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07 April 2020

Werra: Von Hörschel nach Eschwege

Werra-Tag 4: Das total tolle Tal (oder: Die Kleingartenklippen)

gefahren im: März 2020
Start: Hörschel, Bahnhof
Ziel: Eschwege, Bahnhof
Länge: 52 km
Werraquerungen: 7 (Brücken)
Ufer: etwas mehr rechts als links
Bundesländer: Thüringen, Hessen
Landschaft: Wald und Muschelkalkklippen
Wegbeschaffenheit:
 Radwege, Kieswege
Steigungen: wenige leichte
Wetter: sonnig und kühl
Wind: keiner
Highlight: Ebenauer Klippen
Größte Hürde: wenig geöffnete Einrichtungen
Zitat des Tages: "Die Ansiedlung Ebenau liegt auf einem Gleithang der Werra, gegenüber am Prallhang aufragende Felswände der Nordmannsteine mit gut sichtbarem Profil des Unteren Muschelkalks." - Hinweisschild, formuliert von Geologen -

11:30, Hörschel, Kilometer 219 Ich steige in Hörschel aus, fahre unter der gewaltigen Autobahnbrücke hindurch und zwischen Kleingärten auf und ab.

1925, Spichra Das älteste und größte Wasserkraftwerk an der Werra wird in Betrieb genommen und rauscht noch heute vor sich hin.


1211, Creuzburg, Kilometer 125,5 Die Heilige Elisabeth lebt in Creuzburg auf der Creuzburg. Die war vor der Wartburg Hauptsitz der Landgrafen von Thüringen. Deshalb gibt es dort eine Ausstellung über Elisabeth. Weil Elisabeth in der Burg aber keine Corona-Klinik gegründet hat, ist sie geschlossen.


12:07 Ich fahre zwischen Kleingärten hindurch.

12:08 Mehr Kleingärten.

ca. 700 Der Missionar Bonifatius christianisiert die deutschen Heiden und gründet unter anderem in Creuzburg ein Kloster.

12:09 Ich entdecke einen Kleingarten mit einem Stück der ehemaligen Klostermauer drin. Ob die Kleingärtner Christen sind, bleibt unklar.


12:15 Noch mehr Kleingärten.

12:24 Nanu, bin ich aus Versehen zum Grand Canyon abgebogen? Die Werra prallt gegen einen Prallhang und legt harten Muschelkalk frei. Zunächst ist die Sicht noch halb von Bäumen bedeckt.


12:28 Doch auf einer schmalen Brücke habe ich dann volle Sicht auf den grau geriffelten Fels. Die Ebenauer Klippen sehen faszinierend und exotisch aus. Wüsste ich es nicht besser, würde ich vermuten, dieses Foto käme von einem anderen Kontinent, jedenfalls nicht aus Thüringen. Auf der Brücke wachsen nur wenige Liebesschlösser. Diese Sehenswürdigkeit ist ein echter Geheimtipp, sie ist nicht mal in der Fahrradkarte eingezeichnet. Dabei ist das die spektakulärste Stelle im Werratal. Entsprechend überrascht war ich über meine Entdeckung.


12:34, Buchenau, Kilometer 229,3 Ich überquere die Werra auf einer nicht sehr vertrauenerweckenden Brücke.

12:35 Am anderen Ufer ist nur eine Hauptstraße und eine Bushaltestelle. Ich stelle fest, dass ich mich auf der Karte verguckt habe, und kehre um.


13:11 Und noch eine auffällige Brücke, diesmal in Dunkelblau. Und diesmal muss ich wirklich rüber.


ca. 1800, Frankenroda, Kilometer 240 Weil es so nervig ist, immer den Fährmann zu rufen, bauen sich die Frankenroder einen Steg. Er ist aber nicht so stabil und geht im Winter und bei Hochwasser kaputt. Deswegen wird er zur Wintersaison meistens von allen gemeinsam abgerissen, was etwa 2 Tage dauert. Der Aufbau im Frühling dauert sogar 4 Tage.

1977 Frankenroda bekommt eine richtige Brücke, der Steg wird abgerissen. Die Dorfbewohner sind ihm aber emotional so verbunden, dass sie ihm ein Denkmal auf den ehemaligen Brückenköpfen errichten. Außerdem stellen sie Hochwasser-Messlatten auf (Rekordhalter ist 1909) und beschriften alle Baumarten.


13:33 Noch mehr Klippen! Ich liebe diese Strecke. (Natürlich gibt es zwischendurch oft längere Abschnitte mit Wald ohne Klippen, auch wenn ich das nicht immer zeige.)


1525 Thomas Müntzer, über den wir im Geschichtsunterricht unter dem Titel Reformator oder Revolutionär? referieren sollten, predigt von der Bauernkanzel (links) zu den Bauern. Er teilt ihnen mit, sie sollten an den Bauernkriegen teilnehmen und Adlige abschlachten. Tun sie dann auch, bringt ihnen aber keine Verbesserung.


13:52, Falken, 244 Ich betrete den Blauen Schrank, eine kleine Hütte mit saunaähnlicher Temperatur. Dort verkauft ein Biohof Wurst, Kaltgetränke, Tee, Eis und Senf gegen Kasse des Vertrauens. Mit einem Eierlikör-Eis verlasse ich den Schrank wieder.


14:15, Treffurt, Kilometer 249,5 Treffen sich drei Furten. Sagt die erste: Hey, da ist eine Stadt. Sagt die zweite: Hm, wie könnten wir sie nennen? Sagt die dritte: Benennen wir sie doch nach uns!


14:28 Ich wechsle an einem ordentlichen Grenzhäuschen von Thüringen nach Hessen. Auf dem Erdwall da drüben verlief höchstwahrscheinlich der Grenzzaun der DDR. Erde und Gestein haben wieder einmal einen rötlichen Ton, Sandstein unterbricht den Muschelkalk.


 14:29 Ich durchquere den Wall in einem recht fotogenen Tunnel.


1962 Die DDR errichtet hier eine Fluchtsperre quer über die Werra, also ein Gitter, das bis zum Grund reicht. Lediglich Wassermoleküle und kleine Fische können dem Arbeiter- und Bauernstaat entkommen.

Foto im Grenzmuseum Schifflersgrund (auf der nächsten Tagesetappe)

ca. 1680, Wanfried, Kilometer 261,5 Die Kaufleute machen durch den Handel am Fluss eine Menge Geld, anders als in vielen Fachwerkstädtchen macht ihnen nicht einmal der Dreißigjährige Krieg vollends einen Strich durch die Rechnung. Ihre Waren verschiffen sie am historischen Hafen namens Schlagd. Sogar Anton Harmes, ein reicher Kaufmann aus Bremen, baut sich hier eine Niederlassung.


17.10.1753 Herr Harmes wird tot im Harmesschen Handelshaus aufgefunden. Warum? Der Legende nach wurde er nach dem Tod von Frau und Kind zum posttraumatisch belasteten geldgierigen Irren, sodass er nicht einmal zu deren Beerdigung gehen konnte. Er sah die Särge nur durch ein Loch im Dachboden. Als er dann eines Nachts in seiner Geldtruhe wühlte, schlug der Deckel zu und durchtrennte seinen Hals. Tatsächlich vermutet die Stadtchronik einen Selbstmord durch Halsaufschneiden. Er soll in dem Haus spuken und manchmal bei Beerdigungen durch das Dachbodenloch zusehen. Wer ihn erblickt, soll innerhalb eines Jahres sterben. Ich habe ihn nicht gesehen, also alles gut.


17.9.1945 Das Wanfrieder Abkommen wird hier geschlossen. Dabei tauschen die Amerikaner ein paar Dörfer mit den Sowjets. Dadurch verläuft zumindest eine der Eisenbahnlinien einheitlich auf amerikanischem Gebiet und nicht für 3 Kilometer in die Ostzone. Bei der Durchfahrt gab es vorher immer Verspätungen, einmal erschoss ein sowjetischer Soldat sogar einen Lokführer.

Eine andere Bahnstrecke wurde direkt nach Kriegsende dichtgemacht, doch heute ist sie zu neuem Leben erwacht und bietet sowohl Draisinen als auch Radlern eine herrliche Route bis nach Dingelstädt.

15:36 Ein asphaltierter Radweg führt durch das Tal, das nun wieder ziemlich breit ist. Ich fahre zwischen einigen Teichen zur Fischzucht hindurch.

15:47 Nun soll eine sogenannte Freiluftgalerie erfolgen. Ist das schon die erste Skulptur? Vielleicht soll das die rohe, kantige und schmutzige Seite des menschlichen Wesens darstellen, die... ach nee, ist ein Stromkasten.


15:51 Aber jetzt! Diese Skulptur heißt Begegnung am Meer. Sie zeigt auf zwei großen Buchseiten einen sitzenden Menschen und einen Mond oder so, ein Meer erkenne ich nicht. Es ist also fraglich, ob dieses Kunstwerk einen Meerwert hat.
Praktisch: Damit es bei Regen nicht rostet, wurde es schon völlig verrostet aufgestellt.
Später hat die Galerie noch ein weiteres Kunstwerk, das sogar noch abstrakter aussieht.

15:57 Ich erreiche den Leuchtberg (hinten). Nur er steht noch zwischen mir und meinem Ziel. Er leuchtet zwar nicht, aber dafür verbirgt sich in seinen steilen Wäldern ein Kletterwald.


16:02 Ich kann den steilen Leuchtberg zum Glück umfahren. An seinem Fuß mache ich eine Teepause. Ein Bach plätschert. Direkt hinter der Bank liegen eine Reihe Steine im Bach, die das Plätschern erzeugen. Ansonsten liegen nirgendwo so viele Steine. Ich frage mich, ob die jemand extra dort platziert hat, damit auf der Bank ein idyllisches Plätschern zu hören ist.


16:07 Direkt neben dem Weg verläuft die Werra, dahinter der große Werratalsee. Der Name ist vielleicht etwas einfallslos, passt aber sehr gut. Der See sieht aus wie die Werra in breiter, er hat dasselbe vertrocknete Schilf und dieselbe graublaue Farbe des Himmels.


ca. 1000, Eschwege, Kilometer 271 Kaiser Otto vermacht seiner Frau Theophanu (welch schöner Frauenname) eine Siedlung als Altersvorsorge. Ihre Tochter Sophie gründet ein Kloster. Dank dieser Frauen entwickelt sich Eschwege an der günstigsten Taldurchquerungstelle zur "Stadt der Gerbereien".

16:16 Ich bin in Eschwege angekommen. Fachwerkhäuser gibt es auch hier straßenweise. Das eindrucksvollste Gebäude aber ist das Landgrafenschloss. Ja, auch da saßen mal die Thüringer Landgrafen drin, die wir schon von der Wartburg und Creuzburg kennen. Die konnten sich wohl echt nicht für eine Burg entscheiden. Heute ist darin die Kreisverwaltung anzutreffen.

16:36, Eschwege, Bahnhof Ich steige in den Zug zurück.


05 April 2020

Werra: Von Obersuhl nach Hörschel

Werra-Tag 3: Morgenstimmung

gefahren im: Februar 2020
Start: Wildeck-Obersuhl, Bahnhof
Ziel: Hörschel, Kreuzung/Bahnhof
Länge: 30 km
Werraquerungen: 1 (Brücke)
Ufer: meist rechts
Bundesländer: Thüringen, Hessen
Landschaft: Tal mit umgestürzten Bäumen
Wegbeschaffenheit: Radwege, Hauptstraßen, Matschwege
Steigungen: einige
Wetter: graublau
Wind: leichter Gegenwind
Highlight: Naturschutzgebiet Rhäden
Größte Hürde: Straßensteigungen bei Lauchröden
Zitat des Tages: "Gaak!" ("Aargh, das Wasser ist echt noch saukalt!") - ein Vogel im Rhäden -

7:19, Bahnhof Wildeck-Obersuhl Ich erreiche den Bahnhof. Bis zum Sonnenaufgang soll es eigentlich noch eine Viertelstunde dauern, doch der Himmel ist bereits tiefrosa. 

7:22 Entgegen meiner Erwartungen entdecke ich nebenan sofort eine Bäckerei mit heißer Schokolade und Laugenbrötchen. Sie gibt mir Starthilfe.


7:50 Ich durchquere das Naturschutzgebiet Rhäden und wechsle sogleich von Hessen nach Thüringen, wo ich für den Rest der Etappe bleibe. Kühe grasen, kahle Bäume spiegeln sich in den Seen und in der Ferne blinken geheimnisvoll die Lichter der Fördermaschinen auf dem Kalimandscharo.

7:59, Dankmarshausen, Kilometer 170,8 Ich erreiche Dankmarshausen und biege links auf den Werraradweg ab. Ein Insektenhotel, das gerade keine Saison hat, säumt den Weg.

8:22 Gütergleise und die Grenze begleiten den Radweg.



8:26, Untersuhl, Kilometer 176,3 Im nächsten Ort laufen Hühner unbeaufsichtigt auf dem Bürgersteig herum. Die skurrile Rundkirche weckt meine Aufmerksamkeit. Ich steige die hölzernen Stufen zur Eingangstür hinauf, doch sie ist verschlossen. Egal, das ist trotzdem meine Lieblingskirche an der Werra. Die anderen Kirchen sind ja auch alle geschlossen, sehen aber gewöhnlicher aus.


1074, Schloss Gerstungen König Heinrich IV. schließt mit niedersächsischen und thüringischen Adligen den Frieden zu Gerstungen. Anschließend steigen sie wieder herab zum Parkplatz und reiten davon.

8:56 Hinter Gerstungen fahre ich zwischen den unheimlichen Pfeilern einer zerstörten Brücke hindurch. Das ist merkwürdig, denn hier verlief die innerdeutsche Grenze ein ganzes Stück von der Werra entfernt. Wieso wurde die dann zerstört? Dahinter waren schließlich auch noch Dörfer. Auch der Radführer zum Eisernen Vorhang verrät es nicht.
Direkt dahinter verläuft eine moderne Bundesstraßenbrücke.


9:01 Auf einem Sandweg fahre ich zwischen einem Hang voller umgestürzter Bäume, den ungezähmten Schnörkeln und Schleifen der Werra und ein paar kleinen Seen.


9:14, Neustädt, Kilometer 184,8 Die Werra rauscht an einem Stauwehr über eine Menge angeschwemmtes Holz. Hölzerne Scheunen und stille Häuser säumen die Straße.


9:20 Der Himmel wird langsam heller und freundlicher. Ich fahre auf einer Straße.

9:25 Die Straße vollführt eine steile Serpentine aufwärts. Ich umgehe sie, indem ich mein Rad ein paar Meter einen Trampelpad hinaufschiebe.

9:30 Bei den nächsten Steigungen geht das leider nicht.

9:40, Lauchröden, Kilometer 189,5 Unter der Burgruine Brandenburg sollte ich laut Karte eigentlich ans andere Ufer wechseln. Ich habe aber keine Lust und kürze mir den Weg ab, indem ich auf der Straße geradeaus weiterfahre. Sorry, Herleshausen, du bist raus. Ich sehe dich ja am anderen Flussufer.


1981, Grenzübergang Herleshausen/Wartha, Kilometer 194,3 Günter Guillaume, der Bundskanzler Willy Brandt ausspioniert hat, wird am Grenzübergang Herleshausen/Wartha gegen einen Agenten der BRD ausgetauscht.


9:57, Neuenhof, Kilometer 195,1 Ich will noch ein bisschen die Werra sehen, bevor ich mich von ihr verabschiede. Am Schloss Neuenhof suche ich einen schlecht befahrbaren Radweg, der direkt am Wasser verlaufen soll.


10:01 Ich finde ihn. Er verläuft zunächst über zahlreiche Baumwurzeln.

10:03 Anschließend führt er am Rande eines Ackers entlang. Mit viel gutem Willen kann man diese vage erkennbare Linie im Gras als Pfad bezeichnen. Mit schwerem Gepäck ist dieser Weg absolut nicht zu empfehlen, aber mit leichtem Gepäck komme ich für einige Kilometer damit klar.


10:10, Hörschel, Kilometer 197 Ich erreiche die Talkreuzung von Hörschel, die schon aus der Ferne an der gewaltigen Autobahnbrücke zu erkennen ist.

Blick von der Wartburg

10:11 Hier mündet die Hörsel in die Werra. Nun folge ich für den Rest des Tages der Hörsel, denn sie bringt mich in eine besondere Stadt.


02 April 2020

Werra: Von Trostadt nach Obersuhl

Werra-Tag 2: Das Egaltal, das ung-gewöhnliche Tal und das Salzgrenztal

gefahren im: August 2020
Start: Trostadt, Naturlagerplatz
Ziel: Bahnhof Wildeck-Obersuhl
Länge: 113 km
Werraquerungen: 16 (alles Brücken)
Ufer: abwechselnd rechts und links
Bundesländer: Thüringen, Hessen
Landschaft: erst niedrige Waldhügel, grauer Kalk und roter Sandstein, später hohe Salzberge
Wegbeschaffenheit: Radwege, steile Straßen, weniger Kieswege
Steigungen: öfter mal
Wetter: heiße Sonne mit Cumuluswolken
Wind: manchmal leichter Gegenwind
Highlight: Altstadt Meiningen
Größte Hürde: Steigungen, ohne zu schmelzen
Zitat des Tages: "Thüringer Klöße, die mag ich sehr."

6:00, Trostadt, Kilometer 57 Ich erwache ausgeruht. Da ich nicht wieder einschlafe, fahre ich los. Ich sollte öfter im Stroh schlafen.

6:08, Grimmelshausen Auf frischer Tat ertappe ich die goldenen Finger der Göttin der Morgenröte. Ich frühstücke an einer Rasthütte und gucke zu, wie sie den Himmel befingert.

1931 Die Leichtbauplatte wird in Grimmelshausen erfunden.


1131, Kloster Veßra Graf Gotebold II. von Henneberg gründet ein Kloster, dessen rekonstruierte Wasserkraftanlage das Hennebergsche Museum noch heute mit Strom versorgt. Nebenan fließt die Schleuse in die Werra. Nun ist sie schon ein richtiger Fluss.

1137 (angeblich) begräbt der größte Bergsturz Südthüringens die gottlosen Einwohner von "Dörfles". Sie müssen alle sterben, damit Thüringen frei von Sünde bleibt und Touristen diese Klippen bewundern können.

3.4.1595, 7:00 Wieder stürzt ein Teil der Berge ab, diesmal ist es aber ein seriöser, historisch gesicherter (Sogar die Uhrzeit ist begannt!) und vor allem säkularer Bergsturz.

6:50, Themar, Kilometer 64,5 Die nächste bunte Stadt wurde auch von den Hennebergern aufgebaut. Die waren hier wirklich sehr aktiv. Es ist sogar noch stiller als in Eisfeld, aber das kann man bei der Uhrzeit nun wirklich niemandem vorwerfen.


7:18, Henfstädt Ich schließe mein Rad an und steige auf einem steinigen Pfad neben einigen Muschelkalkklippen bergauf.
Wenn es etwas gibt, das (neben den Weißen Bergen - dazu kommen wir noch) typisch für das Werratal ist, dann sind es die Burgen. Deshalb möchte ich mir gern welche ansehen. Die Wartburg ist natürlich ein Muss, aber ich würde gern noch eine zweite Burg direkt an der Werra besichtigen. Als Ausgleich zur weltberühmten Wartburg wähle ich die möglicherweise kleinste, unbekannteste und verfallenste Burg an der Werra aus.


1182 oder ca. 1225 (Meine Quellen wiedersprechen sich.) Die Osterburg wird errichtet von - ja, richtig, schon wieder den Hennebergern. Sie wollten einen neuen Posten, um ihr Gebiet zu verteidigen. Zuständig ist Gräfin Sophia.

1252 Im Auftrag des Fürstenabtes von Fulda wird die Burg schon wieder zerstört. (Vielleicht war er eifersüchtig, weil es im Tal der Fulda keine Burgen gibt.)



Ab 1274 geht es mit den Hennebergern so langsam bergab. Ihre Grundstücke werden ständig unter den Erben geteilt, verkauft und verpfändet. Es versuchen immer mal wieder andere Adelsfamilien, hier zu wohnen. Am längsten hält noch die Familie von Hanstein durch. Anders als auf der Wartburg nimmt sich hier niemand die Zeit, um die Bibel zu übersetzen, das Krankenhaus, die hochdeutsche Sprache oder die deutsche Flagge zu erfinden. Es passiert absolut gar nichts von Bedeutung für die Geschichte Europas.


1977 Der Arbeitskreis Osterburg beginnt, die Burg ein bisschen wiederherzustellen. Es stehen noch ein halber Turm, ein ganzer (aber nicht so hoher Turm), ein paar verstreute Mauerstückchen, der Brunnen und der Bergfried (im Bild). Der wurde komplett wieder aufgebaut, aber um dort reinzukommen, muss man erst einmal jemanden anrufen. So früh will ich niemanden aus dem Bett klingeln. (Wenn man den Turm schon für viel Geld wiederaufbaut, wäre doch sicher auch ein Drehkreuz mit Münzeinwurf drin gewesen, damit die Besucher ihn unkompliziert besuchen können.)


8:29 Endlich wieder ein Radweg an der Werra! So etwas gibt es heute, naja, nicht oft, aber immerhin öfter als gestern.

25.11.1944 Ein amerikanischer Pilot wird beim Angriff auf den Bahnhof Grimmenthal abgeschossen. Sein Flugzeug bohrt sich tief in die überflutete Wiese.

2011 Bei Baggerarbeiten werden seine Überreste entdeckt und in die USA überführt, damit er in Frieden ruhe.


8:54, Untermaßfeld, unweit der Haselmündung Ich entdecke eine weitere Werraburg. Besichtigen kann ich sie allerdings nicht, weil sie als Justizvollzugsanstalt genutzt und in durchsichtige Zäune mit Stacheldraht gepackt wird. Das sieht äußerst bizarr aus. Untermaßfeld hat sich wohl von Wolfenbüttel oder vom vom italienischen Volterra inspirieren lassen.


9:39, Meiningen, Kilometer 87,5 In der größten Stadt an der Werra ist etwas mehr los.


10:11 Ich möchte mich im Freibad Rohrer Stirn abkühlen. Dazu muss ich mich zuerst stark erhitzen, denn das Bad liegt am Ende einer steilen Straße hoch über der Stadt. Aber das Wasser ist dann tatsächlich schön kühl.


11:02 Ich schlängle mich durch den Englischen Garten. Dahinter liegt das Theater, für das Meiningen hauptsächlich bekannt ist.


11:08 Die Altstadt von Meiningen gefällt mir wirklich gut, auch wenn die Radwege von mehreren Baustellen blockiert werden. Eigentlich hatte ich geplant, hier Mittag zu essen, aber dafür bin ich zu früh da. Ups.


11:11 Also überquere ich hinter dem Schloss die Werra und kehre zum Radweg zurück. Meiningen ist nämlich eine dieser Städte, wo die Radroute nicht durchs Zentrum führt, sondern wo man zur Besichtigung den Fluss überqueren muss.


11:25 Ab jetzt wiederholt der Werratal-Radweg immer wieder folgendes Muster: Der Weg führt etwa 5 Kilometer nach Norden, dann folgt ein Ort, der (meistens) auf -ungen endet - wie ung-gewöhnlich! Dabei sind die 5-Kilometer-Strecken im Tal jedes Mal ein bisschen anders. Die ersten 5 Kilometer bestehen aus Radweg auf freiem Feld in der prallen Sonne. Dort wurde ich von Fremden in Not nach Sonnencreme gefragt.

1836 Herzog Bernhard II. baut sich das luxuriöse Schloss Landsberg (links oben), weil Bauern im Bauernkrieg seine Burg zerstört haben.

2014 Das Luxushotel im Schloss wird geschlossen, obwohl es (schon in der DDR) bei Diplomaten, Prominenten und Hochzeitspaaren sehr beliebt war. Ein chinesisches Konsortium ersteigert das schicke Werraschloss und will dort ein Hotel wiedereröffnen, was aber bisher nicht passiert ist.


2012, Walldorf Eine eindrucksvolle Kirchenburg aus dem 15. Jahrhundert brennt aus. Sie soll als Erlebniskirchburg wiedereröffnet werden. Ich laufe einmal um die Mauern herum, entdecke aber keinen offenen Eingang. Zumindest kann ich bestätigen, dass die Bezeichnung Kirchenburg definitiv zutrifft: Die Fachwerkkirche ist umgeben von hohen Burgmauern, die auf grauen Felsen thronen. Ich erlebe da aber nix.


11:51 Die nächsten 5 Kilometer bestehen aus Kiesweg an der Werra.

12:32, Wasungen Ich überlege, ob ich zum Mittag zum Restaurant in der Burg Maienluft hinaufstrampeln soll. Aber seit dem Abstecher zum Freibad habe ich keine Lust mehr auf Zusatzberge - und Hunger. Also esse ich die Thüringer Klöße unten im Tal im Feuchten Eck, das wesentlich einladender ist, als es klingt.
Hier gibt es mal ein Kindergericht, das wirklich am Essverhalten vieler Kinder orientiert ist: Kloß mit Soße für 2 Euro.


13:15 Die nächsten 5 Kilometer bestehen aus einer bergigen Hauptstraße. Zum Glück herrscht wenig Verkehr und viel Schatten. Dennoch vermisse ich den perfekt ausgebauten Fuldaradweg.


12:23 Auf diesem Weg erreiche ich Schwallungen. Die nächsten fünf Kilometer führen wieder per Radweg übers freie Feld.

13:45 Die Schmalkalde kommt aus Schmalkalden angeflossen. Sie ist tatsächlich relativ schmal.


13:03 Die nächsten fünf Kilometer führen zwischen einem Maisfeld und der Werra entlang.

13:10 Hier nehme ich ein Bad in der steinigen, schlammigen, zugewachsenen und wunderbaren Dschungelwerra. Glücklicherweise werde ich nicht von Krokodilen angegriffen. Jetzt habe ich neue Energie. Auf das Abtrocknen verzichte ich schon längst. Ich ziehe mir einfach nur ein T-Shirt über. Bestimmt bin ich in einer halben Stunde wieder trocken, bis dahin genieße ich die Kühlung.

13:15, nahe der Rosabachmündung Ich bin trocken.


14:24, Breitungen, Kilometer 116,5, Trusemündung Ein Radweg führt mich im großen Bogen unter der Basilica von Breitungen vorbei. Ich stelle fest: Breitungen ist breiter als die Schmalkalde, aber vermutlich schmaler als Schmalkalden.



14:44 Die nächsten fünf Kilometer bestehen aus einer Nebenstraße am Waldrand.

15:00 In diesem Teil des Werratals liegen zahlreiche Baggerseen. Ich fahre direkt vorbei am Badesee Immelborn. Dieses Feuchtbiotop wird bevölkert von alles andere als seltenen Arten wie dem Ausflügler-Auto, dem Kreischkind, dem Handtuchrentner und der Gemeinen Pommesbude.


15:22 Die finalen fünf Kilometer bestehen aus einem Radweg zwischen Werrawiesen und rotem Sandstein.


15:27, Bad Salzungen, Kilometer 131 Schließlich überquere ich den Fluss noch einmal und erreiche das letzte Ungen. Bad Salzungen - dieser Name markiert den Übergang vom ung-gewöhnlichen Tal, wo alle Namen auf ung enden und die Hügel normal sind, zum Salzgrenztal der Werra - so nenne ich es zumindest, andere sprechen ironisch vom Land der Weißen Berge. Denn der Boden steckt hier voller Salze, und das hat auf unseren Fluss und die Landschaft enorme Auswirkungen.
In Bad Salzungen wird das Salzwasser ins Jungendstil-Gradierwerk eingespeist und in der Luft verteilt, dann kann man kann es einatmen und das ist gesund, dazu gibts noch eine Soleschwimmhalle und ein Museum. Diese Solewelt ist verrammelt und verriegelt, selbst einen Rundgang ums Gradierwerk gibt es nur gegen 5 Euro Eintritt. (Wie wir später in Bad Sooden-Allendorf sehen werden, geht das auch anders.)
Eigentlich war Bad Salzungen mein Ziel. Nun bin ich viel früher als erwartet dort und will noch nicht nach Hause fahren, also was tun? Eine ausgiebige Stadtbesichtigung? Hätte ich normalerweise wohl gemacht, wenn mich Bad Salzungen nicht so abgeschreckt hätte. Der Marktplatz und die Altstadt sind vergleichsweise langweilig, das wahre Zentrum ist halt die abweisende Solewelt. An der Eisdiele am Einkaufszentrum erklingt laute, penetrante Musik. Ich fülle an der öffentlichen Toilette meine Trinkflaschen auf und verlängere die Tagesetappe spontan.
Um 40 Kilometer.


16:12 Der Radweg befindet sich zwischen der Bundesstraße und den Schleifchen der Werra. Ich winke den vielen Paddelbootfahrern zu. Vor mir erhebt sich die Krayenburg auf dem Krayenberg.


16:25 Da will ich auf keinen Fall hoch. Ich umgehe die Steigungen auf dem roten Kiesweg am Fuß des Berges.


16:43 Das Erlebnisbergwerk Merkers gerät in Sicht. Ich habe dort bereits eine Tour im Dezember gebucht, die zweifellos einen Extraeintrag verdienen wird. Dass sie ausfällt, weiß ich noch nicht. Heute muss ich in Merkers nur über die Brücke und einen Hügel hinauffahren.


17:01 Für die Strampelei werde ich mit einem schattigen Seitenwald-Radweg belohnt.


17:12, Dorndorf, Feldamündung Ich kehre ans rechte Ufer zurück. Jetzt müsste ich mich doch im Land der Weißen Berge befinden, also wo sind die Weißen Berge? Ah, bei dem Hügel da hinten guckt immerhin etwas Weißes heraus. Dieser Berg wird aber nicht mehr genutzt und die Natur ist dabei, ihn sich zurückzuholen, deshalb ist er schon überwiegend hellgrün.



17:37, Vacha Ich fahre an einem prächtigem Ensemble aus Kirche, Burg und Brücke der Einheit vorbei. Es heißt Vacha und ist deshalb so gut erhalten, weil es in der Sperrzone der DDR lag. Vor gerade einmal 30 Jahren durfte niemand diese schöne Sandsteinbrücke überqueren, denn auf ihr stand ein hässlicher grauer Grenzturm, der nicht nur architektonisch ein Verbrechen darstellte.


1945-1989 Hinter Vacha verlässt die Werra zum ersten Mal Thüringen und erreicht Hessen. Im Kalten Krieg trafen hier DDR und BRD aufeinander. Jetzt raten Sie doch mal, welcher Staat an welchem Ufer lag. Die DDR am Ostufer und die BRD am Westufer? Nein, genau umgekehrt.
Das liegt an der Eigenart der Werragrenze. Wäre der Eiserne Vorhang genau auf dem Fluss, wäre das ja laaangweilig (Das hatten wir doch schon bei der Elbe!) und böte viel zu wenig Anlass für Streitereien. An der Werra verläuft die Grenze im Zickzack hin und her, durch die Berge am linken und rechten Ufer und ab und zu für wenige Kilometer auch mal auf dem Wasser. Diese bekloppte Grenze hatte dramatische und kuriose Folgen, und die erste ist auch gleich am Straßenrand von Vacha zu sehen:
Eine weiße Druckerei namens Haus Hoßfeld. Es handelt es sich um das einzige Haus, durch das der Eiserne Vorhang verlief.

1928 Ein bisschen beschwören die Herausgeber der Rhönzeitung das Unglück herauf, als sie ihr Gebäude absichtlich über die Grenze erweitern, um in Thüringen zu drucken und Steuern zu sparen.

31.12.1951 Als sie nach dem Zweiten Weltkrieg hören, dass die Enteignungen in der Sowjetischen Besatzungszone losgehen und die Grenze undurchlässiger wird, schaffen sie nachts heimlich alle Druckmaschinen ins hessische Hauptgebäude und vermauern den Zugang. Puh! Die DDR ist beleidigt und verbietet ihnen den Zugang zum Anbau.

1976 Dank Willy Brands Grundlagenvertrag dürfen die Herausgeber den Thüringer Teil der Druckerei wieder nutzen. Nur ist der jetzt natürlich völlig verfallen, Entschädigung gibt's nicht.


17:48, Philippsthal, Ulstermündung Nun geht es eigentlich die ganze Zeit direkt an der Werra entlang. Am Ufer erstreckt sich das Örtchen Philippsthal. Der Eiserne Vorhang verlässt die Werra hier schon wieder. Vorerst. Phlippsthal hat ein attraktives rotgelbes Schloss und ein Freibad - ach, ich gehe nochmal baden.


18:17 Im Fluss schwimmen möchte ich nicht mehr, denn das ist nicht mehr dasselbe Wasser, in dem ich heute gebadet und aus dessen Quelle ich gestern getrunken habe. Bevor ich aus dieser Werra trinke, nehme ich doch lieber mein Spülwasser.
Hier sind zwei Weiße Berge zu sehen, ein größerer und ein kleinerer. Tief unter diesen Bergen wird Kalisalz abgebaut, und das hat dramatische Folgen für den Fluss. Welche genau, finde ich auf zwei Extra-Kalitouren heraus.


18:34, unweit des Solztalradwegs Ich erkenne eine gewisse Evidenz, dass dieser Bauer Hunde so richtig scheiße findet.


19:03, Heringen, Kilometer 164 Der Radweg folgt der Straße bis nach Heringen. Hier treffen wir schon wieder auf den Eisernen Vorhang und den dazugehörigen Radweg. Ich habe deswegen auch das Buch zum Eisernen Vorhang mitgenommen. Die Karten haben zwar einen kleineren Maßstab, aber dafür steht mehr Geschichtswissen drin. Zum Beispiel, dass in Heringen ein Bergwerk zur Giftmülldeponie ernannt wurde. Unter mir lagert genug Arsen, um sämtliche Menschen der Erde zu vergiften. Hui.
Das geschlossene Werra-Kali-Bergbaumuseum informiert über die etwas weniger gefährlichen Bergwerke und warum das Wasser in Heringen selbst Heringen zu salzig wäre.


19:17 Im Museum geht es um den größten Salzberg Deutschlands, den Monte Kali. Als ich zu Hause die Karte studierte, dachte ich: Hm, der ist aber ganz schön weit weg vom Museum.
Vor Ort sah es jedoch überall so aus, als rage der Berg gleich auf der anderen Straßenseite auf. Damals wusste ich nicht, dass ich diesen Koloss nächstes Jahr besteigen würde.
Hinter Heringen fahre ich zum letzten Mal über den Fluss, nach Dankmarshausen.


19:35, Dankmarshausen Dort biege ich in ein besonderes Naturschutzgebiet ab. Im Hintergrund steht nach wie vor der Monte Kali, auf dessen Gipfel die Fördermaschinen geisterhaft blinken.


19:50 Das Naturschutzgebiet heißt Rhäden und hat eine riesige Vogelbeobachtungshütte mit Bänken, die an ein Amphitheater erinnern. Ich schaue durch ein Fernglas und stelle überrascht fest, dass a) sich auf dem See wirklich viele Vögel tummeln, die b) aber keine Theaterstücke aufführen, und dass man c) in diese Ferngläser keine Münzen werfen muss.
Der Rhäden ist Teil des Grünen Bands. Wenige Meter hinter der Hütte verlief der Eiserne Vorhang - ich bin wieder in Hessen.


20:13, Obersuhl Das kleine Obersuhl ist in mehrfacher Hinsicht überraschend. Zum einen ist es hier belebter und es haben mehr Restaurants geöffnet als in den meisten Städten der oberen Werra, zum anderen ereigneten sich hier gleich zwei der kuriosen Grenzstreitigkeiten im Kalten Krieg.

1952 Zum einen war da die Sache mit der Bahn. Rund um Obersuhl überqueren die Bahnen ständig den Eisernen Vorhang, vor allem die wichtigen Güterzüge für das Kalisalz. Wie Florian Heimgärtner formulierte: Alle Züge fahren nach Westen, auch die nach Osten. Deshalb baut die DDR schnellstmöglich eine Umgehungsstrecke nach Eisenach, damit sie ihre Bergwerke mit möglichst wenigen Ausflügen ins NATO-Gebiet erreicht. (Nach der Wende wurde diese Ausweichstrecke gleich wieder abgerissen.)
Welcher Staat verwaltet die Bahn bis wohin? Man einigt sich, dass die DDR erst ab dem zweiten Eintritt in den Ostblock zuständig ist. Arbeiten dann auch DDR-Arbeiter auf Westgebiet? Wie werden sie bezahlt und wo tauschen sie das Geld um? Der Streit um solche Fragen führt immer mal wieder dazu, dass die Gleise aus Trotz ganz gesperrt werden.

1962 Mit dem Mauerbau werden auch die Gleise auf Westgebiet, welche die DDR verwaltet, komplett in Zäune und Stacheldraht gehüllt, damit niemand im falschen Moment vom Zug hüpft.

1966 Die DDR stellt der BRD eine Rechnung für die jahrelange Nutzung ihrer Bahngleise. Bis sie zahlt, wird die Strecke mal wieder gesperrt. Die BRD handelt die Rechnung auf einen deutlich niedrigeren Betrag runter.


1950 Die Grenze zwischen Ost und West trifft auf die Straße zwischen Obersuhl (Hessen) und Untersuhl (Thüringen). Das Problem ist: Sie überquert die Straße nicht einfach nur, und sie verläuft auch nicht in der Straßenmitte (das gab es öfter mal) - nein, sie führt bis zum weißen Pfosten (links) und dann diagonal über die Straße. Auf der linken Straßenseite wohnen Westbürger. Wer sein Haus ganz hinten hat, kann sich glücklich schätzen und fast die ganze Straße nutzen. Wer aber ganz vorne lebt, dem bleibt nur ein schmales tortenförmiges Straßenstück. Ein Umzug oder Großeinkauf ist kaum möglich, ohne eine schwere Straftat auf DDR-Gebiet zu begehen, für die einen zufällig vorbeikommende Grenzsoldaten verhaften können.
Ostbürger wohnen hier natürlich nicht, weil das Straßenstück außerhalb des Grenzzauns liegt. Die DDR hat also nichts von ihrem tortenförmigen Asphaltstück, will es aber auch nicht einfach gratis hergeben.

1975 Irgendwann einigt sich die Grenzkommission aber auch hier, dass die ganze Straße befahren werden darf (mit Ausweispflicht auf dem DDR-Teil).


20:36 Meine Etappe endet in Obersuhl. Das liegt zwar nicht direkt an der Werra, aber hier steht der erste Bahnhof seit Bad Salzungen.
Die 40 Extrakilometer hatten es in sich, aber ich habe sie locker geschafft - dem Mauerfall sei dank.

Die Werra-Grenze

Streckenlänge: 132,3 km
Grenzquerungen: 9 (Iron Curtain Trail) bzw. 8 (Werraradweg)
Bundesländer: Hessen/Thüringen
Seite: etwas mehr im Osten
Erkenntnis: Hätte es im Kalten Krieg schon Extra3 - Der reale Irrsinn gegeben, wäre die Werragrenze ein Dauergast gewesen.