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Fulda: Von Morschen nach Hann. Münden

29 März 2022

LHR: Von Hodenhagen nach Soltau

Beim Radeln musste ich mir schon öfter Mühe geben, um keine Nacktschnecken zu töten. Doch der Leine-Heide-Radweg forderte noch Weitaus mehr von mir ab: Keine Babynacktschnecken zu überfahren. Dieser trübe Frühlingstag wurde anscheinend zum Wandertag einer ganzen Generation frischgeschlüpfter Schnecken ernannt. Eine Generation, die ich trotz gutgemeinter Ausweichmanöver etwas verkleinert habe.
Diese Nacktschnecken waren ehrlich gesagt auch das Interessanteste auf den ersten Kilometern hinter Hodenhagen. Felder, Allen, noch mehr Felder und... habe ich die Alleen schon erwähnt? Es machte nicht mal einen Unterschied, ob ich auf einem Radweg neben der Bundesstraße gefahren bin oder auf einer Mini-Straße, die echt keinen Radweg brauchte.
Tja, das kommt davon, wenn ich einem Radweg ohne Fluss folge. Die Landschaft ist gleich viel langweiliger. Oder?

Auf der Suche nach irgendetwas Sehenswertem bin ich auf die Variante nach Walsrode abgebogen und entdeckte dort erst einmal...

...einen Fluss namens Böhme. Und bähm (beziehungsweise böhm) - sofort wird die Strecke spannender! Ein Zufall? Nein!

Walsrode ist aus einem Kloster entstanden. Durch den Klostergarten darf man jederzeit schlendern, doch das Innere ist nur während einer Führung geöffnet.

Eigentlich. Aber irgendwer muss eine Tür offengelassen haben. So war es mir vergönnt, den Klosterflur von Walsrode zu betrachten, der sogar ein bisschen schöner aussieht als die Straßen von Walsrode. Heute ist Walsrode aber nicht mehr bekannt wegen seiner Mönche, sondern wegen ganz anderer schräger Vögel.

Denn an dieser Etappe liegen gleich drei große Heide-Familienparks. Heidepark Nr. 1 war der Serengetipark in Hodenhagen.
Nun folgt jetzt Heidepark Nr. 2. Dieser trägt den Namen Weltvogelpark Walsrode. Das Wort Welt- haben die vermutlich nur vorne drangehängt, um den Namen spannender zu machen und weil sich der nahe Zoo Hannover schon das coolere Wort Erlebnis- gekrallt hatte. In Walsrode flattern zwar auch exotische Vögel herum, doch eigentlich hat dieser Zoo einen starken regionalen Fokus. Kurz hinter dem Eingang begrüßten mich Diepholzer Gänse aus Niedersachsen. Später entdeckte ich ein Storchennest auf einer Windmühle und einen Käfig mit Heidekraut drin. Ganz klar: Dieser Zoo steht in der Lüneburger Heide.
 
Über dem ganzen Zoo liegt eine faszinierende Geräuschkulisse. Störche schweben immer wieder über das Gelände hinweg und klappern dabei wortwörtlich ihre Nester ab. Einen ganz seltsamen Ruf hat der Elsterwürger direkt am Eingang: Er klingt nach einer Mischung aus Papagei und Amsel, die sich lautstark auf überraschend melodische Weise darüber beschwert, dass ein fremder Wagen in seiner Einfahrt parkt.

Das ist der zweite Vogelpark, den ich kennenlernen durfte. Anders als der Vogelpark Marlow hat dieser hier wirklich fast nur Vögel. Große Spielplätze, Fütterungen, ein feuchtwarmes Dschungelhaus und eine Freiflughalle (eigentlich eine Art Riesenzelt aus Netzen) - all das gibt's hier wie in den meisten Zoos. Auch eine Flugshow mit einem wirklich witzigen Pfleger und ungewöhnlich unmotivierten Eulen ist dabei. Außergewöhnlich war das Ende der Show. Dann flatterte ein Schwarm bunter Aras kreischend über einen Springbrunnen. Fast wie im Dschungel - nee, eigentlich besser, denn im Dschungel gibt's keine Fontänen.

Der Großteil des Parks sieht jedoch relativ alt aus. Wem hochmoderne Zoos mit immer krasseren Multimedia-Erlebnissen auf den Keks gehen, der wird sich superwohl fühlen, wenn er in Walsrode durch die südliche Vogelparkhälfte schlendert - denn die ist im Prinzip ein Stadtpark, nur dass in den Teichen nicht nur Enten, sondern auch Pelikane, Pinguine und Flamingos nisten.

Aber so ein Oldschool-Zoo hat auch seine Schattenseiten, und diese bestehen aus langen Reihen grüner Käfige, in denen überraschend große Vögel leben. Natürlich kann ich nicht abschließend beurteilen, wie artgerecht das ist. Beurteilen kann ich allerdings, dass sich einige Käfigecken des Zoos selbst für Menschen irgendwie ungemütlich anfühlen. Und das, obwohl wir ja nicht die Viecher sind, die in den Dingern leben muss.

Das absolute Highlight sind die Keas. Die Intelligenz dieser neuseeländischen Papageien mit Multifunktionsschnabel ist legendär, aber in anderen Zoos zeigen die Keas nicht sonderlich viel davon.
Die Walsroder Keas dagegen sind dermaßen agil und zutraulich, dass sie den Schnabel durch das Gitter stecken und sich von Kindern an der Zunge streicheln lassen. Ja, ich weiß, dass klingt jetzt nicht direkt nach einer Freizeitaktivität, bei der man mit allen zehn Fingern nach Hause zurückkehrt, aber zumindest bei den Kindern neben mir ging alles gut.
Außerdem handelt es sich um die einzigen Zootiere, die erfolgreich daran arbeiten, ihre eigene Informationstafel zu demontieren.

Für den Vogelpark musste ich einen weiten Umweg machen. Weil ich die ganze Strecke nicht wieder zurückwollte, bin ich auf direktem Wege an der Hauptstraße weitergefahren. Also dann, auf nach Bad Fall... oh, wo gehts denn da hin?
Diesem Abstecher konnte ich einfach nicht widerstehen, denn dort befindet sich das allererste Stückchen Heide am Leine-Heide-Radweg. Okay, es ist eigentlich nicht in dem Sinne am Radweg, aber zumindest so grob in der Nähe. Am Eingang begrüßte mich erst einmal ein Heide-Memoryspiel. Das war überraschend knifflig. (Moment, diese Schafherde sieht ein bisschen anders aus als die andere, oder?)

In der kleinen Tietlinger Wacholderheide sind überraschend viele Spaziergänger unterwegs - kein Wunder, wäre ich auch, wenn ich Heide vor der Haustür hätte. Die Heide hat ein paar kahle Stellen, aber auch so richtig voll violette.
Zusätzliche Sehenswürdigkeiten mitten in der Heidefläche sind das Lönsdenkmal und das Lönsgrab. Die beiden liegen nicht weit voneinander entfernt und werden etwa auf Google Maps ständig verwechselt, was mir die Orientierung auch nicht leichter gemacht hat. Merke: Das Lönsdenkmal ist ein komischer steinerner Thron, unter dem kein Toter liegt.

Das Lönsgrab ist einfach ein riesiger Stein, unter dem ein Toter liegt.
Der Heidedichter Hermann Löns ist im ersten Weltkrieg in Frankreich gefallen und reiste anschließend mehr herum als zu seinen Lebzeiten - nicht weil er zum Zombie wurde, sondern wegen seltsamer Bürograbie. Zuerst landete er in einem Militärgrab in Luxemburg, das aufgelöst wurde, dann in einem Massengrab in Frankreich, in dem 1934 jemand seine Knochen anhand der Marke um seinen Hals wiedererkannte. Die nächste geplante Grabstätte wurde kurzfristig zum Truppenübungsplatz ernannt, sodass Löns' Leiche stattdessen in einer Hotelgarage geparkt wurde. Seine Familie wollte ihn genau hier in der Tietlinger Wacholderheide beisetzen, aber weil Gerüchte aufkamen, die Leiche sei ein Fake, vergruben die Nazis ihn fix woanders in der Lüneburger Heide (nicht weit vom Wümmetal), um die Sache zu beenden. Die verwitwete Frau Löns und der Rest der Familie waren deswegen sehr angepisst und setzten beim Reichskriegsminister durch, dass er doch hierherkam.

Unter der Kirche von Bad Fallingbostel rauscht die Böhme durch wilde Stromschnellen, die aus unerfindlichen Gründen mit Fahrradständern ausgestattet wurden. Nein danke, da parke ich mein Rad lieber nicht!

Dahinter tauchen zum ersten Mal die klassischen Schafe der Heide auf, die Heidschnucken.

Die Bornmühle von Dorfmark wurde im Gegensatz zu den anderen Mühlen der Gegend zu einem modernen Mietshaus umgebaut, so richtig mit Glaswänden und allem. Früher war das mal der größte Arbeitgeber in Dorfmark. Was jetzt andererseits auch nicht so viel bedeutet. Außerdem hat Dorfmark ein Strandbad, in dem man in "echtem Moorwasser" baden kann. Klingt echt... verlockend. Äh. wie weit ist es noch bis zur Soltau-Therme?

Der Radweg macht dann noch einen Bogen durch irgendwelche Folienfelder voller Spargel und wird ein bisschen hügelig. Joa, die Strecke an sich ist immer noch nicht spannender geworden. Aber trotzdem fahre ich jetzt mitten durch den zentralen Erlebnisteil der Lüneburger Heide.

Kurz vor Soltau bin ich zwischen der Böhme und dem Breidingsgarten durchgeradelt.

Diesen Garten hat eine Adelsfamilie... ach nee, warte, Soltau war seiner Zeit wohl voraus, eine Industriellenfamilie hat den angelegt. Angeblich enthält er eine künstliche Ruine und ein Moor, ich habe aber nur kleine Teiche entdeckt. Die Bäume hatten es im Laufe der Geschichte nicht leicht, ihnen setzten Orkane und explodierende Munitionszüge auf den benachbarten Gleisen zu.

Soltau hat einen Roten Bahnhof. Der heißt so, weil darin die SPD ein Parteibüro hat - eigentlich ist der Bahnhof größtenteils gelb. Inwiefern das farblich zur SPD passt, muss jeder selbst beurteilen.


Zwar war Soltau auch eine Handelsstadt, aber anders als in Lüneburg spielten die hiesigen Salzquellen keine so große Rolle, sondern eher Flachs, Seile und die weltweit erste Dampfmaschine, die mit Torf geheizt wird (so geht norddeutsche Industrialisierung).
Seltsamerweise scheint Soltau in einer Erdbebenzone zu liegen, denn die Straße weist einen eigenartigen Spalt auf. Ist das Kunst? Wie auch immer, falls Sie sich beim Schlendern durch die Fußgängerzone wundern, warum es plötzlich bergauf geht - Vorsicht! Sie plumpsen gleich einen Meter abwärts!

Soltau ist aber nicht bekannt wegen seiner Fußgängerzonenspalte, sondern wegen ganz anderer Adrenalinkicks. Ein Stück weiter nördlich, im Vorort Wolterdingen, befindet sich Heidepark Nr. 3, der äh, Heidepark.
Dieser Freizeitpark hat richtig dolle Achterbahnen... und jo, das ist es hauptsächlich.
Bei zwei der Achterbahnen hat sich irgendjemand gedacht: Mensch, die Fahrgäste sitzen immer nur oben auf den Schienen drauf, wie langweilig. Was könnten wir stattdessen machen? Antwort: Die Leute sitzen entweder unter der Schiene wie in einem Skilift (eine Umgekehrte Achterbahn, englisch Inverted Coaster)...
 

...oder neben den Schienen, quasi auf Flügeln (deswegen Wing Coaster). Letztere ist auch die längste und beste Bahn im Park.
Der Heidepark ist in erster Linie ein Park für große und sehr große Kinder, die auf der Suche nach Adrenalin gern einen solchen Gesichtsausdruck aufsetzen. Für kleinere Kinder haben andere Freizeitparks mehr zu bieten.

Die größte Holzachterbahn der Welt durchquert seit Neustem den Kopf eines feuerspeienden Dämonen. Eigentlich erstaunlich, dass sich das mit deutschen Brandschutzbestimmungen vereinbaren lässt.

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