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Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

06 Juli 2008

Elbe: Von Lauenburg nach Bitter

Die Elbgrenze

Streckenlänge: 110 km
Grenzquerungen: 6 (ehemalige Grenze) bzw. 4 (heutige Grenze alter und neuer Bundesländer)
Bundesländer: Schleswig-Holstein/Niedersachsen/Mecklenburg-Vorpommern/Brandenburg
Seite: mehr Ost als West
Erkenntnis: Asien steht nicht mehr an der Elbe.

Lauenburg war der letzte Ort in Schleswig-Holstein. Ab heute verläuft der Europa-Radweg Eiserner Vorhang auf dem Elberadweg. Der Eiserne Vorhang verlief 95 Kilometer lang auf dem vierzehntgrößten Fluss der Welt und einer äußerst wichtigen europäischen Wasserstraße. Das führte immer mal wieder zu Streit. Zum einen beanspruchte die BRD den ganzen Fluss bis zum Ostufer, die DDR sah die Grenze aber in der Mitte (was daran lag, dass die BRD die DDR nicht als Staat anerkannte, umgekehrt aber schon, und für internationale Grenzen gelten andere Regeln als für innerstaatliche). In der Realität wurde die Mitte dann auch als Grenze behandelt. Die Wessis durften sogar mit Sportbooten auf der Elbe fahren.

Zum anderen waren der Elbe irgendwelche menschlichen Grenzen egal, ihr Pegel stieg und sank und verschob die einzig mögliche Fahrrinne für Schiffe munter vom Warschauer Pakt in die NATO und wieder zurück. Der gefährlichste Zwischenfall hätte laut britischem Geheimdienst den Dritten Weltkrieg auslösen können. Ein westdeutsches Schiff namens Kugelbake hatte die Fahrrinne vermessen, und Ostberlin entzog ihm kurzfristig die Genehmigung. Als die Kugelbake trotzdem ankam, standen sich Soldaten schussbereit gegenüber. (Eine Fahrt vorher waren sogar schon DDR-Kugeln im Schiff gelandet, nur hatte das irgendwie kaum jemand mitbekommen.)

Die Grenze zwischen MV und Niedersachsen liegt heute ein bisschen weiter nördlich. Die Orte hier gehörten eigentlich zu Lüneburg und wurden von den Alliierten eigetauscht, nach der Wende wollten sie (wie so viele Bürger) lieber zurück in den Westen.

Hinter Lauenburg beginnen die Elbberge. Das sind Hügel aus Sand, auf denen der Vierwald wächst. (Keine Ahnung, warum der so heißt, er hat mehr als vier Bäume.) Der Straßenradweg durch die Berge ist grün und zielstrebig, aber noch nicht wirklich spektakulär.

Doch kurz vor Boizenburg bilden die Berge ein Steilufer. Wow, so eine Aussicht hätte ich hier nie erwartet! Eine lange Metalltreppe führt hinunter zum Fluss, jedenfalls solange sie noch nicht endgültig von der Pflanzenwelt verschluckt wurde.

Im Freiluftmuseum EinFlussReich geht es hauptsächlich um Hochwässer und wie sie zu verhindern sind. Wer nach den elektronischen Darstellungen noch nicht schlau genug ist, um die extrem schwierigen Fragen auf den Wassertropfen zu beantworten (Dem Fluss mehr Raum geben oder dem Menschen? Hmmm...), der kann nochmal am feuchten Modell der Elbe herausfinden, ob Begradigungen jetzt eher gut oder eher schlecht sind.

Die Elbe war schon oft eine Grenze: zwischen dem Römischen Reich und den Slawen, zwischen Karl dem Großen und immer noch den Slawen, zwischen den grauschwarzen Nebelkrähen (Ost) und den schwarzen Rabenkrähen (West) und - die mit Abstand grenzwertigste Zeit - zwischen Deutschland und Deutschland. BRD-Bürger hatten einen Fluss mit nur einem Ufer, DDR-Bürger hatten gar keins, weil der Zaun dazwischen war.
Der alte Grenzübergang nennt sich Checkpoint Harry. Er dient heute als Restaurant und Elbbergmuseum. Auch hier stehen die Texttafeln größtenteils draußen. Keine von ihnen verrät, warum der Übergang Harry heißt.
In dieser Gegend wurden recht viele Flüchtlinge angeschossen, darunter drei Jugendliche, die auf der Boizenburger Werft arbeiteten. Einer verblutete, weil das Funkgerät des Grenzsoldaten kaputt war und er keine Hilfe holen konnte.
Das besondere an diesem Übergang ist: Hier gab es eine Bundesstraße. Das bedeutet: Nur hier durfte man mit allen Fahrzeugen nach Westberlin fahren, egal ob Moped, Traktor oder... Fahrrad. (Die Transitstrecken nach Westberlin waren Autobahnen, und wer in den Osten reiste, durfte Fahrräder eh nur als Gepäck mitnehmen.)
Theoretisch jedenfalls. Allerdings waren Übernachtungen verboten, und radeln bei Dunkelheit ebenso. Heißt: Man musste bei Tageslicht Zeit 221 Kilometer schaffen. Eine Gruppe Radfahrer zog das tatsächlich durch und raste von 4:30 bis 19:30 Uhr quer durch die DDR. Damit wollten sie für eine bessere Fahrradtransit-Möglichkeit demonstrieren. Das klappte nicht, ganz im Gegenteil: Als eine Autobahn (die, die wir gestern gesehen haben) die B5 ersetzte, war nicht mal mehr dieser Brutalo-Fahrradtransit möglich.

Im Heimatmuseum geht man ganz klassisch ins Gebäude, um beim Wärter den Eintritt von 0 Euro zu bezahlen. Das Museum beinhaltet einen Tante-Emma-Laden, der etwa ein Jahrhundert von derselben Familie betrieben wurde, bis die letzte Betreiberin 2003 in den Ruhestand ging. Sogar in der DDR haben sie es geschafft, als Kommissionsgeschäft eine gewisse Unabhängigkeit zu behalten.

Boizenburg ist ein superidyllisches Lauenburg 2.0 mit flachem Stadtwall, schiefen Fachwerkhäusern und einer goldenen Kirchturmuhr wie in Dänemark. Völlig zu Unrecht ist diese Stadt in der Karte nicht als sehenswertes Orstbild markiert.

Der Boizenburger Hafen war mal ein wichtiger Konkurrent für Lauenburg. Das Salz der Lüneburger Heide wurde hier abgeladen und nach Wismar gekarrt. Als die Lauenburger den praktischen Elbe-Lübeck-Kanal buddelten, war die Boizenburger Salzroute leider völlig out. Fortan mussten die Boizenburger eine andere Erwerbsquelle finden, und so produzieren sie bis heute Fliesen. Ein Fliesenmuseum gibt es hier auch noch, aber mir haben die paar Fliesen im Heimatmuseum gereicht.

In dieser Gegend haben alle Häuser Angst vor der Elbe und verstecken sich ängstlich hinterm Deich. Von dort aus lugen sie vorsichtig zwischen Bäumen hindurch.

Wenn die nächste Sturmflut kommt, kriegen es die Störche auf ihrem Ausguck zuerst mit.

Zwischen Deich und Flussbett ist noch genug Platz, wo sich der Fluss gegebenenfalls so richtig austoben kann.

In Bleckede stehen die Türme und Gräben eines Elbschlosses aus dem 13. Jahrhundert. Im Schlossmuseum haben wir uns das Infozentrum zum Biosphärenreservat Elbe angesehen. In erster Linie haben wir dort Bilder von Wasservögeln abgepaust, weil die so lustig aussehen.

Der kalte Kampf der Wirtschaftssysteme ist nur ein Grund, warum die Elbe so viel natürlicher ist als die anderen Ströme Mitteleuropas. Der andere Grund waren die Wirtschaftskrisen der Weimarer Republik - aus Geldmangel haben die Deutschen anders als die Tschechen keine Stauwehre reingebaut.
2011 wurde die Elbe zur Nebenwasserstraße runtergelevelt, damit die Natur auf diesem hohen Level bleibt. Die Tschechen waren darüber not amused.

Auf einer Pause schöpften wir Wasser aus diesem Boot. Leider war es angekettet, sonst hätten wir es gerne ausprobiert.

Auf diesem Bild liegen wir nach 50 Kilometern am Zielort herum. Und zwar auf dem asphaltierten Radweg und nicht auf einer weichen Wiese.

Diesmal übernachteten wir in Bitter in einer Bett-and-Bike-Ferienwohnung.

Die liegt in einem dieser ängstlichen Häuser. Im oberen Schlafzimmer entdeckten wir ein Foto, auf dem zu sehen war, wie das Wasser bei einer Flut tatsächlich fast den Radweg oben auf dem Deich erreicht.

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