Da Karl der Große sowieso schon per Schiff die Saale hochgetuckert war, um Bad Neustadt zu gründen, baute er auch noch was für sich selbst: Die Pfalz Salz. Sehen kann man die nicht, und dass sie hier stand, wissen wir nur durch das Erdmagnetfeld. What? Ja, mit geomagnetischer Prospektion kann man anhand von Veränderungen im Magnetfeld zum Beispiel Mauern unter der Erde ertasten, ohne sie auszubuddeln. So wissen wir, dass a) sich die Saale seit dem Mittelalter nur um wenige Meter verschoben hat und b) die magnetische Struktur am Ostufer viel rauer und unruhiger ist - kein Wunder, da war es höher und hochwassergeschützter, aber trotzdem nah am Wasser, super Bauland also.
Für ein Thermaltal war es überraschend breit und leer. Die meisten Dörfer laufen leider langgestreckt an lauten Landstraßen, was sie eher ungemütlich macht. Einige stechen allerdings mit kuriosen Flaschenzug-Brunnen oder noch drehenden Wassermühlen heraus.
Die Landschaft dagegen ist angenehm und unaufgeregt mit ihren ewigen Erhebungen aus Wald an den Rändern.
Hoffentlich nehmen sich die Bauarbeiter daneben als nächstes dieser Betonteile an.
Übrigens fährt auf dieser Strecke Deutschlands letzte Postkutschenlinie, von Bad Bocklet nach Bad Kissingen. Na, wenn die Pferde da immer noch Bocklet drauf haben...
Noch kühler und kostenlos ist der nächste Abschnitt, ein herrlicher Kiesweg durch den Seitenwald über der Saale. Aaah!
Keinen Schatten, aber andere Abkühlung fand ich im Kneippbecken unterhalb der Trimburg. Aaah...aaaargh, die Steine rundherum glühen ja!
In der nächsten Kurve des Saaletals verbreitet ein eigenartiges Ensemble aus Holzschuppen, Wassermühle und Bohrturm ein kleines bisschen Wildwest-Atmosphäre, wozu sicher auch die heißflimmernde Luft beitrug. Aber hier verbergen sich keine Kuhherden oder Ölbohrtürme.
1904 waren den Bayern die Quellen in Bad Kissingen nicht genug, und sie bohrten nach neuen. Schon 102 Meter unter der Erde wurden sie fündig, aber die bayrischen Bohrer waren neugierig und machten noch ein ganz kleines Stückchen weiter - so bis 913 Meter Tiefe. Sie wollten einfach wissen, was da noch für Gesteinsschichten kamen. Am Ende schütteten sie alles unter dem Mineralwasser aber wieder zu.
Im selben Moment sprudelte es los. Eine Metallkugel mit drei Rohren ließ Wasser in eine Tonschüssel plätschern. Wer hätte gedacht, dass sich in der ollen Holzwand eine Lichtschranke versteckt? Der Luitpoldspring ist eine Mineralquelle, die nach einem bayrischen Prinzregenten benannt wurde. Für meinen Geschmack ist die Lichtschrankenquelle einen Tacken zu salzig, aber bei dem Wetter war ich nicht wählerisch. Das Wasser soll bei Gefäßerkrankungen helfen. Und tatsächlich litt mein Gefäß (Trinkflasche) unter einer Erkrankung (innere Leere), von der sie der Luitpoldsprudel erfolgreich heilen konnte.
Dieses Wasser war vor 10 000 Jahren ein Gletscher aus der Würm-Eiszeit, je tiefer, desto älter. Aber damit ist es noch ein totaler Jungspund im Vergleich zum Salz, denn das ist hier vor 250 Millionen Jahren im Zechsteinmeer getrocknet. (Diesem Meer bin ich unter anderem schon im Erlebnisbergwerk Meerkers begegnet, es reichte aber bis nach Franken.)
Bald darauf fuhr ich auch schon in die wichtigste Kurstadt der Saale rein, und für einen Moment dachte ich, es hätte mich ans Mittelmeer verschlagen - die braunen Häuser, die Palmen und das Wetter, und mittendrin blühen 12 000 Rosenstöcke an der Saale. Die konnte ich aber nur mit Abstand bewundern, denn der Rosengarten am Ufer ist Fußgängern vorbehalten. Ich fuhr über die geschwungene Brücke rüber, und an der nächsten Brücke zurück in die Innenstadt.
Die hätte ich mir eigentlich sparen können, denn die war wieder überwiegend aufgeheizt und beige. Da halfen auch die grünlichen Wassersäulen nicht viel.
Bad Kissingen gehört noch nicht so lange zu Bayern, erst seit 1814 (der Kurbetrieb gab es da schon seit fast 300 Jahren). Trotzdem haben die Bayern nicht nur die ganze heutige Architektur aufgebaut, auch ihre Regenten kamen gern her und überhaupt die ganze Elite von Tolstoi bis Bismarck, der ein totaler Bad-Kissingen-Fanboy war. (Und das, obwohl der Name darauf hindeutet, dass die Menschen hier besonders schlecht küssen.)
Ich zog mich zurück zur verkehrsreichen Hauptstraße und auf den Bürgersteig...
"Hallo, nein, wir arbeiten hier!", schimpfte ein Arbeiter im Leiterwagen, der noch ein gutes Stück entfernt die Bäumchen in Würfelform zurechtschnitt und wohl glaubte, ich wolle in seine Richtung und mich irgendwie an seinem Fahrzeug vorbeiquetschen. Schon gut, ich wollte doch bloß kurz in den Schatten was trinken...
Auf der anderen Seite suchte ich mehr von der mediterranen Pracht und wurde fündig. Die Quellen in diesem Komplex heißen Rakoczy und Pandur und helfen bei Stoffwechselstörungen. Aber was steht da? Tragen Sie an das Ambiente angepasste Kleidung. Wie gemein: Wer Probleme mit dem Stoffwechsel hat, muss als erstes seinen Stoff wechseln, bevor er kuriert wird.
Mehr Rosen, mehr Palmen, mehr Springbrunnen laden in die größte Wandelhalle Europas ein.
Oder auch nicht. Zwar gab es kein Tor, aber das Schild bat mich, doch bitte meine Eintritts- oder Kurkarte bereitzuhalten. Hier kostet auch das Geld, was in anderen Kurstädten kostenlos ist - sogar in Karlsbad, das noch vor Kurzem buchstäblich ein Hotspot russischer Oligarchen war. Das ist dann wohl der Beweis, dass in Bad Kissingen wirklich die reiche Elite lebte.
Kneipp soll ja ein Wechselbad von heiß zu kalt sein, und die Luft übernahm den heißen Part vollständig, sodass sich das Wasser voll und ganz auf das Kalte konzentrieren konnte. Aber dass das Wechselbad an den Fußsohlen besonders intensiv sein soll, war mir neu.
Ein Zirkus am Wegesrand hatte gerade eine Vorstellung, und spärlicher Applaus brandete nach draußen. Ist das jetzt so ein richtiger Zirkus oder so ein Mitmachzirkus für Kinder? Von der Größe her anscheinend irgendwo dazwischen.
Ein Haufen Radioteleskope oder so drängten sich auf einem Feld zusammen und lauschten dem Zirpen der Grillen. Hier musste ich ein paar kleinere Hügel rauf- und runterstrampeln.
Die Innenstadt von Hammelburg sieht ähnlich steingepflastert-gelblich aus wie in den Städten bisher, aber diesmal ist das keine Kurstadt, sondern eine nüchterne Handelsstadt. Sogar der Name hat nichts mit Rindviechern zu tun, sondern bedeutet Burg am Hang.
Größter Arbeitgeber ist aus irgendeinem Grund die Bundeswehr. Noch immer ein Überbleibsel wegen der Sowjets drüben in Thüringen? Die Grenze ist doch schon ein gutes Stück entfernt.
Die letzten Kilometer konnte ich ganz herrlich durch die Kurven des Tals rasen, fast ohne auf die Karte zu schauen. Ich musste das Tal kein einziges Mal verlassen, und die steilen oder verwinkelten Abschnitte blieben doch sehr im Rahmen.
Damit diese schöne Strecke nicht zu einer Aschwüste wird, bemüht sich ein tapferes Einmachglas, Waldbrände zu verhindern. Es ist an die Bank gebunden und fleht mit den Worten Für Zigaretten - Danke! alle Raucher an, dieses Tal nicht zum selben Schicksal zu verurteilen, das während dieser Tage der Harz und Thüringer Wald erleiden mussten.
Weitere kuriose Beobachtungen:
Eine komische Holperbrücke, die anscheinend einfach über den Fluss gelegt worden war und laut einem Schild als Fähre bezeichnet wurde. Aufgrund einer kurzen Umleitung musste ich da sogar rüber.
Und ein Backhaus mit derart verschnörkelter Schrift, sodass es aussah, als stünde da Brechhaus. Aber ich bin mir relativ sicher, es war ein Backhaus.
Insgesamt ist der Fränkische Saaleradweg wirklich sehr geradlinig und super ausgebaut für einen eher kleineren Fluss.
Kein Wunder, dass ich früh in Gemünden am Main ankam - wo ich dann doch noch die Orientierung verlor. Von der Fränkischen Saale zweigt ein Mühlgraben ab, der eigentlich kein Graben ist, sondern so breit wie der ganze restliche Fluss. Ich folgte der Insel zwischen Saale und Mühlgraben bis zum Ende, nur damit mir dann ein breiter Campingplatz die ganze Spitze für sich beanspruchte. Toll, wie soll ich da die Mündung sehen? Erst ganz links (im Bild aber rechts) hinter dem "Graben" drängt sich eine kleine Altstadt mit leicht unterdurchschnittlich engen Gässchen zusammen.
Lauter lange Brücken überspannen die Flüsse von Gemünden, aber auf die kommt man nicht so leicht rauf. Am Ende blieb mir keine bessere Wahl, als das Rad eine verwinkelte Holztreppe hochzutragen und über zig Brücken zu fahren, unter Autobahn und Gleisen hindurch, bis ich endlich einen Blick darauf erhaschen konnte, wie die Fränkische Saale gut versteckt in den Bäumen in den Main mündet. Die Kanufahrer haben es da leichter, die können da direkt durchpaddeln, was sie anscheinend auch von Kindesbeinen an gern tun. Zumindest wurde auf der Insel in der Saale gerade eine Gruppe Kindergartenkinder mit Booten und Paddeln ausgerüstet.