NEU! Das Bergparkleuchten - leuchtende Wasserfälle in Wilhelmshöhe

Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

17 April 2019

Von Biebrich nach Rüdesheim

Ich stand früh am Morgen auf und fuhr los, fort aus der unwirtlichen Unterkunft.
Zunächst einmal wollte ich heute noch nach Wiesbaden reinradeln, damit ich auch die andere Landeshauptstadt gesehen habe. Das sind fünf zusätzliche Kilometer hin und zurück ab Biebrich. Der Großteil der Strecke verläuft auf der sehr verkehrsreichen Biebricher Allee. Zum Glück gibt es dort Radwege, Fahrradstreifen oder kleine Parallelstraßen. Und Bäume sind auch da, die Straße nennt sich zu Recht Allee. Aber so viele Abgase können auch all die Bäume nicht filtern.

Es stehen gerade Wahlen in Wiesbaden an. Ein großer Streitpunkt ist offenbar der Bau einer Citybahn, die in der Mitter der Biebricher Allee entlangführen soll. Mehrere Anwohner hängen vor ihren Stadtvillen Banner dagegen auf und forderten einen Bürgerentscheid. Ihre düsteren Bilder zeigen grauenhafte Zukunftsvisionen (zumindest für Autofahrer): Nur eine Fahrspur rechts und links der Bahn, auf der sich alles staut.

Wiesbaden hat ein paar freundliche Grünanlagen, zum Beispiel den Kurpark. Weil es hier Thermalquellen gibt, handelt es sich um eine Kurstadt, folglich muss es mindestens einen schönen Park geben.

Aber egal wo man ist, der starke Verkehrslärm ist in Hörweite. Wiesbaden ist eine stressige Stadt, die lange nicht so schön ist wie Mainz. Christoph hat gestern erzählt, die Hälfte der Witze beim Mainzer Karneval werde über Wiesbaden gemacht. Zu Recht, denke ich.
Wiesbaden hat eine sehr hohe, dünne, langgezogene Marktkirche, die geschlossen war. Das weiße Gebäude rechts ist der hessische Landtag und hinter den Bäumen verbirgt sich das alte Rathaus.

Eine Straße weiter ist die größte Kuckucksuhr der Welt zu sehen. Ihr Zifferblatt besteht aus Glas und fungiert zugleich als Schaufenster. Der Kuckuck wagt sich nicht sehr weit hervor und ist nur als vager beweglicher Schemen in der dunklen Öffnung zu erahnen.

Zurück nach Biebrich. Es war 10 Uhr, ich hatte meinen Wiesbaden-Abstecher tatsächlich in zwei Stunden geschafft. Nun geht es am nördlichen Rheinufer weiter. Direkt am Rhein allerdings nicht, denn der Radweg wurde umgeleitet, weil an der Autobahnbrücke über den Rhein Bauarbeiten stattfinden. Macht nichts, auf dem roten Radweg an der Straße ist man auch schnell.

So, nun sind wir aber wieder am Rhein, genau genommen am noblen Schiersteiner Hafen. Wieder einmal bildet der Rhein Halbinseln und Inseln aus angeschwemmtem Material aus. Das liegt daran, dass sein Gefälle hier besonders niedrig ist und er deshalb weniger Power hat und etwas vom Geröll in seinem Wasser liegen lässt. Die Inseln heißen meistens irgendwas mit Au, Marienau oder Petersau oder so.
Zwei dieser Inseln verbindet die moderne Dyckerhoff-Brücke (im Bild hinten links), die nach einem Wiesbadener Zementhersteller benannt wurde.

Heute haben wir erstaunlich viele Tiere gesehen. Die Bundesstraße ist zwar nie ganz weg, aber sie lässt manchmal genug Platz für einen Streifen Natur.
In diesem Feuchtgebiet nisten zum Beispiel Störche. Doch da vorne folgt auch schon der nächste Ort. Und die Berge rücken immer näher.

Am Ufer liegen kleine bunte Weinbauorte dicht an dicht. Das hier ist Walluf. Dort werden die Radfahrer direkt durch das hübsche kleine Zentrum geführt.

In Eltville hingegen führt der Radweg zwar fort vom Rhein, vom Zentrum ist dennoch nicht viel zu sehen - nur eine verkehrsreiche Straße gibt es. Danke für nix.

Das Markenzeichen von Oestrich-Winkel ist der hölzerne Kran.

Am Ufer stehen weiße Platanen - hier wurden sie besonders stark zurechtgestutzt. Nun sind sie klein und dick.
Es gibt mehrere Boule-Plätze, an denen man sich gratis die nötigen Utensilien ausleihen kann. Dieses Spiel scheint hier am Rhein sehr beliebt zu sein - zumindest den Schildern zufolge. Es hat aber niemand gespielt. Da nützt es dann auch nichts, wenn die Schilder Mut machen, zu fragen, ob man mitspielen kann. Die Regeln hingegen stehen nirgends dran.

Nun kommen wir zum klaren Highlight der heutigen Strecke. Vergessen Sie die hessische Landeshauptstadt, die Weinberge, die Drosselgasse oder die Wacht am Rhein - holen Sie tief Luft und machen Sie sich bereit für ein tiefes, hingerissenes Awwww! Denn hier sind: Babygänse.

Alle meine Gänschen schwimmen an den Steg, schwimmen an den Steg,
laufen auf die Wiese übern Rheinradweg.

Alle meine Gänschen rupfen Gras am Rhein, rupfen Gras am Rhein.
Wie kann irgendetwas nur so niedlich sein?

Alle meine Gänschen watscheln frei herum, watscheln frei herum.
Nur der E-Bike-Rentner fährt sie beinah um.
Später macht der Rheinradweg ein paar Kurven und führt per Brücke auf die angeschwemmten Halbinseln rauf.

Weil rechts die ganze Zeit die Bundesstraße verläuft, betreten die Gäste die bunten Weinorte nicht etwa durch ein Stadttor, sondern durch einen niedrigen Betontunnel. Das hier ist zum Beispiel der Zugang zu Hattenheim.

Hier haben wir am Ufer zur Abwechslung mal etwas größere Bäume und dazu kleine Matschstrände. Wer traut sich, mit den Füßen in den Rhein zu gehen? Hinterher kleben dann glitzernde Punkte am Fuß, bei denen es sich um Rheingold oder Mikroplastik handelt. Oder doch um Abrieb der vielen glänzenden Muscheln?

Die Hindenburgbrücke wurde 1915 eröffnet und 1945 von Deutschland zerstört. Der Radweg verläuft durch einen intakten Torbogen, weiter links in Richtung Rhein liegen nur noch große Steinbrocken.

Sie haben ihr Ziel erreicht. Es befindet sich auf der rechten Seite: Rüdesheim, der bekannteste der bunten Weinorte. Rüdesheim begrüßt uns mit dem rotweißen Adlerturm. Einen rotweißen Turm haben hier fast alle Orte, das ist erstmal noch nicht solch eine Besonderheit.
Die Berge sind nun schon ganz dicht, auch die Weinberge sehr nah ans Ufer gerückt.

Das ist der Marktplatz. Dort ist es schön gemütlich, nicht zu eng und nicht zu voll. Zum Glück liegt unsere Unterkunft gleich nebenan.

Außergewöhnliche Ausstattung unserer Unterkunft: Das Wasserbett.

In der kleinen romanischen Kirche werden die Besucher höflich zur Kasse gebeten.

Rüdesheim hat sage und schreibe fünf Kurbelautomaten für Souvernirmünzen (und einen für Souvenir-Geldscheine). Ich habe noch nie so viele von den Dingern an einem Ort gesehen.
Es gibt hier zudem ein Museum mit mechanischen Musikinstrumenten, ein Spielzeugmuseum - aber mal im Ernst, eigentlich will doch jeder nur zu den beiden großen Hauptsehenswürdigkeiten von Rüdesheim.
Die eine ist die Drosselgasse, eine weltberühmtes enges Gässchen voller Weinlokale. Zur Hauptsaison soll sie extrem überlaufen sein, oder auch nicht, da habe ich Widersprüchliches gehört. Im April sind die Lokale jedenfalls geradezu irritierend leer, und die Gasse selbst ist auch nicht so voll. (Das Foto ist etwas irreführend.)
Eine Diskussion kam auf: Sollen wir hier was essen? Ist das nicht eine Touristenfalle (in der wir am Ende erdrosselt werden, haha)? Hm, es riecht nach Ente mit Rotkohl... Auf Google Maps hat das Restaurant hier nur 3,6 Sterne. Aber dann hätten wir eben mal in der Drosselgasse gegessen, sollte man das nicht mal gemacht haben?

Diese Katze äußerte sich dazu wie folgt: Krächz, miau, krächz!
Statt zu schnurren, krächzt sie wie ein Rabe, wenn sie gestreichelt wird.

Neben Wein hat Rüdesheim noch ein anderes berühmtes Getränkt, nämlich Rüdesheimer Kaffee. Obendrauf gibt es Vanilleeis oder -zucker, Sahne und Schokoraspeln, unten drin steckt die lokale Spirituose Asbach. Es wird nicht umgerührt, sondern direkt so getrunken, dass das Heiße durch das Kalte hindurchrinnt. Fazit eines Eigentlich-nicht-sehr-viel-Kaffeetrinkers: Lecker!

Merke: Wenn in einem Stadtplan nicht alle Burgruinen eingetragen sind, dann muss der Ort viele Burgruinen haben. Insofern ist Rüdesheim eine passende Einstimmung für die morgige Strecke.
Die Brömserburg (im Bild vorn) hat ein Museum (war schon geschlossen) und ist etwas Besonderes, weil sie so quadratisch ist.

In Rüdesheim ist nicht alles touristisch ausgebaut, es gibt auch leere Häuser und eher triste Ecken.

Die zweite große Sehenswürdigkeit ist per Wanderung durch die Weinberge (2,5 Kilometer) oder per Seilbahn erreichbar. Wir wählten die Seilbahn. Als Radfahrer, die jeden Tag strampeln, haben wir wohl eher das moralische Recht dazu als die Flusskreuzfahrer.
Die Talstation der Seilbahn liegt mitten in Rüdesheim. (Früher befand sich an der Stelle eine Zahnradbahn.) In jede der offenen Gondeln passen nur zwei Personen. Das passende und witzige Motto der Bahn lautet: Über den Reben schweben.

Oben liegt zunächst der Niederwaldtempel. Das ist einfach ein Halbkugeldach auf Säulen. Die Aussicht ist aber riesig. In der Ferne ist Mainz zu erkennen.

Aber natürlich hat man dort nicht nur wegen der Aussicht eine Seilbahn hingebaut. Die Seilbahn führt zum wahnsinnig riesigen, protzigen Niederwalddenkmal aus dem deutschen Kaiserreich mit einer monströsen Statue der Germania. Schon im Kaiserreich war das ein touristischer Hotspot, es wurden unter anderem Eseltouren angeboten (ungefähr so wie die Segwaytouren heute, denke ich).
Das Denkmal wurde zur Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg errichtet, den die deutschen Einzelstaaten 1871 gewonnen und dann vor laute Euphorie ein gemeinsames deutsches Kaiserreich gegründet haben, wie es Reichskanzler Bismarck geplant hatte.
Mit dem Denkmal verbunden ist das ultrapatriotische Lied Die Wacht am Rhein von Max Schneckenburger, welches in den Stein hineingemeißelt wurde. (Wenn man auf dem Bild nah heranzoomt, kann man es lesen.) Sein Inhalt lautet zusammengefasst: Yeah, wir Deutschen sind die Geilsten, haben die Franzosen besiegt und passen auf, dass sie sich den Rhein nicht zurückholen!
Man kann sich durchaus vorstellen, wie sich Menschen, die damals noch nicht andauernd von Medien aller Art beschallt wurden, diese epische Denkmal-Lied-Kombination auf sich wirken ließen und danach bereit waren, für die Mächtigen im Krieg einen scheinbar sinnvollen Heldentod zu sterben.
Das alles ist natürlich in mehrfacher Hinsicht nicht mehr ganz aktuell. Es wird Zeit, dass man den Text anpasst. Lesen Sie nun hier Die Wacht am Rhein  - Version 2019.

Am Rhein, am deutschen Grenzfluss Rhein,
da soll für immer Frieden sein.
Wir sind die Bundesrepublik
und führen keinen Angriffskrieg.

Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein.

Kaum jemand da, den es noch stört,
wem wie viel Land genau gehört.
Das Elsass dort, was macht das schon?
Wir sind doch eine Union.

Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein.

Die Grenzkontrollen sind verschwunden,
die alte Feindschaft überwunden,
die beiden Staaten eng verbandelt.
Seit damals ist das Land verwandelt.

Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein.

Sie wacht am Tag und in der Nacht,
dass niemand dumme Sachen macht
und wieder einen Krieg beginnt.
Wer so etwas riskiert, der spinnt.

Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
fest steht und treu die Wacht am Rhein, die Wacht am Rhein

Doch grämt euch nicht, hört lieber zu:
Der Schengenraum und die EU,
die bringen Deutschland viel Profite
als reichstes Land in ihrer Mitte.

Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein.

Demokratisch, friedlich, fein,
so soll des Stromes Hüter sein.
Kein Panzer wird mehr angerührt.
Woanders wird der Krieg geführt.

Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein.


Drüben sehen wir Bingen. Dort stößt die Nahe inklusive tiefem Tal zum Rhein.
In dieser Richtung wird es immer bergiger. Hier beginnen die Gebirge Taunus (rechtsrheinisch) und Hunsrück (linksrheinisch).
Dort fahren wir morgen rein, in die Rheinlandschaft schlechthin:
Das Obere Mittelrheintal.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen