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04 Dezember 2019

Eiserner Vorhang: Der Brocken

Vom Iron Curtail Trail (in Elend) führt ein Ausflug auf den Brocken, den höchsten Berg im Harz und den vielleicht bekanntesten Berg aller deutschen Mittelgebirge. Dazu muss man erstmal ins Dorf Schierke - aber wie?
Abraten würde ich von der Methode, mit zwei Bussen vom Harzrand dort hochzufahren. Die Busse im Harz sind null aufeinander oder auf die Bahn abgestimmt und fahren sehr unregelmäßig. Die Umsteigezeiten betragen praktisch immer 45 Minuten.
Wer mit dem Fahrrad von Elend hochfährt, sollte keinesfalls der Karte auf die gewundene Landstraße folgen. Ebenso steil, aber deutlich schöner und kürzer ist der Waldweg im Tal der Kalten Bode.



Zwei Klippen bewachen Schierke. Beide sehen aus, als hätte ein Riese die typischen Felsbrocken im Harz halbwegs passend ineinandergepuzzelt. Die Mäuseklippen ragen auf einem abgeholzten Feld auf und ließen sich auch ohne Hilfsmittel recht einfach besteigen. Die Schnarcherklippen schnarchen ein Stück weiter im Wald. Das sind schon richtig senkrechte Felstürme. Ich verstehe gar nicht, wieso Goethe im Faust geschrieben hat, dass die vorgebeugt schnarchen sollen - diese Beschreibung passt für mich eher zu den Mäuseklippen.
Der eine Schnarcherturm hat steile Eisentreppen, der andere wird nur von richtigen Kletterern mit Seil und allem bezwungen.


Selbst der Kurpark von Schierke sieht ungewöhnlich felsig aus. Das Dorf hat eine moderne Sommerodelbahn auf Schienen namens Brockencoaster, die aber eher kurz ist und statt dem Brocken nur einen kleinen Hang innerhalb der Ortschaft nutzt. Weil hier der Schnaps Schierker Feuerstein herkommt, steht die riesige Nachbildung einer Schnapsflasche an der Straße.
Der Brocken ist kein spitzer Berg, sondern eher eine flache Halbkugel, wie fast alle Berge im Harz. Deswegen kann man in Schierke gar nicht sehen, wo der eigentlich ist. Und während der restlichen Wanderung auch nicht. Überall im Harz ist der Brocken zu sehen, aber ausgerechnet direkt an seinem Fuß nicht.
Theoretisch kommt man auf einer breiten asphaltierten Straße mit dem Fahrrad bis zum Gipfel. Wer mich kennt, weiß aber: So was mache ich lieber zu Fuß.

Auf dem Brocken treffen sich ja angeblich die Hexen. Deswegen passiert man zunächst den Verbotenen Wald aus Harry Potter.

Wir durchquerten aber nicht nur Wälder, sondern auch ehemalige Wälder. Sie sind Borkenkäfern zum Opfer gefallen. Ein großer Teil der Brockenwanderung bestand aus einer tristen Holzwüste, in der vereinzelt Bananenschalen und Gummireifen herumlagen.
Auf den asphaltierten Straßen fuhren Menschengruppen auf Segways (diesen Dingern, auf denen Menschen stehend im Schritttempo fahren). Tja, wir besteigen nun einmal einen Gipfel, der alles andere als ein Geheimtipp ist und sehr stark frequentiert wird. Aber geführte Segway-Touren? So tief sind wir noch nicht gesunken.

Der Weg passiert Straßen, Bäche und Bahnschienen. Hier verkehrt die Brockenbahn. Die wird von einer Dampflokomotive gezogen. Zu Hause hatte ich überlegt, ob man nicht eine Strecke wandern und mit der Bahn zurückfahren könnte. Die Idee verwarf ich spontan, als ich einen Blick auf die Fahrpreise warf.

Und nun folgt der anstrengendste Teil des Aufstiegs, ein steiles, steiniges Etwas, der auf direktem Wege bergauf führt, während sich Straße und Gleise langsam als Spirale um den Berg schlängeln. Im Grunde war das so eine Art breiter Streifen, angefüllt mit Steinen verschiedenster Größe, dazwischen ein Wirrwarr an Trampelpfaden und Trittstufen. Eine Masse an Leuten kraxelte gemeinsam mit uns nach oben - es war ja Platz genug für alle, falls es eng wird, umrundet man den Felsbrocken eben auf der anderen Seite. Wir konnten uns sogar unbehelligt auf einen Fels mitten auf dem Weg setzen, um Pause zu machen. Für Segways und Fahrräder ist dieser Weg übrigens nicht geeignet.
Am Eckerloch, zu Beginn dieses Abschnitts, entspringt die Ecker, die wenig später die Grenze bilden wird.

Schließlich landet der Steinweg wieder auf der Spiralstraße. Hier sammeln sich nun sämtliche Verkehrsteilnehmer, einen anderen Weg zum Gipfel gibt es nicht mehr. Das birgt Gefahren, vor denen ein anschauliches Schild warnt.

Dann waren wir oben. Auf dem Gipfel bewegt sich ein Meer aus Gras, aus dem Steine ragen. Die Berge sind alle blau und halb transparent.

Da unten, da ist das Tal, wo der Weser-Harz-Heide-Radweg entlangführt! Oder? Und die Stadt da - ist das jetzt Goslar? Oder Bad Harzburg? Oder Wernigerode? Keine Ahnung.

Ein kreisrunder Weg umschließt den Gipfel. Das beeindruckendste Objekt auf diesem Rundweg ist  diese Felsformation. Sie nennt sich Teufelskanzel. Hier beobachteten Faust und Mephistopheles angeblich die Walpurgisnacht - in jener Szene, bei der schon zahlreiche Schüler im Deutschunterricht dachten: Okay, was soll das denn jetzt? (Und dann, beim WalpurgnisnachtstraumHÄ? Da parodiert Goethe irgendwelche zeitgenössischen Promis, die seit Jahrhunderten tot sind und kein Schwein mehr kennt. Ja, genau so steht das sinngemäß in den Fußnoten. Sogar die Herausgeber von Reclam versuchten den Schülern subtil mitzuteilen: Macht euch keinen Kopp und vergesst den Blödsinn einfach.)
Ein anderer Name für den Brocken lautet Blocksberg. Aus dem stumpfen Grund, weil Block damals ein Wort für das Hexengewerbe war, und eben das soll sich ja hier oben abgespielt haben. Zum Glück wurde extra für den Hexenkontext ein eigener Name für den Berg erfunden. Bibi Brocken wäre schließlich kein guter Name für eine Kinderbuchfigur.

Und was ist das hier? Einfach eine Wiese aus langem Gras? Irrtum! Das ist ein botanischer Garten, der zur Uni Göttingen gehört und auf Gebirgspflanzen spezialisiert ist. Zugegeben, das erkennt man nicht sofort... aber da hinten stecken tatsächlich ein paar windschiefe Schilder in der Erde.

Auf einem riesigen Platz aus Sand liegt ein Haufen Findlinge. Und die sind der 1141 Meter hohe Gipfel vom Brocken. Metallplatten zeigen an, wie weit es wohin ist.
Dass die "Plattform" auf dem Gipfel so irrsinnig groß ist, hat den Vorteil, dass genug Platz für alle Menschen ist. Ein Nachteil ist, dass man nicht einfach in alle Richtungen auf einmal gucken kann, wie es sonst für einen Berggipfel typisch ist. Will man die Aussicht in alle Richtungen abchecken, kann das schon ein Rundgang von einer Viertelstunde um den ganzen Gipfel werden.
Oder man macht es wie die Kinder und klettert einfach auf die Findlinge.
Das höchste Gebäude ist der rechteckige graue Kasten mit Aussichtsplattform im Hintergrund. Das Haus mit der Kuppel dahinter ist das Brockenhaus, ein modernes Museum.

Leider war die Aussichtsplattform um die Kuppel geschlossen, weil der Wind zu stark wehte. Also hörten wir stattdessen als DDR-Spitzel ein paar Leute ab, also quasi. Denn die innerdeutsche Grenze führte einst genau über den Brocken (während die heutige Grenze zwischen Sachsen-Anhalt und Niedersachsen weiter westlich außenrum verläuft).
Nach dem DDR-Aufstand vom 17. Juni installierte Ulbricht auf dem Brocken Soldaten und Stasi-Lauscher, die Funkgespräche in fast ganz Westeuropa abhören konnten. Der Berg war auch der westlichste Vorposten der Sowjetunion, ihr Geheimdienst GRU lauschte mit. Nebenan saßen Mitarbeiter des Fernsehens, die vom Brocken sendeten. Die wurden aber von den anderen getrennt eingepfercht. Ein paar Jahre wurden noch recht großzügig Passierscheine für das Brockenhotel verteilt, aber mit dem Mauerbau war mit dem Hotel natürlich endgültig Schluss.
Erst im Dezember 1989, als die Mauern und Zäune anderswo längst gefallen waren, erlangten 6000 Demonstranten den Zugang zu diesem streng abgeriegelten Berg.


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