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10 August 2025

Donau: Von Bratislava nach Vrakúň

Wir verließen Bratislava auf direktem Weg über die Alte Brücke, was eine gute Idee war, auch wenn mir zuerst eine Fahrschule abrupt in den Fahrradstreifen grätschte und dann zwei Polizeiautos darauf parkten.


Dafür waren wir ruckzuck auf dem Deichradweg am Südufer - und zur härtesten Etappe.
Wegen der mangelnden Einkehr- und Verpflegungsmöglichkeiten sollten sie diese Route sorgfältig planen!, warnt der Reiseführer. Wie um seine Worte zu verhöhnen, überhäufte Bratislava die ersten Kilometer mit Imbissen am Wegesrand. Außerdem ratterte ein leeres Kiesfließband unter dem Radweg hindurch (sonst führen die Dinger immer obendrüber) zu einem Altarm der Donau.

Während die letzten hochwertigen Speckgürtelhäuser und Luxuswohnungen verschwanden, genossen den Luxus, zwischen zwei Wegen wählen zu können: Dem Deichradweg und einer Art Fahrradstraße auf der anderen Seite des Grabens. Die Sonne stieg immer höher, und um uns gegen sie zur Wehr zu setzen, wechselten wir rechtzeitig auf die Fahrradstraße.

Denn direkt am Straßenrand sollte laut Google Maps ein Badesee liegen.
Lag er auch. Und was für einer!
Er heißt Rusovské Jezero (Rosa See? Rosensee? Russensee?) und hat eine tiefblaue Farbe, als käme er frisch aus den Alpen und nicht im flachen Grenzland zwischen der Slowakei und Österreich. Nichts wie hinein! Sogar unser Vater sah ein, dass ihm nichts anderes übrigblieb, nachdem er sich mit einer durchgeschüttelten Kofola-Flasche bekleckert hatte.
Das Wasser ist unglaublich klar (übrigens auch in den Flüssen und Gräben), silbrige Fische wuseln über dem steinigen Grund mit 1,5 Meter Sicherheitsabstand zu menschlichen Füßen herum. Wir schwammen hinaus und steuerten eine Insel an. Doch kurz vor dem Ziel, wir konnten bereits wieder stehen, richtete sich hinter einer Palisade aus geflochtenen Zweigen eine Slowakin auf und rief "Nuda, nuda!" Eine kleine Gemeinschaft scheint die Insel zu einem FKK-Resort ausgebaut zu haben. Da uns nicht der Sinn danach stand, die Badehosen auf den letzten Metern auszuziehen und dann durch die Gegend zu tragen, kehrten wir um.
Ein anderer Anziehungspunkt ist dieser Baum, an dem sich bereits ein paar teils mutige, teils zögerliche slowakische Kinder angestellt hatten. Das Wasser wird rasch tief, deshalb bietet er Möglichkeiten für mehrere Mutproben.
Level 1: Vom seitlichen Ast springen.
Level 2: Ganz weit raufklettern und das Seil der Schaukel herbeiziehen, dann wieder ein Stück runter und sich daran seitlich in den See schwingen.
Level 3: Wie Level 2, nur dass dabei eine Wespe auf dir herumkrabbelt.

Die Donau verbarg sich immerfort hinter Bäumen. Kleine Betonpyramiden wiesen darauf hin, dass wir uns noch immer im Grenzgebiet des ehemaligen Eisernen Vorhangs befanden und die österreichischen, ungarischen oder sonstigen Panzer nicht auf dumme Ideen kommen sollten, denn diese Teile machen bestimmt mehr als einen platten Reifen.
Kurz darauf bogen wir bei Čunčovo links ab. Wären wir geradeaus weitergefahren, wären wir kurz darauf in Ungarn gelandet. Nur ein kurzes Stück weiter rechts, hinter der Autobahn, liegt das Dreiländereck Österreich/Slowakei/Ungarn. Dadurch ist Bratislava die einzige Hauptstradt auf diesemm Planeten, die an zwei andere Staaten grenzt. Die ungarische Variante des Donauradwegs geht hier weiter durch die Städte mit den wunderbaren Namen Mosonmagyaróvár und Győr.

Wir haben uns aber aus verschiedenen Gründen entschieden, auf der slowakischen Seite weiterzufahren. Und das heißt, wir müssen jetzt zu einem Stausee. Es ist der größte der gesamten Donau und einer der merkwürdigsten, die ich je gesehen habe.
Die erste Staumauer hat die Aufgabe, ein bisschen Donau auszusortieren, das mehr oder weniger naturbelassen weiterfließen (und vorher ein bisschen Strom produzieren) soll, und den Rest schon mal kräftig anzustauen.
Als erstes fuhren wir über die ganz schmale Mosoni-Duna (Kleine Donau), die rein nach Ungarn und manchmal kurz am ungarischen Donauradweg fließt, wobei sie sich noch weiter aufteilt. Im Vergleich zum Rest ist sie aber wirklich eine Mini-Donau.

Als zweites holperten wir auf kleinen Blechplatten über sehr großen Blechplatten dahin. (Die Mutter bestand darauf, diesen schmalen Fußweg zu benutzen statt die stark befahrene Straße.) Unter uns rieselte und rauschte etwas Wasser auf die andere Seite und sammelte sich im alten Flussbett der Donau, das auch in heutigen Landkarten einfach Donau heißt.

Viel wilder ist das Wasser an diesem Rafting-Parcour für Paddler, das letztlich auch im alten Donau-Flussbett landet. (Auch anderswo waren Slowaken gerade dabei, ihre Schlauchboote vom Auto zu holen.)
Die weiten Auen und Arme dieser Donau waren die Heimat von Seeadlern, Großtrappen und anderer seltener Arten. Aber sie bereiteten den Menschen auch viel Kummer, vor allem 1965, als das größte Hochwasser jemals die Slowakei heimsuchte. 1977 schlossen die sozialistischen Bruderstaaten Ungarn und die Tschechoslowakei einen Vertrag über den Bau des Wasserkraftwerks, und trotz großer Proteste ging es los mit der Zerstörung einer einzigartigen Auenlandschaft. Weil das meiste auf slowakischer Seite liegen sollte, sollte Ungarn auch ein paar komplett slowakische Bauwerke bezahlen, aber der Strom sollte Hälfte-Hälfte aufgeteilt werden. Doch 1989 wurde der Umweltschutz in Ungarn ein viel größeres Thema. Die neue Regierung ließ die ökologischen Folgen genauer untersuchen und stoppte die Bauarbeiten einfach, ohne ihre Gründe zu verraten. Streit, erfolglose Verhandlungen, und sogar der Internationale Gerichtshof in Den Haag musste entscheiden, dass der sozialistische Vertrag von 1977 rechtmäßig war.

An der Spitze des Stauwehrs steht das Meulensteen Danubiana Art Museum. Ein Name, der in unserer Gruppe große Vorfreude und Erwartungen weckte.
Erwartungen wir: "Prima, da gibt es bestimmt ein Cafe und ein Klo."
Gab es nicht, zumindest für niemanden, der nicht erst einmal den Eintritt bezahlt. Durch den Zaun erspähte ich dieses Kunstwerk, das auf Englisch schlicht Transformation heißt, auf Slowakisch dagegen so viel wie... Erstes Selbstportrait? Okay, was sagt man zu einem Künstler, der sich selbst so wahrnimmt? Glückwunsch zur erfolgreichen Diät?
Zumindest gab es im Foyer den letzten kühlen Moment.

Und dann: Das hier.
Die Slowakei hat sichergestellt, dass 97,5 Prozent des Donauwassers auf ihrer Seite bleiben. Damit auch Platz dafür ist, hat sie 150 Kubikmeter Naturlandschaft weggebaggert. Das Ergebnis ist eine endlose Fläche namens Vodné Dielo Gabčikovo, durchsetzt mit kleinen Grasinseln und... Moment, sind das da hinten Schiffswracks?
Eine der größten Auswirkungen auf die Natur scheint zu sein, dass a) das Wasser auf einmal eine trübe dümpelnde Suppe mit Algeninseln ist und b) nur noch weiße Vögel überleben, von den aber echt viele in allen Größen. Das Ufer besteht aus Asphalt oder Betonplatten, die unter dem Unkraut manchmal kaum zu erkennen sein. Was für ein komisches Gewässer.
Wir gewährten einem Fahrzeug vom Water Management Vorfahrt, dann bogen wir ein auf einen der monotonsten Abschnitte des Donauradwegs. Und kamen dort richtig, richtig fix voran. Ausgerechnet auf der längsten Etappe bekam ich das Gefühl, dass wir uns endlich eingegroovt hatten.
Wir hatten genug Verpflegung, waren noch erfrischt vom Badesee, der auf diesem Abschnitt gefürchtete Gegenwind hielt sich sehr in Grenzen, und alles war asphaltiert.
Nur ein Problem gab es: Schatten. Denn Schatten gibt es auf dieser Strecke ungefähr so häufig wie Pride-Paraden in Afghanistan. Was zu abenteuerlichen Kopfbedeckungen mit nassen Lappen und schützenden Handtüchern führte, sodass ich eine Weile in Begleitung von Deichscheichen dahinradelte. Es gibt zwar Bäume auf diesem Streifen Land, aber sie sind einfach zu weit weg!

Wir erinnern uns: Daneben ist ja immer noch die Donau, also das alte Flussbett, das gar nicht mal so schmal ist. Sie ist jetzt die Grenze. Obwohl wir genau zwischen den Strömen fuhren, war diese Donau sehr schüchtern. Und so war das erste, was ich in meinem Leben von Ungarn sah, ein paar äußerst zaghafte Baumspitzen hinter slowakischen Bäumen.
Um mehr von Ungarn (das heißt, komplette Bäume) zu sehen, musste ich den Deich runter, die Straße überqueren und einem Waldweg folgen. Auch an diesem kurzen Erdstrand hatte sich bereits eine Familie zum Baden niedergelassen.

Nur ganz kurz ist diese Donaugrenze auch vom Radweg aus zu sehen, dort beginnt sie sich zu teilen, wobei ein Arm auch gleich von einem kleineren Wehr gestaut wird. Aber immerhin haben wir dank der ungarischen Umweltschützer der Wendezeit eine grobe Ahnung, wie die Donauauen in der Kleinen Ungarischen Tiefebene damals wohl überall ausgesehen haben.

Allmählich normalisiert sich die Landschaft ein bisschen, der Stausee verjüngt sich zum Privodný kanál, und die Donau entfernt sich ein bisschen lässt Platz für slowakische Dörfer, jedes mit einer silbernen Kugel auf einem Mast. Damit die auch irgendwie von der restlichen Slowakei aus gut erreichbar sind, pendelt eine Fähre nach drüben. Ein paar Autos standen an, doch der Fährmann war zunächst damit beschäftigt, sein modernes Schiff mit einem Wasserschlauch abzuspritzen.

Schließlich blieb uns nichts anderes übrig, als über die Straße in den Schatten der Bäume zu fliehen. Dort kamen wir in Berührung mit der slowakischen Insektenwelt, die, ohne dass wir jetzt alle Arten bestimmen können, schon irgendwie anders aussieht. Neben einer ganz grünen Gottesanbeterin gehörten dazu viele kleine graue hüpfende Dreiecke.
Das Gras in der prallen Sonne war übrigens grün und saftig, es hatte wohl vom Regen der letzten Wochen gut getankt und profitierte natürlich auch von der Flussnähe.

An der Fähre stießen wir jedoch auf ein vergilbtes Schild.
Kotva Bufet, Ankerbuffet, 5 km? Mit großer Skepsis folgten wir dem Schild weiter den Deich entlang, dann runter auf einen alternativen Radweg am Waldrand (immer noch kaum Schatten), und schließlich rein ins nächste Dorf und... oho! Da ist es wieder, das paradiesische Blau von heute Morgen. Das Šulianské Jezero wurde bereits eifrig zum Baden genutzt, zum Springen gab es einen hohen Steg. Eine Familie plantschte liebevoll mit ihren Kindern, nur das behinderte Mädchen blieb an Land und sah von seinem Wagen aus zu. Zum Schwimmen war der See fast so herrlich wie der erste, abgesehen von einem einzigen scharfen Metallstück am Grund und der Tatsache, dass irgendwann Bojen den Badebereich begrenzten.
Und das "Buffet"? War natürlich ein Imbiss mit Holzbänken (diesmal abgedeckt mit Folie gegen tropfende Badegäste). Inzwischen war auch ich vom Englischen ins Tschechische gewechselt, und es funktionierte problemlos. Die Slowaken, die sich einst von einem fehlenden Bindestrich getriggert fühlten, sehen es nicht als Zeichen für tschechischen Zentrismus, wenn man ganz selbstverständlich auf Tschechisch bestellt und erwartet, dass jeder es versteht.

Endlich, endlich erschien am Horizont ein rostrotes Dreieck, welches das Ende der Strecke verkündete. Wir radelten abermals auf der Hauptstraße über eine Staumauer. Die Mauer von Gabčikovo hat acht Kaplan-Turbinen und macht aus dem aufgestauten Donauwasser Strom. Dabei ist die Mauer in der heutigen Form nur eine Notlösung, nachdem die Ungarn ausgestiegen waren - eigentlich waren mehr Turbinen auf ungarischer Seite geplant.

Damit sich die Menschen das Bauwerk ansehen können, wurde direkt unter das rostrote Kontrollgebäude eine Aussichtsplattform in derselben dreieckigen Form gebaut. Sehr schön, dass habe ich so noch nicht gesehen. Und über der Seite, wo das Wasser abfließt, ragt zusätzlich ein Glasbalkon in die Donau. Ich bin schon abgehärtet vom Arnhemer Kirchturm am Rhein, aber trotzdem... aiaiai, das geht tief runter, und wenn ich da unten lande, sind die Strömungen bestimmt richtig fies.

Durch zwei Schleusenkammern passieren die Schiffe durch das Bauwerk. Angeblich sind es jedes Jahr 15 000 Schiffe und 6 Millionen Tonnen Güter, die hier durchtuckern.
Ich habe da meine Zweifel, ob diese Zahlen noch aktuell sind. Obwohl wir heute die Donau fast die ganze Zeit im Blick hatten, war die Anzahl der Lastschiffe, die wir gesehen haben, Trommelwirbel:
3.
Sogar bei den Flusskreuzfahrtschiffen gab es eins mehr.
Was ist los mit der Wasserstraße? Wasser schien es genug zu geben, doch angesichts der ständigen Unsicherheit mit Niedrigwasser haben sich vielleicht mehr Unternehmen auf den Landweg zurückgezogen. Obwohl der Rhein ja schlimmeres Niedrigwasser zu haben schien, und dort ist trotzdem noch viel mehr Schiffsverkehr.

Das reicht für heute, waren schon deutlich über 50 Kilometer. Aber wohin nun? Direkt am Wehr stehen ein paar verfallene Bungalows, die laut Onlinebewertungen total heruntergekommen sind und in denen man sich nicht waschen kann. Üblich und unvermeidlich ist es daher, der Hauptstraße bis in die Stadt Gabčikovo hinein zu folgen. Aber selbst dort hatten wir nichts gefunden. Nein, die nächste freie Übernachtung gab es erst im Dorf hinter Gabčikovo namens Vrakúň, 10 Kilometer vom Ufer entfernt. So einen weiten Umweg nur zum Schlafen hatten wir noch nie gemacht. Immerhin mussten wir nicht die Straße nehmen, es gab auch eine Route über Feld- und Radwege.
Ohne Schatten, versteht sich.
Noch weiter hinten liegt übrigens die Stadt Dunajská Streda, also Donau-Mittwoch, oder eher Donau-Mitte. Hä, das ist doch total weitab von der Donau? Nicht ganz, hinter Dunajská Streda gibt es noch den Malý Dunaj, die slowakische Kleine Donau, die sich schon bei Bratislava abgespalten hat. Auch die Stauwehranlage konnte nicht ganz verhindern, dass die Donau hier ein weit verzweigtes Binnendelta hat. Manche sehen die Große Schüttinsel, auf der wir gerade fahren, als die größte Flussinsel Europas an. Inselflair kommt aber nicht auf.

Aber so weit wollen wir ja gar nicht, uns genügt Vrakúň. Die kurz gemähten und gesprengten Rasenflächen hinter abweisenden Mauern deuten darauf hin, dass es sich eher um ein wohlhabendes Dorf handelt. "Die bauen erstmal ne Mauer und überlegen dann, was reinkommt.", beschrieb unser Vater den Baustil.
Nur unser Hotel fällt da ein bisschen aus der Reihe. Das erkannten wir nicht nur daran, dass der Rasen einen Tacken höher wuchs. Sondern vor allem, weil über den Parkplatz ein brauner Hase hoppelte, welcher sich an besagtem Rasen gütlich tat. Zum Streicheln war er leider zu schüchtern.

Ganz anders dieses Kätzchen, das beim Frühstück um die Tische strich und um Streicheleinheiten bettelte. Leider war es in der Nacht offenbar in eine Wanne voll Klebstoff gefallen und hatte sich anschließend in einer Wiese gewälzt. Der Schwanz klebte am linken Hinterbein, es konnte nur ungeschickt durch die Gegend taumeln, und niemand wollte es in diesem klebrigen Zustand während des Frühstücks berühren.

Unsere Fahrräder übernachten in der Speisekammer zwischen Bierfässern und Kühltruhen. Damit sie auch genügend Platz haben, hauten wir abends im Restaurant kräftig rein.

01 Juli 2020

Diemel: Von Usseln nach Marsberg

Der garantiert weltweit erste Blog zum Diemelradweg aus der Perspektive des Flusses

Dunkelheit. Erde und Schiefer. Ein verschwommenes Nichts.


Dann das Licht. Die Sonne brennt mir entgegen und lässt sofort einen Teil von mir verdunsten. Ich durchdringe die Körnchen, aus denen der Boden besteht, spüre kleine Wurzeln, die durstig einen Teil von mir aufsaugen, zu Grashalmen werden und sich der Sonne entgegenstrecken.


Ich krieche aus der Erde und spüre zuerst einen Ring, danach eine Reihe großer grauer Steine. Ich fließe. Das ist es, was ich bin. Ich ströme durch den Raum, unwiderruflich von einem Ort zum anderen, entferne mich immer mehr von der Wiese im Rothaargebirge, aus der ich geboren wurde. Bald begreife ich, dass die meisten Wesen anders sind als ich. Ich trage meine eigene Zeit in mir. Sie besteht aus Zentimetern, Metern und Kilometern, aus Biegungen und Stromschnellen. Ich erinnere mich an all die Meter hinter mir, in meiner Vergangenheit. Doch die Strecke vor mir? Ich habe keine Ahnung, wie viele Meter noch kommen mögen und was sie bereithalten.

Was ist mit all den Wesen, die so hektisch um mich herumhuschen, dass sie überall gleichzeitig zu existieren scheinen? Sie springen von einem Ort zum nächsten durch den Raum, vor und zurück, ohne jedes Hindernis. So etwas ist mir unmöglich. Doch dafür sind sie gefesselt an eine äußere Zeit, an die gegenwärtige Sekunde, der sie ebenso wenig entkommen können wie ich dem gegenwärtigen Zentimeter. Ihre Zeit lässt sie in einem verschlungenen Netz kreuz und quer umherrasen, dann sterben sie. Welch eine schreckliche Art der Existenz!

Für mich ist diese äußere Zeit kein Problem, ich kann sie durchwandern wie die nicht-fließenden Wesen den Raum, von einem Jahr zum nächsten ist es nur ein kleiner Schritt: Ich weiß, wie sich vor 240 Millionen Jahren das Rothaargebirge erhebt und zum ersten Mal mein Wasser aus dem Boden drückt, wie die nicht-fließenden Wesen einen Teil des Waldes zerstören und ihr Vieh auf die Wiese treiben, einen Weg anlegen, Schilder und Bänke aufstellen, mir Steine in die Quelle legten, und schließlich, wie meine Quelle für immer versiegt in der großen Trockenheit.

Um sich von ihrer frustrierenden, kurzweiligen Existenz abzulenken, schnallen sich manche nicht-fließenden Wesen Bretter auf die Füße, lassen sich von einem Seil den Berg hochziehen und rutschen auf kristallisiertem Wasser wieder herunter. Ich spüre, wie das kleine Vergnügen sie von der Kürze ihrer Existenz ablenkt, wenn sie den Rausch der Geschwindigkeit genießen. So ähnlich fühle ich mich, wenn ich einen kleinen Wasserfall hinuntertreibe. Wenn der Schnee schmilzt und zu mir läuft, schmecke ich das Wachs, mit dem sie ihre Bretter einreiben. Und hier und dort blitzt ein feuriger Punkt aus Schmerz auf, wenn jemand zu schnell war und von seinem Brett fiel.


Meine Schwestern Itter und Hoppecke erzählten mir später, wie sie Sorge und Panik in der Luft schmeckten in jenen Jahren, als der Schnee zunehmend weniger wurde. Wie jenes riesige Gebilde namens Schanze, auf dem sie auf ihren Brettern durch die Luft fliegen, trocken blieb. Und wie die Menschen stattdessen Türme und Brücken aus Stahl in der Heide errichten, um einen ähnlichen Rausch der Gefahr zu erleben, wenn der Wind die hängende Brücke heftig schwanken lässt. Wie sie von ihren seltsamen Bauten über die Berge hinwegschauen, um mit den Augen eine Weite zu suchen, die ihnen ihre kurze, kleine Existenz sonst nicht bieten kann.

Nun, ich nehme an, die nicht-fließenden sehen ihre Existenz als nicht so furchtbar an. Meine Art zu leben muss für sie unbegreiflich sein.

Naja, die meisten Nicht-Fließenden verstanden ja nicht einmal, dass ich ein lebendes Wesen war. Vor 3000 Jahren glaubten ein paar von ihnen, dass in jeder Quelle und jedem Gewässer ein Geist lebt, der es beschützt. Eine Nejade, so nannten sie mich. Aber ihr Wissen geriet bald in Vergessenheit.

Trotzdem hatten sie Recht. Mein Name ist Dimella.

So wurde ich vor Jahrhunderten genannt, weil mein Wasser so thimm, also dunkel, war. Mein Name ist verwandt mit dem Wort dimmen. Einige Jahrhunderte darauf lautet mein Name Diemel. (Obwohl manche nicht-fließende großen Wert auf feste Namen und Begriffe legen, ändern sie diese doch ständig.)


Dabei bin ich gar nicht immer dunkel. Manchmal kann ich auch sehr hell sein. Das kommt ganz auf die Sonne an. Wenn sie mich so zum Gleißen bringt, finde ich das besonders schön. Juche, ich fließe abwääärts...

...umpf. Was ist das denn jetzt? Jemand hält mich auf. Irgendwer hat mich in lauter komische Teiche gesperrt. Was wollen die da mit mir? Fische züchten oder was? Um weiterzukommen, muss ich mich erstmal durch einen seltsamen Steintrichter zwängen.

Dann muss ich auch noch Treppen steigen. Das schaffe ich selbst ohne Beine problemlos.

Eine besonders mächtige Art der Nicht-Fließenden, die Menschen genannt werden, bauen gerne Zeug aus Stein, am liebsten große Haufen aus steinernen Hütten. Nach dem letzten Teich bin ich unten im Tal angekommen und begegne dem ersten Hüttenhaufen. Er heißt Usseln.
Ich spüre die die Anstrengung der Menschen in Usseln über die Jahrhunderte hinweg. Erst hielten sie Tiere und ernteten Pflanzen, dann verarbeiteten sie Metall unter der Erde - und wofür das alles? Damit das nächste Feuer, die nächste Seuche oder Hungersnot ihnen alles wieder wegnahm. Die Usselner Menschen hatten wirklich kein Glück - bis irgendwann dieses Viadukt mit großen Bögen über mir gebaut wurde. Danke, sieht klasse aus! Darauf kriecht ein kurzer, dicker und roter Wurm aus Stahl, der Nicht-Fließende transportiert und sich Uplandbahn nennt. Als die Bahn, elektrische Energie, Wasserleitungen und schließlich sogar Skifahrer nach Usseln kamen, wurde es allmählich besser für die Menschen.

Wie geht es jetzt weiter? Hinter Usseln entdecke ich einen hübschen Einschnitt zwischen zwei Hügeln, der mir gefällt. Ich schlängle mich über die Wiese in das Tal hinein. Hier entdecke ich keine Menschen mehr. Sie haben nur meine komplette Wiese eingezäunt, darin leben nur insgesamt drei nicht-fließende Wesen, die sie Kühe nennen. Ich spüre ihre freundlichen, gelassenen Gemüter, die vollkommen zufrieden sind, wenn ich ihnen ihr Gras bewässere.
Auf dieser Wiese habe ich genug Platz, um schön hin und her zu schlängeln. Warum sollte ich mich stressen geradeaus durch mein Leben durchrauschen? In den Kurven drücke ich mein eigenes kleines Steilufer ins Gras. Mal sehen, wo die Reise hingeht.

Üärgh, ach nee, ein Geschenk geben mir die Menschen von Usseln noch mit - ihre Ausscheidungen. Sie sammeln diese in großen, kreisförmigen Steinbecken und gießen sie auf mich drauf. Äh, danke schön.
Mir wird kotzübel und ich trete lieber zwei Jahrhunderte vorwärts durch die äußere Zeit. Puh, durchatmen, nun wird das Wasser einigermaßen gereinigt.

Aber wartet mal, da sind noch so komische bunte Krümel drin! Könnt ihr die bitte auch noch rausmachen? Die jucken!

Die wenigen Menschen, die in meinem Tal leben, ernähren sich von der Milch, die sie von den drei Kühen erhalten. Auf die leeren Krüge schreiben sie ihre Namen. Weiter gehts, hui, ab durchs Tal...

...umpf. Was ist das denn schon wieder? Irgendwer hält mich auf. Egal wie viel Schwung ich nehme, ich komme nur noch langsam voran. Verdammt, was soll ich denn mit dem ganzen Wasser machen, wenn es da vorne so langsam weitergeht? Sorry, Bäume, dann müsst ihr jetzt leider baden gehen. Ich breite mich immer mehr aus und werde dicker...

...und dicker...

...und dicker...

...und dicker. Eigentlich hatte ich nicht vor, in diesem jungen Alter schon übergewichtig zu werden. Aber wie soll ich denn abnehmen, wenn immer neues Wasser nachkommt? In der Sommerhitze bekomme ich meistens noch eine halbwegs schlanke Sommerfigur, aber im Frühling - keine Chance.
Letztlich ist das aber nur eine Frage der Perspektive. Für einen Fluss bin ich dick - aber für einen See doch noch ziemlich schlank. Oder?

Äh, hallo, holt mal eure Boote da weg! Sonst muss ich die nämlich gleich mitnehmen... oh, zu spät.
Die Nicht-Fließenden leben hier in seltsamen weißen Hütten aus Stoff oder auf Rollen, zumindest im Sommer. Manchmal verlassen sie die Hütten für längere Zeit und merken nicht, wenn ihre Boote auf Tauchfahrt gehen.
Mitten auf dem See begegne ich meiner Schwester, der Itter, die ebenfalls mächtig zugenommen hat.

Ich sehe, wie einst in der Nähe einige seltsame Bäume wachsen. Die Menschen hatten ihre Samen aus einem fernen Kontinent namens Amerika mitgebracht. Sie hießen Douglasien. Hoch, hart, ein bisschen hochmütig und unverwüstlich waren sie, außer natürlich gegen die Sägen der Menschen, die sie extra zu diesem Zweck gepflanzt hatten.
Eine besonders hohe Douglasie brachten sie an mein Ufer. Die mächtigen Nicht-Fließenden hatten sie zurechtgesägt, um sich daraufzusetzen. Sie ist jetzt die längste Bank in diesem Land, das die Menschen Hessen nennen. 63 Menschen passen darauf.

Manchmal ziehen sich die mächtigen Nicht-Fließenden blaue Anzüge an und erkunden meine Privatsphäre. Möglicherweise suchen sie nach ihren verschwundenen Booten. Aber vermutlich sind sie einfach nur neugierig.

Hinter der Tauchbucht stoße ich endlich auf den Grund, warum ich nicht weiterkomme. Es ist eine graue Mauer. Die haben die Menschen eines Tages einfach mal da hingestellt. Na toll. Was soll das? Und wie komme ich da jetzt durch?

Ich glaube nicht, dass die Menschen wollen, dass ich gar nicht mehr weiterfließe. Sie wollen nur genau kontrollieren, wie viel von mir durchkommt. Das passt zu allem, was ich von ihnen gesehen habe, denn Menschen wollen alles kontrollieren.
Sie haben irgendwelche Röhren in die Mauer gebaut, die sich manchmal verschließen. Dahinter erwartet mich mein persönliches Labyrinth. Wo geht es jetzt weiter? Ah, da. Was ist das denn jetzt für ein komischer Propeller? Muss ich den jetzt drehen? Na guut... ah, da ist endlich der Ausgang.

Nur im Frühling schaffe ich es manchmal, über die Mauer drüberzufließen und dann... aaah! Hilfe, ist das tief! Vierzig Meter falle ich nach unten. Was für ein Schock, jeden Frühling aufs Neue. Aber immerhin nicht so kompliziert wie der Weg durch die Röhren.

Dahinter bilde ich gleich noch einen See...

...mit einer deutlich kleineren Mauer.

Darf ich jetzt vielleicht normal weiterfließen? Ja? Danke schön. Jetzt habe ich wieder meine Ruhe im Tal. Obwohl es schon irgendwie Spaß gemacht hat, von der hohen Mauer zu rauschen... ob ich das auch alleine kann? Hm, naja, mein eigener Wasserfall ist nicht ganz so hoch.

Auf den Bergen über mir spüre ich einige Nicht-Fließende, die in Harmonie zusammenleben, und das, obwohl sie bei unterschiedlichen Göttern Trost suchen und diesen Göttern ganz unterschiedliche Häuser nebeneinandergebaut haben. Aber offenbar sind solche Unterschiede für die Menschen kein Problem. Oder?

In meinem Tal leben nicht nur Kühe, sondern auch riesige Hasen und Fliegen. Ich höre ihr hektisches Summen und spüre ihre kleinen, einfachen Geister, die nicht weiter als bis zum nächsten Ding denken, auf das sie sich setzen können.

Durch ihre Facettenaugen sehe ich ungefähr so aus.

Bisher haben mich die Menschen ziemlich in Frieden gelassen, außer in Usseln und am Stausee. Obwohl, eine Zeitlang wollten sie auch an dieser Stelle noch etwas aus meinem Tal, nämlich die Steine unter der Erde. Sie gruben tiefe Löcher, um die Steine herauszuholen, die sie Erz nannten. Dann verlegten kleine Schienen, um sie an einen Ort, den sie Ruhrgebiet nannten, wegzufahren. Die Schienen sind inzwischen weg, aber der kleine Damm, auf dem sie lagen, blieb.
Jetzt habe ich hier meine Ruhe. Noch.

Aber nun ändert sich alles. Hier begegne ich meiner Schwester, der Hoppecke. Ihr Wasser ist nicht ganz so klar wie meines, und den die Ursache dafür hat sie gleich mitgebracht.

Ein Bahngleis, eine große Straße und deutlich mehr Menschen - die Hoppecke hatte keine so ungestörte Kindheit wie ich, und das reibt sie mir deutlich unter die Nase.
Ich sehe, wie an diesem Gleis in einer einsamen Hütte stets ein einsamer Mann saß, der nur die Aufgabe hatte, eine gestreifte Stange hoch- und runterzuziehen. Dadurch sollten die fahrenden Metallkästen der Menschen nicht zusammenstoßen. Dann war der Mann tot, seine Hütte verlassen, aber die Stange bewegt sich immer noch. Vielleicht bewegt sein Geist die Stange? Obwohl ich keinen Geist spüren kann. Merkwürdig.

Hier liegt ein großer Haufen an Menschenhütten. Er heißt Marsberg. Ich kann ihn nicht so gut erkennen, weil er sich oben auf einem Berg versteckt.

Das war sehr schlau von den Menschen. Im Laufe der Jahre haben manche versucht, die Stadt anzugreifen. Dazu mussten sie aber erst den hohen Berg besteigen. Am Ende habe ich nur selten Blut geschmeckt, das den Berg herunterlief - nur Schweiß, jede Menge Schweiß. Die meisten Angreifer haben sich wohl ergeben, um oben im Gegenzug ein kaltes Getränk zu erhalten.

Hier war nicht immer ein Berg - ganz im Gegenteil. Am äußersten Rand der äußeren Zeit kann ich gerade noch sehen, wie sich vor Jahrmillionen die letzten Reste eines Meeres zurückzogen. Das Meer hatte jede Menge von diesem komischen Felsen zurückgelassen, den die Menschen Zechstein nennten. Au! Der war so kantig und ganz schön unbequem zum Durchfließen. Aber ich habe die Strudel zusammengebissen und mich durchgekämpft.
Endlich hatte ich mir eine schöne Strecke zurechtgespült und ganz nebenbei rechts den Berg von Marsberg fabriziert. Ich drückte ihn noch ein bisschen zur Seite, und plötzlich, ups, waren da Spalten drin. Naja, nicht so schlimm, wird schon nicht einstürzen, dachte ich. Als die Menschen die Spalten entdeckten, waren sie ganz begeistert und holten ganz viel Zechstein raus, um daraus ihre Stadt zu bauen. Aber sie waren tatsächlich vernünftig genug, dicke Säulen stehen zu lassen, damit die Höhle stabil blieb.
Angeblich soll sich in der Drakenhöhle ein Schatz befinden. Das ist aber Quatsch - in Wahrheit gab es nur einen Metzger, der besonders leckere Wurst herstellte und sie da drin kühl lagerte. Ich weiß nicht, wie daraus die Legende mit dem Schatz geworden ist, und eigentlich ist es mir auch wurscht.

Nebenan lebt meine Tochter, die Drakenhöhlenquelle. Jahrhundertelang trug sie die Verantwortung, die Marsberger Menschen mit Wasser zu versorgen. Aufgrund dieser Bürde durfte sie nicht richtig fließen, sondern lebte in Röhren, Pumpen, Brunnen und Sammelbecken. Irgendwann fiel den Menschen aber auf, dass die Drakenhöhlenquelle in der Nähe eines Ortes geboren wurde, den sie Friedhof nannten und an dem sie ihre Toten in die Erde steckten. Plötzlich fanden sie ihr Wasser nicht mehr so lecker, und meine Tochter ging in Rente.

Ich sehe, wie viele mächtige Nicht-Fließende, die in einer sehr seltsamen Sprache redeten und Sachsen genannt wurden, zu einer Säule in Marsberg pilgerten, die einem Baumstamm ähnelte. Sie hegten und bewunderten das lange Ding, weil es angeblich das Weltall stützte. Ich weiß nicht genau, wie sie auf diese Idee kamen, doch konnte ich spüren, wie sie ihnen Trost und Hoffnung spendete. Sie nannten sie Irminsul.

Zugegeben, der Blick von da oben ist großartig. Da verstehe ich schon, warum von den Geistern der Menschen so viel Ehrfurcht, Demut und Hoffnung nach unten herabstrahlte. Die Sachsen fühlten sich ganz klein, aber zugleich als der Teil von etwas Großem und Besonderem, nämlich einem Menschenvolk, das in einem schönen Land lebt und großes Zeug aus Stein bauen kann. (Was natürlich Quatsch ist, alle Menschen können das und sind in der Hinsicht nicht sehr verschieden. Aber es hat sie halt getröstet, und sie hatten es weiß Gott schwer genug.)

Eines Tages aber stampfte eine große Armee aus dem Süden nach Marsberg. Ihr Anführer nannte sich Karl der Große. Er fand, die Sachsen sollten gefälligst nur noch bei seinem neuen Gott Trost und Hoffnung schöpfen, und zwar in Häusern wie diesem, die er Kirchen nannte (und die tatsächlich ein bisschen beeindruckender aussahen als die Irminsul). Um die Sachsen von den vielen Vorteilen des neuen Glaubens zu überzeugen, töteten seine Armee viele Sachsen. Man sollte meinen, das sei eine ganz schlechte Strategie, aber rückblickend betrachtet war sie insgesamt ja schon erfolgreich. Inzwischen stehen nun drei Kirchen in Marsberg.

Die Irminsul war dem Karl natürlich ein Dorn im Auge. Er stand an meinem Ufer und starrte finster hinauf auf die Burg, wo die Sachsen vom Buttenturm aus zurückstarrten. Dass da oben eine komische Säule und kein Kreuz aufragte, nahm er sehr persönlich. Karl wollte die Irminsul zerstören, aber die Eresburg in Marsberg lag so hoch oben und war so gut gemauert, dass seine Soldaten nicht rankamen.

Jedenfalls nicht, bis eine alte Frau ihnen einen Geheimgang zeigte. Kurz darauf war es aus und vorbei mit der heiligen Säule, die das Weltall trägt. Dass das Weltall nicht einstürzte, war für die Sachsen nur ein schwacher Trost. Ich spürte jede Menge Verzweiflung, gewürzt mit einer Prise Irritation darüber, dass das Weltall nicht eingestürzt war, und dem aufkeimenden Gedanken, dass dieses neue Christentum dann wohl tatsächlich Recht haben musste.

Ich kann noch sehen, wie Karl der Große triumphierend auf dem Hügel von Marsberg stand und die Trümmer der Irminsul musterte, während mein Wasser so rot vom Blut war, dass mir schlecht wurde. Ich habe viele Kriege erlebt, aber die Sachsenkriege gehörten zu den schlimmsten.
Endgültig zerstört hat die Burg erst viele hundert Jahre später die Armee eines Menschen namens Karl Gustav Wrangel aus einem Land namens Schweden. Auch in diesem Krieg ging es angeblich wieder darum, bei welchem Wesen die Menschen Trost suchen sollten.

In Marsberg habe ich also die Menschen so richtig kennengelernt, und diese erste Begegnung war nicht sehr erfreulich. Aber damit hier kein negativer Eindruck entsteht: Bestimmt folgen auf meiner zweiten Hälfte auch ein paar angenehmere Begegnungen. Denn ich bin noch längst nicht am Ende.