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27 August 2024

Elster: Von Františkovy Lázně nach Bad Elster

Ereignisse einer Elster-Expedition

1. Tag: Die Elsterquelle

Auf meinen Expeditionen im Einzugsgebiet der Elbe bin ich immer weiter gen Osten vorgestoßen. Heute entsteige ich einer Kleinbahn am Bahnhof Františkovy Lázně Aquaforum. Besagtes Aquaforum stammt trotz seines Namens nicht aus römischer Zeit. Die Therme hat sich architektonisch zwar ins historische Ortsbild eingefügt, stammt jedoch schätzungsweise erst aus dem späten 20. oder frühen 21. Jahrhundert. Und obwohl sie ihren eigenen Bahnhof hat, gehört sie nicht unbedingt zu den beeindruckendsten Thermen ihrer Zeit. Das Wasser fühlt sich recht normal an, die Beckenlandschaft ist überschaubar, und es gibt gerade mal einen Saunaraum, der auf Wunsch erst hinzugebucht, bezahlt und aufgeschlossen werden muss - jedes tschechische Stadtbad ist da besser aufgestellt!

Bin ich hier wirklich richtig im berühmten böhmischen Bäderdreieck?


Offensichtlich, denn dieser Herr ist unverkennbar. Kaiser Franz Joseph von Österreich war der berühmteste Stammgast und Namensgeber für den Kurort. Sie nennen ihn liebevoll Franzl/František oder förmlich Franciscus und stellen ihm Statuen auf. Wer seinen Zeh berührt, soll neun Monate später einen Jungen gebären, was zumindest in meinem Fall nicht funktioniert hat. Dass er im Grunde Herrscher einer fremden Besatzungsmacht war, scheint die Tschechen nicht mehr sonderlich zu stören - alles, was es dazu braucht, ist mehr als ein Jahrhundert Abstand mit zwei wesentlich schlimmeren Besatzern.

Die ganze Stadt scheint mehr oder weniger ein Park zu sein, doch nach einigen Minuten Fahrt durch die Bäume stoße ich tatsächlich wieder auf Häuser. Die frischen Töne aus weiß und blassgelb deuten darauf hin, dass sie erst nach dem Abzug der letzten Besatzer wiederhergestellt wurden. Blumen, Brunnen und Säulen säumen die prächtige Allee Národní. Das ist er also, der kleinste Kurort im römischen Bäderdreieck, wo Goethe, Kafka, Beethoven und Strauß entspannten. Und auch heute ist er voll von Tagesausflüglern von der deutschen Seite.

Doch was genau taten sie hier, denn Saunieren gehörte offensichtlich nicht dazu?
Sie tranken Wasser. Františkový Lázně/Franzensbad ist vollkommen durchsetzt von Quellen, manche davon sind älter als der Ort selbst. Schon im 14. Jahrhundert erwähnen Aufzeichnungen die Franzensquelle. Doch der helle Säulenpavillon rings um die älteste Quelle der Stadt kann dem Stil nach frühstens aus den 1840ern stammen, so viel ist eindeutig. Vorher lag die Quelle noch unter freiem Himmel, und es gab auch noch keine Stadt ringsherum. Die Chroniken berichten von einer Stelle namens Egerer Sauerbrunn. Frauen wanderten dorthin, füllten das Wasser ab und verkauften es in der Stadt Cheb/Eger, auf deren Territorium die Quelle lag. Doch dann wollte der Arzt Bernhard Adler die Quelle schützen und ließ 1791 einen Holzpavillon um die Quelle bauen - nun ist es eindeutig, es muss sich um die heutige Franzensquelle gehandelt haben. Einzelne Holzsplitter in der Erde verraten, was aus dem ersten Pavillon wurde: Die Frauen fürchteten um ihren Lebensunterhalt und rissen ihn auseinander, ein Ereignis, das als Egerer Weibersturm in die Geschichte einging.
Kostenlos kann ich das Quellhaus betreten und vom Wasser trinken, das stetig aus den kupferfarbenen Röhren rinnt. Aber die findigen Tschechen haben dennoch eine Möglichkeit gefunden, wie sie damit Geld verdienen: Bitte aus hygienischen Gründen nur aus einem Gefäß trinken, Becher gibt es für fünf Kronen im Automaten. Der erste Schluck ist ungewohnt bitter, danach kann ich mich an die Geschmacksnote gewöhnen.

Auf jeden Fall schmeckt es um Welten besser als die Glauberquellen nebenan. Urgh! Eindeutig Heilwasser, eine der ekligsten Flüssigkeiten auf diesem Planeten. Egal ob Glauberquelle II, III oder V, es schmeckt grässlich.
1921 wurden die Glauberquellen bei Bohrungen entdeckt. Aus 92 Meter Tiefe stammt dieses Salz mit ein klein wenig Wasser darin - 22 g Salz pro Liter, die stärkste Quelle ihrer Art weltweit. Dahinter erkenne ich uraltes Graffiti, das Szenen aus der Gründerzeit des Orts darstellen muss.

Das ist eindeutig nicht die Quelle, die ich suche. Wo beginnt denn nun mein Fluss? Ich suche im Lesopark weiter und stoße zwischen zwei weißen Spitzen auf die Sonnenquelle. Es ist die schmackhafteste bislang, aber auch sie suche ich nicht. Die 24 Quellen von Františkový Lázně sind restlos damit ausgelastet, Becher für fünf Kronen und Rentner abzufüllen - da bleibt nicht genug übrig, um auch noch einen Fluss zu starten.
Wenn ich das Tschechische richtig verstehe, wurde die Sonnenquelle 1962 "gefangen". Ich entnehme eine Probe des aus 40 Meter tiefen Wassers und untersuche sie mit einem neuartigen Instrument namens Zuverlässigstes Untersuchungs-Nachweis-Gerät Europas (Z.U.N.G.E.), wobei ich unter anderen Spuren der Kationen Magnesium und Calcium registriere, oder wie man hierzulande sagt: Horčík und Vápník. Die städtischen Aufzeichnungen berichten auch von solch exotischen Stoffen wie Hydrogenuhličitan.

Dass ich mich im westlichsten Teil Tschechiens befinde, erkenne ich daran, dass dieser See Ameryka heißt.

Ich muss noch ganze 20 Kilometer fahren, ehe ich im Wald endlich auf einen abzweigenden Pfad stoße. Plätschert da etwas ganz leise? Tatsächlich, endlich habe ich meine Quelle gefunden. Doch hier lässt es sich längst nicht so gut trinken wie im Kurbad: Das Wasser steht bewegungslos in einer steinernen Schüssel, nur ein flaches Rinnsal schleppt sich träge hinaus. Bei diesem Wasser habe ich dann doch erheblichen Zweifel an der Frische. Dafür ist die Quelle weitaus prächtiger gefasst. Wenn ich die uralten Inschriften richtig deute, wurde der steinerne Torbogen mit Wappen 1898 vom Verband vogtländischer Gebirgsvereine errichtet.

Der Platz verfügt über eine Schutzhütte mit einem Gipfelbuch, das gemächlich in einzelne Zettel zerfällt. Bei einer Halbwertzeit von fünf Jahren und ergibt sich aus der Anzahl der losen Seiten und dem aufgelösten Bindeleim, dass es mindestens 10 Jahre alt sein muss. Ich könnte natürlich auch einfach auf das Datum im ältesten Eintrag schauen, doch das wäre geschummelt.
Die Weiße Elster windet sich unter dem hölzernen Steg hindurch, vereinigt sich mit einem ausgetrockneten Quellfluss...

...und verschwindet im Wald, nur einen Kilometer Luftlinie von der Grenze entfernt. Doch Tschechien hat genug Anteil an diesem Fluss, um ihm einen eigenen Namen zu geben: Bíly Halštrov.
Gibt es eigentlich auch eine Schwarze Elster? Ja, aber sie hat mit der Weißen eigentlich nichts zu tun und mündet an völlig anderer Stelle, bei Wittenberge, in die Elbe. Dennoch übersetzen sogar die Tschechen, die mit der Schwarzen nun wirklich nichts zu tun haben, ihre Farbe völlig akkurat.
Viel zu sehen bekomme ich von der Bíly Halštrov zunächst nicht, seine kleinen Stauteiche sind völlig im Wald versteckt.

Ich schwitze und schlängle mich wie schon die letzten 20 Kilometer durch ein offenes Hügelland, durchsetzt mit kleinen Kapellen und Bürgchen und gelegentlich herrlichen Böschungen voll Heide und Flieder. Dies ist der langgezogene, westlichste Zipfel Tschechiens, nur wenige Kilometer entfernt liegt . Doch anders als letztes Jahr am Eisernen Vorhang fahre ich diesmal an der Ostseite des Zipfels.
Rätsel geben mir diese riesigen Steinplatten auf. Wozu mögen sie gedient haben? Die Nähe zur Steinkapelle scheint eine religiöse Bedeutung nahezulegen, vielleicht sind es uralte Altäre für heidnische Schnitzel-(Kl)Opfer.

Ein Wiedersehen mit der Elster/Halštrov gibt es erst in Doubrava, und hier muss der Fluss bereits arbeiten.

Seine Mühlen sind nur noch in Ruinen erhalten und produzierten Papier für das Ascherland. Wann entstand die älteste Papierfabrik? Die Quellen sind höchst widersprüchlich und mehrdeutig, vom Anfang des Dreißigjährigen Krieges bis um 1850 ist alles möglich. Einige Indizien deuten darauf hin, dass das Adelshaus Zedtwitz 1562 den Anfang machte. Doch die Urkunde, die das beweisen soll, ist verschollen, und es ist unklar, ob darin wirklich die Mühle in Doubrava gemeint ist. Manchmal muss ein Forscher einfach gestehen: Boah, keine Ahnung.

Überrascht entdecke ich am Straßenrand ein Häuschen. Was mag das sein? Auch Doubrava hat eine Quelle, aber sie ist vollkommen anders - und relativ seltsam. Dieses Quellhäuschen wurde 1972 im Stil des sozialistischen Funktionalismus errichtet. Erst 2008 stellte man fest, dass es sich um eine Heilquelle handelt - warum erhielt sie dann vorher überhaupt ein Häuschen? Und warum werden die aktuellen Messungen in einer Tabelle ausgehängt, die Quelle dann aber doch per Kette abgeriegelt? Ich bin skeptisch und bleibe nach wie vor beim Wasser der Sonnenquelle, auch wenn die Flasche damit mittlerweile fast leer ist.

Nun kann ich durch dasselbe Tal wie die Elster fahren, und der Weg wird angenehm schattig und kühl.
Für den erfahrenen Reisenden sind die Betonplatten bereits Anzeichen genug für die Nähe zur Grenze, selbst wenn sie so nahtlos ineinander übergehen wie hier. Doch wer diesen subtilen Hinweis übersieht, erhält einen weniger subtilen: Achtung, Staatsgrenze, gleich neben dem Weg endet Tschechien, die feuchte versteckte Felswand gehört bereits den Deutschen. Wie überaus untypisch: An der Elster beginnen die Felswände erst, sobald Tschechien vorbei ist.

Da Deutschland es versäumt hat, ein Willkommensschild für die Radfahrer aufzustellen, müssen die deutschen Schottergärtner einspringen. Niemand hält mich auf, und der einzige Tank, der an dieser Grenze auffährt, dient als Gartendekoration.

Tschechien mag zu Ende sein, aber sein berühmtes Bäderdreieck reicht bis nach Sachsen. Bad Elster ist eine ebenso grüne und ganz besonders gut beleuchtete Kurstadt. Allem Anschein nach sollen die Kurgäste vor allem in den dunklen Stunden mittels Lichttherapie kuriert werden - welch ein innovatives Konzept. Und ich komme gerade zur rechten Tageszeit, um es auszutesten!

Am Ortseingang leuchtet mir eine Frühlingsgöttin im Floratempel entgegen. Alten Aufzeichnungen zufolge soll der Tempel 1842 von Ernst Julius errichtet worden sein, aber das Fundament zeigt Spuren neueren Betongusses, der erst nach dem Zweiten Weltkrieg möglich wurde - es muss sich um einen Nachbau des zerstörten Originals handeln.

Bunt leuchten auch die Brücken im Rosengarten. Doch nur Lichttherapie genügt natürlich nicht, etwas Wasser braucht es auch für eine Kurstadt. Die Hotels entlassen ihre Gäste in die abendliche Wärme am Ufer des Teichs. Und gibt es hier auch Quellen? Ja, aber erst weiter oben an den Berghängen. Die Moritzquelle wurde kurz und bündig nach einem sächsischen Herzog benannt, aber die älteste Quelle trägt den sperrigen Namen Elsteraner Sauerling. Es gibt schon seit 1531 Aufzeichnungen über sie. Wirklich erfolgreich die Kurstadt aber erst, nachdem sie ihrer Quelle einen peppigeren Namen gab der Arzt Georg Leisner sie in einem Buch und Goethe in einem Theaterstück erwähnte. Die Wirkung moderner Medien ist nicht zu unterschätzen!

Ich verabschiede mich aus Bad Elster und stoße auf den nächsten traumhaften Talradweg unter einem Anzugträger mit leuchtenden Fußsohlen - womöglich ein versteckter Hinweis darauf, dass den Kurbetrieb der Stadt schon seit Langem ganz modern eine AG organisiert.

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