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Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

02 November 2022

Ems: Von Gütersloh nach Westbevern

Ems-Tag II

Die Stadt der Mähdrescher - Welch wunderbar wandelbares Wasser die Ems enthält - Die falsche Jahreszeit - Die Stadt des Pferdes - Gemüse? Nein danke! - Der Schmerz der Katholiken - Mehr Mühlen - Die mutmaßliche Bedeutung des Nachnamens meiner Urgroßeltern

Das gar nicht mal so kleine Flüsschen Dalke bringt die Radler aus Gütersloh zurück zur Ems. Der Dalkeweg ist eine Allee, an seinem Ufer stehen sowohl Bäume als auch Wegweiser-Holzpfosten, also quasi ehemalige Bäume. Es ist ein wunderbarer Spazierweg und leicht zu finden. Außer an der einen Stelle, wo eine Baustelle ihn zerhackt. Die Umleitung war nicht so gut ausgeschildert.


Erste Station des Tages ist das Kloster Marienfeld.

Hier picken Hühner direkt am Radweg. Selbst wenn sich ein Fahrrad nähert, hauen sie eher halbherzig ab.

Marienfeld gehört zu Harsewinkel, das sich selbst als Die Mähdrescher-Stadt bezeichnet. Das Unternehmen Claas produziert Maschinen für die Landwirtschaft und zeigt im Technopark seine neusten Produkte.

Offenbar kommen einige Mitarbeiter mit Fahrrädern zur Arbeit, denn auf dem firmeneigenen Parkplatz stehen mehrere dieser fancy Fahrradständer.

Ab und zu habe ich die Ems von einer Brücke gesehen, im Laufe des Tages gab es auch ein paar Radwege am Fluss.
Große Felsbrocken liegen im Flussbett, um... ja, warum eigentlich? Um die Brücken vor der Kraft des Wassers zu schützen?
Die Breite des Flusses variiert überraschend stark. Mal ist er schon richtig groß...

...und mal so schmal wie am ersten Tag.
Hat sie sich womöglich in ein Binnendelta geteilt wie die Hase? Ein paar Gräben zweigen ab, aber so richtig andere Flussarme kann ich auf der Karte nicht entdecken.

Hier war die Fußgänger- und Radfahrerbrücke gesperrt, und als Ausgleich wurde für uns einfach mal eine komplette Fahrspur reserviert. Wow, das ist ja lieb!

Die anderen Radlerbrücken werden am Eingang von Pollern unnötig schmal gemacht.

Sand begleitet die Ems nicht nur an der Quelle und der Mündung, sondern auch die ganze Zeit dazwischen. In dieser Gegend türmt er sich zu Binnendünen auf.

Kurz vor Warendorf erstreckt sich der Emsseepark. Der Emssee ist deutlich dicker als der Fluss und nur noch über ein schmales Rinnsal mit der Ems verbunden. Er wurde zum Hochwasserschutz angelegt. Zwischen den Wasserflächen konnte ich auf einer Brücke dahinradeln - ein toller Anblick.
Warendorf nennt sich auch Stadt des Pferdes, weil hier das Landgestüt von NRW steht. Mal was anderes als Stadt der Mähdrescher. Das Deutsche Olympiade-Komitee für Reiterei entscheidet hier, welche Auserwählten bei den Olympischen Spielen ihre Pferde hauen und dafür auf Twitter einen massiven Shitstorm kassieren dürfen.

In Warendorf habe ich Mittagspause gemacht. Das ist die größte und schönste Stadt auf der Strecke. Als einziger habe ich mich im Restaurant nach draußen gesetzt, denn es war schon ziemlich kühl. Deswegen wurde ich etwas schräg angesehen, eventuell weil man mich für einen Impfgegner hielt, der keinen 3G-Nachweis zeigen konnte. Dabei hatte ich einfach nur eine Jacke dabei und wollte das Panorama der Giebelhäuser genießen. Die Häuser stammen aus sechs verschiedenen Jahrhunderten und sehen deshalb sehr verschieden aus.
Direkt neben mir spielte ein Karussell ununterbrochen und sehr laut Kinderlieder, obwohl kein Kind vorbeikam, das damit fahren wollte. Später kamen dann doch noch zwei andere Typen, die sich nach draußen setzten. Es handelte sich um noch größere Gemüsemuffel als mich, sie bestellten den Burger "nur mit Fleisch und Brot, so wie immer".

Zur Stadt gehört auch ein Kirchturm, der nicht mit der Kirche verbunden ist und wie ein Burgturm aussieht. Eine Steintafel verrät, dass die ursprüngliche Kirche mit diesem Turm verbunden war, bis sie  abgerissen wurde. Warum, bleibt unklar. Warum sie es nicht übers Herz bringen konnten, den Turm mit abzureißen, kann ich mir allerdings denken - er sieht einfach zu cool aus.

Am Wegesrand haben zwei Anwohner ein gelbes Auto und ein Schild aufgestellt. Sie werben damit für ihren Podcast über die Bundesstraße B64n. Die soll hier gebaut werden, und das finden sie doof.
Wo genau soll die eigentlich hin? Zwei Kilometer entfernt sehe ich Autos auf der B64 dahinrasen. Es scheint nicht so, als hätten sie dort zu wenig Platz. So dicht besiedelt ist die Gegend nun auch nicht.

Jetzt bin ich im Münsterland angekommen. Mein Ersteindruck von dieser Landschaft lautet: Haben wir wirklich Herbst?
Um diese Jahreszeit bin ich meistens schon froh, wenn es nicht regnet. Wenn dann noch die Sonne ein paar orangefarbene Blätter beleuchtet, bin ich völlig zufrieden. Das Münsterland ist im Herbst aber nicht orange. Es leuchtet gelb und blau, ein bisschen grün und braun, aber vor allem gelb. Denn hier wächst Raps. Richtig viel Raps. Raps scheint die liebste Pflanze der Münsterländer zu sein. Hinzu kommen Felder voller Kornblumen, die das Blau des Himmels spiegeln. Wahrscheinlich sind das Pflanzen, die erst so spät im Jahr Saison haben (keine Ahnung, ich kenne mich damit nicht aus), dennoch sah die Landschaft für mich total sommerlich aus. Die Bäume hatten ausschließlich grüne Blätter. Noch fünf bis zehn Grad mehr, und der Oktober hätte sich perfekt getarnt.

Auch der Wald strahlte wunderschön. Damit er so wunderschön bleibt, stehen da Wurf-Papierkörbe für Radfahrer. Für meine Treffsicherheit sind die Dinger allerdings nicht geeignet (basierend auf Daten aus meinem Sportunterricht).

Die letzte Stadt des Tages ist Telgte. Der Emsradweg ist hier sehr gut zwischen einem Cafe und einer Statue versteckt. Ich habe ihn zuerst übersehen.

Es handelt sich um eine katholische Statue. Vermute ich zumindest, denn ganz Telgte ist total katholisch. Zur Abwechslung ist das mal keine junge Industriestadt, sondern ein alter Wallfahrtsort. Neben der rauschenden Wassermühle mit Wasserfall erhebt sich ein Dom am Ufer.

Die meisten Pilger suchen lieber ein kleineres Gotteshaus auf, und zwar seit über 600 Jahren. Mehr als 100000 Leute pilgern pro Jahr hierher. Der interkulturelle Austausch mit der benachbarten Pferdestadt Warendorf besteht aus einer jährlichen Kutsch-Pilgerfahrt mit vielen verschiedenen Pferderassen.
Die Wallfahrtskapelle duckt sich neben der großen Kirche in die Innenstadt, wie ein kleines, rundes Überraschungsei von Gottes Gnaden.

Die Überraschung stellt die Statue der Schmerzhaften Mutter dar. Wobei, eine echte Überraschung ist das nicht, denn Schilder und Wegweiser kündigen sie bereits von Weitem an. KOMMT ZUR SCHMERZHAFTEN MUTTER LERNT VON IHR DAS EIGENE LEID MIT DEM LEIDEN JESU CHRISTI ZU VEREINIGEN - so preist eine uralte Werbetafel aus Stein das Kunstwerk an, eine Attraktion mit Bildungseffekt für die ganze Familie.
Eine Alarmanlage überwacht die berühmte Statue Pieta aus Pappelholz. Das ist eine gute Idee, immerhin wird die Kapelle tagsüber einfach unbeaufsichtigt aufgeschlossen.
Die Mutter Maria hält Jesus in ihren Armen. Er sieht zwar erwachsen, aber trotzdem total ausgemergelt und dürr aus, als käme er gerade frisch vom Kreuz. (Als eine Art Erwachsenen-Baby hat er mich ein bisschen an das zwischenzeitliche Aussehen von Lord Voldemort erinnert.) Sowohl Mutter als auch Sohn wirken in der Tat ausgesprochen schmerzhaft.
Ich wüsste echt nicht, wie ich mein eigenes Leid damit verbinden soll. Mir ging es in dem Moment wirklich super, und die paar Kleinigkeiten, die mich störten, sind vermutlich ein Kinkerlitzchen dagegen, dass das eigene Kind ans Kreuz genagelt wird. Die Infotafel bestätigt meine These im Wesentlichen: Angezogen fühlen sich vor allem diejenigen, die Angst, Not und Trauer durchleben. Naja, deshalb bin ich ja auch Tagestourist und kein Pilger. Die Dankbaren können ja rüber in die große Kirche gehen und sich bei den bunten Fenstern bedanken, dass es bei ihnen so gut läuft.
Die vielen Gaben und Geschenke in der Kapelle sind ein eindrucksvolles Zeichen für das Wirken Gottes, heißt es weiterhin auf der Tafel. Wenn das so ist, dann war die völlige Abwesenheit irgendwelcher Geschenke an jenem Tag gut geeignet, um jemanden zum Atheisten zu machen.

Das Ufer der Ems säumt ein biblischer Pfad mit weiteren Statuen. Das hier ist zum Beispiel Das Todesurteil. Die Themenauswahl bleibt eher düster.

Auf den letzten Kilometern bieten Aussichtsplattformen aus Holz und Stahl mehr oder weniger große Panoramablicke über die Ems. Diese hier liegt direkt am Weg, für eine weitere habe ich einen kleinen Umweg gemacht, das hat dann aber auch gereicht, ich wollte ja vorankommen.
Damit die künstlich begradigte Ems wieder natürliche Kurven bekommt, werden erstens die Befestigungen am Ufer entfernt, damit der Fluss selbst entscheiden kann, wohin er will, und zweitens Altarme wieder angeschlossen. Und zwar nicht nur ein oder zwei wie an der Hunte, sondern richtig viele.
Dadurch wird der Fluss langsamer (was vor allem der Natur nützt) und der Wasserstand höher, langfristig sogar beim Grundwasser (was vor allem den Menschen nützt). Dieses Projekt ist genau durchgeplant, spezielle Mulden sorgen dafür, dass keine größere Hochwassergefahr besteht. Anders als bei anderen Flüssen habe ich keine Häuser gesehen, die am Ufer rumstehen. Das macht es sicher leichter.

Zum Schluss folgt eine letzte Wassermühle. Es ist sogar eine Doppelmühle, denn doppelt mahlt besser. Sie gehört zum Haus Langen. Das ist eine Burganlage - naja, eigentlich eher ein Gutshof, von der Burg stehen nur noch die Wälle. Das Gelände wird von einem Graben umschlossen und beinhaltet auch eine tausendjährige Eiche, die sehr dick ist, aber ihre Äste nicht sehr hoch streckt.
Bei dem Fluss handelt es sich nicht um die Ems, sondern um ihren Nebenfluss Bever. Dieser Name kommt von den Bibern, die einst den Wasserlauf bevölkerten. Warte mal, meine Urgroßeltern hießen doch Bevern - hat deren Name auch was mit Bibern zu tun? 

Der Emsradweg ist ausgesprochen regelmäßig mit Bahnstationen ausgestattet. Beim nächsten Bahnhof herrscht eine gewisse Uneinigkeit darüber, wie das dazugehörige Dorf eigentlich heißt. Die Karte sagt Vadrup, die Deutsche Bahn nennt ihn Westbevern - da sind die Biber wieder.

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