Die Saalegrenze I
Länge: 10 km
Grenzquerungen: 0
Bundesländer: Bayern/Thüringen
Seite: West
Erkenntnis: Bürgermeister machen an sich korrekte, aber unvollständige Quellenangaben.
Es gibt noch einen zweiten Fluss namens Saale, der ein bisschen unbekannter ist (aber immerhin bekannter als die kurze Saale bei Hannover, die in die Leine fließt). Die erste Fränkische Saaletappe kenne ich schon von meiner Iron Curtain Tour (in die entgegengesetzte Richtung).
Die Fränkische Saale entspringt bei Alsleben in einer Art halbfertigem Brunnen aus Ziegelsteinen. Ich füllte eine Trinkflasche auf. Nach Angaben des Bürgermeisters sei das Wasser schließlich trinkbar, schreibt der Reiseführer. Überrascht schmeckte ich so ungefähr das beste Quellwasser der Welt. Doch schon ein paar Stunden später war es eher eklig. Sprich: Das Wasser ist trinkbar, aber mit sehr kurzem Haltbarkeitsdatum.
Die Quelle liegt nur wenige Meter von der Grenze nach Thüringen entfernt. Anders als ihr längerer Kollege, die Sächsische Saale, hat die Fränkische Saale den Status als Grenzfluss haarscharf verfehlt. Ist vielleicht auch besser so, wer weiß, was die DDR in sie reingekippt hätte. Da wäre der Fluss bestimmt überhaupt nicht trinkbar gewesen.
Bevor in Bayern die Sonne aufsteigt, steigt der Nebel auf. Das Wasser verströmt weißen Dunst, als würde es langsam verdampfen. Dabei war es längst nicht warm genug zum Verdampfen. Genau genommen war rein gar nichts um diese Uhrzeit warm genug.
Dies ist das obere Tal der Fränkischen Saale. Ich folgte der Linie aus Schilf und Bäumen, in der sich der kleine Fluss verbarg.
Dies ist das obere Tal der Fränkischen Saale. Ich folgte der Linie aus Schilf und Bäumen, in der sich der kleine Fluss verbarg.
Aus Gründen, zu denen ich gleich komme, hatte ich am Abend vorher während meiner Iron Curtain Tour folgendes Problem: Es dämmerte schon so massiv, dass ich die Suche nach einem guten Schlafplatz quasi halbblind durchführen musste. Bei Eyershausen bog ich planlos ab in einen Wald. Wie sich herausstellte, bestand der "Wald" zu je einem Drittel aus spitzen Dornen, eisigem Sumpfwasser und abgeholzten Baumstümpfen.
Alles in allem habe ich schon besser geschlafen.
An der Wallfahrtskirche von Ipthausen befindet sich die größte bayrische Anlage mit Beos. Das sind unauffällige schwarze Vögel aus Nord- und Hinterindien, die besser sprechen können als die meisten Papageien. Im Rostocker Zoo hatten wir damals ein paar sehr begabte Beos, die mich sogar mit meinem Namen ansprechen konnten - doch leider kam der Tag viel zu früh, an dem wir feststellen mussten, dass sie auch in artgerechter Haltung höchstens 25 Jahre alt werden.
Umso mehr freute ich mich auf ihre bayrisch-katholischen Artgenossen. Der Bergbeo heißt wissenschaftlich sogar gracula religiosa, weil ihnen Gebete beigebracht wurden. Ein paar christliche Beos, die Psalmen rezitieren oder "Gloria in excelsis Beo" singen - das wäre jetzt genau das richtige zur Aufmunterung! Doch während die kunterbunten Papageien noch munter herumflatterten und kreischten, war die Beo-Voliere sehr viel zugewachsener. Die Mittelbeos namens Schlumbes und Schatzi ließen weder von sich sehen noch von sich hören. Schade...
Wir befinden uns im Grabfeld, ein etwas eigenartiger Name für eine Landschaft. Der Sage nach hatte eine Königin in der Region einen Ring verloren. Auf der Suche ließ sie das komplette Land umgraben (ihre Nazghul waren bestimmt begeistert, zu Gartenarbeit abkommandiert zu werden), zack, schon hieß das Land Grabfeld. Als sie den Ring endlich fand, errichtete sie am Fundort aus Dankbarkeit einen Königshof, zack, schon stand da die Stadt Bad Königshofen im Grabfeld. Das Fachwerk und die Wandmalereien (rechts) machen schon was her, auch wenn die Altstadt nicht mehr ganz so frisch wirkt.
Königshofen und das Grabfeld waren schon lange Grenzland und Bollwerk gegen den kommunistischen barbarischen Nordosten. Die Römer nannten die Grenzstadt Chuningishaoba (ich weiß nicht, wonach das klingt, aber jedenfalls nicht nach Latein) in pago Graffeldi, Graf Berthold hatte später so gute Connections zum bayrischen König, dass er die Festungsstadt weiter ausbauen durfte, im Dreißigjährigen Krieg verkackte die Stadt trotzdem komplett gegen die Schweden. Ein paar Stadtmauern und Waffenlager stehen noch, so richtig ist die sternförmige Gestalt von damals aber nicht mehr zu erkennen.
In diesem Grabfeld war nun leider meine Kette gerissen. Zwar hatte Königshofen laut Website eine Radwerkstatt, doch meine Chancen, dass die Werkstatt um die Zeit in einer solch kleinen Stadt noch geöffnet hatte, standen fast ebenso schlecht wie die, durch sorgfältiges Umgraben des Bodens eine neue Kette zu finden.
Aber ich griff nach dem Strohhalm. Also, der Werkstatt, nicht dem Umgraben. Als ich mich dem Bikeshop Grabfeld näherte, stand die Tür tatsächlich offen. Sollte ich Glück haben? Es war zwar nicht der Werkstattbesitzer, der war während die nächsten Tage unterwegs. Aber seine Frau war nicht nur bereit, eine neue Kette zu verkaufen, sondern auch, einen anderen Fahrradmechaniker im Ruhestand aus dem Nachbarhaus herbeizuklingeln. Der allerdings auch nicht da war. Macht aber nichts, ich habe die Kette allein eingefädelt bekommen. Zwar nicht ganz perfekt, sodass ich die nächsten Tage nicht alle Gänge nutzen konnte. Aber immerhin.
Insofern eine klare Empfehlung an den genialen Bikeshop Grabfeld, der sogar erstklassigen Service leistet, wenn er eigentlich geschlossen ist. Danke!
Nur leider hatte die gerissene Kette durch den Zeitverlust trotzdem eine Kettenreaktion ausgelöst, und daher eben die suboptimale Nacht.
Aber Königshofen ist auch eine Kurstadt. Im Park schob sich eine Glastür auf und offenbarte eine Trinkhalle, die so ganz anders aussah als die aus Tschechien. Und das nicht nur, weil die Pappbecher gratis waren. Inmitten weißer Moderne und grauer Sitzmöbel sprudelte das Heilwasser aus den Metallhähnen. Die Urbani-Quelle schmeckte leicht salzig, aber noch okay, bei der Regius-Quelle dagegen kostete mich das Schlucken viel Überwindung.
Viel erholsamer ist der große, lauwarme Heilwassersee. Der liegt im Außenbereich der Frankentherme, ein kleines Schwimmbad für Familien und Entspanner (eher weniger für Sportler und Adrenalinjunkies). Doch die größte Besonderheit thront auf dem Thermendach - diese Königshofener Vögel sollten mich nicht enttäuschen. Auf einem Kamin der Therme schnäbelte und streckte sich ein Storchenpaar behaglich unter den warmen Dämpfen. Ihre Kinder waren nicht so sehen, oder wahrscheinlich schon ausgeflogen.
Wie es dazu kam, ist im Detail auf frankentherme.de nachzulesen. 2020 versuchte zum ersten Mal ein Storchenpaar auf dem Kamin zu bauen, es klappte aber nicht so richtig. Die Betreiber waren aber so große Storchenfans, dass sie ihnen im nächsten Jahr ein Nest bereitstellen wollten. Eine Schlosserei baute das Nest kostenlos, die Feuerwehr brachte es an, und die Störche Adele und Schorsch belegten es. Heraus kamen zwei Küken namens Mina (nach der Mineralheilquelle) und Lui (nach dem Luitpoldbrunnen, ein bisschen Eigenwerbung muss sein). Seitdem dokumentiert die Website genau, wie viele Eier jedes Jahr auf dem Kamin lagen und wie viele Störche daraus erfolgreich geschlüpft sind. Per Youtube gibt es sogar einen Livestream ins Nest.
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