Die Lahn ist zwar ein ganz zentraler Fluss von Hessen, beginnt aber in NRW. Das Rothaargebirge bildet hier einen langgezogenen Bergrücken mit einer welligen Straße obendrauf, wo überall Wasser rauskommt. Quellhorizont nennt sich so was, wie ich auf dieser Tour gelernt habe. Gut zu wissen, schließlich ist das nicht mein erster Quellhorizont. Aber definitiv einer der quelligsten.
Die Lahnquelle ist ein stiller Teich. Auf Fotos wimmelt er von Entengrütze, aber als ich vor Ort war, dümpelte er bräunlich und annähernd durchsichtig vor sich hin.
Im Gasthaus Lahnhof kann man direkt mit Blick auf dieses gemütliche, aber nicht gerade superspannende Naturschauspiel speisen.
Am Spielplatz beginnt ein Märchenweg, der aber keine kompletten Geschichten erzählt, sondern eher schön illustrierte random Märchenfunfacts. Zum Beispiel, dass engagierte Kobolde solche Trittsteine über die Furten gelegt haben. Die junge Lahn plätschert sanft durch ein paar dieser Steine hindurch...
...und verschwindet auf einer zugewachsenen Weide, auf der anscheinend nicht sonderlich hungrige Nutztiere leben.
Weitere Quellen auf dem Quellhorizont:
- Die Ilm. Pardon, liebes Holzschild, ich meine natürlich Jlm! Eine kleine Erdpfütze direkt neben der Straße, die gleich wieder unsichtbar im Gestrüpp verschwindet und schon nach 2,8 Kilometern in der Lahn lahndet.
- Dicht hinter ihr folgt an derselben Straße die Siegquelle.
- Und dann hinter der Wasserscheide zur Weser die Ederquelle.
- Die Ilse ist bekannt für ihre idyllische Schlucht und war im Mittelalter eine der bekanntesten Heilquellen Europas. Die laut dem Märchenweg von einem rothaarigen Kobold entdeckt wurde. (Quelle: Vertrau mir einfach.) Eine radelbare Straße passiert das Ilsetal, aber nicht bis zur Quelle, die ist ziemlich abseits im Wald.
Der Lahnhof ist keine richtige Ortschaft, sondern wirklich nur ein einsames Gehöft. Entsprechend liegt der öffentliche Nahverkehr nach da oben bei Null. Lahnradler müssen entweder 15 Kilometer von Erndtebrück (aber nicht entlang der Eder) oder 11 Kilometer von Feudingen durch die Ilseschlucht hochfahren.
Und dann 8,5 Kilometer an der Lahn wieder runter. Diese 8,5 Kilometer sind schöner und naturnäher als die Quelle selbst. Erstmal macht der Kiesweg einen steilen Bogen ohne die Lahn, aber das macht nichts, es gibt ja einen anderen Wasserlauf direkt auf dem Weg! Jedenfalls, wenn es kürzlich geregnet hat.
Zügig geht es Dorfstraßen und Kieswege runter. Die Lahn ist schon ziemlich breit, und die ersten Dörfer tauchen auf. Sie sind sehr, sehr weiß, so als hätte der letzte Regenguss alle Farben abgespült.
Architektonisch und landschaftlich nichts Besonderes, aber es fährt sich auf jeden Fall sehr angenehm durch einen warmen, frisch durchgespülten Sommerwald.
Puh, bei Feudingen nimmt der Lahnradweg dann ein paar Hügel mit. Aber richtig schöne! Hier hatte ich das beste Panorama der kurzen Etappe, viel besser als oben auf dem Quellhorizont.
Das Jäjersch Backhaus (vorne links) von 1885 hat sogar beides. Solche Dinger habe ich am Iron Curtain Trail öfter gesehen, aber dieses hier ist besonders, weil da drin immer noch gebacken wird. Der Eigentümer hat es an die Stadt verpachtet, und die vergibt gegen ein Entgelt Backtermine und eine genaue Anleitung, wie man das nutzt und reinigt. Die Temperatur misst man nicht mit irgendwelchen neumodischen Knöpfen, sondern ganz klassisch, indem man Kornähren reinhält. Je mehr Körner verkokeln, desto heißer. ("Auf 20 Körner vorheizen und bei 20-25 Körnern und Umluft 30 Minuten backen." Oder so ähnlich.)
Kurz darauf folgt eine etwas größere Stadt. Was man daran erkennt, dass der Verkehr stark zunimmt und noch mehr Fachwerk das endlose Fassadenweiß durchbricht. In Bad Laasphe (der Name bedeutet Lachswasser) kann man an den historischen Gebäuden angeblich die ovale Form der alten Stadtmauer erkennen. Aber mir kam die Stadt eher vor wie eine langgestreckte Linie an einer lauten Hauptstraße.
Bis hier gehörte die Lahn den Forellen, denn die mögen es dort, wo das Wasser am klarsten, kältesten und sauerstoffreichsten ist. Nun, wo es langsam trüber und wärmer wird, beginnt das Reich der Äschen. Die Fische haben so unterschiedliche Ansprüche, dass sie nicht ins Territorium ihrer Nachbarn einfallen und die Grenzen automatisch respektiert werden. Eine Lösung für menschliche Kriege? Wohl eher nicht, denn dummerweise sind wir von ein und derselben Art.
Das Tal wird immer breiter, das Rothaargebirge verschwindet im weißen Dunst. Bei Bad Laasphe verlaufen zwei Themenpfade: Ein Bierwegelchen über die Brauereikunst (das ich aber nicht gefunden habe) und ein maßstabsgetreuer Planetenweg. So weit nichts Ungewöhnliches, aber ein bisschen ungewöhnlich ist, dass die Straßen und Feldwege auch alle Sonne und Pluto heißen. Nicht mal Plutoweg oder so, nein, einfach nur Pluto.
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