Aber hier will es einer wissen und gleich von Feudingen und vom Lahnhof aus an der Quelle starten. Souverän fährt er die Straße entlang und begutachtet die hölzerne Rinne, aus der das Wasser in ein Becken und den dicht bewachsenen Wald sprudelt.
Jetzt nimmt er die Landstraße das Tal hinunter, da lässt sich ordentlich Tempo machen. Aber was ist das? Eine Baustelle im Weg! Das ist natürlich ungünstig, für den Umweg müsste er wieder hoch und würde sein ganzes Tempo verlieren.
Ah, so sieht eine Straße also unter dem Asphalt aus. Er wirkt sichtlich verärgert, denkt wahrscheinlich: Was muss hier auch ausgerechnet während des
Siegtal pur auf dem Siegtal-Radweg gebaut werden? Aber am Samstagabend baut sowieso niemand, also nimmt er unverfroren den Weg durch den Matsch, wie schon viele Radler vor ihm, wie die Spuren beweisen. Aber, oh, oh, oh, da bleibt eine Menge kleben am Rad, die dicken braunen Brocken schleifen an den Rädern. Das Schlimmste entfernt er, aber da bleibt ordentlich Ballast für den Rest der Strecke, das wird ihn wertvolle Zeit kosten.
Er hat es geschafft, jetzt kann er wieder ganz bequem der Sieg durch die alten Dörfer folgen. Er kommt vorbei am alten Bahnhof von Deuz, an dem übrigens der älteste Omnibus steht. Ah, das ist natürlich ärgerlich, da hat er den schönen Parkweg an den Gleisen verpasst und nimmt stattdessen die Straße hinauf. Aber so groß ist der Unterschied nun auch wieder nicht, er hat ja eh einen großen Vorsprung und... ja, er will sowieso in Deuz übernachten.
Soo, am nächsten Morgen schalten wir wieder zu, und unser früher Vogel ist schon auf den Rädern. Oder auf den Beinen, denn für den kleinen Siegwasserfall muss natürlich auch mal kurz Zeit zum Absteigen sein.
Er radelt durch die Wiesen direkt auf Netphen zu. Das ist die Stadt, auf deren Gebiet sich offiziell die Siegquelle und auch alle benachbarten Quellen befinden.
Wir sehen die ersten Industriegebiete. Es sieht nicht ohne Grund aus wie an der Ruhr: Auch an der Sieg wurde Eisenerz verhüttet. Wenn man durch Siegen fährt, erkennt man das unschwer an den Statuen und Ampelmännchen.
Jetzt muss er nur noch zusammen mit der Sieg unter der Brücke lang, wo die Farbe Grau besonders dominant ist. Hinten links sehen wir ein paar ausgebrannte S-Bahnen mit gesplitterter Windschutzscheibe, die anscheinend im Führerstand (also nicht auf dem Dach bei den Leitungen) Feuer gefangen haben.
Dann fährt er durch die engen Flussschleifen von Niederschelden, so eine schöne Strecke kürzt man natürlich nicht auf der Straße ab, das versteht sich ja von selbst.
Niederschelden war noch im letzten Jahrhundert eine Insel, meine Damen und Herren, was aber ziemlich gefährlich war, denn die Sieg hat sich immer wieder angestaut und alles unter Wasser gesetzt. Ab den 70ern haben sie das Problem mit neuen Staudämmen gelöst und Niederschelden ans Festland angeschlossen, sodass er jetzt einfach durchfahren kann. Ah, er zieht die Jacke und den Pullover aus, sehr vernünftig, es ist nämlich schon wärmer. Und auch Sonnencreme muss drauf, ja, da ist jemand gut vorbereitet.
Auf der Seite sehen wir übrigens eine der modernsten Pegelmessstationen. Sie misst mit gleich vier verschiedenen Methoden: Druckluft, Ultraschall, einem Schwimmer, also einem Plastikball im Wasser, und bei Bedarf auch noch mit einem Kran. Und wenn alle Schwimmer reißen, gibt es immer noch das Lineal am Ufer, auf das man bei Hochwasser schauen kann. Heute aber: Ganz normaler, hoher Pegel. Hoffentlich nicht auch bei unseren Teilnehmern!
Und da fährt er auch schon ein in rein in den Kreisverkehr von Niederschelderhütte. In der Mitte sehen wir gleich das Markenzeichen des Ortsteils: Den Brauereikessel.
Und... jaa, er erreicht die abgesperrte Ausfahrt, fährt auf dem Radweg vorbei und wechselt dann auf die Straße. Ab dieser Stelle, meine Damen und Herren, ist diesen Sonntag von 9 bis 18 Uhr jeder motorisierte Verkehr verboten, damit sich alle Nichtmotorisierten so richtig austoben können.
Aber es ist erst gegen acht! Unser früher Vogel ist ein bisschen zu früh da. Der normale Verkehr wurde schon rausgefiltert, aber es fahren ein paar Fahrzeuge, die die Veranstaltung vorbereiten und aufbauen. Tja, damit musst du jetzt eben klarkommen, wenn du früher reinkommst. Die Erzquellbrauerei Niederschelden betreibt die erste Station direkt vor ihrer Haustür. Sie baut gerade die Mikrophone auf der Bühne auf und natürlich auch eine Bar auf. Die wird heute dringend gebraucht, schließlich brennt die Sonne schon ordentlich vom Himmel.
Am Bahnhof sehen wir auch schon die nächsten Radfahrer verschlafen aus dem Zug steigen. Die Bahn setzt extra Sonderzüge für das Siegtal pur ein, trotzdem wird es da drin heute Nachmittag bestimmt kuschelig.
Der offizielle Start der Veranstaltung ist erst einen Kilometer weiter in Mudersbach. Auch hier werden schon fleißig die Bierbänke aufgebaut, denn die Mudersbacher feiern 20 Jahre Dorfplatz. Vielen Dank an alle engagierten Menschen, die zu dieser tollen Veranstaltung beitragen! Die Musik wummert auf jeden Fall schon aus den Lautsprechern, Rock und Schlager hauptsächlich.
Und der frühe Vogel fährt ein, schaut sich um, denkt vielleicht: Ist das wirklich der Dorfplatz, diese Nische zwischen den weißen Fachwerkhäusern mit einem Baum und kleinem Brunnen? Er setzt sich auf die Bank, ja, vielen Dank, sagt er, ich weiß, dass Sie noch nicht geöffnet haben, er will einfach nur abwarten und erst um neun weiterfahren, wenn es richtig losgeht. Und er denkt sich, Zeit für ein zweites Frühstück, und holt seine Snacks aus der Tasche, oh-oh-oh, es sind die letzten. Er hat das genau so kalkuliert, dass ihn ab hier die Buden von Siegtal pur ernähren.
Oh... was war das? Das war kein Koment, meine Damen und Herren, sondern Ernst der Eilige auf seinem Rennrad. Er wartet nicht bis um neun, nein, er will sofort los, und wird bei dem Tempo wahrscheinlich schon am Ziel ankommen, wenn alle anderen starten. Und zack, da folgen auch schon Reinhard der Rennradfahrer und seine Frau Renate. Die Rennräder bilden hier ganz klar die Vorhut, schwärmen aus und erobern die leere Straße für sich. Der frühe Vogel ist nicht mehr ganz so früh dran, und diesen Rückstand wird er wohl nicht mehr so leicht aufholen können.
Aber das ist schließlich kein Wettrennen, auch wenn der Name Sieg etwas anderes vermuten lässt. Aber der Fluss hat seinen Namen in Wirklichkeit von sikkere, das heißt schneller Fluss. Und deswegen ist Siegtal pur ein 90 Kilometer langes Volksfest, bei dem man zwar schnell sein kann, bei dem es aber nicht um den Sieg geht.
Jetzt ist es endlich kurz vor neun, und der frühe Vogel eilt den Rennrädern hinterher durch Mudersbach. Hier haben wir auch gleich einen der ganz wenigen Kreuzungspunkte mit dem Motorverkehr. Die Absperrung zeigt unmissverständlich an, dass man hier aufpassen und Rücksicht nehmen sollte, dann ist das auch kein Problem. Wir sehen hier auch Ehrenamtliche in Warnwesten, die allen Autofahrern, die die zeitigen Ankündigungen nicht mitbekommen haben, erklären, dass es hier heute nicht weitergeht. Aber was ist das? Einen Motorradfahrer lassen sie noch schnell ein kurzes Stück durch, also Vorsicht, gegen neun Uhr kann es hier noch zu knatternder Kulanz kommen.
Der frühe Vogel bezwingt den ersten Anstieg, und sofort wartet in Brachbach die nächste Raststation. Was macht er denn nun? Sehen die Liegestühle so bequem aus? Nein, er denkt sich, die Schachtspäddchen-Lounge des Klettervereins ist geöffnet, dann ist es Zeit für das dritte Frühstück aus Grillkäse und Kuchen. Brötchen zum Grillkäse scheint es noch nicht zu geben, die muss der Bäcker erst noch liefern.
Wer die Erzquellbrauerei verpasst hat, braucht sich nicht zu ärgern, denn jeder einzelne Stand hat eine völlig identische, runde weiße Barbude. Und solange wir nicht die Grenze zum Bezirk der nächsten Biermarke überschreiten, wird da selbstverständlich Bier der Erzquellbrauerei ausgeschenkt, oder eben mit Sprite zum Radler für Radler gemischt.
Und jetzt geht es richtig los, jetzt trudelt allmählich die zweite Welle an Radfahrern ein: Die E-Biker, meine Damen und Herren! Hier kommen auch schon Erwin und Erika die E-Bikerin, und wir sehen ganz klar, dass diese zweite Gruppe nicht ganz so männlich dominiert ist, und dass hier Spaß und Gemütlichkeit statt bierernster Sport im Mittelpunkt stehen. Auch die ersten Skater haben die B62 erreicht! Hier kommt Ingo der Inliner, sehr geschickt macht er das, bei dem Tempo kann er fast mit den Radfahrern mithalten. Sein Kumpel Sven der Skater hat sich für eine andere Strategie entschieden und lässt sich von einem E-Bike einfach per Seil ziehen, sehr clever, aber natürlich nicht ganz fair gegenüber seinen Skaterkollegen.
Und was ist das? Zum Siegtal pur gehören traditionell alle möglichen kuriosen Fahrzeuge, wie auch der Herr vom Schachtpäddchen-Stand bestätigen kann. Und das hier ist definitiv kurios: Ein Liegetandem, in dem Leo und Lena die Liegeradler einfach nebeneinander strampeln können, wie in einem Ehebett auf Rädern.
Aber noch ist auf der Straße jede Menge Platz, und so kann auch der nicht mehr ganz so frühe Vogel die Weiterfahrt antreten. Hier sehen wir die wunderschöne Landschaft des Siegtals, liebe Zuschauer, und es ist wirklich fantastisch. Auf der Bundesstraße kommt man ganz leicht voran, und sie ist übrigens auch ein gutes Stück kürzer als der normale Siegtal-Radweg, der ab und zu auf längere Nebenstraßen ausweicht. Aber obwohl die Bundesstraße gewissermaßen eine Abkürzung ist, hat man ganz oft den direkten Blick auf Felswände auf der einen Seite und den sumpfgrünen Fluss auf der anderen. Kein Wunder, dass wie jedes Jahr hunderte Besucher zu dieser Veranstaltung strömen und bei dem Wetter einfach nur glücklich aussehen.
Und da kommen auch schon die nächsten kuriosen Fahrzeuge: Robert der Roller und seine Frau Regine haben eine Art Tretroller, nur dass die Räder fast so groß wie bei normalen Fahrrädern sind. Aber trotzdem stehen sie auf dem Trittbrett, holen immer wieder mit dem Fuß aus, ja, sehr zügig machen sie das, ein gutes Tempo, aber trotzdem können sie damit natürlich nicht verhindern, dass sie immer wieder von Radfahrern überholt werden, doch ihnen scheint das fast gar nichts auszumachen.
Terry der Tretroller hat eine andere Strategie, um schnell voranzukommen. Er hat seinen Roller bunt dekoriert und eine Musikbox am Lenker befestigt, aus der ein Rhythmus wummert. Raffiniert, so wird er immer gleich daran erinnert, wann er sich mit dem Fuß abstoßen muss. Und es funktioniert, ist das ein Wahnsinn, meine Damen und Herren, wie schnell er sich den Hügel hinauftritt! Dieser Roller überholt sogar das eine oder andere Fahrrad.
Und da kommt Mark, der Metalbiker, der sein beträchtliches Körpergewicht von einem tiefschwarzen E-Bike tragen lässt. Verwundert schaut er dem frühen Vogel hinterher, der die Strecke mit seinem schlammbeschmierten, abgenutzten Rad bestreitet. "Respekt", keucht er ihm zu. Der frühe Vogel fährt nach Freusburg rein, hier soll es "den ganzen Tag" Blasmusik geben, aber 10:30 gehört in Freusburg offenbar nicht zum ganzen Tag.
Und nun wird es ein bisschen enger, und einige Radfahrer weichen auf den separaten Fahrradweg aus. Denn diese Straße ist so wichtig, dass nur die rechte Hälfte abgesperrt werden konnte, schade, aber da lässt sich nichts machen.
So erreicht unsere immer größere Kolonne schließlich die Brücke von Betzdorf, und hier ist sie endlich, die versprochene Livemusik. Eine Band älterer Herren singt auf dem Parkplatz
The Summer of 69, was gibt es auch Passenderes zum Wetter? Keine Sorge, das Publikum und die Musiker haben zum Glück schützende Schattenzelte. Aber was ist das? Die Radfahrer bleiben nicht im Schatten, sie erweisen den Musikern Respekt, indem sie zur Musik mehrmals im Kreis um den Parkplatz fahren, das ist mal ein Moshpit der ganz anderen Art. Natürlich wechselt bei einer Veranstaltung wie dem Siegtal pur das Publikum ständig, das gehört nun mal dazu und scheint die Band auch nicht groß zu stören.
Aber wenn das nicht ihr Musikgeschmack sein sollte, kein Problem: Betzdorf ist relativ groß, und deswegen ist das nur eine von vier Pausenstellen im Ort!
Auch der frühe Vogel fliegt zügig weiter, aber jetzt wird es schwieriger, immer öfter blockieren Elektro-Gruppen die komplette linke Fahrspur, und er muss auf der rechten überholen, wo zwar weniger los ist, aber durchaus auch mal Gegenverkehr durchzieht, also Vorsicht!
Ja, Sie haben richtig gehört, liebe Zuschauer, die Gruppe der E-Biker lässt sich auch mit analogen Rädern überholen, naja, zumindest, solange es ebenerdig oder bergab weitergeht. Aber jetzt kommt die größte Herausforderung, der Gipfel von Wallmenroth, und da schlagen die Elektros zurück und machen alle Überholungen rückgängig. Kurz vor dem Gipfel schwitzt auch schon Mark der Metalbiker vorbei, sieht erneut den frühen Vogel und keucht "Respekt". Und ganz oben ist es höchste Zeit, in kurze Hosen zu wechseln und die neue Schicht Sonnencreme aufzutragen. Für die Kinder, die es so weit geschafft haben, wartet eine Hüpfburg des Sportvereins als Belohnung.
Ja, auch Familien mit Kindern sind jetzt immer mehr zu sehen, häufig nur mit einem Elternteil. Die kleine Amelie fährt schon allein, Karl das Kängurukind wird dagegen vom elterlichen Fahrrad mit einer Kängurustange gezogen. Ob sein Vater bei dieser doppelten Leistung nicht zurückfällt? Nein, er kann mit den anderen durchaus mithalten, eine erstaunliche Leistung in dem nach wie vor bergigen Gelände!
Aber sie alle werden abgefangen von einem Schild mit einem Zwinkersmiley: Letzte Bratwurst vor Hövels! Auch wenn Hövels nur einen Kilometer entfernt ist, scheint das für viele ein überzeugendes Argument zu sein, Wurst und Waffeln zu futtern. Oder es liegt einfach daran, dass die Waffeln durch den beigemixten Zitronensaft besonders frisch und lecker schmecken!
Immer wieder spenden Eisenbahnbrücken den Radfahrern ein bisschen Schatten, denn die Bahn nimmt sogar eine noch direktere Route durch das Tal als die Straße. Weniger hilfreich ist da diese sehr, sehr abgewrackte Hängebrücke.
Der frühe Vogel trifft erneut auf Mark den völlig verschwitzten Metalbiker, beide wirken ein wenig überrascht, dass der jeweils andere noch lebt. "Respekt."
In Wissen wissen alle, wie weit die Freiwillige Feuerwehr ihre Leiter über die Fahrstrecke ausfahren kann, denn die Feuerwehrleute präsentieren an ihrem eigenen Bratwurststand auch ihre Fahrzeuge.
Keine Sorge: Falls die Sonne jemanden plötzlich viel zu viel werden sollte oder es im immer dichteren Verkehr einen Unfall geben sollte, stehen an vielen Rastplätzen Ersthelfer und Reparaturstationen zur Verfügung. Es ist einfach unglaublich, wie viele Menschen zum Gelingen dieses Tages beitragen.
Meistens braucht es beim Siegtal pur keine Wegweiser, schließlich sind alle Abzweigungen, die man nicht nehmen soll, sowieso mit Zäunen blockiert. Aber hier stehen zur Sicherheit doch mal welche, denn jetzt müssen unsere Radler die Straße verlassen. Und... ja, es funktioniert, geradeaus fahren nur alle, die am nächsten Stand essen wollen.
Zwischen Wissen und Etzbach gibt es nämlich keine Straße im Siegtal. Also wird stattdessen ein Kiesweg ins Siegtal pur eingegliedert. Das bremst unsere Radler natürlich ordentlich aus, wir sehen ganz klar, wie sie sich nach der breiten Straße etwas frustriert zusammendrängen. Aber der Weg fährt sich immerhin gut, und es ist ja auch nur für kurze Zeit.
Die Inline-Skater müssen diesen Teil mit der Bahn überspringen, das geht leider nicht anders.
Aber auch dieser Kiesweg endet erstmal in einer Sackgasse. Deswegen hat das Technische Hilfswerk kurz vor seiner eigenen Raststation im Industriegebiet eine zweispurige Gerüstbrücke aufgebaut - ja, die besteht wirklich einfach aus Baugerüsten. Hier kann man natürlich nur schieben über das genoppte Metall. Aber es läuft alles sehr flüssig, niemand nimmt die Spur in die falsche Richtung, und keiner muss lange warten, so funktioniert das. Ein bisschen beeilen müssen sie sich ja schon, Punkt 18 Uhr wird die Brücke wieder abgebaut und dann steht man doof da.
Und bald darauf sind sie auch schon wieder auf der Straße, und neben dieser schönen Bogenbrücke für die Eisenbahn wechseln sie von Rheinland-Pfalz nach NRW.
Das kulinarische Angebot wird auch immer bunter, wer keine Bratwurst findet, kann sich mit geräucherten Forellen, Crêpes oder Pulled Pork Burgern stärken, da bleiben keine Wünsche offen. Und neben den Imbissen haben natürlich auch noch richtige Restaurants und Biergärten geöffnet, die heute ein großes Geschäft wittern.
Die Raststation in Au ist ein bisschen anders, hier läuft alles au-tomatisch. Neben Snacks und Getränken steht auch ein kompletter Au-tomat für Zigaretten und Vapes. Nur das Eis, das kommt direkt aus der Tiefkühltruhe, das scheint den frühen Vogel etwas zu verwirren. Er muss die Herausforderung wagen und sich in die Wolke des kettenrauchenden Eisverkäufers wagen, wenn er bezahlen will. Wird er es schaffen?
Ihr ernsthaftes Nikotinproblem hält die Auer nicht davon ab, sich auch am Siegtal pur zu beteiligen.
Jetzt erreicht die Mehrheit der Radfahrer Schladern, wo... nanu, was machen sie da? Ein Teil der Truppe verlässt die abgesperrte Strecke und biegt auf den normalen Siegtal-Radweg ein, das ist ja eigenartig. Wie wir sehen, ist der Uferweg am Park sehr schön ausgebaut, aber so etwas konnte sie bisher auch nicht von der Straße abbringen. Was ist denn da los?
Ah, natürlich! Der Sieg-Wasserfall. Vor allem die Nicht-Einheimischen, die von weiter her kommen und das noch nicht kennen, sehen wir hier. Sie wollen natürlich diese Stromschnellen bewundern. Erwin und Erika knipsen zuerst ein Foto von unten, und dann, der Radweg führt ja sowieso die Spirale hinauf, schauen Sie sich das ganze nochmal von der Aussichtsplattform oben an. Sehr verständlich, dieser Anblick ist es natürlich wert, dass man hinterher nur mit ein paar Schnörkeln zurück zur Straße findet.
Aber was ist das? Einigen reicht das offensichtlich nicht, sie balancieren auch noch verbotenerweise über die Betonmauer und klettern über die Felsinseln. Und hier sehen wir eindeutig, dass es nur ganz hinten ein paar richtige Wasserfälle gibt, zum größten Teil sind das wilde Stromschnellen wie die Isteiner Schwellen im Rhein. An der Betonmauer erkennt man natürlich, dass das Ganze eine künstliche Konstruktion ist. Hier wurde eine komplette Schleife der Sieg durchgestochen und abgekürzt, damit die Bahn durchkommt und eine Turbine Strom erzeugt. Das hat die Industrie und Arbeitsplätze in Schladern so richtig aufgeputscht, aber die vertriebenen Fische kehren erst jetzt mit der Renaturierung langsam zurück.
Der frühe Vogel strampelt einen der letzten Hügel hoch, aber da kommt in einem engen Manöver Carl der Creep vorbeigezogen. "Was für ein Arsch", murmelt er ihm zu. Der Vogel blickt sich verwirrt um, fragt sich vielleicht, welcher Verkehrsteilnehmer Carl Unrecht getan haben könnte. Aber da setzt Carl auch schon zu einem dreckigen "Hehehe" an und verschwindet, und jetzt ist klar, dass er sich auf die vorausfahrende Radfahrerin bezogen hat. Wäre das ein Wettrennen, würde unsere Jury ihn bei diesem Verhalten disqualifizieren.
Jetzt biegt die Straße auch schon in die Allee von Bad Hennef ein, und bei so vielen Bäumen und Villen ist klar, dass wir uns schon im Einzugsgebiet von Bonn befinden.
In Hennef sehen wir alle nach nebenan auf den Marktplatz abbiegen, nicht wegen der langweiligen Architektur, sondern natürlich wegen des kleinen Streetfood-Festivals, das wahrscheinlich extra wegen Siegtal pur auf diesen Zeitraum gelegt wurde, denn der Hunger ist bei so einer Fahrt nach wie vor ungebrochen. Und nach so vielen Kilometern geht auch mal eine Kalorienbombe wie die süßen Teigkugeln in Ordnung, wie heißen die nochmal? Ich kann den Namen im Gedränge gerade leider nicht erkennen.
Und der frühe Vogel fährt weiter die Allee entlang, aber was ist das? Damit hat er offensichtlich nicht gerechnet, eine Absperrung, und dann beginnt auf einmal eine ganz normale Straße voller Verkehr. Hat er eine Abzweigung verpasst? Ah, er entscheidet sich spontan, den Eltern von Amelie und Karl dem Kängurukind zu folgen, die scheinen zu wissen, wo es lang geht. Oder doch nicht? Jetzt biegen sie in die dritte Nebenstraße ab und er vertraut ihnen offensichtlich nicht mehr, nimmt die eigene digitale Karte und sucht sich einen Weg zum Uferweg. Denn der letzte Abschnitt von Hennef bis Siegburg besteht wieder aus zwei Kieswegen, das war ja klar und im Flyer auch so angekündigt, aber dass es davor und danach keine gesperrten Straßen mehr gibt, die den Weg weisen und daran andocken, das scheint ihn dann doch zu irritieren.
Wird er sich für den Kiesweg auf dem Deich oder darunter entscheiden? Er fährt auf dem holprigen Pfützenweg unten, oben scheint es ihm zu eng zu sein. Immerhin gibt es jetzt keine Hügel mehr, das Siegtal hat sich zu einer großen Wiese geöffnet.
Jetzt muss er nur noch über die Brücke und in die Innenstadt von Siegburg. Von den Hauptstraßen hat er erstmal genug, also nimmt er den Schnörkel an der Wassermühle im Stadtwall.
Es ist 17 Uhr, der frühe Vogel war eine ganze Stunde früher da als geplant. Die Rennradfahrer sind natürlich schon seit Stunden am Ziel, und sie hatten damit als einzige die Chance, im Wissenshaus Wanderfische von 11 bis 16 Uhr den Test zu machen, welcher Fischtyp sie sind, aber Reinhard und Renate haben diese Chance offenbar ungenutzt gelassen. Die nehmen das Fahren ernst, würden sie so einen Quatsch machen, wären sie gar nicht so schnell hier gewesen. Ernst der Eilige war sowieso schon vor 11 Uhr da.
Siegburg ist das Ziel des Siegtal pur, auch wenn es nur noch halbherzig in die Strecke inkludiert ist. Aber ist der früher Vogel schon am Ziel? Er ist doch an der Quelle gestartet, will er dann nicht vielleicht auch noch zur Mündung? Dass könnte knapp werden, denn von dort aus wird natürlich auch die Abreise nach Hause entsprechend länger, wird er das schaffen?
Offensichtlich nicht, denn er biegt ab zum Bahnhof.
Was? Ooh, was für eine unerwartete Wendung, ich erfahre gerade, er hat sich vorbereitet und ist die letzte Strecke schon vorher gefahren! Diesen Trick hat, soweit ich weiß, noch niemand bei einem Radrennen benutzt. Die Deichradwege auf dem letzten Abschnitt hat er einfach schon gestern gemacht. Die Orientierung ist ja auch dort ziemlich einfach, die Betonplatten im Weg zeigen an, wo es zum Fluss geht. Dabei sehen wir immer mal wieder schwarze Grenzsteine, die das Gebiet der alten Fischereibruderschaft markieren. Als der berufliche Fischfang in der Sieg zu Ende ging, kümmerten die sich auch um den Naturschutz.
Der frühe Vogel trifft auf eine Treppe am Fischereimuseum, wird er den Umweg nehmen? Nein, er trägt das Rad alle Stufen runter bis zum alten Segelschiff. Ob das wirklich zeitsparender war?
Und da ist er auch schon am Ziel bei Mondorf, wo die Sieg und verschiedene Altarme in den Rhein münden. Am Anfang des Dreißigjährigen Krieg hatten die Protestanten in dieses Wasserwirrwarr eine Festung namens Pfaffenmütz reingebaut, und die Katholiken bauten gegenüber die Festung Kiek-in-die-Mütz, mit der sie die andere Mütze belagerten und bezwangen.
Was für eine Fahrt! Aber natürlich ist das Vorarbeiten von Strecken bei einem Rennen eigentlich nicht erlaubt, und außerdem geht die Veranstaltung Siegtal pur ja offiziell nur bis Siegburg (und inoffiziell sogar nur bis Hennef). Der Sieg-Sieger wäre damit trotzdem ganz klar Ernst der Eilige.
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