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31 März 2022

RDE: Von Holzminden nach Stadtoldendorf

Heute wollte ich mal eine niedersächsische Lücken im Radweg Deutsche Einheit erfahren, in Kombination mit einem schönen Stück Weserradweg.

Hinter Holzminden geht es am rechten Ufer der Weser (nicht, dass dort viel von der Weser zu sehen war) weiter und dann quer übers Feld.

Hier erwartete mich das in jeder Hinsicht überraschende Schloss Bevern, in dem ich weitaus mehr Zeit verbracht habe als geplant. Eigentlich wollte ich nur mal vorbeifahren. Ah, schöne orange Wand, noch eine, ich bog um die Ecke, als... huch, das Schloss ist ja auf einmal weiß! Und hellblau! Im grellen Sonnenlicht hat mich dieser unerwartete Farbwechsel ganz schön geblendet. Dass ich im selben Moment den schützenden Schatten der Bäume verließ, dürfte mit diesem Effekt zu tun haben.
Aber schön ist es schon. Wenn man die Helligkeit etwas runterdreht.

Als sich meine Augen daran gewöhnt haben, folgte sogleich Überraschung Nummer zwei: Ich konnte in den Innenhof reinfahren. Der ist noch viel schöner und farbenfroher. Wahnsinn, wie gut der Rollstuhllift (rechts unten) architektonisch angepasst wurde! Man könnte meinen, Bran Stark hätte hier residiert. 
Das Schloss Bevern ist der kleine, bunte, vollgestopfte und etwas durchgeknallte Bruder vom benachbarten Schloss Corvey.

Das Schloss hat Statius von Münchhausen gebaut, ein Vorfahr des bekannten Lügenbarons. Statius (nein, das ist kein komischer Titel, sondern ernsthaft sein Vorname) konnte anfangs eigentlich echt gut mit Geld umgehen, aber nach dem Bau des Schlosses war er pleite und starb dann auch bald. Für ihn beinhaltete das Schloss also auch Überraschungen, nur keine angenehmen.

Die Schlosskapelle wird für Hochzeiten genutzt und ist streng genommen der einzige original erhaltene Raum. Aber nur streng genommen: In vielen Räumen sieht die Wand in Richtung Innenhof genauso original farbenfroh-fachwerkig aus wie von außen, nur die anderen Wände nicht.

"Hallo", sprach mich eine Frau auf dem Innenhof an. "Unser Atelier ist geöffnet, Sie können gern reinkommen. Ist auch kostenlos." Ein Landschaftsmaler von der Weser hat dieses Atelier mal gegründet, seitdem stellen hier verschiedene Künstler ihre Werke aus. Diese Traumvisionen hat ein Hobbymaler geschaffen, der hauptberuflich Chemiker ist. Ich hoffe, sie kommen nicht von irgendwelchen Dämpfen, die er eingeatmet hat.

Aber das ist noch nicht alles: Das Schloss enthält ein Heimatmuseum, und das ist ebenfalls gratis. Vollgestopfte Zimmer mit alten Webstühlen, Porzellan, Porträts vom alten Pleite-Stachius, ein Raum voller Landschafts- und Tierfotographie, ein moderner Raum mit Tablets ("Das ist grad schwierig, da müsste ich Sie erst einweisen, und ich muss gerade was mit ner Kollegin besprechen.") und eine FrauenOrte-Ausstellung über die mutige jüdische Ärztin Paula Tobias.

Besonders interessant fand ich das Modell des optischen Telegraphen:
Dieses Haus stand auf einem Berg über Bevern. Darin lebte der Telegraphenmeister mit seiner Familie. Bei klarer Sicht saß er tagein, tagaus oben in seinem Turm, blickte mit einem Fernglas zum Nachbarturm und sendete dessen Signal aus Richtung Berlin weiter nach Köln. Dazu zog er an Hebeln und verstellte die sechs hölzernen Ärmchen in die richtigen Positionen. Die Dinger hatten über 4000 Kombinationen. Auf dem Bild zeigen sie gerade das Signal Weser.
Terry Pratchetts Klacker gab es wirklich! Naja, zumindest eine Linie. Und nur bis 1852, nach gerade mal 20 Jahren wurde sie auch schon durch elektrische Telegraphen ersetzt.

Zur Radroute gehört außerdem ein Sandstein-Weg. Mit anderen Worten: Alle paar Meter steht ein fetter Standsteinklotz aus einem europäischen Land am Wegesrand. Da konnte ich gleich mal vergleichen, wie sich die Weserfelsen im Vergleich so schlagen. Ergebnis: Sie sind besonders rot, aber nicht besonders gemustert.

Der Rest der Strecke ist auch ganz hübsch anzusehen. Feldwege und Straßen schrauben sich im Zickzack (naja, insofern es Schrauben mit Zickzackmuster gibt) aus dem Wesertal heraus. Dann folgt auch gleich das Ziel.

Stadtoldendorf kann sich nicht entscheiden, ob es eine Stadt oder ein Dorf sein möchte. Deshalb ist es eine Ansammlung von Parks und historischen Wachtürmen. Sie wachen eifersüchtig darüber, dass die Straße unten im Tal nicht so schön wird wie sie. Mit Erfolg.

Der Bahnhof Stadtoldendorf sieht dermaßen nach einer Burg aus, dass die Durchsagen eigentlich folgendermaßen lauten müssten: "Täterätä! Auf Gleis 1 fährt nun ein: Ihre hochwohlgeborene Regionalbahn die 84. von Kreiensen zu Paderborn, Eggebahn des Westfalentarifs, NRW-Tarifs und des Verkehrsverbundes Südniedersachsen!"

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