Hase-Tag III: Querverbindung zur Ems
Die Verkehrze - Aarlles klar! - Feuchtwaldrasen - Welchen Einfluss die Mittelgebirgsschwelle auf Verkehrsinfrastruktur hat - Okay, dieselbe Bombardierung nochmal, und los - Die Kanalternative und ihr feuchtes Dreieck
Diese kurze Querverbindung misst gerade mal 55 Kilometer und vervollständigt die Radroute namens Hase-Ems-Tour. Los geht es sehr vielversprechend. Die Katharinenstraße in Osnabrück ist eine Fahrradstraße und brachte mich zu einem hübschen Waldweg. Nicht ganz so vielversprechend sah der Himmel aus.
Beide Versprechen stellten sich als korrekt heraus.
Etwas umständlicher geht es dann im Zickzackkurs an Straßen und Feldern entlang... ach nee, in die andere Richtung soll ich der Hauptstraße folgen. In der Mitte des Kreisverkehrs brennt eine Kerze im Glas.
Ich durchquerte flott Lotte, wo die stillen Straßen verschönert werden von Blumenbeeten und einem, äh, Insektenhotel? Nee, nur ein Ständer mit Blumen- und Insektenfotos.
In der Ferne ragen die letzten Hügel auf. Hier, an der Schwelle zum Mittelgebirgsland, huscht der ganze Verkehr schnell, solange es noch flach ist, von Stadt zu Stadt, über die Grenze von Niedersachsen nach NRW, auf Straßen, Gleisen und zu Wasser. Zu den Wasserstraßen komme ich erst später, und die Autobahn in der Ferne bekomme ich kaum zu sehen. Sie signalisiert mir ihre Anwesenheit durch strahlende Ms, und natürlich, indem sie während der kompletten Tour mal mehr, mal weniger dezent in meinen Ohren rauscht.
Die Gleise dagegen sah ich andauernd, und ich muss auch andauernd auf die andere Seite rüber. Na toll, jetzt sind die Schranken unten, und weit und breit kein Zug zu sehen. Macht sich um die Zeit überhaupt jemand die Mühe, die Schranke für einen einzelnen Radler hochzuklappen? Nach ein paar Minuten tauchte dann doch auf der anderen Seite ein Spaziergänger auf und kurz darauf, als hätte es der Spaziergänger geahnt, raste endlich der Zug vorbei.
Doch dann geriet ich in den Dunstkreis einer recht fahrradfreundlichen Stadt, und mit feuchtem Schein begrüßten mich Straßenlaterne um Straßenlaterne auf einem schnurgeraden Radweg in die NRW-Stadt Ibbenbühren. Das graubraune Gestein der Innenstadt sieht eigentlich recht historisch aus, aber sonderlich viel von historischer Bedeutung ist hier offenbar nicht passiert, außer ein bisschen Bergbau in den Hügeln über der Stadt.
Ibbenbühren ist reich an Parks und gepflegtem Grünzeug, und mittendrin erstreckt sich der langgezogene Aasee. Falls Ihnen das immer noch zu wenig Vokale zum Baden sind, können Sie auch direkt daneben im Aaseebad schwimmen. Dieses Schwimmbad hat zwei Besonderheiten:
1. Es landet auf Platz eins aller Thermen und Schwimmbäder in Deutschland. Zumindest, wenn man sie alphabetisch sortiert.
2. Man darf bei den Öffnungszeiten wirklich bis zum Schluss bleiben und muss erst dann in Richtung Umkleiden gehen. Endlich mal keine Durchsage a la "Liebe Gäste, wir schließen in 30 Minuten, also hauen Sie gefälligst jetzt schon ab."
Aus dem Aasee kommt die Aa. Dieses Flüsschen landet auf Platz 1 aller deutschen Fließgewässer. Zumindest, wenn man sie alphabetisch sortiert. Der Radweg aus Ibbenbühren heraus läuft direkt neben dem Wasser, das mich sehr an die junge Ems erinnert. Meistens ist die Ibbenbührer Aa völlig ruhig, manchmal aber rauscht sie auf einmal lautstark durch eine Stromschnelle, die so wahrscheinlich nicht natürlichen Ursprungs ist.
Die Hase-Ems-Tour schickt mich als nächstes durch Hörstel. Dieses Örtchen hat mit der Hörsteler Aa seinen eigenes Flüsschen, der Radweg hält sich aber eher bei der Ibbenbührer Aa. Hörstel scheint jedoch nicht so interessant zu sein, also wende ich mich lieber einem größeren Gewässer zu. Eines, dem ich inzwischen schon an vielen Orten in ganz Norddeutschland begegnet bin: Der Mittellandkanal.
Die graue Wasserautobahn unterbricht den Radweg, und ich biege direkt ab zu ihrem Ufer.
Ein Ufer, das im zweiten Weltkrieg ein beliebtes Ziel war: Eine wichtige Schiffahrtsroute und direkt daneben auch noch ein Eisenhüttenwerk. Britische Magnesiumbomben durchlöcherten den Kanal, und Kriegsgefangene und Dienstverpflichtete bauten ihn in zwei Monaten ruckzuck wieder auf, woraufhin die Briten nochmal genau dasselbe machten und Deutschland ihn wieder aufbaute, worauf die Briten... und das alles, während sich die anderen Anwohner im Luftschutzkeller versteckten und hofften, dass der Irrsinn bald vorbei war. Damit er nicht wiederkommt, hat die Rentnergruppe Gravenhorst Bunker- und Bombenstücke zu einer Gedenkstätte aufgestellt.
Der kaputte Kriegskanal sah hinterher aus, als hätten ihn riesige Termiten angeknabbert - eine Band, an den Seiten abgenagt, umgeben von krümeligen Wasserpfützen. Zumindest wirkte es so auf dem verwaschenen Satellitenfoto der Gedenkstätte. Verwaschen im doppelten Sinne, denn ein Geschwader Regentropfen verschlechterte zusätzlich die Bildqualität.
Kurz darauf muss ich ans andere Ufer wechseln, denn der Kanal ist auch schon zu Ende.
2009 habe ich am Wasserstraßenkreuz Magdeburg seinen Anfang gesehen, und gerade einmal 11 Jahre später begegne ich hier seinem Ende - da sind die Schiff wahrscheinlich deutlich schneller unterwegs. Es ist keine so ausgeklügelte Wasserkreuzung wie bei Magdeburg, das verrät schon der simple Name: Nasses Dreieck.
Der Mittellandkanal (von links) trifft auf den Dortmund-Ems-Kanal (rechts). Zwei Wasserstraßen bilden eine T-Kreuzung, obendrüber die eine oder andere Metallbrücke. Viel komplizierte ist es nicht.
Nasses Dreieck passt wirklich perfekt. Nicht nur die Wasserstraßen von allen Seiten sind nass, auch von oben tropft es auf mich herunter und von unten spritzen die schlammigen Pfützen herauf. Ich hätte vielleicht doch keine Sandalen anziehen sollen, teilen mir meine nassen Füße mit. Wie übel mein Rucksack wirklich bespritzt ist, erkenne ich jedoch erst später im Zug, als es zu spät ist. Jedenfalls für den Sitzplatz neben mir.
Ein paar private Anwohner haben ihren Vorgarten für Radfahrer zum Rasten freigegeben. Sogar mit Regenschutz! Echt nett von euch, aber ich möchte jetzt doch lieber einfach zu Ende fahren und ins Warme.
Und es ist ja auch nicht mehr weit: Nur noch paar Kilometer am Dortmund-Ems-Kanal in Richtung Norden, und dann noch ein Stückchen am straßenbegleitenden Radweg bis Rheine. Wer den Kanal partout nicht verlassen möchte, kann ihm natürlich auch bis Lingen und Meppen folgen.
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