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Harz: Von Netzkater in den Rabensteiner Stollen

02 September 2024

Bode: Von Sorge nach Rübeland

Die Bode verlässt die Bahnstrecke gleich wieder. Das war mal anders: Vor lange Zeit hatte die Bode auch ihre eigene Bahnroute namens Rübeland-Bahn. (Nur der erste Kilometer hieß Südharz-Bahn aus Gründen, die wohl nur Eisenbahner verstehen.) Dieser Abschnitt wurde sogar schon 1969 stillgelegt, und so ist das einzige übriggebliebene Bauwerk eine bröckelnde Bahnsteigkante in Königshütte. Aber immerhin läuft ein gut befahrbarer Kiesweg auf der ehemaligen Bahnstrecke. Ab und zu versteckt er sich in schattigen Hohlwegen oder streift die Straße. Meistens aber geht es oben an der Sonne, hoch über der Straße, der Bode und vereinzelten Teichen vorbei.
Hinter dem Fluss erstrecken sich grüne Weiden. Wussten Sie übrigens, dass bis in die 60er fast jeder Harzer eine Harzkuh im eigenen Harzhalt Haushalt hatte? Nicht nur wegen der Milch, sondern auch als Zugtier, quasi die biologisch abbaubare Alternative zur Lokomotive.

In Königshütte vermischen sich die Warme und Kalte Bode zur Wilden Bode a.k.a. einfach nur Bode. Der Zusammenfluss ist total zugewachsen, doch ein kleiner Pfad wird für die Wanderer zuverlässig freigemäht. Sofern man ihn denn findet.

Moment, wo kommt denn die Kalte Bode eigentlich her?
Die Kalte Bode ist quasi das ostdeutsche Gegenstück zur Warmen Westdeutschen Bode. Hm, jetzt wo ich darüber nachdenke, sogar die Namen passen irgendwie zur Mentalität der Menschen. Zumindest, wenn man Westdeutsche fragt. (Oder meine Eltern.)
Ihre Quelle ist ein Teich mit Steinen. Glaube ich zumindest, denn die Zweige der Tanne (linkes Bild, unten links) lassen kaum etwas davon erkennen. Direkt daneben verläuft ein DDR-Grenzkolonnenweg. Die Kalte Bode flieht vor den kalten Betonplatten in einer überraschend geraden Rinne aus Tannennadeln.

Am Rande von Sachsen-Anhalts höchstem Berg und Wandergebiet, dem Brocken, rauscht der junge Bach durch ein ebenso steiniges wie blättriges Tal.
Falls Sie sich die Tortour antun und auf den Brocken (oder nur bis Schierke) radeln wollen, dann ist dieses Tal zwischen Elend und Schierke ein echter Geheimtipp: Genauso steil, aber schattiger, stiller und schöner als die blöde Straße.

Ein Teil der Kalten Bode fällt am Königshütter Wasserfall nach unten. Dieser Wasserfall wurde zwar von Menschen geschaffen, aber anders als seine künstlichen Kollegen im Harz (etwa der Radauwasserfall) sollte er keine Touristen anlocken. Er war nur ein Nebenprodukt, als Bergarbeiter die Kalte Bode stauten und Wasserläufe veränderten. Hier fließt zwar nur ein schmales Bächlein, aber es fällt von einer zauberhaften grünen Klippe, und zwar ziemlich tief. Verglichen mit den Oberen und Unteren Bodefällen jedenfalls.


Und es geht direkt weiter mit menschlichen Eingriffen: Die vereinigte Bode wird zur Talsperre Königshütte angestaut, ein Stausee mit einer wunderbaren kleinen Asphaltstraße am Ufer.
Die Stempelstelle heißt aber nicht etwa Staumauer oder Talsperre Königshütte, sondern Trogfurter Brücke. Nanu? War diese Brücke so besonders, dass sie noch heute als bedeutender gilt als die heutige Staumauer?
Anscheinend schon. Im Jahr 916 lief ausgerechnet durch dieses stille Tal eine Handelsroute von Italien nach Skandinavien. Keine Ahnung, wieso die sich ausgerechnet mitten durch den Harz geschleppt haben - ging das wirklich schneller als außen ums Gebirge? Es gab zwar extra Burgen im Bodetal, um die Route zu sichern, aber keine Brücke: Die Händler sind durch die Bode gefurtet. Als dann 1740 doch eine Steinbrücke entstand, muss die auch wichtig gewesen sein - jedenfalls wichtig genug, dass die SS sie 205 Jahre später gesprengt hat. Und auch in der Sowjetzeit entstand direkt ein Nachfolger aus Holz und Stahlbeton, damit das frisch gefällte Harzholz abtransportiert werden kann.

So. In Susenburg müsste ich der Straße quer über einen steilen Hügel folgen. Ich dachte mir, das kann ch umgehen, und wählte einen wilden Waldweg. Der war schön flach und ganz in Ordnung.
Nur an einer Stelle war plötzlich die Bode im Weg, und keine Spur von der Brücke, die die Karte versprochen hatte. Da musste ich es den italienisch-skandinavischen Kaufleuten gleichtun und durch die Bode furten. Auch wenn sie noch so eifrig um die Steine sprudelt und ein kleines Wehr runterfällt: Die Strömung war ziemlich harmlos, das Wasser flach und klar. Es schimmerte die ganze Zeit in einem bräunlichen Ton, aber der kam nicht vom Wasser selbst, sondern direkt vom Grund hinauf.

Nach ein paar fernen Steinbrüchen und Straßenkilometern bin ich dann auch schon in Rübeland angekommen. Das unauffällige Örtchen hat einiges springen lassen, um Besucher anzulocken. Der drittgrößte Anziehungspunkt: Rund um die Herzklippe schlingt sich eine Brücke aus Stahlbeton, auf der man das Wasser beobachten kann. (Nicht im Bild: Die Hauptstraße direkt hinter dem dicken Felsbrocken.) Eine Menge Leute starrten gebannt ins braune Wasser. Was sahen sie da nur? Ich schaute hinein. Es war immer noch klar, aber Fische oder dergleichen konnte ich nicht finden. Nur ein paar wellige Wasserpflanzen, die ihre Frisuren in der Strömung wehen ließen.

Der zweitgrößte Anziehungspunkt von Rübeland sind zwei Tropfsteinhöhlen, die Hermanns- und die Baumannshöhle, die irgendwie abwechselnd geöffnet sind. Die Baumannshöhle versteckt sich hinter einem grauen Eingangshaus, während die Hermannshöhle ganz stolz ihren offenen Rachen präsentiert. Davor verteilte die Polizei eifrig Knöllchen.
Und was am anderen Bildrand auch zu sehen ist: Rübeland hat einen Bahnhof. Nanu? Noch eine Schmalspurbahn, von der ich nichts weiß?

Jein. Hier kommt die Rübelandbahn zurück ins Bodetal, und ab hier fahren tatsächlich noch Züge. Aber nur Güterzüge und Museumsbahnen an ausgewählten Tagen. Eigentlich hatte die DDR die Strecke schon elektrifiziert, um den Kalk aus den Steinbrüchen wegzubringen. Die Museumsbahn hat sich trotzdem Dampfloks angeschafft, denn die ziehen einfach mehr Touris an.
Ich habe die Rübelandbahn nur als Modell im Bahnhof Wernigerode gesehen. Passenderweise ist sie dort der einzige Zug, der sich überhaupt nicht bewegt.

So, jetzt ließ es sich wirklich nicht mehr vermeiden: Ich musste das Tal verlassen und die steile Straße hoch. Wäre ich direkt am Fluss weitergefahren, hätte es mich in eine Sackgasse verschlagen, wo nur noch ganz enge Wanderwege weitergehen.
Wenn ich da oben ankomme, werde ich den größten Anziehungspunkt von Rübeland sehen. Und die Bode wird eine andere sein.

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