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10 November 2022

Nordsee: Von Wilhelmshaven nach Varel

Wilhelmshaven existiert deshalb, weil der preußische König 1848 Stress mit den Dänen hatte. Er schloss einen Deal mit dem Herzog von Oldenburg: Das kleine Stück Land an der Jademündung ging an Preußen und er durfte da einen Nordseehafen bauen. Natürlich nicht der König persönlich, sondern Arbeiter, die Schubkarren mit tonnenweise Matsch durch den Sumpf karrten und dabei an Malaria starben. Aus irgendeinem Grund fanden die Arbeiter diese Bedingungen gar nicht mal so gut und mit der Zeit entstand eine ähnliche Arbeiterbewegung wie in Ruhrgebiet.


Ich habe mir Zeit genommen für eine Runde rund ums Hafenbecken, das gleichzeitig auch den Start des Ems-Jade-Kanals in Richtung Emden darstellt. Modernen Backsteinkästen, mehrfarbige Backsteinbürgersteige und grüne Deiche umzingeln das Becken.
Am anderen Ende überquerte ich die Kaiser-Wilhelm-Brücke. Das war mal die größte Drehbrücke Europas und ist immer noch das Wahrzeichen der Stadt. Auf Fotos sieht es ganz schön beeindruckend aus, wenn sich die zwei Brückensegmente zur Seite drehen. In der Realität konnte ich das nicht erleben. Einerseits schade, andererseits habe ich dadurch ordentlich Zeit gespart.

Für den Straßenverkehr des 21. Jahrhunderts ist das alte Stahlteil eigentlich zu schmal, weshalb Autofahrer die Brücke nur überqueren dürfen, wenn eine Bauampel (ohne Baustelle) grün zeigt.
Hinter der Drehbrücke geht der eigentliche Hafen los, inklusive Kriegsschiffe.

Auf der anderen Seite habe ich kurz nach dem Wattenmeer-Besucherzentrum gesucht. Es sollte da ein echtes Pottwal-Skelett geben, in das die Organe des Wals reinprojiziert werden. (Sind Pottwale typische Bewohner des Wattenmeeres? Wusste ich gar nicht.) Das klingt spannend, war aber wegen Umbau geschlossen.
Unten habe ich einen wunderbaren Rad- und Fußweg am Wasser entdeckt. Im Stadtgebiet musste ich noch einigen Fußgängern ausweichen, aber bald wurden das immer weniger.

Herrlich, so habe ich mir den Nordseeradweg vorgestellt!
In Wilhelmshaven schwammen drei mutige alte Damen im Meer. Ob ich das auch wagen sollte? Einige Kilometer hinter Stadt hielt ich an, um erstmal die Wassertemperatur zu prüfen. Dazu ging ich den befestigten Abhah...!
Ui, ganz schön rutschig. Es war gar nicht so einfach, die Hand ins Wasser zu tauchen, ohne gleich den restlichen Körper mit einzutauchen.
Prt! Was war das denn für ein Geräusch? Prt! Das waren diese Algen, oder? Immer wenn ich drauftrat Prt! platzte ein Luftbläschen in der Pflanze. Ein bisschen wie Prt! Springknollen im Wasser.
Ergebnis des Temperaturtests: Das Wasser ist nicht zu kalt, sondern inzwischen vor allem zu flach zum Schwimmen.

Die Nordsee wurde immer flacher und matschiger, und das lag nicht an den Gezeiten, sondern vor allem daran, dass ich nach Süden fuhr. Irgendwann begannen Salzwiesen auf dem Matsch zu wachsen und schließlich wird aus dem Meer Land. Die Küste knickt nach Westen ab, ich will mitknicken.

Aber wo? Oben auf dem Deich ist kein Weg - oder? Moment mal, da oben steht eine Bank, ich schau mal nach. Ist bestimmt auch eine schöne Aussicht, wenn ich mich da gemütlich hins... oh, es ist eine Schafstränke.
Angeblich sollten hier Schafe grasen. Der Schutz der schreckhaften Schäfchen ist ein Grund, warum ich nicht mehr außendeichs fahren durfte.  Ein anderer Grund ist, dass sich der Betonplattenweg immer mal wieder im Gras auflöst.
Die Schafe sind dermaßen schreckhaft, dass ich kein einziges gesehen habe. Es sei denn, die Schafe können Radfahren. Denn irgendwelche Radfahrer waren nicht so gehorsam wie ich und fuhren einfach trotzdem außen lang.

Dieser Teil des Nordseeradwegs wurde zum Skulpturenpfad aufgewertet. Die Statue des Opas mit der Schaufel soll daran erinnern, wie Demonstranten erfolgreich einen angemessenen Ausgleich von Naturschutz und Küstenschutz erreichten. Dabei bleibt offen, welcher Schutz ihrer Meinung nach weniger ernst genommen werden sollte.

Ein anderer Künstler schuf gleich sieben Skulpturen. Er hat irgendwie die sieben Schöpfungstage aus der Bibel mit den sieben Phasen des Deichbaus gleichgesetzt und in jedem Dorf ein davon inspiriertes, höchst abstraktes Gebilde zusammengematscht.

Irgendwann waren die Verbotsschilder zu Ende und ich wechselte zurück auf die Außenseite. Und ausgerechnet da waren auf einmal doch Schafe. Die waren aber nicht sehr schreckhaft. Direkt auf dem Radweg pennten zwei aneinandergekuschelte Lämmchen. Ich hielt größtmöglichen Abstand und... ja, sehr schön, die Unschuldslämmer schliefen weiter.

Es folgt das Nordseebad Dangast, an dem gleich mehrere Sachen bemerkenswert sind. Als erstes bemerkte ich eine Werbetafel: Heute schon gefischturmt? Das Alter der Fischbrötchen wird auf 30 Sekunden geschätzt.
Zack, schon war ich überzeugt und steuerte den Fischturm an. Gut, möglicherweise lag das nicht nur an der originellen Tafel, sondern auch an meinem Hunger. Wenige Minuten später biss ich in ein frisch gebackenes Backfischbrötchen und überlegte, ob ich jemals ein besseres Exemplar gegessen habe. Zu einem eindeutigen Ergebnis kam ich nicht, weil mich erstens der gute Geschmack und zweitens eine wahrhaft einzigartige Skulptur ablenkten.

Am Strand von Dangast ragt der Dangaster Phallus in die Höhe. Er sieht aus wie... ja, ganz genau das soll er darstellen, nur aus irgendeinem Grund rechteckig.
Der Phallus wurde dannundann vom Künstler soundso gestaltet, steht in meinem Reiseführer - aber nichts darüber, was der Künstler damit symbolisieren wollte oder warum er der Meinung war, dass dem Strand solch ein Kunstwerk guttun könnte. Nicht jugendfreie Kunst habe ich ja schon öfter gesehen, aber normalerweise denken sich die Künstler wenigstens irgendeine Begründung aus. Soll er vielleicht darauf hinweisen, dass hier ein FKK-Strand ist? Ist das überhaupt ein FKK-Strand? Wenn nicht, wäre das Kunstwerk noch absurder.
Weiter hinten steht ein weiteres Kunstwerk, ein riesiger Stuhl. Zum Fischbrötchenessen ist er nicht bequem genug.

Bemerkenswerte Sache Nummer drei wächst gleich hinter der Mauer am Strand in die Höhe: Ein Wald. Windflüchtern recken ihre dürren Äste in den Wind und bilden eine Mini-Version des Nienhager Gespensterwalds an der Ostsee. Der Wald ist echt klein, aber absolut einzigartig: Dies ist die einzige Stelle der Nordsee, an der ein richtiger Wald direkt ans Wattenmeer grenzt. Nur hier kann man Spechte durchs Watt fliegen sehen.

Der Fahrradverleih in Dangast hat sich vorwiegend auf sechsjährige Mädchen als Zielgruppe eingestellt. Warum sonst sollte eine Herde Fahrradrikscha-Einhörner vor dem Geschäft grasen?
Außerdem steht da ein Conference Bike, das ist die schmalere und seriösere Version eines Bierbikes, ohne Bier.

Zum Schluss bin ich vom Deich abgebogen und einem kuriosen kleinen Kanal gefolgt, der noch ganz oldschoolmäßig mit Brettern befestigt war. Das etwas heruntergekommene Becken verwandelte sich nach und nach in den Vareler Hafen. Er beherbergt die Keksfirma Bahlsen, die kleinste Kneipe Deutschlands und ein Ein-Mann-U-Boot.

Das beschauliche Varel hat eine spannende Geschichte. Friesische Häuptlinge hatten hier mal ihren Häuptsitz und waren häuptberuflich als Piraten tätig, obwohl das Meer damals total weit weg war (weil es den Jadebusen noch nicht gab).
Später versuchte der dänische König eine Festungsstadt nach dem Vorbild St. Petersburgs errichten. Die Bürger waren schon damals Großbauprojekten gegenüber eher skeptisch, weshalb es bei einer ungewöhnlich grauen Schlosskirche blieb.

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