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Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

07 Juli 2008

Elbe: Von Bitter nach Dömitz

Eigentlich wollten wir im Sommer 2008 bis nach Wittenberge, aber wegen Hitze, Mücken- und Bremsenstichen haben wir schließlich etwas früher aufgehört.


Es war sogar so heiß, dass manche Familienmitglieder oberkörperfrei fuhren. Der Sonnencremeverbrauch stieg immens. Der asphaltierte Radweg wurde eine weißglühende Fläche. (Glauben Sie mir nicht? Gucken Sie sich das Foto an!)

Diese Badestelle erwies sich aufgrund des öligen Wassers leider als nicht den Ansprüchen genügend.

Der Fischbrunnen auf dem Marktplatz von Hitzacker dagegen schon.
Hitzacker besteht aus einer rosaroten Fachwerk-Altstadt, die vom Fluss Jeetzel umflossen wird.

Die Jeetzel brachte der Stadt Fisch und Schiffszölle, bevor sie in die Elbe floss. Als 1870 die Elbzölle aufgehoben wurden und die Jeetzel an Bedeutung verlor (Haben Sie vorher mal von der Jeetzel gehört? Eben. Ich auch nicht.), war das großes Pech für die Stadt. Nach 1945 wurde die Schiffahrt wieder etwas wichtiger, 2006 überflutete die Elbe die Stadt. Ein stetiges Auf und Ab also.
In Hitzacker wechselten wir wieder mal das Ufer, diesmal via Fähre.

Auf diesem Elbdeich verläuft ein Grenzkolonnenweg der DDR durch einen sandigen Wald mit Teichen, aus denen Ton abgebaut wurde. Sie gehören zum bekanntesten Dorf an der Elbgrenze: Rüterberg.

Wie in allen Orten direkt an der Grenze wurden hat die DDR-Führung weniger vertrauenswürdige Menschen sofort zwangsausgesiedelt (natürlich auf nette und schonende Weise, wie schon der Name Aktion Ungeziefer verrät). Die anderen waren eingeschlossen und mussten sich an einer Art Grenzübergang innerhalb des eigenen Landes ausweisen, um rein- oder rauszufahren. Nachts kamen sie gar nicht raus. Verwandte zweiten Grades brauchten eine Sondergenehmigung zum Besuch, andere durften gar nicht kommen.
Trotzdem blieben die meisten Rüterberger, obwohl sie angeblich jederzeit hätten gehen können. Das bewiesen sie, als ein Tscheche vom Schiff gefallen war und in der eisigen Elbe zu ertrinken drohte. Als die Soldaten gerade nicht da waren, öffneten sie zusammen mit einem Polizisten den Zaun und holten ihn aus dem Wasser. (Das war allerdings, noch bevor das Dorf auch von Osten eingeschlossen war.) Ein Rüterberger flüchtete trotzdem. Seine Verwandten mussten sofort ausziehen und wurden beruflich degradiert.
Der Kolonnenweg verläuft direkt an der Dorfstraße, der Führungsturm der Grenzsoldaten dient heute als Ferienwohnung und ein Tor des originalen Grenzzauns hält Neugierige von den Mietern fern.

Damit man aber auch irgendwo runtergucken kann, ohne gleich eine Wohnung zu mieten, steht direkt dahinter ein hölzerner Aussichtsturm.

Am 8.11.1989 genehmigte die Ostberliner DDR-Regierung aus Versehen eine Einwohnerversammlung in Rüterberg. Das bereute sie hinterher vermutlich. Hans Rosenberger, der viel über die Schweiz gelesen hatte, machte einen unerhörte Vorschlag - und die Rüterberger stimmten einstimmig dafür: Die Errichtung einer Dorfrepublik mit Direkter Demokratie. Diese Republik bestand genau einen Tag, denn zufällig fiel am nächsten Abend die Berliner Mauer. Auch wenn Rosenberger die Rüterberger Flagge auf dem Grenzturm hisste, war eine eigene Republik Rüterberg schnell vom Tisch. Sie wurde immerhin im Nachhinein von Mecklenburg-Vorpommern als Staat anerkannt - bis 2002 durfte der Ort Dorfrepublik 1967-1989 aufs Ortsschild schreiben. Warum nur bis 2002? Keine Ahnung. Heute steht Rüterberg Dorfrepublik nur noch stolz auf einem Holzschild neben einem Marmeladenstand. Das Dorf immer noch still, aber überhaupt nicht mehr bedrohlich. Selbst im Grenzturm schlafen die Feriengäste schon.

Dieser düstere Durchgang...

...führt in die einzige erhaltene Festung in MV. Hier, im südlichsten Ort Mecklenburgs, steht die Renaissance-Festung von Dömitz. Sie hat fünf Ecken und wird deshalb auch Pentagon an der Elbe genannt. (Vorher gab es schon eine Slawenburg, die war natürlich wie üblich rund.) Genutzt wurde sie zum Beispiel im Dreißigjährigen Krieg oder während der Napoleon-Kriege.

Wer auf der Radtour unartig war, wird nun eingekerkert.

Und das war unser erster Radurlaub. Insgesamt hat das doch alles ziemlich gut geklappt und deswegen haben wir im nächsten Jahr dann auch weitergemacht.

Nachtrag 2022
Dömitz hat zwei Brücken. Während die Straßenbrücke nach der Wende neu gebaut wurde, ist die Bahnbrücke immer noch eine irrsinnig lange Ruine mit unendlich vielen rostigen Bögen und einem Burgturm. Dabei war sie mit über einem Kilometer jahrzehntelang Deutschlands längste Bahnbrücke. Sie war schon nach dem Zweiten Weltkrieg ziemlich kaputt, und in Ost und West wurden die Säulen dann aus Angst vor Angriffen gesprengt.


Die Brücke gehört zur Wendlandbahn. Die fährt heute nur noch bis Dannenberg an der Elbe (das ein gutes Stück von der Elbe entfernt liegt, aber egal). Alle drei Stunden kommt auf dem einsamen Gleis eine gut gefüllter Regionalbahn aus Lüneburg an. Vermutlich wäre die Strecke auch längst stillgelegt, wenn man sie nicht bräuchte, um Atommüll nach Gorleben zu transportieren.
Nach all diesen Informationen erwartet man bei Dannenberg keine wirklich schöne Stadt, aber tatsächlich ist die Altstadt voller süßer schiefer Fachwerkhäuschen! Fast schon ein zweites Lüneburg.

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