NEU! Unterirdische Radtour auf Schienen für kleine Menschen

Harz: Von Netzkater in den Rabensteiner Stollen

08 August 2025

Donau: Von Carnuntum nach Bratislava

III. Slowakei

Richtiger Name: Slovenská republika
Anteil an der Donau: 172 km (6 %)
Anteil am Donauradweg: max. 166,8 km (5,8 %)
Anteil der Donau an der Staatsgrenze: ca. 174 km (9,9 %)
Ufer: Undurchsichtige Wälder, Beton mit Unkraut, herrliche versteckte Naturstrände
Hauptstadt an der Donau? Ja (Bratislava)
Größter Nebenfluss: Váh/Waag (403 km)
Anzahl Inseln: 3
Größte Insel: Große Schüttinsel
Größter Wasserpark an der Donau: Vadaš Thermal Resort Štúrovo
Schönste Stelle: Badesee Rusovské Jezero
Schlimmste Stelle: in praller Sonne ohne Infrastruktur hinter Gabčikovo
Radwege: Deichradwege ohne Schatten
Einreise: problemlos dank EU
Währung: 


Das hier ist ein Flussgott, der möglicherweise Danuvius heißt. Also der Gott der Donau. Ob diese Personifizierung wirklich eine Verbesserung im Vergleich zur jungen Frau an der Donauquelle ist, muss jeder selbst beurteilen. Auf jeden Fall führte uns dieser füllige Gott heute in neue Gefilde.

Noch mehr Römerkram? Ja, denn auch die nächste Stadt Bad Deutsch-Altenburg war trotz ihres krampfhaft deutschen Namens Teil der Römerstadt. Eigentlich sogar der ältere Teil: Bad Deutsch-Altenberg war die Militärstadt, wo die Soldaten in immergleichen rechteckigen Kasernen (natürlich auch mit Säulen) untergebracht waren. Weil die natürlich alle Essen, Kleidung und Zerstreuung brauchten, wuchsen ringsherum die Häuser der Zivilisten, bis der Platz nicht mehr reichte und fünf Kilometer entfernt eine reine Zivilstadt gegründet wurde - das heutige Petronell-Carnuntum, in dem wir gepennt haben. Damals wurden aber beide als eine Stadt angesehen.
Bad Deutsch-Altenberg ist hauptsächlich eine stille Kurstadt, aber in einer römischen Villa befindet sich auch noch ein kleineres Römermuseum auf zwei Etagen. Moment, müsste unser Ticket nicht auch dafür gelten? Ja, man ließ mich rein, und ich Als ich mich dann aber erdreistete, mich bei einer Führung dazuzustellen (die ohnehin praktisch im ganzen Museum zu hören war), kam mir sofort die Kassiererin hinterher und meinte, dafür müsse ich aber schon obendrauf zahlen.
Dann beschränkte ich mich auf die Betrachtung von Statuen und Touchscreens. Herzstück ist ein farblich angestrahltes Bild vom Gott Mithras (hinten in der Mitte), der in Carnuntum sehr populär war. Den haben die Römer aus Indien und Persien importiert und stark verändert. Mithras war der Sohn eines Gottes, wurde aus einem Felsen geboren, ist später gestorben, am dritten Tag von den Toten auferstanden, und sein Symbol ist ein +. Klingt bekannt? Niemand weiß mit Sicherheit, was die Mithrasianer von den frühen Christen abgeschrieben haben oder umgekehrt. Manche Wissenschaftler behaupten, wäre das Christentum durch einen Zufall untergegangen, dann wären die Europäer alle Mithras-Anhänger geworden. Und doch hatte ich noch nie von ihm gehört.

Unterdessen suchten die anderen McDonalds auf, um sich Kaffee zu holen, und der Jüngste besorgte sich einen Cheeseburger "für den Notfall, wenn ich Hunger habe."
"Und der Notfall trat 500 Meter später ein.", witzelte ich.
"Ja, so war es.", antwortete er.

Mapy.cz hatte noch einen weiteren Tipp für mich: Im Wald über den Sportplätzen sollen sich haufenweise Höhlen befinden, und ihre Namen sind völlig random: Fledermausstollen, Sportplatzstollen II, Gewöllkamerl, Gabelkluft, Altenburger Höhle, Steinbruchstollen I und Rieselkluft.
Ich suchte die zugewachsenen Pfade ab, doch die einzige Höhle, die ich finden konnte, hieß einfach nur: Höhle. Und war ungefähr 2 Quadratmeter groß. Oder wie man in München sagen würde: 900 Euro kalt.
Ansonsten entdeckte ich noch einen Zaun mit dem Schild: Natur im Garten, Räuber im Haus, so sieht's in Österreich seit Schengen aus. Die EU ist bekanntlich an allem Schuld, sogar daran, dass man den eigenen Garten verwildern lässt.

Das ganze Gebiet grenzt an einen Steinbruch und ist der letzte Ausläufer eines Gebirgsmassivs, das wir gestern schon gesehen haben und jetzt umrunden mussten - zum Glück fast steigungsfrei. Vielleicht stecken die restlichen Höhlen direkt in dieser Felswand (rechts) drin, dann hatte ich natürlich keine Chance, da reinzukommen.

Dieses Gebirgchen sieht ja geradezu alpin aus! In unserem Hotel lagen sogar Flyer für irgendwelche Bergseilbahnen aus. Das erklärt dann auch, warum die Römerstadt in diese Richtung nicht weiterwachsen konnte. Auch uns blieb eine kleine Steigung nicht erspart, vorher aber konnten wir nochmal so richtig schön zwischen Stadtmauer, Gleis und Donau fahren.
Hoch über der der Stadt thront eine große Burgruine, die so alt ist, dass sie schon im Nibelungenlied alt genannt wird. Unsere Mutter wollte da unbedingt hoch, bis sie sah, wie hoch genau die Ruine über der Stadt lag (ziemlich hoch).
Vom antiken Rom wechseln wir ins Mittelalter. Hainburg an der Donau ist eine stark befestigte Stadt, die hier die Stellung hielt gegen die Ungarn und alle, die sonst noch aus dem Osten kommen könnten. Für ihre Stadtmauer waren die Hainburger bereit, weit zu gehen: Ein Teil der Befestigungen wurde aus dem Lösegeld für den entführten König Richard Löwenherz gebaut.

Die Mauern gaben ihr Bestes und schafften es einmal, das Osmanische Reich von Wien fernzuhalten. Beim zweiten Mal waren sie aber schon so lädiert, dass die Türken den Rest zerschossen und die Mauern überrannten.
Wir stiegen hinauf zur Blutgasse. In Hainburg deutet der Name ausnahmsweise nicht auf die Wohnung eines Schlachters oder Henkers hin, sondern auf eine Tragödie.
Am 12.7.1683 stürmten die Türken Hainburg. Die Bewohner wollten in die Donauauen abhauen und stürmte die Blutgasse runter. Nur leider hatte noch keiner das Fischertor geöffnet, und die Torflügel öffneten nach innen. Sehr schnell kam es zu einem Gedränge, in dem das Tor einfach nicht mehr aufzukriegen war. 8.432 Hainburger starben an diesem Tag, viele durch türkische Krummsäbel, viele aber auch einfach zertrampelt in einer Massenpanik.
Überlebt haben 100. Unter ihnen war ein gewisser Thomas Haydn, der Großvater des Komponisten.

Als nächstes verließ ich die offizielle Route und machte eine Schleife nach Norden, um mir einen ganz markanten Punkt der Donau anzuschauen, zumindest vom anderen Ufer. Der Kiesweg am Ufer ist gar nicht so schlecht, nur ein Stückchen gegen Ende ist verschlammt. Aber wo ist jetzt Devin? Mist, das Ufer ist ja total zugewachsen. Ich kämpfte mich durch Brennnesseln, immer dem Gekreische der badenden Kinder nach, und kam schließlich an einem idyllischen Kiesstrand mit umgestürzten Bäumen heraus. Was im Grunde eine ziemlich sinnlose Aktion war, denn ein paar Meter weiter konnte ich dasselbe direkt vom Weg aus sehen.
Wow! Die Burgruine Devin ist unerwartet groß. Die malerischen Mauerreste auf dem Gipfel sind nur die Spitze des Burgbergs, über dem ganzen Dorf erstrecken sich viel intaktere Mauern den ganzen langen Hügel entlang, als hätte jemand bei Carcassonne eine viel zu langgezogene Stadt gerade noch rechtzeitig fertiggestellt. Das hier war ein weiterer wichtiger Verteidigungsposten gegen den wilden Osten.
Wie ich später erfahren habe, kann man diese Burg auch vom offiziellen Radweg aus sehen. Hm, naja. Aber was man nur hier sieht: In Devin bringt die Morava/March das komplette Wasser aus dem östlichen Tschechien in die Donau (hinten, links neben der Burg). Der Fluss ist zwar die Lebensader von Mähren, aber an dieser Stelle grenzt er nicht mehr an Tschechien, sondern an Österreich und die Slowakei. Das heißt, die Donau war hier auch kurz der Eiserne Vorhang. Der Iron Curtain Trail kommt gemeinsam mit der Morava aus dem Norden und folgt dann der Hauptstraße am Nordufer bis nach Bratislava.
Die Burgruine war das erste, was ich jemals von der Slowakei zu sehen bekam. Was für ein Auftritt!


Aufzeichnungen aus einem kleinen Land: Flüsse: Morava (March)





Der Donauradweg auf dem Deich folgt die ganze Zeit einer Hauptstraße, und unter dem futuristischen Fernsehturm türmen sich schon Berge und bunte Wohnblocks auf. Die Berge sind die Kleinen Karpaten, eine Mini-Version des großen slowakischen Gebirges. Und die Wohnblocks sind die slowakische Hauptstadt, eine Mini-Version von Wien und Prag.
Dabei war dieses Ufer bis 1918 noch ungarisch. Und wenn sich die Tschechen und Slowaken in den 90ern auf eine gemeinsame Staatsform geeinigt hätten, dann wäre es jetzt tschechoslowakisch. Stattdessen stritten sie sich im sogenannten Gedankenstrich-Krieg schon darum, ob man einfach den Sozialismus aus der Tschechoslowakischen sozialistischen Republik rausstreicht, oder mit Bindestrich, oder doch Tschechische und slowakische, und ob man slowakische großschreiben soll, obwohl die Grammatik das nicht erlaubt, und was eigentlich der Unterschied zwischen einem Gedanken- und Bindestrich ist (die Slowaken hatten recht, die Tschechen Unrecht, es war ein Bindestrich). Es gab sogar Hungerstreiks für den Bindestrich und natürlich Nazivergleiche. (Hitler hat es auch den Gedankenstrich benutzt, und schaut euch an, wie das ausgegangen ist!) Jedenfalls haben sich die tschechischen und slowakischen Politiker am Ende friedlich getrennt, und das Gute daran ist, wir lernen jetzt einen neuen Staat und eine neue Hauptstadt kennen.

Am Wegesrand erscheint ein abgenutztes österreichisches Zollgebäude. Auf den ersten Blick schien es nicht mehr in Betrieb zu sein, aber... doch, die Fahrzeuge werden durch Warnbaken auf eine Ehrenrunde über das Zollgelände geleitet, wir dagegen rasen unbehelligt durch.
Die Grenzlinie war kaum zu erkennen. Irgendwo links unterm Deich verkündet an einem trockenen Graben (vor dem Wäldchen hinten in der Bildmitte) ein kleines rechteckiges Schildchen: Staatsgrenze. Hätte ich nicht gezielt nach irgendeinem Zeichen gesucht, dann hätte ich es garantiert übersehen.
Und was ist das erste Gebäude, mit dem uns die Slowakei empfängt? Ein zwielichtiges Billigcasino. Wow. Was für ein Auftritt.

Aber nein, im selben Gebäude befindet sich auch ein Laden mit Holztischen. Er heist Autoberg, doch statt Ersatzteilen konsumierten wir direkt auf der Grenze Kofola und Koláče konnten. Die Dinger sind anscheinend nicht nur typisch tschechisch, sondern auch slowakisch. In der Slowakei stopft man die Nuss- und Mohnfüllungen aber auch gern in kleine gebogene Hörnchen.
Hier treffen wir auch den Iron Curtain Trail wieder. Der kommt frisch aus Bratislava und verläuft jetzt erstaunlich nah an der Grenze, praktisch auf der Grenzlinie.

Mein Sitznachbar hatte mich schon auf der Fahrt nach Wien darauf hingewiesen, dass um diesen Deichradweg überall Bunker verstreut liegen. Manche sind offene Ruinen, manche kostenpflichtige Museen und manche werden noch heute von der slowakischen Armee zur Verteidigung benutzt (im Bild). Nach Hitlers Machtergreifung wollte die Slowakei ihre Grenzen zu den besten und modernsten in Europa aufrüsten, mit "Stahlbetonobjekten", Kanonen- und "Maschinengewährausrüstung" (alle Angaben ohne Gewehr). Noch bevor sie fertig waren, war Deutschland aber so hochgerüstet, dass es die Slowakei bedrohen konnte: Hört auf mit dem Ausbau, sonst marschieren wir ein.
Am 10.10.1938 marschierten sie natürlich trotzdem ein.

Der Radweg folgt der Autobahn im Bogen bis ans Ufer und stößt schließlich auf den Nový Most - die neue Brücke, an deren Spitze ein Ufo gelandet ist, und die Aussichtsplattform da drin heißt wirklich UFO. Unser Vater schlug vor, in dem Restaurant da oben essen zu gehen, bis er die Preise sah. Ich hatte diese brutalistische Brücke schon auf Bildern gesehen und irgendwie hat sie mein Bild von Bratislava (scheußliche Eindeutschung: Preßburg) als stalinistische Stadt sehr geprägt.

Ein vollkommen falsches Bild! Das wurde uns bei der Fahrt über die Donau langsam klar. Über dem Fluss thront der weiße Hrad (Burg) von Bratislava in Form eines selbstbewussten Quadrats mit vier Türmen. Das sieht doch sehr viel burgiger aus als die Wiener Hofburg oder Prager Burg!

Kurz hinter der Brücke fanden wir uns auch schon am Martinsdom wieder, in dem alle ungarischen Könige gekrönt wurden. Dafür ist er gar nicht mal soo groß. Der Donnerstagsgottesdienst beginnt erst in 15 Minuten, also können wir noch reinschauen, oder?
"...der uns Leib und Trank gegeben hat beim letzten Abendmahl."
Doch bereits jetzt sang eine Stimme, und die Gemeindemitglieder antworteten.
"Jesus Christus, der den Lauf des Lebens beherrscht, der uns Leib und Trank gegeben hat beim letzten Abendmahl."
Ungefähr so viel habe ich verstanden.
"Jesus Christus, der den Lauf des Lebens beherrscht, der uns Leib und Trank gegeben hat beim letzten Abendmahl."
Immer wieder dasselbe, minutenlang.

Der Dom bewacht den Eingang in die Altstadtgassen.
Bratislava mag im Schatten von Wien, Prag und Budapest stehen, aber Touristen gibt es hier definitiv auch, und zwar nicht zu knapp. Souvernirläden, Restaurants, Cafés, dazwischen zwängt sich gelegentlich eine Limousine zu ihrer Botschaft durch, und natürlich Touren- und Stadtradler, die in diesem Gewusel nur wenig Hemmungen kennen.
Und doch... irgendwie ist hier alles eine Nummer kleiner. Ist es sehr gemein, wenn ich schreibe, Bratislava ist die allergrößte Kleinstadt, die ich je gesehen habe? An den Aussichtspunkten erstrecken sich die Wohnblocks der Vororte zwar noch weit in die Ferne, aber das ist dann eben auch alles, dahinter kommen nicht noch zwölftausend Vororte außer Sichtweite wie in Berlin.
Muss ja auch nicht.
Es ist eine sehr sehenswerte Stadt, nur fehlt ein touristisches Highlight vom selben Kaliber wie der Prater oder Schönbrunn. Andererseits ist Wien ja um die Ecke.

Von den vielen Marktplätzen hat uns der Platz des Nationaldichters Hviezdoslav am besten gefallen. Als unser Vater das letzte Mal hier war, bestand er noch aus öden Betonplatten, jetzt sprudelt und grünt es rund um den Poeten.
Komponisten kamen auch immer aus Wien rüber, wie die Steinplatten an den Häusern verraten: Hier gab Mozart mit sechs ein Konzert, dort Franz Liszt als Erwachsener.

Čumil ("Glotzer") heißt dieser zufriedene Kanalarbeiter, der sich ausruht und dabei Passanten von unten beobachtet. Er ist der instagramabelste Ort von Bratislava, und wer ihn ohne einen wildfremden Menschen mit der Hand auf dem Hut fotografieren will, der braucht Geduld. Dass er an einen stadtbekannten Widerstandskämpfer aus dem Sozialismus angelehnt sein soll, ist nicht bestätigt.

Hinter der Michalská brána (Michalstor) steht das schmalste Haus Europas. Mit 1,3 Metern ist es nicht viel breiter als die Glastür. Wir haben ewig gebraucht, um es zu finden.

Vor dem Tor gibt es auch Suppe in essbaren Bechern zu kaufen, ein sehr sättigender und nahrhafter Snack.

Gegenüber vom Martinsdom steht eine doppelte Stadtmauer, die permanent von Touristenführungen mit Audioguides gestürmt werden, ein Durchkommen ist schwierig. Aber notwendig, wenn man das Brückchen über die Schnellstraße erreichen will. Dieser Straße stand 1969 noch eine große und prächtige Synagoge im Weg, welche die Sozialisten gesprengt haben. Plakate auf der Stadtmauer erzählen vom jüdischen Leben Bratislavas, auch das dazugehörige Museum ist nicht weit.
Hinter der Straße guckt unauffällig ein besonderes Haus (links) hervor, frisch gestrichen in gelb mit weißen Streifen. Das Haus zum Guten Hirten ist ein ehemaliger Teil der Vorburg und eins der am besten erhaltenen Rokoko-Häuser der Stadt.

Kommen Sie an einen Ort, an dem die Zeit stehengeblieben ist! Wir folgten dem Schild ins Haus zum Guten Hirten und entrichteten drei Euro pro Nase für das Uhrenmuseum. Bei dem Preis hatten wir jetzt nicht viel erwartet. Eine Erwartung, die nicht enttäuscht wurde.
Bratislava war seit dem 15. Jahrhundert eine Stadt der Uhrmacher. Die Uhrmachergilde war die einzige der Slowakei und die größte in ganz Ungarn, als die Stadt noch ungarisch war. Ihre Arbeiten sind auf drei knarzenden Stockwerken ausgestellt und werden nicht von Kameras, sondern noch ganz oldschool von gelangweilten Museumswächterinnen auf knarzenden Stühlen bewacht. Interessant fand ich zum Beispiel eine Armband-Sonnenuhr, mit integriertem Kompass, damit man auch weiß, wohin man sie halten muss.

Die reich verzierten Uhren aus Gold und Ebenholz sind von verschiedenen halbnackten Figürchen umzingelt, zum Beispiel Papageno aus der Zauberflöte.
Außerdem gibt es sowohl Bilderuhren (Uhren mit einem kleinen runden Gemälde drin) als auch Uhrenbilder (Gemälde mit einer kleinen Uhr drin, die wirklich die Zeit anzeigt).
Nur: Die Zeit war immer falsch. Nichts regte sich, nichts tickte, nichts gongte.
"Schade, ich dachte, das ist wie bei Meister Hora", meinte unsere Mutter enttäuscht.

So, aber jetzt ist ein bisschen Bergwanderung angesagt! Richtig in die Kleinen Karpaten werden wir nicht wandern, aber zumindest den Aufstieg zur Burg schaffen wir. Auf halbem Weg stolperten wir noch in die Orthodoxe Nikolauskapelle rein.

Auch hier erschallte Singsang, allerdings nur vom Band. Wer es wagte, die heilige Tonaufnahme mit allzu lauter Stimme zu stören, wurde trotzdem mit einem "Pscht!" zurechtgewiesen. Die überbordende Deko gibt es so ähnlich in allen orthodoxen Kirchen, auffällig fand ich dagegen den, äh... ist das ein Weihwasserspender? Oder eine automatisierte Fußwaschanlage, bei der einem quasi der daraufgemalte Jesus die Füße waschen soll?

Nun aber hinauf zur Bur... oh, ein Café, wir sind eigentlich schon ziemlich durstig.
Jetzt aber.
Die Burg Bratislava ist richtig, richtig weiß. Sogar im Garten dominiert diese Farbe das Rot der Rosen, die sich im grünen Heckenlabyrinth für Gnome verirrt haben. Damit ist dieser Garten noch sehr, sehr farbenfroh im Vergleich zum Innenhof, der ein völlig steriles weißes Rechteck darstellt. Selbst der Blick in den Burgbrunnen war spannender. Immerhin waren da drin neben Wasser auch 600 PET-Flaschen.

In der Burg befindet sich ein historisches Museum, das mehreren Quellen zufolge aber eher trocken sein sollte. So wie unsere Kehlen es bereits wieder waren. Also genossen wir kurz den Blick über die Donau und machten uns an den Abstieg.

Gleich neben der Burg steht das Parlament der Slowakei. Burg Devin war gerade nicht zu sehen, dafür aber die weiter entfernte Burg von Hainburg. In Österreich drehten sich überall Windräder, an der Grenze hörten sie schlagartig auf. Stattdessen Wohnblocks und weiter stromabwärts Fabrikschornsteine. Und trotzdem musste unser Vater zugeben: "Ich habe Bratislava großes Unrecht getan."

Ja, die Stadt hat sicher Ostblock-Vibes, aber auf eine nette Art. Und das hat nicht einfach nur damit zu tun, dass die Wohnblocks bunt gestrichen sind (das sind sie in Nordkorea auch), es ist die ganze quirlige und freudige Art dieser Stadt. Die ging auch nicht verloren, als wir die touristische Altstadt verließen, sie veränderte sich nur. Und wurde lauter. Neue Architektur aller Art mischt sich mit gelegentlichen Stuckbauten, dazwischen drängen sich endlose Autokolonnen, Straßenbahnen und Oberleitungsbusse hindurch.

Direkt hinter solch einer Kreuzung steht auch das zweite Schloss der Stadt. Im Palais Grassalkovi wohnt der Präsident. Seine Residenz folgt dem Motto Liebling, ich habe das Weiße Haus geschrumpft und ist fest verschlossen. Nur ein Plakat auf dem Zaun wirbt für den Tag der offenen Tür am 31. August. Die Mauern hinter dem Palast verraten nur, dass der Präsident in seinem Garten herrliche alte Kastanienbäume hat.

Der Jüngste, der bisher bei der Reiseplanung eher untergebuttert wurde, stand vor der Wahl: Shoppen mit der Schwester oder schwimmen mit dem Bruder? Er entschied sich für das Freibad inmitten von Wohnblocks, eine wahrscheinlich sogar ziemlich authentische Bratislaverfahrung. Wir checkten per Kreditkarte im Oberleitungsbus ein und fuhren ein paar Stationen hinaus, dann liefen wir über einen Bürgersteig, der eigentlich eine Art zweite Fahrbahn zum Ranfahren an die Wohnblocks war.
Es ist ein ganz pragmatisches Freibad, und doch auf seine Art sehr nett gemacht. Statt Umkleiden gibt es zum Beispiel diese gewundenen Umkleide-Sichtschutzwände, die ich eher vom Strand kenne. Statt eines Sprungbeckens nur eine abgetrenntes Eselsohr vom Becken, in das man vom Beckenrand springen darf.
Und statt einer Liegewiese Beton.

Abends schauten wir in der Altstadt die Speisekarten durch, und vieles kam uns gleich bekannt vor. Manches ist ein bisschen anders geschrieben, doch die Gerichte sind dieselben wie in Tschechien.
"Rezeň?", meinte unser Vater. (Klingt fast wie das Zeug, aus dem meine Bremsbeläge bestehen.) "Was ist das?" Er fragte die Kellnerin auf Tschechisch, denn damit kommt man hier meistens gut durch.
"Řízek", antwortete sie - Schnitzel. Ah, natürlich! Auch wenn wir fast alle Schilder lesen können, sind die Unterschiede zur Sprache des Bruderstaats manchmal doch tückisch.
Außer für die sprachbegabte Kellnerin. Die sprach mit dem Jüngsten auf Deutsch, und am Nachbartisch dann auf einmal Italienisch.
Letztendlich bestellten wir das, was sich in tschechischen Speisekarten eben nicht so häufig steht: Köstliche Rippchen (die waren überall am teuersten) und neue Arten von Knödeln. Zumindest hatten wir unter dem Namen so etwas wie Kartoffelknödel erwartet. Aber nanu? Diese Knödel sind ja winzig, das sind doch eher Gnocchi! Geschmeckt haben sie aber.

Wir blieben zwei Nächte in einer Ferienwohnung in der Altstadt. (Wenn man die Radtour halb zum Hauptstädte-Trip macht, dann lassen sich nämlich auch Teenager überzeugen, mitzukommen.)
"Können wir die Räder irgendwo unterstellen?", fragte wir vorab beim Vermieter.
"Kein Problem, stellen sie sie einfach auf die Terrasse. Das Haus hat einen Aufzug.", lautete die Antwort.
Ja, das Haus hatte in der Tat einen Aufzug. Und der ist auch super geeignet, wenn man, sagen wir mal, eine Besenstange ins zweite Stockwerk transportieren möchte.

Oben stellten wir überrascht fest, dass die Wohnung das genaue Gegenteil des Aufzugs darstellt - viel geräumiger als der Fahrstuhl oder die kleine Terrasse.
So nah bei meinem Rad habe ich, abgesehen vom Camping, noch nie zuvor geschlafen.

Die Donaugrenze

Länge: 14 km
Grenzquerungen: 1 
Länder: Österreich (Niederösterreich)/Slowakei (Bratislavský kraj)
Seite: Ost, ab dem Grenzübergang am Südufer dann ziemlich exakt auf der Grenzlinie
Erkenntnis: Slowakische Flüchtlinge sind krasse Typen.

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