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Harz: Von Netzkater in den Rabensteiner Stollen

05 Juni 2024

Saale: Von Calbe nach Barby

 Saalegeprahle V: Die Flachsaale


An der Saale grünem Deiche
liegen Felder hell aus Gold.
Ihre Halme sind gemähet,
neue bereits ausgesähet.
Hier ist Platz, soviel ihr wollt! 

Das ist Calbe. In ihrem Wappen hat die Stadt ein Kalb, und ich glaube, jetzt weiß ich, woher der Name kommt. Die Spezialitäten von Calbe sind: Industriekonserven für Sauergemüse, Zwiebeln, Schaffwolle fürs Militär. Vor der Industrialisierung kassierten sie einfach bei den Durchreisenden von Leipzig nach Magdeburg, zumindest bis die Straße nach Bernburg verlegt wurde. Klingt nach einer eher pragmatischen Stadt, und so sieht Calbe auch aus.
Aber trotzdem waren sie gut Freund mit den Mageburger Erzbischöfen, weil die ihnen das Marktrecht gegeben hatten. Entsprechend blieben die Calber eher abergläubisch, machten engagiert bei Hexenverbrennung und Reichsprogramnacht mit und brachten Zeichen auf ihren Häusern an, um sich von den 10 Prozent Reformierten abzugrenzen.


Kein Wunder, dass sich die Bischöfe bei diesen Händlern wohlfühlten. Auf der Insel direkt nebenan bauten sie ihr Sommerhaus, das Kloster Gottesgnaden. Wer da langfahren will, muss aber genau nachschauen, ob die Fähren fahren (manchmal nur von 8 bis 12 Uhr, fast wie bei einer Behörde). Das Ende der Saale ist ein bisschen vertrackt, je nach gewählter Route braucht man ein bis zwei Fähren.
Aber ich bin morgens und abends rund um Calbe gefahren, als noch gar keine Fähre fuhr, und darum komplett am linken Ufer geblieben.

War auch total schön da, lauter Parks, und es ist sogar etwas kürzer - keine Ahnung, warum man sich den Kopf wegen der Fähren zerbrechen soll.
Die andere Vertracktheit der Saalemündung kann ich nicht so leicht umgehen: Bahnhofsmangel. Der letzte Bahnhof heißt Calbe-Ost. Das klingt nach dem hinterletzten Kaffbahnhof, und diese abgerissene Bahnbrücke verheißt auch nichts Gutes, oder? Tatsächlich kommt man überraschend schnell nach Halle und von da aus überallhin weiter - viel schneller als in Nien- oder Bernburg. Nur muss man dafür halt von der Mündung nochmal dieselben 11 Kilometer zurückradeln. Die Karte schlägt vor, stattdessen gleich die 46 Kilometer nach Magdeburg durchzufahren.
Das hier war die erste länderübergreifende Bahnstrecke Deutschlands (zwischen Preußen und Köthen-Anhalt). Der Ostbahnhof ist noch heute drei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, weil ein Graf damals dieses gefährliche Teufelsfahrzeug nicht auf seinen Ländereien haben wollte.

An der letzten dreieckigen Schutzhütte war der Weg gesperrt, aber die einzige erkennbare Komplikation bestand darin, dass der Kies ein bisschen heller war.

Die untere Saale in ihrer vollkommenen Flachheit ist zwar nicht gerade der beste Sonnenschutz, aber ihre gelben Felder sind auch ein schöner Anblick. Woran erkennt man die Nähe zur Elbe? An den Deichen natürlich, für den Fall, dass die Elbe ein bisschen zu nah heranwill an die Saaledörfer.

Die letzte Saalestadt heißt (zur Freude vieler Kinder) Barby und hat (zur Enttäuschung aller Kinofans) keine Städtepartnerschaft mit Oppenheim am Rhein und (zur Enttäuschung aller Bahnreisenden) nicht mal einen Bahnhof.
Obwohl der Name eigentlich (leider nicht ganz unpassend) am kahlen Bogen bedeutet, steht hier trotzdem ein Museum voller Barbiepuppen, man muss sich halt an die Erwartungen anpassen.

Dazu passen auch irgendwie zwei Türmchen namens Barbie und Ken Prinzesschen und Prinz an der überraschend hübschen Außenseite der Stadt.
Als die Grafen von Barbie ausgestorben sind, hatte das komischerweise die Folge, dass die Stadt ein prächtigeres Schloss bekam - der nächsthöhere Graf legte wohl mehr Wert auf barocken Pomp. Als auch er kein Interesse mehr daran hatte, pachtete die Herrenhuter Brüdergemeinde den Bau und machte eine Akademie draus. In den nächsten Jahrhunderten wurde darin folgendes gelagert: Bücher, Getreide, verwundete Soldaten, Lehrer, Schüler, Vertriebene, das Grundbuch von Barby.

Nun fuhr ich schon neben der Elbe her, denn ich näherte mich der Mündung aus einer ganz anderen Richtung. Man sollte meinen, wenn alles flach ist, können die Wege viel direkter aufs Ziel zuführen, aber das Gegenteil ist der Fall: Weil die Saale so weite Schleifen dreht und die Gegend eh so dünn besiedelt ist, wird die Radroute immer zickzackiger.
Dieses an den Baum genagelte Rad weist mich nun endlich zum letzten Zack.
Kurz vor dem Ende pendelt eine Elbfähre nach Walternienburg.

Dann erschien die Spitze dieser zwei großen Flüsse hinter dem Deich. Ein kleines blaues Schifffahrtszeichen markiert die Stelle, an der die Elbe ihren zweitgrößten Nebenfluss aufnimmt. Ein schöner Blick, sogar die Auenwälder der Saale sind hier besser zu erkennen. Aber ich fuhr lieber noch ein bisschen näher ran.
Die Stelle heißt Saalhorn und verrät damit schon, was hier außer Bier und Korn noch gelagert wurde. (Salz. Haben Sie etwa nicht aufgepasst?) Für die Elbe brauchte es größere Schiffe, also musste hier alles umgeladen werden. Der König hatte die Saaleschiffer aus irgendeinem Grund besonders lieb, sie durften sich Matrosen nennen und ihren Schiffen offizielle Namen geben. Die Elbschiffer waren eifersüchtig, und so war das Saalhorn ein Ort vieler Schlägereien zwischen den Flüssen. Was versöhnte die Feinde am Ende? Natürlich ein gemeinsamer Feind, die einmarschierenden Franzosen.

Dafür, dass die Mündung direkt da drüben war, schien sie mir ganz schön versteckt. Der Deich hatte sich zwar zu einem Grünstreifen abgesenkt, aber die Gräser und Hecken gaben ihr bestes, damit ich kein Foto aus direkter Nähe schießen konnte.
Der Radweg endet an einer Wendeschleife aus Betonplatten. Obwohl diese Ecke so versteckt ist, merkt man doch, dass hier öfter Reisende vorbeikommen - ein Rastplatz, Infotafeln und eine intakte Stempelstelle markieren das Ende vom Fluss, der einfach alles haben will - auf den letzten Drücker sogar noch sachsen-anhaltisches Ödland und Elb-Deichland.

Und der Radler zieht von dannen,
denn die Trennungsstunde ruft.
Und er dichtet Abschiedslieder,
Lebewohl tönt ihm hernieder.
Gräser wehen in der Luft.

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