Länge: 1,5 km (Regierungsviertel) + 2 km (East Side Gallery) + ca. 22 km (restlicher Spreeradweg ohne Mauer)
Erkenntnis: Manchmal braucht es nichts weiter als einen globalen Konflikt zweier Atommächte im Innenstadtgebiet, damit Touristen aus aller Welt ein Graffito genauso toll finden wie einen Michelangelo.
Die Spree floss mitten durch eine geteilte Hauptstadt. Da überrascht es nicht, dass die Grenze zwischen zwei Weltmächten auch mal direkt an ihrem Ufer lag. Zwar immer nur kurz, dafür aber insgesamt dreimal.
Spreemauer 1: Die East Side Gallery
In Berlin steht die wahrscheinlich hübscheste Spreebrücke. Zumindest gilt die Oberbaumbrücke als die schönste Brücke Berlins. Eigentlich sind das zwei Brücken: Auf der vorderen kommen Fußgänger und Radler bequem rüber, die große Brücke dahinter wurde 1894 für die U1 gebaut. Hitler wollte die prächtigen Türme und Bögen sprengen, aber es konnte alles wiederhergestellt werden. Nicht ganz so leicht rückgängig zu machen war die Teilung der Stadt: Kurz vor der Brücke kam die Berliner Mauer ans Ufer der Spree. In den 50ern durfte man noch rüber, um seine Verwandten zu besuchen. Zumindest, wenn man die sensationell schlechten Propagandaplakate ertrug. (Wen drückt das Deutschlandtreffen sehr hart? Den dicken Ludwig Ehrhard. - Euer Ernst, SED?) Auf Dauer waren die grauenhaften Reime trotzdem nicht abschreckend genug, also wurde die Brücke mit dem Mauerbau dichtgemacht, dann aber zweieinhalb Jahre später wieder ein bisschen geöffnet: Mit einem Passierscheinabkommen durften Westberliner ihre Verwandten im Osten besuchen. Keine Ahnung, was damals schiefging, aber das Abkommen hielt nicht mal einen Monat. Es dauerte nochmal ein Jahrzehnt, bis es ein ähnliches Abkommen für ganz Deutschland gab.
Sonderlich gefährlich sieht die Spree nicht aus. War sie aber: Manche Flüchtlinge entkamen den Kugeln, sanken dann aber vor Erschöpfung nach unten. Erfolgversprechender war es, falls man zufällig auf einem Ausflugsdampfer arbeitete, seinen linientreuen Käpt'n betrunken zu machen und den Dampfer ans Westufer zu steuern. Sogar Entenfüttern war hier lebensgefährlich: Als ein Schüler dabei ins Wasser fiel, erlaubten die Grenzsoldaten der Westberliner Polizei nicht, ihn rauszufischen.
Neben der Brücke beginnt ein 1,3 Kilometer langes Bauwerk: Die East Side Gallery ist die größte Freiluftgalerie der Welt, gestaltet von 118 Künstlern aus 21 Ländern, und zugleich das längste ununterbrochene Stück der Hinterlandmauer. Obwohl, inzwischen wurde die Mauer schon ein bisschen durchbrochen, damit man zum Schiffsanleger kommt. Und noch ein paarmal, damit man zum schicken neuen Hotelturm gelangt. Kein Wunder, dass die Künstler sauer waren, als Berlin einem Investor das Grundstück verkauft hat.
Auf welcher Seite läuft man an der East Side Gallery lang? Wenn Sie auf der Spreeseite laufen, steht da eine Reihe Bäume, übel zertrampeltes Gras und Infosäulen mit zersplitterten Spiegeln. Mit anderen Worten: Es ist eindeutig die schönere Seite. Zumindest, wenn man die Kunst selbst außer Betracht lässt. Auf der Mauer prangen nämlich ganz gewöhnliche dicke Graffiti-Buchstaben, die immerhin manchmal zeitkritische Kommentare enthalten. Diese Seite ist den wilden Sprayern vorbehalten. So ähnlich sah die Mauer wahrscheinlich schon im Kalten Krieg auf der Westseite aus.
Die großen Künstler haben sich auf der anderen Mauerseite an der Straße verewigt. Wer aber ihr Werk bewundern will, muss dafür eine Menge Stress auf sich nehmen. Entweder man radelt auf dem Fahrradstreifen, atmet die hirnbetäubenden Düfte der kunterbunten Trabi-Safari ein und erhascht über die parkenden Autos nur einzelne Schemen der Kunstwerke.
Oder aber man quetscht sich auf dem Bürgersteig zwischen Menschenmassen hindurch. Die meisten interessiert eigentlich nur ein bestimmtes Gemälde. "Excuse me, where is the kiss?", fragte mich ein Mann mit Basecap.
Hatte ich ihn gerade richtig verstanden? Der Kuss? Dann machte es Klick und ich verstand, denn sogar ich hatte dieses berühmte Bild schon mal irgendwo gesehen. Weiterhelfen konnte ich ihm trotzdem nicht. Erst zwei Stunden später (also gefühlt) hatte ich mich weit genug durch die Massen gearbeitet, um zu gucken, wie sich zwei nicht sonderlich attraktive Männer namens Honecker und Breschnew abknutschen. Und Menschen aus aller Herren Länder bespannen sie dabei. Naja, vielleicht hilft das wenigstens gegen die Homophobie in der Welt. (Obwohl, ich glaube, wenn ich homophob wäre, würde das Bild das eher verstärken...)
Immerhin ist das der Beweis, dass es sich um eine richtige Kunstgalerie handelt. Es ist fast so schlimm wie in der Sixtinischen Kapelle. Och Leute, schaut euch doch auch mal die anderen Bilder an, nicht nur den Kuss und das Trabibild, die in jedem Reiseführer zu sehen sind! Guckt mal, da ist der Japanische Sektor mit dem Berg Fuji (im echten Berlin leider nicht zu finden), Menschenmassen, die die Mauer durchbrechen, angekettete Friedenstauben, ein Drache und fremde Galaxien über Berlin, ein Vergleichsbild mit Mauern aus aller Welt... tja, oder ihr bespannt halt weiter die alten Säcke bei ihren romantischen Aktivitäten.
Kurz darauf verlässt die Mauer die Spree schon wieder, und der Radweg folgt einer Straße abseits des Flusses. Trotzdem versuchte ich auf dem nächsten Stück, einen Weg zur Spree zu finden. In dieser Stadt gibt's doch überall Wege, da muss doch irgendwas sein... nun ja, in der Tat war da was. Als ich jedoch auf diesem schmalen Was entlangfuhr, musste ich mein Rad eine Treppe hinauftragen und fand mich unversehens in einem Café wieder, wo ich das Rad zwischen leicht irritierten Gästen hindurchschieben musste. Die Wegführung hat schon ihre Gründe.
Etwas verloren steht am Rande eines gepflasterten Platzes eine einsame Ecke herum. Sie gehörte zur Bauakademie des Architekten Karl Friedrich Schinkel, der gefühlt ungefähr jedes zweite Haus in Berlin entworfen hat. Dieses Stück Musterfassade macht Werbung dafür, auch noch die komplette Bauakademie wieder aufzubauen.
Berlin ist dermaßen riesig, dass ich dachte, ich beschränke mich hier auf die Sehenswürdigkeiten, die direkt am Fluss liegen. Ich musste jedoch feststellen: Es liegen verdammt viele Sehenswürdigkeiten am Fluss. Zugegeben, bei der Museumsinsel ergibt sich das schon aus dem Namen, dass sie nicht nur am, sondern sogar im Wasser liegen muss. Die Spree teilt sich in zwei Arme.
Der kleinere Spreekanal ist allerdings viel schmaler und zugleich so lang, dass die Insel nicht wirklich nach einer Insel aussieht, sondern eher wie ein normales Ufer mit besonders vielen griechischen Säulen.
Auf der Insel ist auch die grüne Kuppel des Berliner Doms zu finden. Hinter den Museen stand einst das Berliner Stadtschloss, in dem der Adel von Preußen regierte - und später der Palast der Republik, in dem die Sozialistische Einheitspartei krachend daran scheiterte, es besser zu machen als die Adligen (und das in einem deutlich hässlicheren und asbestversuchten Palast). Beide Schlösser stehen nicht mehr, und nur ersteres wird vielleicht wieder aufgebaut.
Ist ja auch egal, für mich ist vollkommen klar, welches Ziel ich auf dieser Insel ansteuere.
Springen wir nun ein paar Jahrtausende vor die SED zurück, in antike Zeiten, als es noch... also, auch nicht wirklich zivilisierter war, aber auf jeden Fall anders. Damals plagten die Herrscher noch keine Probleme wie Wir können den Fünfjahresplan nicht einhalten und Manno, der Wolf Biermann hat schon wieder ein total gemeines Lied gesungen, sondern eher so was wie Das Orakel von Delphi hat gesagt, mein künftiger Enkel wird mich umbringen. Wat nu?
König Aleos fand eine clevere Lösung: Er machte seine Tochter Auge (ja, die hieß so) zur Priesterin, denn in dem Job ist alles, was zu Kindern führen könnte, streng verboten. Im Prinzip einleuchtend, klappt aber nicht, wenn irgendein betrunkener Herkules seine Triebe nicht im Griff hat. Sein zweiter Versuch war sowieso zum Scheitern verurteilt: Er setzte Mutter und Kind voneinander getrennt aus. Mensch, Aleos, hast du nie irgendwelche Geschichten gelesen? Bei ausgesetzten Babys geht die Säuglingssterblichkeit gegen Null, sie werden immer von Nymphen/Hirten/Pharaos/Wölf*innen/den Dursleys aufgezogen! Das Kind hieß Telephos, fand seine Mutter wieder und beide wurden von einem anderen König adoptiert.
Der Rest der Sage ist sogar ganz schön und hat eine versöhnliche, fast schon pazifistische Note: Die Griechen schauten auf dem Weg zum Trojanischen Krieg vorbei, plünderten ein bisschen und ihr bester Krieger Achilles piekste Telephos. Die Verletzung wollte einfach nicht heilen und das Orakel sagte, nur der Verursacher kann sie wieder in Ordnung bringen. Null Problemo, dachte Telephos, lief den Griechen hinterher und gab sich erstmal als anonymer Verwundeter aus. Er wurde nicht nur erfolgreich geheilt, sondern versöhnte sich auch mit den Griechen und zeigte ihnen den richtigen Weg nach Troja, damit sie anderswo weitertöten konnten (an dieser Stelle gerät die pazifistische Note ins Wanken). Ach ja, und außerdem wurde er selber König und gründete Pergamon. Seine Stadt wuchs zu einem kulturellen Hotspot mit einer der weltweit größten Bibliotheken heran, und in diesem Zustand übergab sie Jahrhunderte später der letzte König Pergamons besenrein ans Römische Reich.
Telephos' Nachkommen errichteten einen gewaltigen Altar, um den Göttern Essen und Trinken zu opfern. In die Wände meißelten sie irgendeinen kreativen Quatsch, weil sie auch einen coolen Mythos haben wollen, der erklärt, warum ihre Stadt von den Göttern abstammt die absolut glaubhaft überlieferte Geschichte ihres Gründers.
Springen wir nun etwa 2000 Jahre weiter. Ein deutscher Ingenieur namens Carl Humann reist an die Küste der heutigen Türkei und wundert sich. Oh Gott, was machen die denn da, zerschlagen die etwa alte Steinplatten, um daraus Kalk zu brennen? Da gehen ja uralte Schätze verloren! Er holt sich Geld von den Museen und eine Genehmigung der türkischen Behörden, und gräbt los, um zu retten, was zu retten ist. Und es ist noch dermaßen viel zu retten, dass a) bis heute weiter dort gegraben wird und b) Berlin ein eigenes Museum bauen muss, um das ganze ausgegrabene Zeug irgendwo unterzukriegen. 1901 entstand das Pergamonmuseum 1.0, aber das war immer noch zu klein. Aktuell wird schon wieder an der neusten Version des Museums gewerkelt, deswegen ist der Altar gerade verschlossen, nur einzelne Statuen und Platten sind ausgestellt. Das Besondere ist: Sie werden mit einem speziellem Licht präsentiert, das sich ständig verändert, so wie sie damals im Freien zu verschiedenen Tageszeiten zu sehen waren. (Ich wusste nicht, dass griechisches Tageslicht so blau ist.)
Aber es gab auch Menschen, denen das immer noch nicht anschaulich genug war, nämlich Künstler. Deshalb malten sie Panoramen. Das Panorama 1.0 wurde schon 1886 im heutigen Hauptbahnhof aufgestellt, es ist also älter als das Museum. 2011 und 2018 hat der Künster Yadegar Asisi mit modernen Mitteln neue Versionen davon geschaffen.
Zögerlich trottete ich in einen großen schwarzen Zylinderraum. Dunkelheit umfing mich. Im Licht der Scheinwerfer Morgendämmerung schälten sich Säulen und Menschen hervor. Ein Fluss rauschte. Vögel zwitscherten. Triumphale Musik verkündete den Sonnenaufgang. Ich stieg einen Aussichtsturm hinauf, und Stockwerk erwachte eine antike Stadt zum Leben.
Das Theater gab eine Vorstellung. Auf dem Pergamonalter prasselten die Feuer, und das Blut der Tieropfer ziert den Boden (beim Originalaltar ist das heute vermutlich nicht mehr so, weshalb er auch von Vegetariern besichtigt werden kann). Im Gras chillten mehr Menschen als auf der Werbebroschüre einer Universität.
Dagegen kann das Mauerpanorama am Checkpoint Charlie einpacken.
Das richtige Pergamonmuseum ist im Hauptgebäude untergebracht und kostet noch einmal extra Eintritt. Auch wenn der Pergamonaltar aktuell gesperrt ist: Nirgendwo sonst gibt es dermaßen viele dermaßen riesige Werke aus so vielen Kulturen zu sehen. Alter, ist das riesig! (Außer das Modell vom Turm zu Babel, das ist etwas mickrig geraten.)
Ein paar Kilometer von Pergamon entfernt lag Milet, das im römischen Reich eher durch Handel als durch Kultur bekannt wurden. Eine brummende Wirtschaft war den Miletern dermaßen wichtig, dass ihr prächtigstes Tor nicht zu irgendeinem Tempel oder Palast führte, sondern einfach auf den größten Marktplatz der Stadt. Naja, und eventuell wollten sie sich mit dem Ding auch einfach bisschen schick machen, weil Kaiser Hadrian bald zu Besuch kam. Und sie bauten gut, denn das Ding überstand im Museum sogar einen Bombeneinschlag im Zweiten Weltkrieg!
Vor ein paar Jahren versuchten ein Berliner Senator und ein Modefürst, das Tor als Hochzeitsgeschenk zu klauen, wurden aber von drei Kindern aufgehalten. Behauptet jedenfalls der Kinderbuchautor Andreas Steinhöfel.
Wer heute durch das Tor geht, kommt aber nicht mehr auf den Südmarkt, sondern aus einem komplett anderen Tor raus. Das Ischtar-Tor besteht aus absurd vielen blauen Fliesen, auf denen Löwen und deformierte Drachen die Beschützergötter von Babylon herumkriechen. Eigentlich war das bloß das Vortor, und danach kam ein noch viel größeres, das aber nicht mal ins Pergamonmuseum passt, obwohl das Museum ja nun extra gebaut wurde, weil seine Ausstellungsstücke zu große für normale Museen sind. Stattdessen hat man die komplette Prozessionsstraße dazugebaut, mit noch mehr blauen Fliesenwänden und Löwen. Die Babylonier benutzten das Gebilde, um die Statuen ihrer Götter quasi aus der Winterpause von einem Tempel außerhalb der Stadt zurück nach Hause zu schleppen, das war in Babylon das Event des Jahres.
Wer an der richtigen Stelle volle Kanne gegen die blaue Wand läuft, gelangt auch heute noch ins öffentliche Sprechzimmer des blauen Dschinn von Babylon. Behauptet jedenfalls der Kinderbuchautor P.B. Kerr. Ich habe das Gefühl, die komplette Literatur meiner Kindheit diente nur dem Zweck, mich in dieses Museum zu locken. Es hat gedauert, aber der Plan ist nun endlich aufgegangen.
Spreemauer 2: Der Tränenpalast
Nach diesem Ausflug in die Antike springen wir direkt zurück in den Kalten Krieg (und in weiteres Kinderbuch, Emil und die Detektive, da habe ich erstmals vom nachfolgenden Bahnhof gehört). Einmal über die Spree streckt sich eine Stahlbrücke, obendrauf liegt der Bahnhof Friedrichstraße. Die Berliner Mauer stand hier eigentlich gar nicht, trotzdem verlief auch hier eine Grenze: Auf dieser Station stiegen die allermeisten Fahrgäste von Ost nach West um. Ost- und Westgleise waren per Sichtschutz abgetrennt und in ein bürokratisches Labyrinth eingebettet, in dem nicht mal die Mitarbeiter richtig durchblickten. Der perfekte Ort, um Geheimagenten nach drüben zu schmuggeln - viel besser als irgendeine Katzenklappe im Grenzzaun!
Wer die geheimen Agententricks nicht kannte, musste auf dem offiziellen Wege durch den Sumpf der Bürokratie ins andere Land stapfen. Dazu wurde eine blaugraue Halle aus Glas, Beton und braunen Bretterwänden direkt neben den Bahnhof gebaut. Die Grenzer durchkämmten das Gepäck und die Menschen. Für manche war das einfach nervig, für andere psychisch belastend.
Wer als harmlos genug eingestuft wurde, dass er einen Besuch in die DDR genehmigt bekam, der durfte sich hier eine Menge Regeln durchlesen, zum Beispiel, dass er auf der Heimreise keine Zwiebeln und keinen Maschendraht in den Westen mitnehmen durfte.
Wer in der DDR ganz offiziell seinen Ausreiseantrag genehmigt bekam und legal floh, der sah in diesem Haus zum letzten Mal Freunde und Familie. Darum hieß das Bauwerk Tränenpalast. Natürlich nicht offiziell, aber dermaßen inoffiziell, dass ich keine Ahnung habe, wie es eigentlich offiziell genannt wurde.
Spreemauer 3: Das Regierungsviertel
Am Spreebogenpark werden die Pflanzen spärlicher. Wieder einmal verändert sich das Spreeufer komplett.
Es ist jetzt vollständig von Glas und edlem, zart beigefarbenen Gestein umgeben. Klarer Fall, hier geht irgendwas relativ Wichtiges ab. In diesem Bereich steht der helle Hauptbahnhof, den viele nicht mögen, ich aber schon. Und irgendwo hinter all den modernen Fassaden flattern die Flaggen auf dem Dach des Bundestags.
Fußgängerbrücken führen ans andere Ufer. Eine davon ist zweistöckig: Eine Etage für Beamte (die sogenannte Höhere Beamtenlaufbahn), eine für den Rest. Darunter fahren flache Ausflugsschiffe vorbei.
Haha, das Gebäude da drüben sieht voll aus wie eine Waschmaschine. Warte mal, irgendwo hatte ich mal gehört, das Bundeskanzleramt würde von den Berlinern Waschmaschine genannt, ist das etwa...? Nope, es handelt sich um das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, was auch immer das ist. Bei genauerer Betrachtung sehen echt viele Regierungsgebäude nach einer Waschmaschine aus. Wie soll man da bloß den echten Bundeskanzler finden? Aber vielleicht ist ja gerade das Teil des Security-Konzepts. (Die echte Bundeswaschmaschine war schon auf dem Bild vorher.)
Im Regierungsviertel verlief die Berliner Mauer nochmal ganz kurz am nördlichen Ufer der Spree. Kaum zu glauben, aber dieses Gebiet war mal eine kahle, leblose Ödnis.
Nach Kriegsende lagen die Gebäude in Trümmern, die Bäume wurden zu Feuerholz (nur eine Eiche steht heute noch) und alle Böden zu Kartoffeläckern, um irgendwie durch den Winter zu kommen. Der Reichstag wurde zur Ausstellung, in der gelegentlich mal BRD-Politiker tagten. Daneben stand die Schweizer Botschaft, die im Auge des Sturms alle Kriegsbomben völlig neutral überstanden hatte.
Nach dem Mauerfall machten sich als erstes ein paar internationale Künstler in der Wüste breit, die sich voll entfalteten und alles groß und grün gestalteten - zum sogenannten Parlament der Bäume.
Kurz darauf wuchs das neue Regierungsviertel heran, und es mussten Kompromisse mit den Künstlern gefunden werden. Das führte zu dem seltsamen Ergebnis, das reihenweise Bäume gefällt, aber zugleich in großen Gesten Friedensbäume von Weltpolitikern gepflanzt wurden. Manche Mauerstücke wurden in die drittgrößte Parlamentsbibliothek der Welt eingebaut.
Im Parlament der Bäume soll auch das "einzige komplett Mauerstück" stehen, wie auch immer "komplett erhalten" definiert wurde, damit dieser Rekord hinkommt. Viel konnte ich nicht erkennen, denn die Bäume haben abgestimmt, ihre Blätter erhoben und beschlossen: Ich soll nichts sehen.
Die Spree ändert ständig ihr Aussehen. Auf dem folgenden Abschnitt ist alles zusammengewürfelt: Restaurierte Industriegebäude, Plattenbauten des Todes, historische Villen, Ruinen und diese typischen Mietshäuser. Jup, Berlin ist eine bunte Stadt - und dermaßen groß, dass es im Grunde Quatsch ist, ein allgemeines Urteil über diese Stadt zu fällen. Aber tendenziell hat diese Spreetour meinen Eindruck von Berlin eher verbessert. Was aber auch klar ist, am Wasser sind Städte halt meistens schöner.
Am anderen Ufer erhebt sich das Schloss Bellevue am Rande des Tiergarten-Parks. Auf dem Dach flattert eine Flagge. Das bedeutet, Queen Frank-Walter die Erste ist zu Hause, oder?
Auf dem schönsten Teil hatte ich sogar die Wahl, ob ich am linken oder rechten Ufer und ob ich oben oder unten fahren will. Wow, so viele Optionen! Ein grünes Geländer sorgt dafür, dass niemand unfreiwillig von Option oben zu Option unten wechselt.
Ein Kunstwerk erinnert an die Berliner Mauer, die an dieser Stelle aber nicht mehr verlief.
Die Brücken werden immer älter und runder. Hinter diesem Exemplar ragt die Siegessäule in die Höhe. Die Berliner nennen sie auch Goldelse. Angeblich. Allerdings habe ich auch schon gelesen, dass all diese witzigen Spitznamen bloß ein Marketing-Gag sind und kein Berliner die ernsthaft benutzt. Keine Ahnung, welche Quelle nun wirklich Recht hat. Für Auswärtige bleibt es wohl ein ewiges Rätsel, so ähnlich wie die richtige Aussprache der Stadt Edinburgh.
Immer wieder habe ich mich auf schmalen Stegen unter den zahlreichen Berliner Brücken hindurchgequetscht.
Und immer wieder zweigten Kanäle ab, um mich in die Irre zu führen. Die Spree ist doch jetzt das Wasser da drüben, oder... ach nee, ich bin falsch.
Zwischen Kleingärten und Bahngleisen durchquert die Spree einen naturnahen Abschnitt, den ich in Berlin nicht erwartet hätte.
Während die Industrie immer lebendiger wird, geschieht dasselbe mit der Natur.
Die Sicht auf das letzte Spreestückchen verhindern gewaltige Gewerbegebiete. Wo ein großes Kraftwerk Strom produziert, verschwindet der letzte holprige Kiesweg am Ufer.
Oder komme ich da weiter, wo der LKW rauskom... nee, alles verboten. Also bleibt nur die proppenvolle Riesenstraße.
Dieses Spreestück bin ich im Anschluss an meine erste Havelradtour gefahren. Weil ich noch Zeit hatte, beschloss ich: Ich spar mir das Geld für die S-Bahn und fahr direkt direkt Hauptbahnhof - jedenfalls so direkt, wie sich die Spree eben mit ihren Kurven hinschlängelt.
Das war aber, wie gesagt, gar nicht so einfach. Die Mündung der Spree ist von Industrieruinen und 789 Quadratmetern Graffiti umgeben. Während die Havel an dieser Stelle mit perfekten Uferwegen ausgestattet wurde (zum Teil sogar auf beiden Seiten), ist die Spree blockiert.
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