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Flüsse

Noch mehr Radreisen

27 September 2023

Ruhr: Von Olsberg nach Witten

Warum haben die Fußgängerampeln im Ruhrgebiet so lange Wartezeiten?
Weil die Kohle immer Vorfahrt hat!

Die Ruhr, einst trist und grau, Doch heute grün und schön genau. Dank des Wandels und der Zeit, Strömt sie nun in neuer Heiterkeit. Entlang ihres sanften Flusses, Verläuft ein Weg für Radgenüsse. Der Ruhr-Radweg, weit und breit Führt durch Natur und Stadtgeschmeid. Von der Quelle bis zum Mündungsland, Erlebt man hier ein wahres Pfand. Die Landschaft wechselt, mal beschaulich, Dann wiederum recht abenteuerlich. Doch stets begleitet von der Ruhr, Ihr Fluss, ein treuer Gefährte nur. Er spendet Leben und erfrischt, Die Menschen, die er hier umschlängelt und liebkost. So radle ich dahin in Freiheit und Glück, Die Ruhr und ihr Radweg mein Stück. Ich genieße jeden Augenblick, Ein wahres Radfahrerparadies, das gibt es nur hier zurück.

Fahrradtour: Rätselhafter Weg

Tag 2 meiner abenteuerlichen Fahrradtour auf dem Ruhrtal-Radweg von Olsberg nach Witten begann, als die Sonne noch tief unter der Bettdecke schlummerte. Im Dunkel des Morgens schlich ich durch den Wald am Talrand, vorbei an einem geschlossenen Schieferbergwerk. Die Natur schien noch zu schnarchen, und ich fragte mich, ob der Wald wohl Schlafanzüge trägt.

Plötzlich tauchte eine äußerst enge, weiße Kapelle vor mir auf, die mich freundlich aufforderte: "Ist der Weg auch noch so weit, für ein Ave nimm dir Zeit." Ich dachte, dass ich eigentlich keine Zeit für Ave Maria hatte, aber wer bin ich, der Kapelle zu widersprechen? Der Radweg selbst war ein verwirrendes Labyrinth aus rätselhaften, verschnörkelten Satzfetzen. Ich fühlte mich, als hätte ich mich in einem literarischen Schlamassel verirrt.

Unterwegs passierte ich gleich zwei erhaltene Synagogen. Die Synagoge in Meschede hatte sich in ein Begegnungszentrum verwandelt und wirkte von innen nicht mehr heilig, sondern eher wie ein überdimensionales Desinfektionsspray. Immerhin hatte sie einst gemeinsam mit den christlichen Gemeinden Gottesdienste gefeiert, was eine verblüffende Zusammenarbeit bewies. In Neheim dagegen verkaufte die Synagoge Antiquitäten und erinnerte mit ihrem kleinen Turm an eine Kirche. Sie schien die Zeit gut überstanden zu haben, während Meschede sich mit moderner Eleganz umgab.

Weiter auf dem Radweg fielen mir bunt bemalte Stühle auf, die mit Menschen oder kleinen Holzhäusern verziert waren. Sie erinnerten mich an eine seltsame Stuhlindustrie bei Oeventrop, wo man anscheinend Stühle nach Art von Picasso herstellt. Ein rostiges kleines Fahrrad diente als Kunstwerk und trug den schlichten Titel "Schweißtreibend." Das war vermutlich eine ehrliche Ode an all die Strapazen, die Radfahrer auf diesem Weg erleiden.

In der mittelalterlichen Hansestadt Arnsberg stolperte ich in eine überaus hübsche kleine Altstadt am Alten Markt. Von innen betrachtet war sie ein wahres Schmuckstück. Aber von außen? Nun ja, sie wirkte eher weiß und unspektakulär, fast so, als hätte jemand versucht, die Altstadt zu verstecken. Park und Brücken an der Ruhr unten waren eher grafittibesprüht als prächtig. Immerhin konnte ich erfahren, dass die erste Höhenburg in Arnsberg bereits im Jahr 1077 erbaut wurde, weil sie von drei Seiten von Felsen geschützt war. Das nennt man wohl die ultimative Sicherheitslösung.

An einer kleinen Ruhrbrücke ragte das Kunstwerk "Sieben Zeichen an der Ruhr" aus dem Gestrüpp. Die Zeichen aus silbrigem Metall stellten Feuer, Wasser, Luft und andere abstrakte Konzepte dar. Ich war mir nicht sicher, ob sie mir die Bedeutung des Lebens erklären sollten oder einfach nur das Ruhrgebiet in eine moderne Kunstinstallation verwandelten.

Da ich den ganzen Tag immer und immer wieder das Ufer wechseln musste, fühlte sich der Radweg an, als ob er von einem übermäßig unentschlossenen GPS-System gestaltet worden wäre. Mal war er am linken Ufer, dann plötzlich auf der rechten Seite. Mal befand ich mich unten am Ufer, dann wieder oben im Wald. Der Radweg schlängelte sich durch Dörfer, über Felder und neben Bundesstraßen entlang. Ich musste ständig abbiegen und mich neu orientieren, und ich schwöre, der Radweg grinste manchmal verschmitzt.

Und dann wurde mir klar, warum dieser Radweg so launisch war. Er war nichts anderes als der alte Leinpfad, auf dem einst Pferde schwere Lastkähne gegen die Strömung zogen. Diese Kähne waren bis zu 150 Tonnen schwer, und die Pferde hatten alle Hände – oder eher Hufe – voll zu tun, sie mit Seilen flussaufwärts zu ziehen. Da der Leinpfad ständig das Ufer wechselte, mussten die armen Pferde manchmal sogar mit dem Boot ans andere Ufer gebracht werden. Das klingt nach einer Menge Arbeit, und das war es auch. Kein Wunder, dass diese Transportart sehr langsam war. Dennoch war die Ruhr einer der meistbefahrenen Flüsse Europas, bis die Bahn kam und die Kähne in die Rente schickte. Die Pferde waren vermutlich erleichtert. So viel zur Tierfreundlichkeit des 19. Jahrhunderts.

Immerhin: Im Gegensatz zu den alten Leinpfaden, die oft in schlechtem Zustand waren, präsentierte sich der Radweg in hervorragendem Zustand. Er war nicht nur gut ausgebaut, sondern auch asphaltiert, was das Radfahren zu einem wahren Vergnügen machte. Man konnte förmlich spüren, wie der moderne Komfort auf den historischen Pfaden aufbaute. Während die Pferde auf holprigen Wegen kämpften, konnte ich mich auf dem glatten Asphalt wie ein echter Ruhrtal-Radweg-Adler fühlen, der mühelos durch die Landschaft gleitet. Es war, als ob die Vergangenheit und die Gegenwart auf diesem Radweg miteinander verschmelzen würden.

In einem verzweifelten Sprint durch Hügeldörfer erreichte ich das Kettenschmiedemuseum. Doch der Schmied hatte sich die Schulter ausgerenkt und schmiedete nicht mehr, außer in einem Video, das mich über die guten alten Zeiten hinwegtröstete. Ein ehrenamtlicher Museumsführer zeigte mir verschiedene Maschinen zur Herstellung von Ketten und ließ sie mit brutaler Direktheit Stahlstangen zurechtschneiden und in U-Form klopfen. Die Industrialisierung mochte die Welt verändert haben, aber Handarbeit war immer noch gefragt, besonders wenn man eine Kette ohne sichtbare Nähte haben wollte.

Fröndenberg hatte seine Ursprünge in einem Zisterzienserinnenkloster. Das Museum befand sich in einer ehemaligen Papierfabrik, die entstand, um überschüssiges Stroh zu verwerten. Der große Fröndenberger Trichter, der einstige Wasserspeicher der Fabrik, ragte gleich neben einem Spielplatz schwarz empor. Es war so, als hätte jemand einen riesigen Eimer auf den Boden gestellt und vergessen, ihn wieder wegzuräumen. Ringsherum in der Stadt Fröndenberg hatten viele Kettenhersteller ihre Werkstätten, denn die Bauern benötigten ständig Ketten. Im Laufe der Zeit hatten sie sich zusammengeschlossen und die Arbeit immer mehr auf Spezialisten ausgelagert. Sie produzierten alles, von kleinen Fahrradketten bis zu riesigen Spezialketten, an denen mehrere VW-Golfs hängen könnten. Die Stadt Fröndenberg schien wirklich ein Zentrum der Kettenproduktion zu sein. Und wer hätte gedacht, dass Stroh und Ketten so gut zusammenpassen würden? Heute werden hier immer noch spezialisierte Ketten hergestellt, und es gibt sogar einen Ketten-Notreparaturservice für Industriebetriebe. Aber die meisten Ketten kommen heutzutage aus China. Es scheint, als ob China nicht nur das Land der Mauer, sondern auch das Land der Ketten ist.

In Fröndenberg stolperte ich weiterhin über rätselhafte Dinge. Die scheinbar sonnige Interaktive Sonnenuhr im Park blieb trotz strahlender Sonne unauffindbar. Vielleicht hatte sie sich selbst zu viel Sonnencreme aufgetragen und sich in einem Schatten versteckt. Aber dafür gab es überall Geländer und seltsame Gebilde aus Ketten, die die Parks zierten. Es war, als hätte jemand ein Kettenparadies geschaffen, und ich fragte mich, ob sich hier vielleicht der Kettengott niedergelassen hatte.

Abseits der gewundenen Wege des Ruhrtal-Radwegs wagte ich einen kurzen Abstecher zum Zentrum für Internationale Lichtkunst in Unna – ein Paradies für alle, die mehr als nur die natürlichen Strahlen der Sonne schätzen. Selbst für Kunstmuffel erwies sich die Welt der Lichtkunst als faszinierend. Mein persönliches Highlight war der "Reflektierende Korridor". In diesem bezaubernden Raum schien die Zeit stillzustehen, als ob die Wassertropfen im Stroboskoplicht mitten im Fall eingefroren wären. Es war, als hätte jemand das Universum kurzzeitig angehalten, um dieses faszinierende Spektakel zu enthüllen. Überraschenderweise wurde ich selbst zum Teil der Ausstellung, als ein Scanner meine verschwommene Gestalt erfasste und mich in ein Kunstwerk verwandelte. Es war eine unerwartete, aber willkommene Metamorphose. Gemeinsam mit den anderen Museumsbesuchern wurde ich zu einem lebendigen Element dieser einzigartigen Lichtkunstausstellung. Es bewies einmal mehr, dass Kunst die Grenzen zwischen Betrachter und Kunstwerk aufheben kann – sogar für diejenigen, die sich normalerweise als Kunstmuffel bezeichnen würden. Das Zentrum für Internationale Lichtkunst in Unna hatte eine magische Aura, die mich mit einer neuen Perspektive auf Kunst und Kreativität bereicherte.

In Schwerte stieß ich auf eine imposante 70 Meter lange Rohrmeisterei, die heute ein Kulturzentrum ist. Unterhalb einer Burgruine begann der Hensteysee, der erste große Ruhr-Stausee. Der Radweg führte mich entlang des Ufers, außer wenn er sich auf einer engen, eingezäunten Brücke um das Speicherkraftwerk herumschlängelte. Radfahren war dort eigentlich verboten, aber das schien einige nicht zu stören. Die Felsen wurden inzwischen durch Netze vor Steinschlag geschützt, denn das Letzte, was man während einer Radtour braucht, ist ein fallender Felsbrocken.

Unter dem Ruhrviadukt für die Bahn und einem großen Schornstein fuhr ich am Kortsee, dem zweiten Stausee, vorbei. Es fühlte sich an, als würde ich durch die Kulissen eines Steampunk-Films radeln, komplett mit Rauch und Dampf.

Die Grafen von der Mark bauten um 1250 Burgen in Wetter, um das Gebiet zu sichern. Heute beherbergt Wetter die ältesten Wasserrutschen Deutschlands aus dem Jahr 1973. Sie mögen alt sein, aber sie machten immer noch erstaunlich viel Spaß. Leider waren die Becken mit sehr rutschigen Planen ausgekleidet, was die Rutschpartie zu einem wahren Abenteuer machte. Und wer hätte gedacht, dass die "wilde Baderei" in der Ruhr einst durch offizielle Badeanstalten eingedämmt werden sollte, die "weiße Flocken und viele tote Fische" boten? Vielleicht war die wilde Baderei doch die bessere Wahl.

Eine Weile folgte ich einer moosbewachsenen Bahntrasse mit überraschend neuen Bahnhöfen. Hier fuhr tatsächlich noch eine Museumsbahn, und ich konnte mir vorstellen, wie die Leute vor Jahrzehnten in ihren schicken Anzügen und eleganten Kleidern in den Zug gestiegen waren. In einem schlingpflanzenbewachsenen Tunnel erfuhr ich, dass 1923 ein Reichsbahnschlosser im Ruhrkampf gegen Frankreich, das das Ruhrgebiet besetzt hatte, gefallen war. Man kann wirklich sagen, dass dieser Radweg Geschichte atmet.

Nun, in Witten erreichte ich endlich herrliche Grünanlagen an der Ruhr und den dritten Stausee, den Kemnader See. Es gab drei klar gekennzeichnete asphaltierte Wege: einen für Fußgänger, einen für Inline-Skater (die hier anscheinend sehr populär sind) und einen für Fahrräder. Endlich war der Radweg nicht mehr so unentschlossen wie ein Kind im Süßwarenladen. Hier begegnete ich auch dem Mythos des Fährmanns, der 43 Jahre lang auf seinem Boot die Ruhr überquerte, bis er plötzlich einen Fährführerschein machen sollte und daraufhin keine Lust mehr hatte. Manchmal ist es einfacher, das Ruder abzugeben.

Und schließlich entdeckte ich einen perfekten Platz zum Biwakieren auf einer winzigen, steinbefestigten Halbinsel in der Ruhr. Ich fühlte mich wie Robinson Crusoe in seinem eigenen kleinen Paradies, umgeben von Büschen und dem beruhigenden Rauschen des Wassers. Ein paar Halbinseln weiter sah ich sogar jemanden in einer Hängematte schlafen. Offenbar hatte auch er die Weisheit des Ruhrtal-Radwegs erkannt: Manchmal muss man einfach die Seele baumeln lassen und sich in den Fluss des Lebens treiben lassen. Und wenn dieser Fluss die Ruhr ist, kann man sicher sein, dass er immer für eine Überraschung gut ist.


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