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Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

14 April 2019

Von Worms nach Oppenheim

Worms verabschiedet sich mit Straßen, Industrie und Kirchtürmen.

Auch am Rheinufer befindet sich viel Industrie. Ich habe versucht, mit den Lastschiffen auf dem Rhein mitzuhalten. Eine Weile ging es, aber danach war ich ziemlich erschöpft.
Seit heute bläst uns Gegenwind ins Gesicht, mal stark, mal schwach, aber immer da. Ich dachte, der fängt erst am Niederrhein an.



Später leitet uns der Weg hinter den Deich. Er passiert einige Orte wie Hamm, die aus Einfamilienhäusern bestehen.



Eins der Einfamilienhäuser (links) ist etwas älter und könnte einstürzen, wenn man es zu stark anpustet.
Leider geht es hier für einige Kilometer auf eine Hauptstraße. Besonders viel Verkehr war dort aber nicht.



Bei Eich gab es einige Seen zu sehen.


Hier wurde ein Stauwehr erneuert, deswegen war der Radweg gesperrt und wir strampelten auf einer 2,5 Kilometer langen Umleitung gegen den Gegenwind.



Dann war da noch eine verhängnisvolle Weggabelung. Direkt am Rhein verläuft ein nicht asphaltierter Radweg mit Natur, auf dem Deich ein asphaltierter. Dazwischen liegen seltsame grasbewachsene Mini-Hügel.
Der offizielle Rheinradweg ist der am Fluss. (Laut unserer Karte sollte der Radweg sogar schon viel länger so aussehen.) Die Wegteilung kann zu blöden Missverständnissen führen, wenn die einen davon ausgehen, dass wir auf dem Rheinradweg fahren, und die anderen davon ausgehen, dass wir die asphaltierte Abkürzung nehmen  - und mich bitten, auf sie zu warten, was ich dann auch tue. Ich warte dann und warte und warte, während sie auf dem Weg nebenan vorbeizischen.



Am anderen Ufer liegt wieder mal ein Altrhein mit einem Naturschutzgebiet. Es trägt den eindrucksvollen Namen Kühlkopf-Knoblochsaue. Diesmal haben wir keinen Umweg am rechten Ufer gemacht, denn sonst hätten wir vor unserem Ziel keine Möglichkeit gehabt, nach links zurückzukehren. Außerdem wollten wir schon um 15:45 am Ziel sein.



Die Natur sah an beiden Ufern auch ziemlich ähnlich aus. Sie besteht aus schwarzen Kühen und hohen Bäumen mit massenweise Misteln.



Anschließend umrundeten wir auf rotem und weißem Kies einen Segelflugplatz.



Linker Hand verläuft eine Hügelkette, die wohl schon ein Ausläufer vom Hunsrück ist. Und auf diesem Hügel tauchte auf einmal eine imposante Stadt mit großer Kirche auf. Das ist Oppenheim, da wollen wir hin. Die Abzweigung zur Stadt verläuft durch Wiesen, Vororte mit Einfamilienhäusern, eine Unterführung und steile Altstadtgassen. Oppenheim liegt nämlich anders als früher nicht mehr direkt am Rhein.



Aber der kleine Umweg lohnt sich. Oppenheim ist klein, dreidimensional und gemütlich. Hier gehört die große Kirche zur Abwechslung mal wieder den Protestanten. Früher verlief direkt durch Oppenheim die Grenze der Bistümer Mannheim und Mainz. Deshalb wurde so eine große Kirche gebaut, um vor dem Nachbarbistum anzugeben.



Gleich neben der Kirche befindet sich das Beinhaus. Es wurde von morbiden, akribischen Klerikern mit Oberschenkelknochen und Schädel gefüllt.



Im Mittelalter war Oppenheim eine wichtige Handelsstadt, ähnlich wichtig wie Frankfurt, denn die Stadt lag am Kreuzungspunkt der Routen von Basel in die Niederlande und von Prag nach Metz/Paris. Doch heute ist die Stadt natürlich nicht mehr ganz so wichtig wie Frankfurt. Wie kommt das?
Die Altstadt sieht zwar sehr historisch aus, aber eigentlich stammen nur drei Gebäude aus dem Mittelalter: ein Stadttor, Teile der großen Kirche und die Burgruine. Oppenheim wurde nämlich im 17. Jahrhundert zweimal komplett zerstört, im Dreißigjährigen Krieg und im Pfälzischen Erbfolgekrieg gegen Frankreich. Damals ließ ein General von Ludwig dem 14. alle Bewohner evakuieren und brannte und sprengte alles befehlsgemäß und sehr gründlich nieder. Dank ihm ist Oppenheim also nicht Frankfurt 2.0.
Also gibt es kaum noch etwas aus dem Mittelalter zu sehen? Über der Erde nicht, doch nur die Hälfte der Stadt ist oberirdisch. Hinter dem Rathaus startete um 15:45 Uhr eine Führung ins Kellerlabyrinth der Stadt, für die wir uns angemeldet hatten. Schaffen wir das noch pünktlich? Puh, ja, wir sind da.



Im Mittelalter wurden drei bis fünf Etagen aus dem Lössgestein gemeißelt. Die Stadt wuchs rasant und war zwischen dem Rhein und den schützenden Hügeln eingeengt, sodass man unter der Erde nach neuem Lagerraum für die Handelswaren suchen musste, unter anderem auch für Bier. (Aber nicht für Wein - der Oppenheimer Wein wurde erst später bekannt.)
Löss ist sehr stabil, solange es trocken und gut belüftet bleibt, und das blieb es ja auch - vorerst. Bis der Handel irgendwann einbrach und die Lagerkeller nicht mehr gebraucht, vernachlässigt, als Müllhalde genutzt und zugeschüttet wurden. In den 1980ern rief eine Frau dann die Polizei, weil sie Einbrecher im Keller hörte. Die Polizei kam. Plötzlich gab der Boden nach und das Polizeiauto versank in der Straße. Es waren keine Einbrecher, sondern ein Rohrbruch, der einen Teil der Katakomben aufgelöst hatte. Da stellten die Oppenheimer fest: Ups, was haben wir da unten eigentlich? Und dann richteten sie ihr Labyrinth touristisch her, statt es komplett mit Beton zu füllen.
Das hier ist der Natursteingang, der mit Spritzbeton befestigt wurde. Dennoch sind zwei markante Natursteine zu erkennen: Der Oppenheimer Scheitelzieher und der Oppenheimer Schulterkratzer.



Auch unter dieser Straße verläuft ein Gang, neben den Grundmauern der katholischen Bartholomäuskirche. Das gelbe Haus ist eines der vielen Privathäuser, die Zugang zum Labyrinth haben. Als die Stadt neu aufgebaut wurde, stimmten die Grundrisse der Häuser und der Keller häufig gar nicht mehr überein. Dann befand sich der eigene Keller unter Umständen halb unter dem Nachbarhaus.



Und so sieht dieselbe Stelle eine Etage tiefer aus.
Im Dreißigjährigen Krieg versteckten sich die Familien hier unten in völliger Finsternis. Wenn ein spanischer Söldner die enge Treppe herunterstolperte und -fiel, standen ihre Chancen immerhin ziemlich gut, dass der Ritter nicht wieder heil nach oben kam. Der Gang links führt zum tiefsten Punkt des Rundgangs...

...noch eine Etage tiefer, zum Friedhof der Nachttöpfe neben der Kirche.
Aus Sicherheitsgründen tragen alle Besucher des Labyrinths einen Helm, und das ist auch nötig. Meiner hat jedenfalls definitiv ein paar neue Schrammen bekommen. Aus hygienischen Gründen tragen alle außerdem ein Hygienehäubchen unterm Helm. (Letztes Jahr haben wir das Kellerlabyrinth im tschechischen Mělník besucht, dort sind derartige Hygienemaßnahmen unbekannt.)

Außergewöhnliche Ausstattung unserer Unterkunft: Ein Zugang ins Kellerlabyrinth. (Die Verbindung zu den übrigen Räumen des Labyrinths ist leider blockiert.)




Puh, nach all der Aufregung ist erstmal Essenszeit. Dieses Restaurant serviert den Glücklichen Oppenheimer oder den Gemütlichen Oppenheimer, das sind im Grunde alles mit Käse emotional überbackene Schnitzel in der Pfanne. Dazu gibt es natürlich Rheinwein.



Der wird über der Stadt angebaut.



Dort erhebt sich die Burgruine Landskron, die ein wenig aussieht wie ein mittelalterlicher Wohnblock für Ritter.
Wie bekommt Oppenheimer an Geld, da es ja nun einmal nicht Frankfurt 2.0 geworden ist? Nun, zum einen durch historisch interessierte Labyrinth-Touristen wie uns. Zum anderen aber auch durch die Teilnehmer der sogenannten SäuferSchlemmer-Wanderung, die von der Burg über die Weinberge zum Marktplatz wandern und dabei das Lied Ich will saufen hören (und das auch tun). Auf dem Marktplatz und auf der Burg wurden Zelte für sie aufgebaut. Alle haben eine Tasche um den Bauch gebunden, in der ein Weinglas steht.
Tja, jeder erlebt die Region auf seine Art.

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