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Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

03 August 2019

Von Xanten nach Keeken

Dieser Radweg auf dem Deich wird leider von einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art blockiert.

Also nehmen wir stattdessen den Kiesweg an der Xantener Nordsee.

Ah, das ist also einer dieser Gärten des Grauens. Die kannten wir bisher nur von Instagram. Im Schotter versinken sogar Fahrräder.

Es folgten niedrige Backsteinhäuser, Straßen mit schmalen roten Fahrradstreifen, eine flache Landschaft und viel Gegenwind. Dieses Ensemble gab mir das Gefühl, wir wären aus Versehen einen Tag zu früh in den Niederlanden gelandet.

Sodann taucht am Horizont das Highlight des Tages auf: Das Atomkraftwerk von Kalkar. Das sollte eine sensationelle, neue Art von Atomkraftwerk werden, nämlich ein schneller Brüter.
Normalerweise kann nur ein Teil des Urans im Atomkraftwerk gespalten werden, der Rest ist erstmal nutzlos. Wenn man das Uran jedoch mit Neutronen beballert, verwandelt sich bei der Kernspaltung nicht spaltbares Uran in spaltbares. Auf diese Weise wird neues Uran "ausgebrütet". Mit jeder Kernspaltung entsteht mehr spaltbares Material, als verbraucht wird. Zugegeben, das klingt schon sehr praktisch.

Wasser bremst die Neutronen allerdings so sehr ab, dass nicht mehr ausgebrütet als verbraucht wird. Deswegen erhitzt der Reaktor im Schnellen Brüter kein Wasser (wie in einem normalen Atomkraftwerk), sondern Natrium, und das erhitzt dann wiederum das Wasser. Das verdampft und treibt eine Turbine an, wie gehabt.

Beim Bau des Kraftwerks arbeiteten Deutschland und die Niederlande zusammen. Von den Bürgern gab es dabei eine Menge Widerstand. Der Bauer Maas weigerte sich, sein Land zu verkaufen. Er wurde enteignet und klagte, das Bundesverfassungsgericht entschied: Der Schnelle Brüter ist verfassungsgemäß.
1985 war das Kraftwerk fertig, das Natrium schon in den Röhren und das Uran lag abholbereit in Belgien.
Und dann entschied sich die Regierung plötzlich anders. Warum? Wegen 40000 demonstrierender Bürger? Nee, das hatte die vorher auch nicht gejuckt. Da musste schon etwas Heftigeres passieren, und zufällig passierte kurz vor der Eröffnung in Tschernobyl etwas Heftigeres.

Indirekt verdanken wir also der Katastrophe von Tschernobyl, dass sich hier heute ein Freizeitpark namens Kalkar Wunderland befindet (oder auch Kernies Familienpark, das ist der Name für den eigentlichen Park ohne das Hotel).
Das graue Hauptgebäude ist ein Hotel (rechts). Im gelben Gebäude (links) mit den Notfall-Dieselgeneratoren ("Dieses Gebäude ist sicher vor Erdbeben und Flugzeugabstürzen. Sie sind hier also ziemlich sicher.") befindet sich das Brütermuseum, in dem ich alles eben geschriebene gelernt habe.  Das Heckenlabyrinth (vorne rechts) war leider geschlossen.

Ich habe natürlich damit gerechnet, dass hier viele niederländische Gäste unterwegs sind. Womit ich nicht gerechnet habe, war, dass nahezu 100 Prozent der Gäste niederländisch waren und mich auch ganz selbstverständlich in ihrer Sprache ansprechen.
Auf dem Gelände stehen vor allem Fahrgeschäfte für ganz kleine Kinder. Der Freizeitpark hat aber auch eine Achterbahn...

...und eine Wasserbahn.

Rund um den mit einem Hochgebirge bemalten Kühlturm scharen sich diverse Buden, in denen es schnell frittierte Tiefkühlpommes, Softeis und Getränke gibt. Das ist im Eintrittspreis inbegriffen und man kann sich jederzeit Nachschub holen. Allerdings machen das auch alle, deshalb gab es da (anders als an den meisten Fahrgeschäften) teilweise extreme Wartezeiten. Daher habe ich nicht allzu viel gratis gefuttert.
Die Kletterwand am Kühlturm war leider geschlossen.
Direkt unter dem Turm befindet sich ein Indoorspielplatz. Mit kleinen Booten können die Kinder auf einem Wasserkanal drumherum fahren. Leider gibt es insgesamt nur etwa drei Boote, sodass die Wartezeiten ewig dauern.

Ganz anders sieht es oben im Kühlturm aus. Dort befand sich nur eine kurze Warteschlange, ansonsten wurde der Raum ausgefüllt von Leere und erstaunlich kräftigen Echos. ("Wie heißt der Bürgermeister von Wesel?" - "Ulrike Westerkamp - Westerkamp - Esterkamp…") Das Tal der Dämmerung aus Jim Knopf existiert tatsächlich.
Doch nun kommen wir zum größten Manko des Wunderlands: Viele Attraktionen öffnen spät und schließen früh. Vor allem das berühmte Kettenkarussell im Kühlturm. Als ich zum ersten Mal reinging, sollte es um 13 Uhr öffnen. Als ich um 13 Uhr reinging, stand 14 Uhr dran. Um 14 Uhr wurde es auf 14:30 verschoben. Dann öffnete es endlich und Leute stiegen ein. Während der ersten Fahrt plumpsten mehrmals Schuhe von oben in den Kühlturm hinab.

Man kann entweder außen an den Ketten oder innen direkt am Turm sitzen.

Die Sitze schrauben sich zwischen den runden grauen Wänden hinauf. Und auf einmal sind die Wände zu Ende und die weite Landschaft gerät in Sicht. Der breite Niederrhein fließt direkt neben dem Wunderland.
Irgendwie betont der graue Kühlturm die Landschaft noch einmal ganz besonders. Das ist mit Sicherheit das erstaunlichste Kettenkarussell, das ich kenne.

Als nächstes folgt, hurra, wieder einmal eine Streckensperrung, diesmal mithilfe von Schildern, Zäunen und gewaltigen Steinblöcken (dreifach hält besser).

Also müssen wir auf einen Trampelpfad neben einem Kieswerk-Fließband ausweichen.

Danach führt der Radweg neben einer Hauptstraße schnurgeradeaus weiter. Der Gegenwind wird immer kräftiger.
Eine riesige Brücke führt nach Emmerich, die letzte rechtsrheinische Stadt Deutschlands. Das dürfte die größte Rheinbrücke sein, denn es kommt keine andere Brücke mehr, bevor sich der Rhein aufspaltet.

Da hinten kommt schon die Grenze der Niederlande aus dem Norden und schwimmt ein Stückchen auf dem Rhein mit.
Och nö, schon wieder eine Straßensperrung? Na gut, dann nehmen wir eben die Straße nach links.

Unterwegs passierten wir das Haus Schmithausen. Nanu, was ist an dem Häuschen denn so außergewöhnlich, dass es in der Karte extra markiert wird? Früher stand da eine Wasserburg mit Adligen drin. Damals floss hier noch ein Rheinarm entlang, sodass sie Zölle kassieren konnten. Dann versandete der Arm. Später wurde daraus eine klassizistische Villa, in der preußische Geheimräte wohnten, dann eine Landwirtschaftsschule, eine Grundschule und heute sitzt da die Euregio Rhein-Waal für deutsch-niederländische Zusammenarbeit. Alles klar? Gut, dann fahren wir weiter.

Folgt man dieser Straße immer weiter, so gelangt man nach Kleve. Das war mal eine Kurstadt. Kleve ist bekannt für seine Architektur, die ich jetzt allerdings nicht so bemerkenswert fand,..

...und für seine Parkanlagen und Alleen. Okay, diese Platanenallee ist wirklich beeindruckend. Sie wird von einer Draisinenstrecke gekreuzt. Die Draisine hat sogar eigene Ampeln, die auf Rot schalten, wenn einer der Fahrer draufdrückt. So modern sind unsere Draisinen in Mecklenburg noch nicht.

Über der Innenstadt ragt die auffällige Schwanenburg auf.
In Kleve heißt es nun: Halbzeit. Ich habe mein Rad angeschlossen und bin weggefahren, um eine Prüfung zu schreiben. Das klappte wunderbar. Zwei Tage später kehrte ich zurück, um meine Familie einzuholen. Das klappte nicht ganz so wunderbar.

Die anderen fuhren noch ein paar Kilometer weiter (und gar nicht durch Kleve). Eine Windmühle präsentierte sich oben ohne und kündigt die Niederlande an.

Der Weg führt am Griethäuser Altrhein entlang.

Hier gibt's mal wieder eine ganz andere Art von Informationstafel. Man soll eine Telefonnummer anrufen und dann wird was vorgelesen.
Die anderen haben im sogenannten Hasenkaat im vorletzten Dorf Deutschlands übernachtet: Keeken. Danach kommt noch Bimmen, und dann die Niederlande.

Keeken ist wortwörtlich ein Kuhdorf, denn es definiert sich vor allem über seine Milchwirtschaft. Dazu gibt es ein Informationszentrum und viele Informationstafeln, auf denen die Kühe ihre Vorzüge aufzählen. ("Ohne uns gäbe es nicht diese schön gemähten grünen Wiesen.")
Oh, da brennt was auf dem Misthaufen! Ah, die Landwirte habens schon gesehen.

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