Wegbeschaffenheit: Radwege, Hauptstraßen, Matschwege
13:26 Ich verlasse Eschwege und überquere die Arme der Werra über zwei Brücken auf der Brückenstraße. Zweifellos ein passender Straßenname.
13:32 Ich verlasse die Hauptstraße und biege links ab auf einen kleineren Weg.
13:37 Ich durchquere einen kleinen Tunnel.
13:41 Ich überquere eine äußerst schmale Brücke, auf die eigentlich nur Fußgänger dürfen. Gräben und Fischteiche säumen den Weg.
13:42 Auf der anderen Seite entdecke ich einen originellen Wegweiser nach Jestädt.
13:45 Auf dem Weg nach Jestädt wurden Erlebnisstationen aufgestellt. Ich passiere die Wassertretstelle zur schiefen Bank. Die Bank nutze ich trotz ihrer Schiefe gern, doch auf das Wassertreten verzichte ich dankend. Die großen Berge in der Ferne sind in Nebel gehüllt.
1612, Jestädt, Kilometer 275,4 Im funkelnagelneuen Schloss Jestädt schläft der Adlige Friedrich-Hermann von Boyneburg-Hohenstein.
13:51 Im renovierten Schloss Jestädt schläft jeder, der sich eine Ferienwohnung auf booking.com leisten kann.
Ich fahre geradeaus weiter, so spare ich mir einen sinnlosen Umweg nach Niederhone.
13:55 Ich passiere weitere Kleingärten. Es nieselt.
13:58 Der Regen wird stärker. Ich ziehe meinen Poncho über.
13:59 Der Regen hört auf. Ich behalte den Poncho an, um sicherzustellen, dass der Regen nicht wieder losgeht. Es funktioniert hervorragend.
Die Abkürzung ist nicht asphaltiert und schön matschig. Dafür fahre ich direkt zwischen der Werra und einem Naturschutzgebiet mit beigefarbenen Klippen aus schartigen Felsen. Das ist es allemal wert.
14:09, Albungen, Kilometer 281,3 Der Weg wird wieder fest. Ich entdecke noch einen originellen Wegweiser und überquere die Werra auf einer kleinen Betonbrücke. Sie ist schlammbraun vom Regen der letzten Tage.
14:10 Ich sehe mein Zwischenziel, eine Radfahrerkirche. Was die wohl für Radfahrer bietet?
14:11 Sie bietet das einzigartige Erlebnis einer verschlossenen Tür bei Nieselregen.
14:32 Ich fahre durch eine enge Schleife des Werratals unter dem Schloss Rothestein. Es ist nicht rot, sondern gelb. Damit hebt es sich farblich von all den grauen Burgen in der Gegend ab.
14:34 Ich überquere die Zauberbrücke. Sie besteht aus nicht wirklich zauberhaftem Asphalt mit Stahlgeländer.
Vor langer Zeit (der Sage nach) fischte hier ein Fischer und sah am anderen Ufer ein geheimnisvolles Mädchen. "Kannst du mich rüberfahren?", fragte es. "Nee, sorry, bin voll im Stress, ich muss den Pfarrer morgen mit Fischen für die Taufe meines Kindes bezahlen." - "Bitte!" - "Na guut…" Als er es rüberfuhr, zeigte ihm das möglicherweise magische Mädchen einen herumliegenden Haufen Geld, an dem er sich bedienen konnte. Als er es nach Hause brachte, starb blöderweise seine Frau an dem Schock, weil sie dachte, ihr Mann sei kriminell geworden. Der Fischer hatte dann nicht mehr so viel Lust auf das Geld und gründete in Zusammenarbeit mit der Gemeinde eine Wohltätigkeitsstiftung. Ende.
14:45 Ich umfahre die Steigungen am Ortseingang nach Bad Sooden-Allendorf. Dazu weiche auf einen tieferen Feldweg zwischen diversen Kleingärten aus.
14:56, Bad Sooden-Allendorf, Kilometer 292,5 Ich erreiche die Kirche St. Crucis. Es soll eine Hörspielkirche sein. Leider entdecke ich keine Hörspiele, nur ein großes Kirchencafe unter der Orgel. Die Kirchen in der Gegend halten alle nicht, was sie versprechen.
15:03 Auf einem roten Radweg überquere ich drei verschiedene Arme der Werra und unterquere eine Bundesstraße sowie die Bahngleise.
1683 In Bad Sooden-Allendorf wird ein gewaltiges Gradierwerk errichtet. Dort können die Leute das Salz einatmen, das hier aus dem Boden kommt - und zwar kostenlos. Anders als in Bad Salzungen ist alles offen und einladend.
1683 In der merkwürdigen Schieferpyramide (hinten) wird die Sole aus dem Boden gepumpt (heutzutage elektrisch). Für das Gradierwerk kann das Salzwasser so bleiben, aber ein Teil des Salzes soll auch als festes Speisesalz verkauft werden. Deshalb sieden im kleinen Fachwerkhäuschen (hinten links) ein Siedemeister und sein dreiköpfiges Team das Salz aus dem Wasser.
15:07 Ich schaue mir das Gradierwerk an. Es funktioniert folgendermaßen: Außen verlaufen hölzerne Gänge, innen läuft das Salzwasser tröpfchenweise über eine große Wand mit Schilfhalmen. Ein Teil vom Salz bleibt als weiße Kruste kleben (je wärmer das Wetter, desto mehr Wasser verdunstet und desto weißer das Schilf), ein anderer Teil verteilt sich mit dem verdunstenden Wasser in der Luft. Ich atme eine Weile und gucke den Tröpfchen zu, die hypnotisch langsam nach unten rinnen, bis sie einfach verschwinden, weil sie all ihre Flüssigkeit verloren haben.
15:11 Ich fahre zurück ans andere Ufer und sehe Fachwerkhäuser.
15:12 Immer noch Fachwerkhäuser.
15:13 Fachwerkhäuser.
15:15 Ich sehe im Stadtteil Fischerstad ein Fachwerkhaus mit besonderem Eingang. Überlege kurz, dort einzuziehen, einfach nur des Eingangs wegen.
15:16 Fachwerkhäuser.
15:17 Ich passiere die letzten Fachwerkhäuser.
Nur eine Antwort blieb mir das Grenzmuseum schuldig: Wieso Schifflersgrund? Wurden hier früher Schiffe hergestellt oder wie? Es gibt jedenfalls kein Gewässer in der Schlucht, das mehr als nur ein Papierschiff tragen könnte.
ca. 1965 Die Agentenschleuse (das heißt, ein Loch im Zaun) verbrennt (das heißt, sie ist nicht mehr nutzbar, weil die Wessis sie entdeckt haben). Die Stelle ist einfach zu gut einsehbar. Ausgewählte Soldaten nutzen das Loch weiterhin, um hinter dem Zaun zu patrouillieren.
1952-1989 Die DDR-Regierung lässt am Ufer der Werra einen Zaun errichten, der im Laufe der Jahre immer undurchdringlicher wird. Rechts davon verlaufen ein Sperrgraben, den Autos nicht durchqueren können, und der Betonplattenweg, auf dem die Grenzkolonnen unterwegs waren.
Hinweistafel an der Rasthütte |
15:33 Dieser Weg ist nun ein Radweg, auf dem ich fahre.
15:49 Ich passiere das hübsche Fachwerkdorf Lindewerra. Es gibt hier ein Stockmachermuseum, weil das Dorf ein wichtiger Exporteur von Gehstöcken ist. Auf dem Fahrrad lässt sich solch ein Stock leider nicht benutzen, also fahre ich weiter.
15:58, Werleshausen In der nächsten Flussschleife lasse ich die Grenze endgültig hinter mir, kurz darauf auch den Iron Curtain Trail. Ich bin wieder in Hessen.
16:18 Ich habe Hunger und suche etwas zu essen.
16:39 In Unterrieden finde ich eine Bio-Metzgerei mit kalten Würsten. Immerhin.
16:50 Die Brücke in Unterrieden ist gesperrt. Ich kann nicht direkt nach Witzenhausen fahren. Mist.
16:59 Also muss ich den langen Umweg an der Bundesstraße nehmen. Immerhin werde ich von einigen Felsformationen entschädigt. Der Muschelkalk guckt immer noch ab und zu heraus.
17:08, Witzenhausen, Kilometer 312 In der sogenannten Kirsch- und Universitätsstadt Witzenhausen wechsle ich das Ufer. Ich warte an der stark befahrenen Hauptstraße, bis sich eine Lücke im Verkehr auftut.
4 Monat zuvor war ich in besagtem Kino, weil ich Freikarten bekommen hatte. Das Kino ist wirklich empfehlenswert, es ist klein, zeigt aber nicht nur künstlerische Kleinfilme. Trotzdem muss man nach dem Kauf von Snacks und Getränken nicht Privatinsolvenz anmelden.
18:18 Es ist dunkel und ein bisschen unheimlich. Ich fahre unter einer Eisenbahnbrücke durch. Daneben liegen haufenweise gefällte Bäume, die aus unerfindlichen Gründen von Rasensprengern nassgespritzt werden. Dabei ist ohnehin alles nass vom Regen.
1 Monat später fahre ich die Strecke noch einmal im Hellen und entdecke ein Expemplar der Werra-Huckepackkröte. Sie hüpft sehr langsam und erschöpft über den Radweg, während sie einen Artgenossen transportiert.
18:36 Geisterhafte Bäume greifen nach mir. Ich kann ihnen entkommen. Damit ich auf den Matschwegen nicht aus Versehen ins Wasser fahre, schalte ich auf Fernlicht: Ich richte meine Lampe weiter nach oben, damit sie einen größeren Teil des Wegs beleuchtet. Es ist ohnehin niemand da, den ich blenden könnte.
18:48, Hann. Münden, 116, 5 m ü. NN, Kilometer 331 Ich komme in der bezaubernden Fachwerkstadt Hann. Münden an. Da ich müde bin und sie schon kenne, biege ich links zum Bahnhof ab und fahre heim. Die Werra wird derweil vor dem großen rosa Welfenschloss (heute Amtsgericht) von einer großen Steinbrücke überspannt. Sie teilt sich in zwei Arme, auf der Insel dazwischen liegen Kleingärten.
2010 Die deutschen Vorschriften für Wasserkraftwerke werden reformiert. Im Zuge dessen erhält Hann. Münden ein kleines Wasserkraftwerk mit zwei Archimedesschrauben. Das Besondere: Die Höhe lässt sich verstellen, weil der Wasserspiegel durch die besondere Lage an den drei Flüssen stark schwankt. So muss der die Werra auf den letzten Metern noch etwas Strom produzieren,...