Vechteführung Tag 1: Niederlande (Provinz Overijssel)
Wir begrüßen Sie ganz herzlich auf dem konstwegen, dem größten offenen Museum Europas am internationalen Fluss Vechte. Dieser endet auf der Altstadtinsel der Hansestadt Zwolle in den Niederlanden. In Wahrheit ist Zwolle jedoch besser als Startpunkt geeignet, da wir uns nicht gegen den niederländischen Wind wenden wollen. Die Handelsstadt ist über Grachten mit den Flüssen verbunden, die Schiffe der Vechte wurden traditionell in der Thorbeckegracht (links) entladen. Doch mindestens ebenso sehr ist Zwolle eine Stadt der Künste. Die Kunst Route Zwolle verbindet die Stadt durch ein Metallband, das einem Fluss ähnlich über die Bürgersteige fließt.
Ihren Kirchturm nennen die Zwoller liebervoll peperbus (Pfefferstreuer), was mehr Selbstironie als andere niederländische Städte offenbart, denn die Kirchtürme sehen in den meisten Städten wie Pfefferstreuer aus.
Vor dem Gebäude sehen wir die Skulptur Nummer 16 der Kunst Route Zwolle. Arne Quinze modellierte ein dunkles, wogendes Band aus Löchern, dem Obskurial aus Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind nicht ganz unähnlich. Oder dem, was aus Ihrem Biomüll wird, wenn Sie ihn sehr, sehr lange liegen lassen.
Selbst in den schmalen Gassen kann dem ahnungslosen Besucher plötzlich die Kunst von Zwolle auflauern. Zu diesem Gemälde ist kein Titel angegeben, doch handelt es sich unverkennbar um Die Apokalypse aus Umbrella Academy Staffel 1.
Der eigentliche konstwegen hat es nicht leicht, sich bei solcher Konkurrenz zu behaupten. Wie in den meisten großen Städten an der Vechte platziert er mehrere kleinere konstwegen stationen in der Stadt. Zu diesen gehört der Gläserne Engel von Herman Lamers, welcher auf dem Marktplatz über alle Werke der Stadt zu wachen scheint. Der geflügelte Mann besteht aus dutzenden und aberdutzenden dicken Glasschichten, die ihn nicht durchsichtig, sondern türkisfarben erscheinen lassen. Wer sagt, dass Glas immer für Zerbrechlichkeit stehen muss? Hier strahlt es vielmehr Stabilität und Beständigkeit aus.
Die Sprühdose kommt erneut zum Einsatz in der E232-Brücke. Eine extra für den zweispurigen Radweg verbreiterte Unterführung, diese Verbundenheit zum Zweirad spiegelt sich selbstverständlich auch im höchst detaillierten Wandgemälde wider, doch noch mehr die von Klappbrücken und Wasser zerteilte Umgebung der Stadt.
Doch wo ist nun der Fluss, dem der konstwegen folgt? Schwer zu finden. Eine großflächige Installation der Zwoller Stadtverwaltung namens omleiding hält uns davon ab, ihm unmittelbar auf dem Deichradweg im Bogen um Zwolle herum zu folgen. omleiding - nicht ohne Grund steckt darin das Wort Leid. Die ständig wiederkehrenden gelben Pfeile und Bauzäune verlangen dem Zuschauer das Äußerste an Frustration ab, sobald ihm allmählich klar wird, dass er einen recht großen Teil der guten heutigen Strecke versäumt.
Die Vechte endet nordöstlich von Zwolle, wo sie sich in zwei Arme teilt (rechts am Horizont). Der linke fließt direkt an der Stadt vorbei, versorgt ihre Grachten mit Wasser und mündet südlich der Stadt in die Ijssel (links). Diese Mündung ist noch ganz gut zu erreichen. Der große Arm aber nimmt im Nordosten über das Zwarte Meer den direkten Weg ins Ijsselmeer, und dort gibt es, sehr ungewöhnlich für die Niederlande, gar keine Radroute. Dementsprechend wirken diese beiden Fotografien der Vechtemündung eher verloren in der weiten grünen Ebene, als wüsste der Künstler selbst nicht, was wohin fließt.
Nachdenklich stimmt das schlichte steinerne Oorlogsmonument. Es gedenkt der "slachtoffer", welche sich am 13. Oktober 1944 in der "schietbaan" befanden. Die niederländische Sprache macht es nicht unbedingt leichter, ihren Tod mit dem gebührenden Ernst zu würdigen.
Außerhalb der großen Städte besteht der konstwegen aus weniger, dafür aber größeren Skulpturen, welche häufig, auch thematisch, eng mit der umgebenden Landschaft verflochten sind. Da wir nun den frustrierenden Bogen um Zwolle verlassen haben und auf den Deich einbiegen, können wir uns endlich ihnen zuwenden.
Doch Moment? Wo ist hier die Vechte? Und wo sind die Kunstwerke? Kann es etwa sein, dass der konstwegen seine einzige Staatsgrenze derart sang- und klanglos überquert? Nein, irgendwo müssen sich Fluss und Kunst verstecken. Doch um sie zu erreichen, braucht es großer Mühe - dagegen sind die Schafe am zwekende kei gar nichts. In der hintersten Ecke der Dorfstraße im deutschen Laar beginnt ein nicht enden wollender, aber kaum erkennbarer Pfad über den Deich. Das hohe, klatschnasse Gras durchweicht nach wenigen Metern jeden Schuh und Strumpf restlos. Ohne Zweifel wollten die Künstler mit dieser Standortwahl zeigen, dass Kunst anstrengend sein kann und muss. Es ist faszinierend, wie die Künstler diesen Effekt vorausgeplant haben, um ihre Naturverbundenheit zu demonstrieren. Doch so muss es sein, denn eine vernünftige Erklärung für diesen Unfug gibt es nicht. Die Schuhe quietschen und quatschen, als würden alle Vögel und Amphibien in den Hecken einen Heidenlärm veranstalten.
Erst ganz am Ende erwartet uns das Vechteufer, und dort, in einem eingezäunten Quadrat, welches das Vieh fernhalten soll, wortlos von Ilya und Emilia Kabakov. Aus Edelstahldraht konstruierten sie zwei Liebende, die durch einen Fluss und eine Staatsgrenze getrennt werden. Da die Grenze aber nicht auf dem Fluss verläuft, sondern ihn nur kreuzt, müssen sich die Figuren leicht versetzt, diagonal gegenüberstehen. Das macht die Wortlosigkeit ihres Dialogs nur noch glaubwürdiger: Auf diese Entfernung könnte man tatsächlich nur noch durch Brüllen kommunizieren.
Direkt gegenüber verspricht die Herman Brood Experience ein weniger ernstes Kunsterlebnis. Der Rockmusiker Herman Brood wurde 1946 in Zwolle geboren. Die Auftritte seiner Band verschafften ihm das nötige Interesse an seiner Kunst, und so war er stets motiviert, sich auch mit Pinsel und Sprühdose kreativ auszuleben. Zeichnungen wie pals ik jau niek zeigen, dass es nicht immer eine zutiefst gequälte Künstlerseele sein muss - Brood beschäftigte sich lieber mit Entspannung, Cowboys, Indianern und Liebesbezeugungen. Offenbar bevorzugt er Menschen mit gelber Haut, die möglichst viel davon zeigen. Theorien, wonach er deshalb unter Gelbsucht litt, erscheinen jedoch übertrieben - nicht jeder Rockmusiker muss schließlich süchtig sein.
Die Sprühdose kommt erneut zum Einsatz in der E232-Brücke. Eine extra für den zweispurigen Radweg verbreiterte Unterführung, diese Verbundenheit zum Zweirad spiegelt sich selbstverständlich auch im höchst detaillierten Wandgemälde wider, doch noch mehr die von Klappbrücken und Wasser zerteilte Umgebung der Stadt.
Ein Beispiel moderner niederländischer Architektur liefert das Deltion College. Trotz gläserner Brücken und Türme bleibt es jedoch der niederländischen Tradition verhaftet, indem ein grünlicher Wassergraben das Gebäude umschließt.
Doch wo ist nun der Fluss, dem der konstwegen folgt? Schwer zu finden. Eine großflächige Installation der Zwoller Stadtverwaltung namens omleiding hält uns davon ab, ihm unmittelbar auf dem Deichradweg im Bogen um Zwolle herum zu folgen. omleiding - nicht ohne Grund steckt darin das Wort Leid. Die ständig wiederkehrenden gelben Pfeile und Bauzäune verlangen dem Zuschauer das Äußerste an Frustration ab, sobald ihm allmählich klar wird, dass er einen recht großen Teil der guten heutigen Strecke versäumt.
Die Vechte endet nordöstlich von Zwolle, wo sie sich in zwei Arme teilt (rechts am Horizont). Der linke fließt direkt an der Stadt vorbei, versorgt ihre Grachten mit Wasser und mündet südlich der Stadt in die Ijssel (links). Diese Mündung ist noch ganz gut zu erreichen. Der große Arm aber nimmt im Nordosten über das Zwarte Meer den direkten Weg ins Ijsselmeer, und dort gibt es, sehr ungewöhnlich für die Niederlande, gar keine Radroute. Dementsprechend wirken diese beiden Fotografien der Vechtemündung eher verloren in der weiten grünen Ebene, als wüsste der Künstler selbst nicht, was wohin fließt.
Als Bilderrätsel gedeutet werden sollen de zieleschepen von Cornelius Rogge. Und in der Tat geben die Seelenschiffe aus Stahl einige Fragen auf: Warum sieht der Stahl aus wie abgenutzter Kunststoff, und die Seelenschiffe wie einfache Motorboote, die in einem Altarm der Vechte ihren kleinen Hafen haben? Reisen Niederländer derart bescheiden ins Totenreich? Oder sind es gar nicht die echten zieleschepen?
Kein Zweifel dagegen besteht, dass es sich bei dieser Figur vor dem Bahnhof Dalfsen um die zwekende kei handelt. Bas Maters ist es gelungen, einen Findling in Form einer gewaltigen Muschel auf der Spitze einer kannelierten Säule zu balancieren, die ihrerseits schief steht. Das Ergebnis lässt zweifellos auch den einen oder anderen Kopf schief stehen. Diese Infragestellung der Naturgesetze könnte an einem anderen Ort sicher surreal wirken, doch befindet sie sich an einem der gewöhnlichsten Plätze, den man sich nur vorstellen kann: Einer Schafweide. Und so machen die zwekende kei dennoch einen seltsam normalen Eindruck.
Die Schafe nutzen den Schatten auf der Spitze und blöken und blockieren jede, der durch die Viehsperre auf ihren Hügel tritt und ihrem angestammten Platz zu nahe kommt. Wer sagt schließlich, dass Kunst nur für Menschen da ist?
Der Aussichtsturm Vechtetal eröffnet einen weiten Blick zur an dieser Stelle ein wenig weiter entfernten Vechte. Die metallene Treppe ist von hölzernen Stäben umgeben, die dem Bauwerk von innen den Eindruck eines wohlwollenden Zookäfigs verleihen. Mensch und Natur - wer muss hier wirklich vor wem geschützt werden?
Der Aussichtsturm Vechtetal eröffnet einen weiten Blick zur an dieser Stelle ein wenig weiter entfernten Vechte. Die metallene Treppe ist von hölzernen Stäben umgeben, die dem Bauwerk von innen den Eindruck eines wohlwollenden Zookäfigs verleihen. Mensch und Natur - wer muss hier wirklich vor wem geschützt werden?
Für Fragen sorgt sicher auch die mysteriöse, in Metall eingestanzte Landkarte der Vechte, welche die Komplexitäten der Mündung völlig unterschlägt. Zwolle und Dalfsen sind noch ganz normal eingestanzt - doch dann folgen mysteriöse Namen wie nemmO, raaL und frodttühcS. Diese Orte, die erst noch kommen, sind rückwärts aufgedruckt, als wären sie Spielkarten, die erst noch aufgedeckt werden müssen. Blickt man von der anderen Richtung auf die Metallplatte, ist es entsprechend andersherum.
Auf einer Insel zwischen zwei Wehren finden sich die Bänke der Wasserbehörden oder Waterschapsbanken. Sieben Künstler sollten Bänke modellieren aus dem Bentheimer Sandstein, der über die Vechte transportiert wurde. Jacomijn Schellevis legte den Begriff der Bank etwas freier aus und modellierte zwei Throne, um den Blick über die Vechte königlich zu genießen. Dabei nehmen die Baumreihen links und rechts die Gestalt eines Thronsaals an - die niederländische Monarchie scheint die Kunst bis heute zu beeinflussen. Der Sandstein befindet sich ausschließlich in der Sitzfläche, die damit paradoxerweise zum härtesten Teil des Stuhls wird - ein Querverweis auf den Eisernen Thron? In die hölzernen Lehnen sind typische Fischarten der Vechte eingeritzt. Ein Stuhl, welcher der niederländischen Queen würdig wäre.
Schwerer zu entschlüsseln ist dieses Objekt mit dem Titel STOP Alleen toegang, von dem gleich mehrere Exemplare an der Vechte stehen. Eine Kurbelfähre? Nein, sie fährt elektrisch. Doch man darf sie nicht allein bedienen? Warum steht dann das Tor offen, und warum ist niemand hier, mitten an einem herrlich warmen Wochenendtag?
In Ommen verströmt die Mühle De Konijnenbelt aus dem Jahre 1806 klassisch niederländischen Charme. In ihr wurde ganz gewöhnliches Korn gemahlen, und so ist es nur passend, dass sie restauriert am Wegesrand steht wie der Archetyp einer Mühle schlechthin.
In Ommen selbst stehen erneut mehrere konstwegen stationen, unmittelbar am Vechteufer zum Beispiel De Wulp. Das Konstrukt erinnert an eine Kreuzung aus einem Menschen, Vogel und hölzernen Raclette-Schaber, womit es Sehnsüchte nach Freiheit und geschmolzenem Käse weckt.
Nach einem von hölzernen Booten gesäumten Hügel, der eine Grabstätte nachzuahmen scheint, erreichen wir eine Skulptur aus Roststahl mit der Aufschrift als ik de Vecht zie stromen voel ik een golf rust.
Auf einer Insel zwischen zwei Wehren finden sich die Bänke der Wasserbehörden oder Waterschapsbanken. Sieben Künstler sollten Bänke modellieren aus dem Bentheimer Sandstein, der über die Vechte transportiert wurde. Jacomijn Schellevis legte den Begriff der Bank etwas freier aus und modellierte zwei Throne, um den Blick über die Vechte königlich zu genießen. Dabei nehmen die Baumreihen links und rechts die Gestalt eines Thronsaals an - die niederländische Monarchie scheint die Kunst bis heute zu beeinflussen. Der Sandstein befindet sich ausschließlich in der Sitzfläche, die damit paradoxerweise zum härtesten Teil des Stuhls wird - ein Querverweis auf den Eisernen Thron? In die hölzernen Lehnen sind typische Fischarten der Vechte eingeritzt. Ein Stuhl, welcher der niederländischen Queen würdig wäre.
Als offensichtliche Parodie darauf findet sich viele Kilometer entfernt diese Installation zweier gewöhnlicher Stühle im Grünen. Das Erleben der Natur wird hier bescheidener und bürgerlicher, möglicherweise verbirgt sich hier Kritik monarchistischen Denken.
Doch Künstler wären nicht Künstler, würden sie nicht auch solch ein Urgestein umdeuten und abändern, etwa in Form einer kleinen Metallmühle, die mit ihrem dünnen Mittelteil eher an den Wilden Westen erinnert und verloren am Fluss herumsteht.
Der Höhepunkt von Ommen wartet jedoch hinter der Stadt, wo wir nun in einen dicht bewachsenen Wald voller violetter Trompetenpflanzen eindringen.
Dieses Gemälde taucht die Sahara Ommen durch besondere farbliche Kontrastierung von hellem und dunklem Sand in ein besonderes Licht. Exotischer scheint sie so zwar nicht unbedingt, aber warum auch? Vielleicht muss ja gar nicht die Sahara Ommen die afrikanischen Sahara nachahmen, sondern umgekehrt. Der einsame, windschiefe Nadelbaum bringt einen Bewegungsimpuls in das Bild, als fühle er sich zutiefst verlassen wie der letzte, halb verdurstete Baum im weiten Umkreis - obwohl seine Artgenossen nur wenige Meter entfernt sind.
Die Sandfläche entstand, als Schafe die Pflanzen abweideten und das Heidekraut umgepflügt wurde - sehr gründlich, denn von der Heide ist überhaupt nichts mehr zu sehen. Der Sand lag nun offen, und der Wind türmte ihn zu Wanderdünen auf. Um seine Ausbreitung zu stoppen, forstete man die Dünen mit Nadelbäumen auf. Inzwischen versucht die Forstverwaltung, sie mit Laubbäumen aufzulockern, und die letzten verbliebenen Flugsandflächen zu erhalten.
Als ich die Vechte fließen sehe, spüre ich eine Welle des Friedens. Eine verständliche, doch recht naheliegende Reaktion.
Rostige Platten scheinen im Allgemeinen der erstbeste Reflex eines Künstlers zu sein, der eine Freilichtgalerie an einem Radweg ausstatten soll (man denke hier nur an die Werra), als hätten sie sich bereits mit dem langsamen Verfall ihres Werkes durch die Elemente abgefunden und würden diesen vorwegnehmen. Hier ist die gebogene Platte besonders simpel geraten: Neben dem Text wurden nur einige Kreise eingestanzt. Die Erklärung des Werkes lässt sich nicht lesen, weil die Glasplatte völlig gesplittert ist - wollte der Künstler damit von Anfang an seine Einfallslosigkeit kaschieren? Oder muss das Ganze womöglich als meta-ironische Darstellung von Kunst an Radwegen gelesen werden?
Waarschuwing ist der Titel eines Holzschildes, das vor den Toren von Hardenberg alle Radler und Spaziergänger warnt, einen Abstand von 25 Metern zu gefährlichen, gehörnten Bullen einzuhalten. Versteckte Polizeikritik womöglich? Oder Kritik an übertriebener Polizeikritik? Denn die sanften Kühe entlang der Strecke stellen sich in Wahrheit als völlig harmlos heraus.
In Hardenberg erinnert eine Statue von Geke Dijhuis an Aaltje Kraak. Was hat diese Frau, die so bescheiden und sittsam auf ihrem Sockel steht, geleistet, dass man sie noch heute ehrt?
Sie hat am 7. Mai 1708 den größten Stadtbrand verursacht und die meisten Gebäude vernichtet, welche durch den Zusammenhalt der Bürger jedoch schnell wieder aufgebaut wurden. Eine ungewöhnliche Form der Gedenkkultur.
Völlige Verkehrsverwirrung verschafft dieser Platz hinter Hardenberg, eine Art Fahrrad-Kreuzung voller Parkbuchten für Autos. Ein unbekannter, künstlerisch begabter Asphaltierer wollte hier jegliche Konvention zupflastern.
Neben einem Bahngleis und der Kreuzung von Almelo-Vecht-Kanal, Almelo-De-Haandrik-Kanal und Vechte findet sich dann noch die konstwegen stationen de haandrik. Ebenso wie die Kanalkreuzung wurde sie nach dem benachbarten, winzigen Dorf benannt. Das Objekt selbst erinnert an ein Radioteloskop mit Minderwertigkeitskomplex und deutet womöglich darauf hin, dass diese Wasserstraßenkreuzung ja nun so wichtig auch wieder nicht ist.
Völlige Verkehrsverwirrung verschafft dieser Platz hinter Hardenberg, eine Art Fahrrad-Kreuzung voller Parkbuchten für Autos. Ein unbekannter, künstlerisch begabter Asphaltierer wollte hier jegliche Konvention zupflastern.
Für die Unwichtigkeit dieser Wasserläufe spricht auch, dass die niederländische Vechte erst 1958 richtig begradigt und befestigt wurde - deutlich später als auf deutscher Seite, obwohl die deutsche Vechte schmaler ist und die Niederlande das Hochwasserschutz-Land schlechthin sind.
Das Werk gehört zu Gramsbergen, der letzten niederländischen Ortschaft, die architektonisch durch seine schlingpflanzenüberwachsenen Backsteinwände überzeugt.
Hinter Gramsbergen und der Kanalkreuzung lösen sich die roten, niederländischen Fahrradstreifen auf und die Allee überquert die Grenze.
Doch Moment? Wo ist hier die Vechte? Und wo sind die Kunstwerke? Kann es etwa sein, dass der konstwegen seine einzige Staatsgrenze derart sang- und klanglos überquert? Nein, irgendwo müssen sich Fluss und Kunst verstecken. Doch um sie zu erreichen, braucht es großer Mühe - dagegen sind die Schafe am zwekende kei gar nichts. In der hintersten Ecke der Dorfstraße im deutschen Laar beginnt ein nicht enden wollender, aber kaum erkennbarer Pfad über den Deich. Das hohe, klatschnasse Gras durchweicht nach wenigen Metern jeden Schuh und Strumpf restlos. Ohne Zweifel wollten die Künstler mit dieser Standortwahl zeigen, dass Kunst anstrengend sein kann und muss. Es ist faszinierend, wie die Künstler diesen Effekt vorausgeplant haben, um ihre Naturverbundenheit zu demonstrieren. Doch so muss es sein, denn eine vernünftige Erklärung für diesen Unfug gibt es nicht. Die Schuhe quietschen und quatschen, als würden alle Vögel und Amphibien in den Hecken einen Heidenlärm veranstalten.
Endlich stoßen wir auf die Vechtenester des Planers und Künstlers Roel Westerman. Er platzierte mehrere organische Sitzelemente in den Deichen, die gemeinsam die Form eines Nests bilden. Auf ihnen soll der Betrachter den Kiebitz und Austernfischer beobachten. Westerman hat eine sehr eigene Definition des Wortes Sitzelement, denn zum Sitzen eignen sich diese Bretterwände nur bedingt. Sie ähneln weder Bänken noch Nestern, sondern einem ganz anderen Teil des Austerfischers - dem Flügel.
In Geschlechterfragen bleibt dieses Paar konventionell: Auf deutscher Seite steht ein Mann (hinten links), auf niederländischer Seite eine Frau (vorne rechts). Der deutsche Michel und Frau Antje versuchen mit aller Kraft, wortlos die Völkerverständigung aufrechtzuerhalten, und scheinen sich dabei vor Anstrengung regelrecht in Luft aufzulösen. Oder geht es hier doch um das friedliche Auflösen der Staatsgrenzen in Europa?
Im Zuge der Völkerverständigung ist natürlich auch niederländische Baukunst über die Grenze geflossen, und so wundert es nicht, dass im ersten deutsch Dorf Laar eine Galeriewindmühle holländischer Art steht. Beauftragt hat sie 1806 der Reichsgraf Ludwig zu Bentheim-Steinfurt. Auch diesmal hat sie einen metallenen, zweieiigen Zwilling am anderen Ufer, der sogar noch mehr nach Wildem Westen aussieht und chain reaction heißt.
Ein außergewöhnlich irritierender Geniestreich ist die Installation der Kurbelfähre hinter Laar. Ab 21 Uhr darf sie offiziell nicht mehr genutzt werden, befiehlt das Schild in typisch deutscher Manier. Was, wenn man es dennoch versucht, da der Umweg am Nordufer sonst zu lang wäre? Ist der Mechanismus dann gesperrt?
Nein, das Rad lässt sich drehen, auch das Seil bewegt sich, und sogar die Fähre selbst gleitet nach einer Weile ganz, ganz leicht vorwärts. Aber eben mit einer Geschwindigkeit, bei der selbst eine Schnecke schneller geschwommen wäre (und zwar keine Wasserschnecke). Hier hört früher oder später jeder entnervt auf zu kurbeln, denn länger als das hier kann der Umweg am nördlichen Ufer gar nicht dauern. Trickreich entlarvt dieses Stück Kunst unsere tiefsten menschlichen Schwächen: Unmöglichkeit spornt uns nur nur noch mehr an, aber Langsamkeit und Langeweile lassen uns rasch aufgeben.
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