NEU! Das Bergparkleuchten - leuchtende Wasserfälle in Wilhelmshöhe

Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

03 November 2019

WHH: Von Osterode nach Langelsheim

 Harz IIa: Der innere Westen

Das hier ist nicht der Harzrundweg, sondern der Weser-Harz-Heide-Radweg. Er verläuft mehr oder weniger parallel, aber schon richtig durch die Berge statt außenrum. Ich wollte einfach mal an einem Tag mit dem Rad quer durch ein Gebirge radeln, ohne ein Mountainbike, nur mit einem alten Schrottrad und bestenfalls mittelmäßiger Kondition. Das erschien mir gewagt bis größenwahnsinnig. Also los!

Ich wollte dem Weser-Harz-Heide-Radweg durch den Westteil der Berge folgen. Also bin ich zuerst von Herzberg in die Innenstadt von Osterode geradelt. Da war es ja ganz schön, aber wo waren die Menschen? Alles war ausgestorben und geschlossen.
Ah, da sind sie ja alle. Wirklich alle. Die ganze Stadt scheint hier zu sein... verdammt, sind das viele... oje, ich muss absteigen.
Am Ortsausgang fand gerade der Stadt- und Waldlauf statt, zu dem sich sämtliche Einwohner versammelt hatten. Dieser Lauf sollte offenbar teilweise auf meiner Strecke stattfinden, wie ich den Absperrbändern und Schildern entnahm. Aber zum Glück war ich rechtzeitig da und man ließ mich noch durch.


Hinter den Menschenmassen geht es dann so richtig steil bergauf. Daran sind gar nicht so sehr die Berge schuld, sondern eine riesige grasbewachsene Mauer.

Sie begrenzt den Sösestausee. Der Radweg führt an seinem Ufer entlang und immer tiefer in die Berge hinein. Es stehen viele Bänke herum, um die Aussicht zu genießen.

Dann wird die Söse wieder schmaler. Nein, so schmal nun auch wieder nicht, das hier ist nur ein Straßengraben.
Ich fahre wieder einmal auf eine Straße.

Sie führt durch das Kaff Riefensbeek-Kamschlacken. Mein (aktueller) Radführer empfahl, sich hier mit Essen und Trinken zu stärken, denn danach soll eine längerer Durststrecke kommen. Allerdings waren die Restaurants geschlossen, verfallen oder hatten noch keine Saison. Eine Pension war auf Motorradfahrer eingestellt. Offenbar sind die meisten nicht so bekloppt, auf einem Rad ohne Motor hier hochzufahren.

Dann verlässt der Radweg die Straße. Er folgt der Söse und schraubt sich immer höher hinauf in die Berge.

Schließlich erreichte ich diese Stelle. Über mir befanden sich laut Karte die sogenannten Hammersteinklippen. Das klang durchaus sehenswert. Ich dachte, die Klippen könnte man vielleicht von unten sehen. Konnte man aber nicht. Ein Schild verriet mir, sie seien 1,1 Kilometer entfernt. Daneben führte ein steiler Pfad hinauf.
Naja, was solls, dachte ich, schloss das Rad an und stieg aufwärts.

Ich irrte eine Weile im Wald herum und entdeckte die Klippen nicht, dafür jedoch Schnee.

Irgendwann kam ich dann hoch oben an dieser Straße heraus. Verdammt! Jetzt war ich laut Karte oberhalb der Klippen. Hm, laut diesem Schild da geht es jetzt da lang zu den Klippen. Entfernung: 1,1 Kilometer. Na schön, dann wieder bergab.

Da sind sie ja! Die Hammersteinklippen bestehen aus einem Haufen spitzer Steine. Ihre Form muss den Namensgeber der Klippen wohl an Hammerköpfe erinnert haben. Ich bin lieber nicht auf den Steinen herumgeklettert. Von so einer Steinlawine möchte ich wirklich nicht begraben werden.
Einer dieser Steine (ich bin mir nicht sicher, welcher), ist der Sösestein. Unter ihm entspringt die Söse, der Fluss, dem ich hoch hinauf in den Harz gefolgt bin.
Nun musste ich wieder hinunter und raus aus dem Harz. Welchem Fluss soll ich diesmal folgen? Die Auswahl ist groß: Ganz in der Nähe liegen noch viele andere Quellen, zum Beispiel die Eisen- und Schwefelquelle. Und die Oker beginnt nicht weit entfernt.

Dieser Stein sieht in der Tat aus, als sei er von einem sehr großen Hammer gespalten worden.

Zurück zum Radweg. Der schraubt sich noch weiter hinauf. Einige Motorsägen haben die Baumreihen ein wenig ausgedünnt und so für ein paar Meter eine fantastische Aussicht geschaffen.
Zwischen den Bäumen fließt Wasser in einem kleinen hölzernen Kanal. Was es wohl damit auf sich hat? Der sieht ja ganz neu aus.
Seltsamerweise war dieser Abschnitt des Weges nicht so anstrengend. Ich weiß nicht, woran das lag. Hatte der Anstieg ganz leicht abgenommen, sodass es mit bloßem Auge nicht zu erkennen ist? Oder hatte sich meine körperliche Verfassung verbessert, obwohl ich Hunger hatte und die Wanderung ja auch durchaus anstrengend gewesen war?

Und wieder Straße! Moment, da soll es langgehen? Ich glaube, da hat jemand das Schild verdreht. Weil ich ein freundlicher Mensch bin, drehte ich es zurück.

Als nächstes streift der Weg die Bergbaustadt Altenau - die Betonung liegt auf Berg. Das Foto entstand ein paar Höhenmeter über dem Radweg und zeigt deutlich, warum Altenau von allen Harzstädten am anstrengendsten zu durchqueren ist: Der Mittelteil liegt hoch oben auf dem Glockenberg. Auf meiner Seite liegen nur ein paar verstreute Häuser, und erst hinter dem Berg liegt das (mehr oder weniger) Stadtzentrum an der Oker.
Aber vielleicht finde ich ja auch auf meiner Seite etwas zu essen?

Ja, endlich, ein Cafe!
Zu früh gefreut: Das Cafe hatte zwar geöffnet, aber es herrschte geschlossene Gesellschaft, denn die Bahn hatte alles für die Teilnehmer ihrer Bahn-Nostalgie-Reise gebucht.
Die Deutsche Bahn fährt auf diesen Reisen Leute mit dem Bus herum und zeigt ihnen historische Bahnstrecken, was mir ein wenig absurd erscheint. Schauen Sie mal, hier gab es früher eine Bahn und jetzt nicht mehr! Also war unser Angebot früher größer und wir sind quasi schlechter geworden! Toll, oder?

Solche historischen Strecken lassen sich doch viel besser nutzen, indem man darauf Fahrrad fährt. Die Züge damals wollten die Berge möglichst gerade und mit möglichst wenig steilen Stellen durchqueren und hatten damit ganz ähnliche Ansprüche wie ich.
Hier fuhr einst die Innerstetalbahn. Der Fluss da unten ist aber noch nicht die Innerste. Zunächst folgt der WHH-Radweg der Rotenbeek, dem Schwarzen Wasser und dem Hellertaler Graben.
Der Radweg und die Straße nutzen zwar im Prinzip dasselbe Tal, aber die Bahntrasse verläuft wesentlich höher. Der Verkehr da unten stört also überhaupt nicht.
Ganz typisch für diese Bahntrasse sind Brücken mit rostigen Gittern.
Leider haben die Bahntrassen im Westharz auch eine dunkle Geschichte: In den letzten Tagen des letzten Krieges wurden Konzentrationslager geräumt und die Häftlinge in die Berge gefahren. Wo die Bahn zerbombt war, mussten sie zu Fuß weiter. Das überlebte ein Viertel der 40 000 Menschen nicht. Dabei war die Gegend relativ dicht besiedelt, das Verbrechen geschah also vor aller Augen.

Aus irgendeinem Grund war die Bahntrasse anstrengender als der Waldweg vorher. Dabei sah sie eigentlich nicht steiler aus.
Diese Steine haben früher bestimmt die Bahnlinie begrenzt.

Erschöpft und mit einem Loch im Magen kam ich in Clausthal-Zellerfeld heraus und schlug mir im erstbesten Restaurant den Bauch voll. Danke, Restaurant Lucania!

Clausthal-Zellerfeld ist auf dieser Strecke die größte Stadt im Harz (also richtig in den Bergen, nicht am Harz) und hat eine extrem dicke Kirche, eine Technische Hochschule (früher eine Bergbauschule) und ein Bergbaumuseum. Das Rathaus kommt tiefblau daher, dafür sind manche Plätze ziemlich kahl und grau. Die Städte am Harzrand sind schöner.

Altenau, Clausthal-Zellerfeld, Lautenthal und die meisten anderen Orte waren alles Bergbaustädte und nennen sich auch noch so. Früher wurden hier Erz, Silber und Kupfer abgebaut. In Clausthal-Zellerfeld wird aber seit 1930 kein Bergbau mehr betrieben. Jetzt müssen sich die Orte von Touristen und Kurgästen ernähren.

Rund um Clausthal-Zellerfeld wird es teichig. Die Hirschler Teiche bildeten zum Beispiel eine vierstufige Kaskade und bewässern die Erzgruben Dorothea und Caroline. Ein paar Meter weiter entspringt die Innerste.
Durch den obersten Hirschler Teich konnten die Bergleute 10 Meter höheres Wasser entnehmen. Das machte für sie einen Riesenunterschied, der den ganzen Aufwand rechtfertigte, denn ihr Motto war: Haltet die Wasser hoch! Warum?
Die Teiche sind ein Teil der Oberharzer Wasserwirtschaft (a.k.a. Oberharzer Wasserregal), ebenso wie die hölzernen Gräben, die ich schon gesehen hatte. Das war ein System, das sich intelligente Bergleute ausgedacht hatten. Sie mussten das Wasser aus den Bergwerksgruben rauspumpen und sammelten es dann zusammen mit Regen- und Flusswasser in einem System aus Teichen und Gräben. Wann immer sie mal Energie brauchten, leiteten sie es auf Wasserräder, um damit Lasten und Menschen zu transportieren, noch mehr Wasser ins Freie zu pumpen (Wasser mit Wasser bewegen war ein weiteres Motto) oder weiter unten im Tal in sogenannten Pochwerken das gefundene Roherz zu zerklopfen. Bevor die Dampfmaschine erfunden wurde, war dies das größte Energieerzeugungssystem auf diesem Planeten.
Mit der Industrialisierung wurde das Flüssige nach und nach Überflüssig. Dafür gibt es eine Erfindung aus der Harzer Wasserwirtschaft, die bis heute weltweit überall eingesetzt wird: Der Oberbergrat Julius Albert hat sich hier 1834 das Drahtseil ausgedacht, um damit die sperrigen Stangen an den Pumpen zu ersetzen.
Auch Gottfried Leibnitz, der berühmte Erfinder der Butterkekse des Dualsystems, hat sich viel im Oberharz aufgehalten und Sachen erfunden. Das scheint wirklich eine fruchtbare Region für Technikgenies zu sein.

Die Wasserwirtschaft ist Weltkulturerbe, und quer durch den Westharz zieht sich eine Route, welche ihre wichtigsten Stationen verbindet.
Die Hirschler Teiche bekommen viel Wasser über die Hutthaler Widerwaage. Dieser Graben schnorrt sich über zwei Tunnel Wasser von der Söse und Oker und durchbricht damit die zentrale Nord-Süd-Wasserscheide im Harz. Der Graben überquert einen Damm, dümpelt hoch oben am Ende eines ausgestorbenen Tal neben einer hübschen Felswand weiter (womit er der mit Abstand schönste Teil dieses Tals ist) und verschwindet schließlich wieder in einem Tunnel (rechts im rechten Bild). Bis heute ist der Tunnel halbvoll mit schwarzem Wasser. Ob wohl schon irgend so ein verrückter Extremschwimmer versucht hat, da bis in den Hirschler Teich durchzuschwimmen?
Warum ist das Wasser so reglos? Weil die Hutthaler Widerwaage kein Gefälle hat. Dadurch lässt sie sich in beide Richtungen einsetzen - je nach dem, ob der Hirschler Teich zu viel Wasser hat oder ob er welches braucht.

Auf der anderen Seite, in Richtung Altenau, versorgt das Polsterberger Hubhaus (das gelbe hinten, heute ein Café) die Widerwaage mit extraviel Wasser. Und zwar, indem es Wasser von einem tieferen in einen höheren Graben pumpte. Dazu saugte ein Kolben Wasser ins Rohr, und der Rest ging dann ganz automatisch. Und was bewegte wohl den Kolben? Natürlich auch Wasser! Zumindest, bis die Pumpe irgendwann doch auf elektrischen Strom umgestellt wurde.

Danach bieten sich dem Radler mehrere Möglichkeiten. Der Innerste-Radweg macht einen Umweg zur Innerstequelle und weiteren Teichen. Der reguläre WHH-Radweg führt laut Karte erst einmal nur noch bergab. Die WHH-Variante hingegen hat zwei Bergauf-Passagen und ist etwas abenteuerlicher (der Asphalt auf dem Bild hört bald auf), dafür gibt es dort noch mehr Teiche und eine kleine Sehenswürdigkeit zu sehen.

Gestärkt und motiviert entschied ich mich für die Variante und begutachtete den Spiegeltaler Wasserfall. Der Wasserfall verbindet zwei der Spiegeltaler Teiche. Das Flüsschen, das durch die Teiche fließt, heißt Spiegel.
Der Wasserfall ist mit fünf Metern nur halb so hoch wie der Lonauer Wasserfall in Herzberg. Dafür ist es ein "richtiger" Wasserfall, also das Wasser fällt richtig und fließt nicht nur über eine Schräge. Trotz der niedrigen Höhe ist er irgendwie süß.

Danach stieß ich wieder auf die Straße und auf den Innerste-Radweg, der mich über eine viel schönere Bahntrasse wieder aus den Bergen herausbringen sollte.


Die Bergstadt Wildemann sollte eher Stillemann heißen.


Hinter Wildemann geht es dann wieder auf die Trasse der Innerstetalbahn.
In Lauthental musste ich nochmal kurz auf die Straße, aber dann durfte ich zurück auf die Bahntrasse. Dort hat der Radweg einen ziemlich auffälligen Eingang (im Bild links). Da fühle ich mich direkt willkommen.

Diesmal ist die ehemalige Bahntrasse komplett asphaltiert, verläuft nicht ganz so hoch über der Straße und ist auch längst nicht so anstrengend.
Hier fließt tatsächlich die Innerste, die in der Nähe von Clausthal-Zellerfeld entspringt.

Trotzdem gibt es genau dieselbe spektakuläre Schlucht aus Felsen und umgestürzten Bäumen. Ein traumhafter Weg!

Beim Reinfahren ins Gebirge begleitete mich ein Stausee, und beim Rausfahren ebenso. Diesmal ist es der Innerstestausee. Kurz vor der Staumauer ist ein Ufo aus Beton im Wasser gelandet. Jedenfalls sah es so aus. Es wurde langsam dunkel und ich konnte es nicht mehr so gut erkennen (und noch schlechter fotografieren). In Wahrheit ist das ein Betontrichter, durch den das überschüssige Wasser abläuft.
Blick von der Langeswarte

Das ist bestimmt ein interessanter Anblick, wenn man von oben reingucken könnte - was man aber nicht kann, selbst wenn zufällig einer der wenigen Tage im Jahr sein sollte, wo der See überläuft.
Auf diesem Abschnitt bekam ich einige Regentropfen ab. Kein Wunder: Der Harz ist eine der regenreichsten Regionen Deutschlands. Das ist ja auch einer der Gründe, warum es so viele Talsperren gibt. Die Talsperren sind quasi die modernen Nachkommen der kleinen künstlichen Seen, die ich weiter oben gesehen habe.







Mein Ziel war Goslar. Man könnte jetzt ganz gemütlich dieser Bahntrasse folgen, bis der Harz zu Ende ist, und erst in Langelsheim außerhalb der Berge rechts abbiegen. Aber nö, kurz vor dem Ende sagt der Weser-Harz-Heide-Radweg: Überquer doch bitte noch diese steile Hügelkuppe nach Wolfshagen, bis ins Nachbartal. Da darfst du erst raus. Das ist kürzer. Na guut...
Ich hätte zwar den Zug in Langelsheim nehmen können, aber ich hatte mir vorgenommen, es bis nach Goslar zu schaffen. Deshalb eilte ich in zunehmender Dunkelheit noch ein Stückchen außen am Harz entlang, um den letzten Zug in Goslar zu erreichen.

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