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Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

18 April 2019

Von Rüdesheim nach St. Goar

Als ich am nächsten Morgen erwachte, war ich schon gespannt auf das Tal. Doch das Tal war weg. Nebel und Nieselregen hüllten es ein. Wir trödelten herum, bis es wieder langsam auftauchte.
Von Rüdesheim nach Bingen fährt eine Fähre mit dem Slogan Mehr Rhein geht nicht!

Die Rheinfähren sind alle sehr schnell drüben. Naja, der Rhein ist ja auch nicht mehr ganz so breit. Um ins Tal zu passen, muss er sich dünner machen.

Bingen sieht auch schön aus und ist größer als Rüdesheim.

An der Nahespitze vereinigt sich die Nahe mit dem Rhein. Wir überqueren sie auf einer Brücke.

Hier war der Rhein so flach, dass im Mittelalter die Waren aus den Schiffen geladen und über Land auf dem sogenannten Leinpfad transportiert werden mussten. Im 14. Jahrhundert wurde deshalb zum ersten Mal das Binger Loch in den Fluss gesprengt, damit Schiffe durchpassen. Nach und nach wurde es immer weiter vergrößert.
Hier befindet sich der Mäuseturmpark, wo die Bundesgartenschau stattfand. Dort gab es einen Hildegarten, benannt nach der Nonne, Pflanzenkundlerin und Heilerin Hildegart von Bingen. Ich mag die Vorliebe der Binger für Wortspiele.
Auf einer Insel im Wasser liegt der Binger Mäuseturm. Ein Bischof, der seine Bevölkerung verhungern ließ, wurde darin der Sage nach von Mäusen gefressen. Der Turm bildete mit der Burg Klopp in Bingen und der Burg Ehrenfels (im Hintergrund) eine Kette, der kein Schiff entkommen konnte: Alle mussten für den Mainzer Erzbischof Zoll bezahlen, sonst wurden sie angegriffen.
Besucher können den Mäuseturm per Fähre erreichen, allerdings nur vom rechten Ufer aus (obwohl er näher am linken Ufer steht).

Nun sind links und rechts richtige Berge, der Rhein knickt nach Norden ab und wir befinden uns in der weltberühmten Kulturlandschaft des Oberen Mittelrheintals. Rechts erstreckt sich der Taunus, links der Hunsrück. Der Nebel wich immer weiter nach Norden zurück, damit wir davon auch was sehen konnten. Ab und zu leckte er noch über die Berggipfel, aber das ist okay, das sieht ja schön aus.
Die Landschaft ist folgendermaßen aufgebaut: Aus den Bergen gucken wilde Felskanten heraus, dazwischen wachsen Bäume, Efeu und Moos. Am Fuß der Berge ist nicht viel Platz. Dort befinden sich ein bis zwei Reihen Häuser, Bundesstraße, Schienen, Radweg, ein schmaler Grünstreifen und dann ist da auch schon der Rhein.
Und ganz wichtig: Burgen! Im Mittelrheintal befinden sich rechtsrheinisch 38 und linksrheinisch 27 Burgen und Burgruinen (plus eine, die sich nicht entscheiden konnte, zu welcher Gruppe sie gehört). Wir sahen heute die Burg Klopp, Burg Ehrenfels, Burg Rheinstein (im Bild hinten links), Burg Reichenstein, Burg Sooneck, Burg Hohneck, Burg Fürstenberg, Burg Stahleck, Burg Pfalzgrafenstein, Burg Gutenfels, die Schönburg, Burg Rheinfels, Burg Katz und Burg Maus. Alle paar Kilometer taucht eine neue auf. Viele sind Privatbesitz reicher Menschen und können nicht besichtigt werden.

Weinberge gibt es auch noch oft, aber sie sind ein wenig steiler geworden.

Zwischendurch werden die Berge wieder etwas niedriger. Deshalb heißt dieser Ort Niederrheimbach. Am anderen Ufer liegt Lorch.

Wohlhabende Menschen haben sich hier Häuser hingebaut.

In Bacharach machten wir Mittagspause. Bacharach besteht aus ganz schicken rotweißen Fachwerkhäusern. Hoch oben ragt die Burg Stahleck auf. Ein Stadttor führt hinein in die Gassen, doch das faktische Tor ist heute wieder mal eine Unterführung unter den Gleisen.
Von außen sehen die Fachwerkhäuser alle so ordentlich aus.

Im Inneren von Bacherach aber sind die Häuser nicht gerade und ordentlich, sondern schräg und schief, ansonsten sehen sie genau gleich aus. Witzig.

Die Stadt hat einen Stadtmauerrundweg. Das haben die meisten Städte, aber ich kenne sonst keine, bei der ein Klettersteig mit Stahlseil an einem steilen Waldpfad enthalten ist. Die Mauern führen nämlich auch außerhalb des Stadtgebiets durch den Wald.

Über der Stadt verlaufen aber auch harmlosere Wanderwege. Einer führt zur Ruine der Wernerkapelle.

Und ein anderer führt hinauf zur Burg Stahleck. Diese Burg wurde eindrucksvoll mittelalterlich restauriert.

In der Burg befindet sich eine Jugendherberge. Dort übten die Kinder gerade mittelalterliches Lanzenreiten auf Steckenpferden, und zwar vor einem traumhaften Panorama über das Mittelrheintal. Außerdem steht dort eine mittelalterliche Tischtennisplatte aus dem 12. Jahrhundert.

Im Rhein liegen kleine Felsinseln, um die sich Stromschnellen bilden. Rote und grüne Bojen grenzen die Wasserstraße ein, in der die Schiffe sicher fahren können.
Die Grenze nach Hessen verlässt den Rhein hinter Bacharach und verschwindet im Taunus. Nun gehören beide Ufer zu Rheinland-Pfalz.

Im Mittelrheintal gibt es am linken Ufer durchgehende Radwege am Straßenrand. Am rechten Ufer gibt es die zwar auch oft, aber innerorts muss man eben auch häufig direkt auf der Bundesstraße fahren. Deshalb verläuft der Hauptradweg am linken Ufer. Die größeren Orte und Sehenswürdigkeiten liegen hingegen überwiegend rechts. Das ist nicht ganz optimal für Radfahrer.
Hier liegt zum Beispiel Kaub am rechten Ufer. Außerdem ist rechts Burg Pfalzgrafenstein zu sehen. Das ist die einzige Burg, die sich nicht entscheiden konnte, ob sie rechts- oder linksrheinisch ist. Also liegt sie mitten im Fluss. Bewohnt wurde sie nie. Wie schon beim Mäuseturm sollte sie nur zusammen mit Burg Gutenfels (im Hintergrund) eine undurchdringliche Zollstation bilden.

Die Spannung steigt, wir nähern uns der Loreley. Doch wie das oft so ist (gerade mit Kindern): Die wahren Highlights liegen ganz woanders und lassen sich nicht planen. Diese Leiter führt zum Highlight der heutigen Strecke.

Zwei große Rheinschaukeln! Wer barfuß und bekleidet schaukelt, schwingt je nach Geschick mit nassen Füßen oder nassen Hosenbeinen zurück ans Ufer. Wer auf Nummer sicher gehen will, schaukelt in Badesachen.

Hinter der nächsten Flussbiegung taucht die Loreley auf. Das ist ein Schieferfelsen mit schroffen, schartigen Felskanten, zwischen denen Bäume wachsen. (Ley oder Lay heißt auch einfach nur Felsen.)

Die Untiefen und Hungersteine im Wasser haben früher gern Schiffe aufgeschlitzt. Das winzige Lotsen- und Wahrschauermuseum (geschlossen) erinnert an die Leute, deren Aufgabe es war, die Schiffe sicher am Felsen vorbei zu navigieren.
Und damit wären wir auch schon am Ziel. Hier liegt am linken Ufer St. Goar, am rechten Ufer die Loreleystadt St. Goarshausen.
Vergessen Sie die Lancesters und Lannisters - hier herrschte einst ein Adelshaus mit dem absolut genialen Namen Katzelnbogen. Sie waren die drittreichste Familie in Deutschland, ihr Wappen war ein grinsender Löwe. Die bauten sich über St. Goar ihre Burg Katz. Später bauten sie sich noch eine kleinere Burg dazu (ganz hinten links), für die sich der Name Burg Maus durchsetzte.

Wir übernachten allerdings am linken Ufer, in St. Goar (ohne -hausen). Auch St. Goar hat eine Burg, nämlich Burg Rheinfels. Darin befinden sich ein Hotel, ein Museum und ein Naturlehrpfad an der Mauer. Dieses Museum war sogar zur Abwechslung mal geöffnet (laut Internet) und wir hatten Rabattbons vom Hotel. Aber der Aufgang zur Burg war wegen einer Baustelle versperrt.

Der Rest von St. Goar lässt sich mit folgenden zwei Sätzen beschreiben: Haben die hier echt nur eine Straße? Ach nee, da drüben ist noch eine.
Wir übernachten wir im Hotel mit dem naheliegenden Namen Zur Loreley (nach Kriemhilde in Worms schon die zweite legendäre gefährliche attraktive Frau, bei der wir schlafen).
Außergewöhnliche Ausstattung unserer Unterkunft: Die nette Dame an der Rezeption, die einfach alle Extrawünsche erfüllte. ("Einer von uns möchte früh um fünf bei Sonnenaufgang raus, um zu fotografieren, können sie ihm die Fahrradgarage aufschließen?")
In einem Restaurant in St. Goar saß am Tisch nebenan eine andere Familie auf Rheinradtour. Die nahmen den kulturellen Aspekt der Reise offenbar sehr viel ernster als wir, denn sie fragten ihre Kinder regelrecht ab. ("Und wer hatte damals das Sagen am Rhein? Die Kurfürsten!") Für unsere Eltern war das eine Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass wir es bei ihnen gar nicht so schlecht hätten.

Eine Fähre brachte uns hinüber nach St. Goarshausen. Das Schiff hieß Loreley VI. Einfach alles heißt hier Loreley, von der Loreley-Klinik bis zum Loreley Burgunderwein.

Und damit meinen die alle den Felsen? Natürlich nicht, die meisten denken an eine schöne Frau.
1800 hat sich der romantische Dichter Clemens Brentano ein Lied in ein Kunstmärchen eingebaut, in dem von einer Frau in Bacharach am Rhein die Rede war. Die war traurig, dass ihr magischer Blick alle Männer zugrunde gerichtet hat, aber ausgerechnet ihr Geliebter abgehauen ist. Sie bittet den Bischof, sie zu töten, soll aber ins Kloster gehen und springt schließlich vom Felsen in den Rhein. Soweit das Original.
Die bekannte Version ist aber die von Heinrich Heine, der ihr die Schuld an den aufgeschlitzten Schiffen gibt, weil sie zur heimtückischen singenden Sirene wird. Die Idee gabs ja schon im alten Griechenland, das ist also nicht so wahnsinnig neu
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin. Ein Märchen aus uralten Zeiten, das geht mir durch den Sinn. Damals existierte die Figur erst seit 24 Jahren, uralt scheint ein dehnbarer Begriff zu sein.
Auf einer langen Halbinsel im Hafen von Goarshausen steht ihre Statue und guckt melancholisch. Wir wanderten über die lange Halbinsel dahin. Wann zeigen einem die Eltern denn sonst schon eine nackte Frau?

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
dass ich so wichtig bin.
Es streben ja zu allen Zeiten
Touristen zu mir hin.

Sie wollen mich fotografieren,
und dann sind sie schon wieder weg.
Ich will mich ja gar nicht genieren,
doch sehe ich nicht ganz den Zweck.

Ich bin zwar ganz hübsch, ja, das weiß ich
und doch bin ich auch nur ein Fels.
Ich weder rund noch sehr weiblich.
Naja, auch egal. Euch gefällt's.

Was habe ich nicht alles Negatives gelesen über das Mittelrheintal und speziell diese Stelle. Überfüllt, massentouristisch, gar nicht mehr romantisch soll sie sein und extrem laut durch Güterzüge, Bundesstraßen und Flusskreuzfahrtschiffe mit Lautsprechern. Da würde der Gesang der Loreley heutzutage sowieso untergehen.
Tja, im Sommer mag das ja alles stimmen. Und ja, ab und zu poltert ein Güterzug wirklich ziemlich laut, oder die Bundesstraße rauscht im Hintergrund. Doch an einem warmen Mittwochabend in den Osterferien gibt es tatsächlich Augenblicke, in denen an der Loreley ausschließlich Vogelgezwitscher zu hören war. Als wir uns der Hafenmole näherten, befand sich an der Loreleystatue exakt eine andere Person.
Ich würde sagen, wir haben es drauf. All die Leute, die sich beschweren, müssen einfach im April hinfahren.

Wir sind aber nicht nur wegen der Statue ans andere Ufer gefahren. Wenn wir schon mal da sind, sollten wir auch noch auf den Felsen steigen. Naja, zumindest einige von uns, die noch nicht zu müde sind.
Dafür gibt es zwei Wege. Zum einen führt eine lange, steile Steintreppe mit zu großen Stufen am Hafen direkt nach oben. Die haben wir auf dem Hinweg genommen.

Zum anderen führen noch zwei verschnörkelte Wanderwege über die Berge und hinunter nach St. Goarshausen. Einer davon ist Teil des längeren Rheinsteig-Wanderwegs. Der längere führt erst bei Burg Katz nach unten. Den kürzeren haben wir auf dem Rückweg gewählt, damit wir die letzte Fähre um 21 Uhr noch schaffen.
Dieser Weg schlängelt sich über Wiesen, durch vertrocknete Blätter im Wald und führt auf kleinen Holzleitern über Zäune, die wohl verhindern sollen, dass das Wild zur Bundesstraße läuft. Und Wild gibt es dort tatsächlich. Wir haben einen Fuchs gesehen. Laut Schildern soll es auch Elche geben, daran habe ich aber gewisse Zweifel.

Wie auch immer, beide Wege führen jedenfalls auf eine touristisch ausgebaute Aussichtsplattform. Hier stehen der Loreley-Spielplatz, das Loreley-Besucherzentrum und eine Sommerrodelbahn namens Loreley-Bob. 2031 soll hier die Bundesgartenschau stattfinden und alles wird schon umgebaut. Im grauen Gebäude warfen Beamer den Text an die Wand, während Lautsprecher Heines Lied sangen.
Hier oben parken wohl auch die meisten Besucher ihr Auto auf dem riesigen Parkplatz, die machen also gar keine Wanderung. Doch auch oben war es heute Abend ziemlich leer.

Das wirklich Interessante ist natürlich die Aussichtsplattform. Dort guckt teilweise der Fels raus, das ist ganz schön gemacht. Nur das omnipräsente rostige Metall ist nicht so meins.
Der Blick nach Süden sieht so aus.

Und das ist der Blick nach Norden. Rechts ist St. Goarshausen, links St. Goar und vorne links der Stadtteil St. Goar An der Loreley, der im Grunde nur aus dem Campingplatz Loreleyblick besteht.

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