reise.

Rheines Wasser von Andreas Fath (2014)


Als Professor Faths Förderungsantrag auf ein teures Wasser-Analysegerät abgelehnt wurde, kam er auf die Idee, als dritter Mensch der Welt durch den Rhein zu schwimmen. Das klingt erst einmal nach einer absurden Lösung, ist aber eigentlich total logisch. Schließlich ist er sowohl Chemieprofessor als auch leidenschaftlicher Schwimmer und ist in Speyer am Rhein aufgewachsen. Er wollte unterwegs mit einem Team Wasserproben untersuchen und so Medienaufmerksamkeit und Sponsoren finden. Das Buch hat also zwei Handlungsströme: Das Schwimmen und die Chemie. Daher ist es sowohl mit Schwarzweißfotos des schwimmenden Professors als auch mit ein paar schwarzweißen Diagrammen ausgestattet.
Das Schwimmen hat, wie er selbst sagt, eigentlich nix mit dem Schwimmen im Freibad zu tun, wie wir Normalschwimmenden es kennen. Er trägt dabei ein bis zwei Neoprenanzüge, im Wildwasser in der Schweiz noch ganz viele Extrapuffer und wird von einem Motorboot und Kanu begleitet, die den Weg weisen. Auf diese Weise schwimmt er bis zu 80 Kilometer am Tag (im Bodensee, wo ihn keine Strömung unterstützt, immerhin noch über 30). Dabei ist er anscheinend permanent dem Tode nahe, vollkommen fertig und kämpft mit allerhand Krankheiten, aber spontane Ruhetage lässt der superstraffe Zeitplan nicht zu. Spaß klingt anders.
Als erstes durchschwimmt er den eiskalten Tumasee, wo auch schon Mikroplastik im Schnee steckt. Er beschreibt, wie unglaublich kalt der ist, dass er seine Hände und Füße nicht spüren konnte und tatsächlich bezweifelt hat, ob er das schafft. Da war ich schon ein bisschen stolz, schließlich war ich ja zur selben Jahreszeit in diesem Wasser, auch wenn ich nicht komplett durchgeschwommen bin. Bei Illanz ist der Rhein wieder tief genug zum Schwimmen, also steigt er da ins Wildwasser der Rheinschlucht ein, wo er an der Felswand namens Schwarzes Loch sogar echte Todesangst empfindet. Am Bodensee will er eigentlich wie wir dem Alten Rhein folgen, bleibt aber aus Versehen im Neuen Rhein. In Frankreich wählt er die Strecke durch den Rheinseitenkanal, in den Niederlanden durch den nördlichen Mündungsarm Nederrijn/Lek. Nur am Rheinfall, zwischen Bingen und der Loreley sowie im Rotterdamer Hafen muss er wegen Schwimmverboten einen Abschnitt überspringen.
Lustige Übereinstimmungen mit unserer Reise sind: An derselben Stelle am Bodensee plagte ihn und mich Durchfall, und wo wir bei Breisach unsere längste Tagestappe fuhren, hatte er seine zweitlängste (die vier Kilometer länger war als unsere - obwohl er schwamm). Ich fand es äußerst faszinierend, die Landschaften, die ich schon so gut kannte, aus einer ganz anderen Perspektive zu lesen. Das mit der Medienaufmerksamkeit klappt super, beim Rausklettern begrüßen ihn überall Bürgermeister, Hochschulrektoren und die Presse. Nüchtern, wissenschaftlich und pflichtbewusst schildert er die extremen Erlebnisse, seine Gefühle und die Schönheit der Landschaft (sofern sie denn schön ist, oft ist sie aus der begrenzten Perspektive eines Schwimmers auch sehr monoton).
Die wissenschaftliche Seite der Reise konzentriert er vor allem in drei Kapiteln und dem Epilog. Er erklärt, welche Chemikalien und wie viel Mikroplastik sie aus dem Fluss gefiltert haben. Vor allem hier zeigt sich aber, dass ein begnadeter Schwimmer und Chemiker ist, aber nun einmal kein Schriftsteller. Besonders die Passagen, wo er einführend erklärt, worum es sich bei den einzelnen Chemikalien und Messwerten handelt, sind für wissenschaftliche Laien doch etwas ermüdend - ein Ghostwriter hätte das wohl etwas gekürzt und aufgelockert.
Interessanter wird es dann wieder, wenn es darum geht, wie genau das Zeug in den Fluss kommt und was aus seiner Sicht dagegen unternommen werden sollte. Hauptsächlich müssen Kläranlagen weiterentwickelt werden, weil sie noch nicht alles herausfiltern können. Und eigentlich, sagt Fath, ist es Unsinn, Trinkwasser zum Waschen und Klospülen zu benutzten. Will er etwa zwei getrennte Wasserleitungen zu jedem Haus bauen? Nein, Faths Ziele sind etwas realistischer: Die Industrie sollte stattdessen zum Ausspülen geschlossene Wasserkreisläufe anstatt Leitungswasser nehmen. Zu Hause sollte das benutzte Wasser von Dusche nochmal zum Klospülen verwendet werden.
Wir Normalverbraucher sollen bis dahin keine Light-Getränke trinken (die eh nicht dünner machen), Zahnpasta, Shampoo und Kosmetik ohne Mikroplastik nutzen, keine Medikamente ins Klo und kein Plastik in den Biomüll hauen (und auch nicht in die Natur, das ist ja klar), wenn wir den Rhein uns selbst schützen wollen, weil wir das Zeug sonst irgendwann wieder essen.

Alles fließt von Elke Heidenreich (2017)

Heidenreich beschreibt eine Rheinreise mit dem Auto und einem Kreuzfahrtschiff. Während wir jeden Kilometer selbst zurückgelegt haben, hat sie auf dem Schiffsdeck gemütlich Wein getrunken (und zwar wirklich viel Wein, so oft, wie sie das erwähnt). Die Germanistin erzählt vor allem Geschichten und kulturelle Hintergründe des Ober- und Mittelrheins. Ein Kapitel behandelt ihre hässliche Kindheit im Ruhrgebiet. Der große Vorteil des Buchs ist, dass man damit gewissermaßen alle Bücher über den Rhein gleichzeitig liest. Es wird nämlich aus so gut wie allem zitiert, was je über den Rhein geschrieben und gesagt wurde: Reiseberichte, weise Sprüche und natürlich viele Gedichte. Das ist aber nicht total deutschlehrerhaft (naja, ein bisschen vielleicht), sondern fröhlich und unterhaltsam geschrieben. Die ganz kleinen und sehr großen Fotos von Tom Krausz vermitteln einen richtig schönen Eindruck, wie es am Rhein aussieht.
Den überlaufenen Mittelrhein mag Elke Heidenreich nicht so, den breiten Niederrhein um so mehr. So würde es uns vielleicht auch gehen, wenn wir zur Hochsaison am Mittelrhein gewesen wären.
Weil das Kreuzfahrtschiff nur von Basel nach Amsterdam gefahren ist, kommen die anderen Abschnitte des Flusses ein bisschen kurz. Sie ist zur Quelle vom Vorder- und Hinterrhein gewandert, mit dem Auto zum Bodensee und zum Rheinfall gefahren, aber die Mündung (beziehungsweise eine der Mündungen) hat sie gar nicht gesehen.
Die Beschreibung des Rheinfalls gab mir das Gefühl, dass wir auf unserer Reise irgendetwas richtig gemacht haben. "Ach, wie gern würde ich das auch so stark empfinden... aber Heinse, Mörike und Goethe wanderten noch am Ufer entlang und standen dann plötzlich staunend vor den Wassermassen. (Wir auch!) […] Wir werden erstmal zum Riesenparkplatz gelenkt, eingezäunt mit Sichtblenden am Tor. (Wir nicht! Selber Schuld, wenn du Auto fährst.) […] Fährt je irgendwer nach Schaffhausen hinein? (Ja, wir schon!) […] Und der Rheinfall liegt zwar bei Schaffhausen, aber eigentlich in Neuhausen, und auch dort haben wir nicht mehr Halt gemacht (Wir schon!) - nur eben, wie wohl alle, beim Wasserfall." Mein Gott, Heidenreich, dann park doch dein Auto in Schaffhausen und wandere von da aus am Fluss entlang zum Wasserfall, statt es ohne nachzudenken den dir so unangenehmen Massentouristen gleichzutun.

11 September 2019

Fazit und Zusammenfassung

Mit zwei Erwachsenen und vier bis fünf Kindern haben wir unsere Rheinradreise in vier Staffeln verteilt auf 5 Jahre (jedes zweite Jahr eine Staffel) und insgesamt


40
Tagen geschafft, davon ungefähr
11,5 Tage in der Schweiz, 
0,75 Tage und eine Nacht in Liechtenstein,
0,25 Tage und eine Nacht in Österreich,
1,5 Tage in Frankreich,
24 Tage in Deutschland und
6 Tage in den Niederlanden.

1230 Kilometer (durch Umwege vermutlich etwas mehr) haben wir bewältigt,
150 Brücken (ungefähr),
16 Fähren und Schiffe und
1 Tunnel genutzt,
25 mal sind wir mit dem Fahrrad über eine Grenze gefahren (und 8 mal mit anderen Fahrzeugen),
13 Kirchen haben wir besichtigt,
7,5 Gebirge gesehen (ich zähle die Veluwe mal als halbes),
6,5 mal die Berge am Rhein bestiegen,
11 Freibäder,
6 Seen und
3 Hallenbäder durchschwommen,
9 Achterbahnen haben uns transportiert,
2 VR-Brillen haben wir ausprobiert und
1 Parlament gelauscht.


In jedem Land haben wir zumindest eine Stadt gesehen und einen Teil der Strecke zurückgelegt. Bis auf Frankreich haben wir in jedem Land mindestens einmal übernachtet. Die Länge der einzelnen Tagestappen lag zwischen 11 und 64 Kilometern.


Staffel 1

Von der Rheinquelle nach Basel
Sommer 2015
Alpenrhein/Seerhein/Hochrhein
11 Fahrtage, 1 Wandertag, 2 Bodensee-Tage, 1 Rheinfall-Tag, 1,5 Anreisetage, 1 Abreisetag
Highlights: Rheinquelle/Tumasee, Rheinschlucht Ruinaulta, Architektur in Vaduz , Baden im Bodensee, Münster in Konstanz, Blumeninsel Mainau, Häusermalereien in Stein, Rheinfall und Actionpark Neuhausen, Ausgrabungen in Kaiseraugst

Staffel 2
Von Basel nach Mannheim
Frühling 2017
Oberrhein
8 Fahrtage, 1 Europapark-Tag, 1 Anreisetag, 1 Abreisetag
Highlights: Altstadt Basel, Isteiner Schwellen, Europapark Rust, Kathedrale und Europaparlament Straßburg, Schloss und Europabad Karlsruhe, Kaiserdom und Technikmuseum Speyer

Staffel 3
Von Mannheim nach Köln
Frühling 2019
Mittelrhein
9 Fahrtage (inkl. 1 Anreisetag), 1 Köln-Tag, 1 Köln-/Abreisetag
Highlights: Kaiserdom Worms und Mainz, Oppenheimer Kellerlabyrinth, Rheingau-Weinberge, Germania und Drosselgasse Rüdesheim, Loreley, Marksburg, Deutsches Eck Koblenz, Geysir Andernach, Museum Alexander Koenig Bonn, Kölner Dom, Timeride und Odysseum


Staffel 4
Von Köln nach Hoek
Sommer 2019
Niederrhein
11 Fahrtage (inklusive Anreise), 1 Abreisetag
Highlights: Landschaftspark Duisburg-Nord, Archäologischer Park Xanten, Eusebiuskirche Arnhem, Kasteele, Geofort, Biesbosch-Nationalpark, Windmühlen Kinderdijk, Hafen und Markthalle Rotterdam, Maeslantkering, Pier und Strand Hoek


Der Rhein in Zahlen

Länge: 1232,7 km
Höhenunterschied: 2345 m (Leicht zu merken!)
Einzugsgebiet: 185300 km²
Mittlerer Abfluss: 2900 m³/s
Länder: 6

Andere Namen:
  • Rain oder Rein (rätoromanisch)
  • Rhy (schweizerdeutsch)
  • Rhin (französisch)
  • Rijn (niederländisch)

Der Rhein gliedert sich in den
  • Vorderrhein und Hinterrhein

  • Alpenrhein, der sich kurz teilt in den
        
    • Alten Rhein und Neuen Rhein
  • Bodensee

  • Seerhein
         
  • Untersee

  • Hochrhein

  • Oberrhein
        
  • Mittelrhein
       

  • Niederrhein und
        
  • Deltarhein. Der teilt sich in zwei Mündungsarme
    • Pannerdensch Kanal/Nederrijn/Lek/Nieuwe Maas/Scheur/Nieuwe Waterweg und
                   
    • Waal/Boven Merwede/Nieuwe Merwede/Hollands Diep/Haaringfliet
      • und zwischen den beiden verlaufen die Querverbindungen
          • Beneden Merwede/Noord
          • Dordtse Kil/Oude Maas und
          • Spui
        • vom Lek zweigen außerdem ab
          • Oude Waal
                                             
            • Oude Rijn/De Keel
                                                 
            • Ijssel
                                            
            • Kromme Rijn/Leidse Rijn/Oude Rijn und
            • Hollandsche Ijssel
      Bewertungen auf Google Maps
      Durchschnittsbewertung: 4,5 von 5 Sternen

      "Guter Fluss. Fünf Sterne gibt‘s wenn das Wasser ein bisschen wärmer wird an manchen Stellen im Frühling."

      "Was soll ich sagen? Den Rhein muss man einfach mal gesehen haben. Geeignet für lange Spaziergänge oder auch Radtouren. Schiffe beobachten lohnt sich auch immer."

      "Schöner Fluss 😉hat immer (neues) Wasser, jedenfalls hab ich das festgestellt 😁"

      "Einmal muß man am Rhein gewesen sein. Vielerorts gibt es entlang des Rheins ein großes Wander- und Radwegnetz. Auch bietet er überall schöne Fotomotive. Besondere Highlights am Rhein ist der Loreley-Felsen und natürlich der Rheinfall bei Schaffhausen in der Schweiz"

      "Es gibt da eine ganz spezielle Stelle wo einige Kraft Linien zusammen laufen. Ein Energie Knoten Punkt. Da geh ich hin wenns mir mal richtig schlecht geht. Bloß nicht falsch verstehen... Ich steh mit beiden Beinen im Leben..."

      "Jo
      Is' halt 'n fluss ne?"

      "Sehr schön zum Spazieren, oder Schwimmen, oder Böötli fahren, oder ertrinken. Für jeden etwas dabei..."

      "Mit der Kulisse der Basler Altstadt mega schön. Dann noch in die Badehose gestiegen und sich vom Fluss an dieser Kulisse vorbei treiben lassen. Einfach genial."

      "Das beste Gewässer was ich kenne"

      Unsere Google-Bewertung (5 Sterne) und Fazit:

      Mit Stolz kann ich nun sagen, dass ich nun den ganzen Rhein kenne. Naja, nicht alle kompletten Mündungsarme in den Niederlanden, aber ich bin dem Fluss auf jeden Fall der Länge nachgeradelt. Was lässt sich nun also insgesamt über den Rhein sagen?
      Naja, erst einmal hat der Rhein viele verschiedene Abschnitte. Im Prinzip gliedert sich ja jeder Fluss in Ober-, Mittel und Unterlauf, aber der Rhein hat noch ein paar besondere Extraabschnitte, weil er in Basel abrupt seine Richtung wechselt oder durch den Bodensee fließt. Und: Man merkt diese Abschnitte auch viel stärker als an der Elbe oder Donau, jedesmal wechselt der Fluss ziemlich abrupt seinen Charakter. Außerdem fließt er durch sechs Länder, was für einen deutschen Fluss auch echt viel ist.

      Die Quelle liegt in den Alpen und ist im Prinzip ein Bergsee (Lai da Tuma/Tomasee), der überläuft. Und was für einer! Umgeben von hohen Bergen und kleinen Gletschern ist das die mit Abstand spektakulärste Flussquelle, die ich kenne.
      Da entspringt der Vorderrhein, der fließt mit dem Hinterrhein zusammen (ähnlich wie Brigach und Breg die Donau zuweg bringen), und daraus wird der Alpenrhein. Diese unglaubliche Berglandschaft schlägt natürlich so ungefähr alle anderen Landschaften am Rhein. Am beeindruckendsten ist die Ruinaulta-Schlucht, aber eigentlich ist es überall spektakulär. Wer die Schweizer Preise und die steilen Straßen ertragen kann, der sollte sich das nicht entgehen lassen. Auf der Strecke liegen noch die Länder Liechtenstein (noch steiler und teurer als die Schweiz) und Österreich (nettere Menschen, ansonsten ist der Streckenabschnitt zu kurz, als dass es da viel zu berichten gäbe).
      Dann kommt der Bodensee. Der ist sehr groß und strahlend schön, aber für uns war die Strecke ein wenig enttäuschend, weil wir fast nie an seinem Ufer Fahrrad fahren durften.
      Der vier Kilometer lange Seerhein ab Konstanz ist eigentlich kaum der Rede wert, aber er zählt dennoch als eigener Abschnitt. Dann kommt noch der graue Untersee mit Windsurfern.
      Am Hochrhein wird es wieder etwas bergiger, auch wenn natürlich nichts den Alpenrhein toppen kann. Dafür gibt es da den lauten, donnernden, spritzigen Rheinfall. Und dann geht auch schon die ganze Industrie los. Der Rhein ist viel stärker als die Elbe oder Donau von Großstädten, Kraftwerken und Fabriken geprägt. Trotz der schönen und spektakulären Landschaften würde ich sagen, im Grunde ist das ein urbaner Fluss. Das hat auf jeden Fall auch seine Faszination, gerade wenn man nicht aus einem Ballungsgebiet stammt. Wer aber lieber nicht so viele Großstädte und mehr dünn besiedelte Auen haben möchte, sollte lieber den Elberadweg fahren.
      Der Oberrhein ab Basel ist landschaftlich... naja, nicht hässlich, aber auf Dauer relativ monoton. Dafür führen die Radwege immer am Fluss entlang, die Orientierung fällt leicht und ein paar interessante Städte sind auch in der Nähe. Am deutschen Ufer sind die Wege besser, außer am Rhein-Rhone-Kanal in Frankreich, das ist wirklich eine schöne Strecke.
      Dann fangen Weinberge an und wir kommen ins berühmte romantische Mittelrheintal. Wie der Rheinfall ist das ein touristischer Hotspot, vor allem natürlich der Loreleyfelsen. Falls man keine Menschenmassen mag, sollte man einfach außerhalb der Saison hinfahren, das wirkt wahre Wunder. Viele können dem Tal ja gar nichts mehr abgewinnen, aber im Frühling (vor Ostern) fand ich es sehr schön und überhaupt nicht zu voll oder laut. Es ist faszinierend, wie sich das ganze Leben zwischen zwei Bergwände drängt.
      Am Niederrhein in NRW wechseln sich dann Industriekomplexe und Weidelandschaften ab. Wer die Region kennt, findet das wohl langweilig, wer es nicht kennt, für den ist das mal was anderes, am Rand vom Ruhrpott langzufahren.
      Der Deltarhein in den Niederlanden zeigt dann nochmal mehrere ganz verschiedene Seiten: Die hügeligen Wälder (erwartet man gar nicht in den Niederlanden) der Veluwe, die friedliche Bauernhof-Idylle an der Linge, der gar nicht mal so idyllischen Sümpfe des Biesbosch-Nationalparks mit starkem Autoverkehr und die futuristischen Wolkenkratzer und Containerhäfen um Rotterdam.
      Die Rheinmündung ist ein langes Pier aus gewaltigen Betonwürfeln und Steinen, das Rhein und Nordsee trennt, die schon fast gleich aussehen. Naja, weil sich der Rhein im Rhein-Maas-Delta aufspaltet, gibt es noch drei andere Mündungen, aber die in Hoek van Holland ist die offizielle (also die mit dem meisten Rheinwasser), obwohl sie eigentlich künstlich ausgebuddelt wurde. Ein sauberer Strand und der Blick auf einen hochmodernen Hafen machen sie ganz interessant.

      Zum Schluss noch unsere Lieblingsorte am Rhein:
      -Valendas: Ein friedliches Schweizer Dorf hoch oben im Rheintal mit Kühen, Sonnenblumen und dem ältesten Dorfbrunnen der Schweiz. Nur hier und nirgendwo sonst wollte eine Unterkunft im Vorderrheintal eine Großfamilie aufnehmen.
      -Stein am Rhein: Das Städtchen ist bekannt für seine Fassadenbilder, die Altstadt ist bunt bemalt und wenn man sich in die Nähe einer Stadtführergruppe stellt, bekommt man gratis die Bedeutung erklärt.
      -Basel: Die Stadt ist groß und sauber, man kann lange herumgehen und entdeckt immer wieder neue Sachen.
      -Straßburg: Hier stehen eine gewaltige Kathedrale, ein Nachbau des Berliner Reichstagsund ein Parlament voller EU-Abgeordneter.
      -Plittersdorf: Das kleine Dörfchen am Oberrhein hat einen schönen Gasthof, wo man einem Chor lauschen kann, der im Nachbarraum probt.
      -Speyer: Hier gibt es ein Technikmuseum, eine Kirche, viele Brezeln und Saumagen.
      -Rüdesheim: Wir haben Rüdesheim außerhalb der Hauptsaison besucht, das hat sicher zu unserem positiven Eindruck beigetragen. Wir fanden die rotweißen Gässchen sehr hübsch, und die Aussicht vom Niederwalddenkmal ist einen Ausflug wert.
      -Arnhem: Die erste Großstadt der Niederlande überzeugt gleich mit extrem großzügigen Parkanlagen und Museen, einer Kirche mit einem Panoramaaufzug und einem witzigen Film.
      -Buren: Das kleine Festungsstädtchen in den Niederlanden hat eine Stadtmauer, unter der Gemüse wächst.
      -Rotterdam: Rotterdam hat ganz viele Hochhäuser, die alle ein wenig verschieden aussehen, manche hässlich, andere schön. Das gefällt mir auf jeden Fall besser als viele andere Hochhaus-Städte. Und manche Straßen haben auch gar keine Hochhäuser, sondern nur klassische Ziegelhäuser und viele Bäume.

      Wer also Großstädte und auch ein wenig Gedränge verträgt, wird am Rhein eine spannende Zeit erleben. Wer aber lieber Natur so pur wie möglich will, ist an anderen Flüssen besser aufgehoben.


      10 September 2019

      Von Rotterdam nach Hoek

      Rotterdam liegt noch nicht an der Rheinmündung, es sind immer noch 35 Kilometer zu fahren. Der erste Teil der Strecke führt auf roten Radwegen durch verschiedene Stadtviertel, zuerst um diesen Park herum, wo der riesige Aussichtsturm Euromast steht. Außerdem stand da noch etwas anderes.

      An beiden Ufern befindet sich ein seltsames Gebäude. Als ich das erste Mal in Rotterdam war, dachte ich, dieses absonderliche Ding sei eine Art Gotteshaus. Das ist Quatsch.

      Im Gebäude führt eine räudige Rolltreppe nach unten.

      Und dort gibt es einen Tunnel unter dem Fluss - für Fahrräder! Natürlich auch für andere Verkehrsteilnehmer. Autos fahren im Tunnel nebenan, Fußgänger nehmen dieselbe Rolltreppe und steigen dann noch eine andere Treppe nach unten.
      Der Tunnel heißt Maastunnel. Er ist schon ziemlich alt. Selbst die Nazis haben versucht, ihn fertigzubauen, als sie das Gebiet besetzt hatten. Und naja, dem Tunnel sieht man sein Alter auch durchaus an.
      Wir sind schon über und neben Flüssen gefahren, aber noch nie unter einem Fluss. Eigentlich mussten wir gar nicht ans andere Ufer. Ich wollte das nur mal ausprobieren.

      Hinter Rotterdam passieren wir zuerst Schiedam, wo der bekannte Schnaps Jenever hergestellt wird. Dort gibt's wieder mal Kanäle im Amsterdam-Stil und noch eine Windmühle. Die Karte will uns auf Zickzackwegen da durchführen. Wir hatten aber keine Lust darauf und folgten der Hauptstraße.

      Die Autobahn verschwindet im Beneluxtunnel unter dem Fluss. Der hat auch einen Fahrradtunnel, sieht aber deutlich moderner aus.

      Als zweites passieren wir Vlaardingen. Dort kommt noch die zweite Querverbindung von Süden dazu, die hier Oude Maas heißt. Und was machen die Niederländer dann? Ganz genau, einmal den Fluss umbenennen!
      Ab hier heißt der Fluss dann Nieuwe Waterweg, manchmal auch noch Scheur. Dieser letzte Abschnitt des Rhein-Hauptstroms ist eigentlich künstlich. Früher floss hier ein Arm der Maas namens Brielse Zeegat, aber der ist versandet. Dadurch war der Rotterdamer Hafen vom Meer abgeschnitten. Das war ziemlich ungünstig, deswegen buddelten sich die Rotterdamer 1872 selbst einen Zugang zum Meer. Und mittlerweile wurde das Rheindelta so stark verändert, dass da jetzt der Großteil des Rheinwassers rheinfließt.

      Hier sollte dann endlich mal wieder ein Radweg am Wasser entlangführen. Aber der war blöderweise gesperrt. Leider ist niemand auf die Idee gekommen, ein paar Kilometer früher darauf hinzuweisen. Wir schoben die Räder über den Deich auf einen Kiesweg, aber da ging es auch nicht weiter. Also mussten wir ein ganzes Stück zurück.

      In Maasluis überquerten wir diese ungewöhnlich spitze Klappbrücke.

      Dieses Kilometerschild zeigt, wie viel Strecke wir seit Konstanz am Bodensee zurückgelegt haben.

      Am anderen Ufer erhoben sich dünne Bäume in schnurgerade aufgereihten Grüppchen. Dahinter stand eine lange Reihe von Windrädern. Das sind die modernen Nachkommen der Windmühlen von Kinderdijk.
      Die Schilder warnen vor dem gefährlichen Golfslag. Das ist offenbar eine gelbe Welle mit schwarzer Oberfläche, die durch Schiffe verursacht wird und offene Klammern erzeugt, die Menschen nach oben spülen.

      Am Horizont tauchen zwei ein gewaltige weiße Dingsbumse aus dicken Stahlstangen auf. Als die Rotterdamer sich nämlich ihren Nieuwe Waterweg gebuddelt hatten, merkten sie: Ups, die Hochwassergefahr ist ja jetzt viel höher. Alle Flüsse wurden eingedeicht. Berechnungen zeigten aber: Das reicht nicht. 1953 gab es ein sehr schlimmes Hochwasser.
      1999 wurde deshalb dieses Sturmflutwehr eröffnet. Es heißt Maeslantkering

      Im Prinzip besteht das aus zwei gebogenen dicken Wänden, die bis zum Flussgrund reichen. Normalerweise befinden die sich in solchen engen Wassergräben am Ufer. Da nehmen sie eine Menge Platz ein, deswegen mussten wir einen Bogen drumherum fahren.
      Ein Wirrwarr aus dicken weißen Stangen verbindet die Wand mit einem Gelenk.

      Übersteigt der Rhein einen bestimmten Pegel, werden beide Wände auf den Fluss gefahren und machen ihn dicht.
      Am Maeslantkering stießen wir auf etwas schier Unglaubliches: Eine Hinweistafel, die nicht nur eine englische Übersetzung hatte (was schon bemerkenswert genug wäre), sondern sogar eine deutsche!

      Außerdem befindet sich hier ein Museum namens Maeslantkeringshuis. Auf dem Wasserspielplatz dort wird den niederländischen Kinder von klein auf beigebracht, wie man sich mit Mini-Sandsäcken und Mini-Wehren vor einer Flut schützt. Unser Vater pumpte und pumpte dort so lange, bis die Mini-Landschaft unter Wasser stand. Hätte er noch weiter gepumpt, hätte sich die Maeslantkering sicher automatisch geschlossen.

      Und dann kamen wir in Hoek van Holland an. Hier stehen Backsteinhäuser und Leuchttürme. "Excuse me, I'm going to England?", fragte jemand. Unserer Mutter war davon sehr irritiert, aber der Typ war nicht verrückt, denn hier fahren Fähren nach Großbritannien. Harwich - 2 km stand zum Beispiel auf einem Schild.
      Der Bahnhof von Hoek van Holland war früher sehr wichtig, denn hier setzten Züge von Moskau nach London mit der Fähre über. Der Bau des Eurotunnels in Frankreich hat den Bahnhof jedoch schlagartig seiner Bedeutung beraubt.
      Seit 2017 fahren nicht mal mehr Regionalzüge nach Schiedam, wo man nach Rotterdam umsteigen kann. Die Bahnstrecke wird zu einem Teil der Rotterdammer Metro umgebaut, das Design der Bahnhöfe muss entsprechend geändert werden. Das sollte eigentlich schon 2017 fertig sein, aber es gab zuerst weichen Boden und dann Softwareprobleme. Auf der Strecke waren ständig Testzüge unterwegs, auf denen "Sorry, buiten dienst" stand. Es fahren Schienenersatzverkehsbusse, aber ob die Räder mitnehmen? Laut Website nehmen Rotterdamer Busse normalerweise keine Räder mit. Letztlich hatten wir keine Lust, auf den Bus zu warten, und radelten alle wieder zurück nach Rotterdam. Dort wollten wir auch noch die zweite Nacht schlafen, denn in Hoek gab es keine Unterkünfte.

      In Hoek leben nicht nur Möwen, sondern auch zahlreiche Raben, die um Kekskrümel betteln.

      Die Alpakas hingegen bevorzugen Gras.

      Hier haben wir Fischbrötchen erworben, welche wir dann selbst zusammenpuzzeln mussten. Das war aber nicht so kompliziert.

      Wir folgen ein Weilchen der Straße. Aber nicht auf der Straße fahren! Wer den Radweg übersieht und noch aus deutscher Gewohnheit auf der Straße radelt, wird von der Polizei zurechtgewiesen. Also, das schreibe ich jetzt ganz allgemein so, nicht dass mir das passiert wäre, ähem.
      Dann knickt die Straße rechts ab, von der Rheinmündung weg. In ungefähr einem Kilometer ist die Reise zu Ende. Aber wo? Tja, es gibt da zwei mögliche Schlusspunkte.

      Offiziell und laut unserer Karte endet die Tour an diesem Wegweiser, der die Entfernung nach St. Petersburg, Shanhai, New York und all so was zeigt (haha, ist jetzt auch die neuste originellste Idee). Der steht in einer Passage von Strandgeschäften.

      Hier befindet sich auch das letzte Rheinradwegschild.

      Es gibt aber noch einen anderen Schlusspunkt, der viel mehr hermacht.
      An der Stelle, wo die Straße abknickt, führt geradeaus ein Betonweg namens Noorderhoofd weiter.
      Einige Bunker und das Atlantikwall-Museum (im Hintergrund) erinnern dort an die wichtige Rolle, die Hoek im Zweiten Weltkrieg an der Front spielte.
      Das Radfahren ist da nicht explizit verboten, aber wahrscheinlich nicht so sehr erwünscht wie auf der offiziellen Route. Das hielt aber weder uns noch andere Radfahrer auf.

      Was uns hingegen aufhielt: Der Noorderhoofd ist teilweise von Sand, Matsch, Pfützen und Fußgängern bedeckt. Alle vier Dinge können manchmal zum Absteigen zwingen. Auf einigen Fotos im Internet habe ich gesehen, wie tosende Wellen auf den Weg schlagen, bei starkem Wind würde ich mich da nicht rauftrauen. Heute war die See aber ziemlich ruhig.
      Rechts erhebt sich eine breite Dünenlandschaft. Die Holzwürfel da hinten sind Ferienhäuser. Die waren uns aber zu teuer, und andere Unterkünfte gibt es in Hoek fast gar nicht.

      Der Strand selbst hat laut einem Schild uitstreckende (herausragende) waterkwalitet. Das Wasser war in der Tat sehr klar und wunderbar quallenfrei. Es wurde nur ganz allmählich tiefer. Gerade zog sich das Wasser zur Ebbe zurück, und es wollte mich mitziehen. Es war problemlos möglich, gegen die Strömung zu laufen. Wollte ich jedoch dagegen anschwimmen, kam ich nicht vom Fleck. Man sollte also besser nicht so tief reingehen, dass man keinen Boden mehr unter den Füßen hat. Ansonsten passiert einem dasselbe wie dem Rhein: Man verschwindet in der Nordsee.

      Am anderen Ufer ist wieder mal ein moderner Hafen, und zwar der von Maeslantvlakte. Der verteilt sich noch auf einige Inseln. Auf den letzten Metern kommt noch der Calandkanal dazu.

      Der Betonweg führt weit hinaus in die Nordsee auf das Pier von Hoek van Holland. Das ist ein beliebter Punkt zum Fotografieren von Schiffen. Das Wasser von Rhein und Nordsee ist noch getrennt, sieht aber schon sehr ähnlich aus. Auf dem Rhein waren sogar mehr Wellen.

      Das Pier endet dann an einer Betonmauer, und das wars. Fertig!

      Kurz nach unserer Ankunft kam noch eine andere Fahrradfamilie dazu, die aus Konstanz am Bodensee losgefahren sind. Dadurch konnten wir gegenseitig Gruppenfotos machen.
      Weiter hinten liegen noch große Betonwürfel im Wasser. Darauf kann man aber nicht ganz so gut radfahren. Der Steinhaufen zieht sich noch weit ins Meer hinaus, bis sich Rhein (bzw. der Nieuwe Waterweg) und Nordsee vereinen.
      Damit haben wir unseren zweiten Fluss geschafft, und diesmal sogar mit der ganzen Familie.

      Und zum Abschied wieder einmal ein kleiner Nachtrag zur Bahn. Das Besondere daran ist: Diesmal ist es wohl der letzte.
      Nach einer Fahrt mit diversen Problemen (in Rotterdam Centraal wird aus irgendeinem Grund der Fahrradwagen abgehängt, ins Osnabrück 35 Minuten Verspätung) passierte etwas, das für unsere Eltern das Fass zum Überlaufen brachte. Wir wollten in einen ICE einsteigen, der nicht genug Fahrradplätze hatte. Das ging nicht, also wir mussten wieder aussteigen, das ist absolut nachvollziehbar. Nun, wie könnte man dieser dreisten Familie dies darlegen? Sie höflich, aber bestimmt bitten, auszusteigen? Wie langweilig!
      Ein Zugbegleiter namens "Mein Vorname geht Sie einen Scheiß an" Schmitz brüllte lieber aus dem Stand in einer Lautstärke drauflos, dass unser kleiner Bruder instinktiv wegrannte. So etwas haben wir noch nie erlebt.
      In Zukunft wollen sich unsere Eltern also nicht mehr für 550 Euro Hin- und Rückfahrt anbrüllen lassen. Sie werden nur noch das Auto nehmen. Herr Schmitz hat die Bahn also 500 bis 1000 Euro Einnahmen im Jahr gekostet.