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04 Mai 2022

Schaalsee

Rückblick: Schaalsee-Radtour 2018

Grenzsee Nr. 7: Schaalsee

Der Schaalsee ist einer der tiefste See Norddeutschlands und der größte, über den die innerdeutsche Grenze verlief. Er hat ein 74 Meter tiefes Strudelloch, durch das einst Gletscherwasser abfloss.

Heute strudelt dort nichts mehr, nur kleine Wellen zieren die Oberfläche.

Oben im Norden trifft das Grüne Band auf den Schaalsee, oder besser gesagt auf zwei schmale Bereiche des Schaalsees, die ihren eigenen Namen haben:

Grenzsee Nr. 7a: Dutzower See

Die Grenze verläuft am Westufer (im Bild vorne).

Grenzsee Nr. 7b: Niendorfer Binnensee

Der ist nur vom  über einen schmalen Wiesenpfad zu erreichen, die Grenze wechselt ans Ostufer (im Bild vorne).


Der Ingenieur Harry Weltzin wurde von einer Selbstschussanlage ermordet, obwohl er mit einem Tunnel wortwörtlich versucht hat, das grausame Grenzregime zu untergraben.
Zu seinem Gedenken steht am Westufer der einzige erhaltene Grenzzaun am Schaalsee, auch eine Variante des Iron Curtain Trail führt dorthin.

Das Wetter war uns auf der Schaalsee-Tour nicht wohlgesonnen. Wir strampelten durch Wälder und Steigungen auf der Flucht vor kalten Winden und dunklem Donner. In Kittlitz haben wir uns in einem Haltestellenhäuschen versteckt. Wie alle Gebäude am Schaalsee enthielt es Fachwerk, in dem man sogar herumklettern kann.

Geregnet hat es in Kittlitz dann doch nicht, also sind wir irgendwann wieder aufgebrochen. Der nächste Straßenabschnitt war klatschnass, dort hatte es offensichtlich gerade erst geregnet. Irgendwie war es uns mithilfe von Glück, exaktem Timing und einer Bushaltestelle tatsächlich gelungen, dem Gewitter komplett auszuweichen. Applaus!

Als Startpunkt des Schaalsee-Rundwegs gilt eigentlich Zarrentin. Weil wir damals aus einer anderen Richtung kamen, war unser Ausgangspunkt aber Seedorf im Nordwesten.
Seedorf ist in der Tat ein Dorf an einem See, das kann man nicht abstreiten. In der Nähe befindet sich Salem, dort steht das berühmte Luxusinternat... nicht. Über zwei kleine Seen und den Schaalseekanal gibt es in Seedorf eine Verbindung zum Ratzeburger See.
Die Grundzutaten sind bei allen Dörfern am Schaalsee ziemlich ähnlich: Bauernhäuser aus Backstein und Fachwerk, Dächer aus Ziegeln oder Schilf, alte Lindenalleen und eine Feldsteinmauer vor der Kirche.
Was gibt es in Seedorf noch so? Also, da wäre eine Schmiede mit Schaukel...

...eine ganz spitze Kirche...

...und die lokale Dorfversammlung der Weinbergschnecken.

Damals sind wir durch eine Zeitschrift auf den Schaalsee-Rundweg aufmerksam geworden, einen Radführer dazu hatten wir noch nicht. Also mussten wir uns den Weg mithilfe von Wegweisern und instabilem Internet selbst zusammensuchen.
Zunächst geht es am nordwestlichen Ausläufer des Sees entlang auf eine Straße namens Zuckerhut.
Je nachdem, wie weit man sich vom See entfernt, ist der Rundweg 40 bis 50 Kilometer lang und insgesamt leider nicht so richtig optimal. Mit den touristisch erschlossenen Radrouten mitten in der Mecklenburger Seenplatte kann er jedenfalls nicht mithalten.
So hat man einige Steigungen zu bewältigen...

...und ist an unterschiedlich stark befahrenen Straßen unterwegs. Den See sieht man dabei nur sporadisch.

Die Alternative sind Trampelpfade durch üppige grüne Wälder und Wiesen. Das sieht schön aus, aber wirklich schnell voran kommt man da nicht. Als einzelner Radfahrer ist das noch in Ordnung, aber mit einem Anhängsel wird es schwierig. Und der See ist trotzdem nur selten zu sehen.
Wahnsinn, wie breit das Grüne Band ist! Das ist ja der reinste Grüne Schal. Kommt daher der Name Schaalsee? Nein, natürlich nicht, er kommt von einem alten Wort für Stein.

Dann eben zurück auf die Straße. Dort passierten wir die ehemalige innerdeutsche Grenze. Irgendjemand hat das Datum und die Uhrzeit des Mauerfalls auf dem Hinweisschild übergeklebt, da muss sich wohl ursprünglich ein Fehler eingeschlichen haben.
 

Der offizielle Iron Curtain Trail überquert die Grenze auf dem Klusterberg, der eigentlich Kopfsteinpflasterberg heißen müsste. Hier gibt es weder Hinweisschilder noch Asphalt, aber dafür sind ein paar Relikte der Grenze zu erkennen: Erstens liegen hier die berühmten Lochplatten für die Grenzpatrouillen. Zweitens wird der Wald schlagartig jünger und hellgrüner, weil er bis vor 30 Jahren regelmäßig gerodet wurde.

Kaum waren wir im Osten, als wir auch schon die ersten Auswirkungen des Solidaritätszuschlags sahen: Ein Radweg!
Nachtrag 2022: Inzwischen haben auch die meisten westlichen Hauptstraßen breite Radwege, möglicherweise infolge des neuen Klimabewusstseins.

So erreichten wir Zarrentin an der Südspitze des Schaalsees. Dort kann man Unkraut kaufen.

In Zarrentin wurden viele neue Gebäude errichtet, die aber gut mit dem alten Mauerwerk zusammenpassen. Hier haben sich Architekten ausgetobt und es ist tatsächlich was Gutes herausgekommen.
Die Kirche stellt das genaue Gegenteil der Seedorfer Kirche dar, sie ist alt und breit.

Alle Kirchgänger werden streng bürokratisch nach ihrem Wohnort sortiert. Jede Bank ist mit einem Dorfnamen beschriftet.

Neben der Kirche sind wir zum Wasser abgebogen, um noch eine andere Art von Weg auszuprobieren. Am Ufer geht es an Bootshütten, Stegen und Campingplätzen vorbei. Der Kiesweg hat den Nachteil, dass dort auch viele Fußgänger unterwegs sind, die man nicht überfahren darf.

Der Schaalsee hat eine stark zergliederte Struktur aus großen Inseln, Halbinseln und kleinen Teilseen mit kulinarischen oder religiösen Namen (Küchensee oder Kirchensee). Die Grenze verläuft im Zickzack quer über den Schaalsee und am Ufer einiger Inseln entlang.
Hinter Zarrentin fließt das Wasser in die Schaale und von da aus über die Sude in die Elbe.
Es war so heiß, dass wir am Schaalsee keinen Schaal tragen mussten. Ab ins Wasser!

Das Paalhuus ist ein Museum zum dazugehörigen Biosphärenreservat.

Der Iron Curtain Trail verlässt den Schaalsee wieder, der Schaalsee-Radweg verläuft wieder direkt neben der Straße. So kamen wir schnell und sicher voran, aber nach einigen Kilometern hätten wir doch lieber rauschendes Wasser statt rauschenden Verkehr neben uns gehabt.


Nächste Station: Lassahn. Neben den üblichen Backsteinhäusern stehen hier auch Mietskasernen, höchstwahrscheinlich haben in diesen Kästen mal Grenzsoldaten gelebt. Lassahn war zu groß, um es vollständig plattzumachen, deshalb wurden die Einwohner nur eingezäunt.

Für den Nachmittag war ein Gewitter angesagt. Um nicht nass zu werden, zischten wir nur so durch Lassahn hindurch und weiter nach Kneese.
Obwohl... kalte Getränke? Na schön, diese Werbetafel hat uns dann doch zu einer Pause überredet, und zwar im Cafe Forsthof. Das ist ein Veggie-Hotel. Es wurde nämlich nicht aus Tieren erbaut, sondern aus Pflanzen, genau genommen aus Bäumen, also Fachwerk-Balken.

Diese Brücke markiert den Grenzübergang zurück in den Westen, ohne jedes Hinweisschild. Kurz darauf folgt der Abzweig zu Harry Weltzins Gedenkstätte. Tschüss, Soli-Radwege!

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