Seiten

Flüsse

Noch mehr Radreisen

23 November 2025

Naab: Von Weiden nach Regensburg

Was macht die Waldnaab in Weiden? Sie fließt geradeaus am Stadtrand vorbei, nimmt die Schweinnaab (ja, die heißt wirklich so) und hat eine der schönsten, verschlungensten und natürlichsten Fischtreppen, die ich je gesehen habe.
Außerdem ist da der Flutkanal. Der zweigt von der Waldnaab ab, fließt noch geradeauser am Stadtrand vorbei, per Brücke über die Waldnaab rüber...

...und schließlich wieder in sie rein.
Die graugrüne Parklandschaft war da schon längst einer graugrünen Feldlandschaft gewichen. Und zwar keiner sonderlich weiten: Nach ein bis zwei Kilometern endeten die Felder an einer grauen Wand, die mich den ganzen Tag begleiten sollte.

Darum konnte ich auf der Brücke von Oberwildenau auch nicht so richtig erkennen, wie sich die Haidenaab [sic] mit der Waldnaab vereinigt. Es gibt mehr Weiden als in Weiden, und der Boden ist so flach, die Flüsse dementsprechend so verschlungen, dass ich im Nebel nicht durchgesehen habe, was jetzt welcher Fluss ist.
Fest steht jedenfalls: Erst an dieser Stelle entsteht der Fluss, der einfach nur Naab heißt. Allerdings ist das, wo wir bisher langgefahren sind, der Länge nach der Hauptfluss der Naab.

Vor der Autobahn musste ich einmal die Gleise überqueren. Bis zu 20 Minuten soll man hier warten müssen, wer es eilig hat, soll einen anderen Weg nehmen? Na supi. Wer es aber nicht eilig hat, soll... diesen Knopf drücken? Okay... mit leichter Skepsis, ob das rostig-gelbe Gerät noch funktioniert, drückte ich drauf.
Krsch... "Oan kloan Moment bitte."
Oan kloan Moment später klappten die Schranken tatsächlich nach oben.

Nebel, Wiesen, Nebel, Wiesen... habe ich mir das wirklich gut überlegt, über 100 Kilometer hier durchzufahren?
Ja, denn das ist höchstwahrscheinlich die letzte Gelegenheit des Jahres zum Radfahren. Und sobald der Fluss und kleine Felswände dazukommen, sieht 

Naabburg ragt mit einer massivem massigen "Dom" und massigen Stadtmauer über der Naab in den Nebel. Diese Stadt hat keine Burg - diese Stadt ist die Burg. Warum genau die gotische Kirche nur gut genug für einen Dom in Anführungszeichen ist, erklärt die Infotafel nicht. Vielleicht, weil 1536 ein Blitz den zweiten Turm für immer abgefackelt hat.
Hier wurde das originale Grubenhaus ausgebuddelt, das der Geschichtspark Bärnau nachgebaut hat.

Erst in Schwarzenfeld habe ich mir die Zeit genommen, eine Ortschaft von innen anzusehen. Naja, was heißt, Zeit genommen - die Wegweiser haben mich sowieso hinein ins Kopfsteinpflastergebiet geleitet. Und das sah erstmal alles sehr still, aber nett aus. Am Fluss ragte erstmal ein Zwiebelturn auf. Er gehört zum fest verschlossenen Schlosshotel. Im Schloss und "auf" Schwarzenfeld saßen verschiedene Adelsfamilien, darunter die Herren "Teuffel von Pirchensee" und Karl Theodor Graf von Holnstein. Der war Oberstallmeister des bayrischen Königs. In diesem Job war er aber nicht mit Ausmisten beschäftigt, stattdessen verhandelte er mit dem Saupreißen Bismarck Verhandlungen mit dem Ergebnis, dass Bayern einverstanden war, dass der Saupreiß Wilhelm I. im Spiegelsaal von Versailles zum deutschen Kaiser ausgerufen wurde. Zur Belohnung durfte der Graf von Holnstein seinen Ruhestand erblindet in diesem Schloss verbringen, das sich hinter Gitterzäunen verschanzt.
Aber direkt daneben ist ja noch eine gelb-weiße Pfarrkirche. Und dort stand die Tür offen.

Jeder kann sich ansehen, wie das barocke Innere der Kirche in Weiß-Gold ausgeschmückt ist. Zumindest durch Gitterstäbe. Die befinden sich hier, anders als beim Schloss, im Innenraum, kurz bevor die Bänke beginnen. Damit Sie den Anblick stabfrei genießen können, habe ich durch sie hindurch fotografiert.
Die Kirche sieht so aus, weil die Hussiten und ein Feuer den Vorgänger zerstört haben. Sie ist gleich zwei Heiligen gewidmet, die beide auf den Altar gemalt sind: St. Ägidius plaudert mit einem Engel, während St. Dionysius geköpft wird.

Am Marktplatz war Schwarzenfeld dann nicht mehr so schön anzusehen. Das hier könnte so auch ein Bild einer Kleinstadt in NRW sein - wäre da nicht das riesige Kruzifix.

Unterwegs entdeckte ich ein lyrisch wie privatsphäremäßig fragwürdiges Gedicht: Nach langer Zeit ist es vollbracht / der Franzi hat die Rosi zur Frau gemacht. / Dieser Baum soll ein Jahr stehen. / Wir wollen ein Kind in der Wiege sehen. / Nach einem Jahr sind wir wieder hier / auf a Sau und a Fassl Bier. Kein Druck also bei der Familienplanung!

In Schwandorf hieß es: Halbzeit, Teezeit und Essenszeit! Puh, ist aber immer noch ne ganz schöne Strecke übrig.
Der nette Rasttisch befand sich zwischen der Naab und einem Wohnmobilstellplatz, auf dem genau ein Wohnmobil stand.

Neben der Naab befinden sich ein paar Baggerseen. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich einen davon besucht, und zwar den stahlblauen Steinberger See, welcher von Unmengen an Enten und nicht ganz so großen Unmengen an Booten bewohnt wird.

Über halb gefrorene Nadelwäldchen und Wiesen voller Hunde spazierten wir eine Runde um den Wasserspiegel.
Ich staunte, wie flach Bayern auch sein kann. Es gab keinerlei Bergblick. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich dieses Bild in Mecklenburg-Vorpommern angesiedelt!

Das touristische Zentrum befindet sich allerdings am Westufer, denn hier hatten zwei einfallsreiche Unternehmer eine Vision. Sie wollten, dass sich Menschen bewegen! Und zwar draußen! Und gemeinsam! Und so bauten sie etwas Einzigartiges, das sich so oder ähnlich nirgendwo anders außer in Dolní Morava, Bad Harzburg und an vielen weiteren Baumwipfelpfaden findet. Wir erwarben am Automaten eine Plastikkarte mit Strichcode und spazierten dann eine lange, lange Spiralrampe hinauf. Dabei hüpften wir über ein paar Balancierparcours und Boden-Kletternetze mit Blick nach unten.
Die beiden Männer nannten das Teil inMotion PARK. Ein Comic auf der Rückseite ihres Flyers erzählt, wie bei der feierlichen Eröffnungsfeier ein gewisser Markus Söder den Namen vergessen hatte oder doof fand und darum improvisierte: "Hiermit eröffne ich die Erlebnisholzkugel!"
Joa. Und das ist der Name, unter dem das Ding bis heute bekannt und auf Google Maps eingetragen ist. Gegen die Macht Söders hatte der langweilige Name keine Chance. Und ehrlich gesagt hat er ja einen Punkt: Die Kugelform ist ein Blickfang und das, was diesen Turm im Vergleich zu ähnlichen Bauwerken einzigartig macht.

Eine trockene Edelstahlrutsche mit Rutschteppichen darf natürlich nicht fehlen! Sie sieht erstmal verdammt steil aus, aber das ist auch nötig, um ohne Wasser überhaupt auf ein gescheites Tempo zu kommen. Vor allem, wenn einen auch noch die Schweißnähte kräftig durchrütteln. Wuppwuppwuppwuppwpwpwpwpwphuii...

Von oben ist dann doch zu sehen, dass die Berge gar nicht mal so weit entfernt sind.

Und die Naab dringt jetzt wieder in sie ein. Immer mal wieder musste ich am Waldrand hoch und runter, der Fluss war nur ein verwaschener grauer Streifen hinter den Bäumen.

Aber immer mal wieder waren da auch flache Straßenstrecken abseits des Flusses, mal mit, mal ohne Radweg. Trotz Radweg ist hier anscheinend jemand zu Tode gekommen. Die kleine Kerzenflamme im großen grauen Nichts war ein seltsamer Anblick, und das perfekte Symbolbild für Ende November.

Gott sei Dank zog sich das Nichts weit genug zurück, um mir diese mystische Felsformation zu zeigen. Das hier sieht nicht mehr sächsisch aus, es weckte eher Assoziationen an schottische Highlands oder den Hund von Baskerville. Schöön, vielleicht sogar meine Lieblingslandschaft an der Naab.

Ja, nun türmen sich die Berge endgültig wieder auf, und die Naab taucht ein in ihr Finaltal.
Frage: Welches Tier würden sie in einer solchen Landschaft am ehesten erwarten? Vielleicht ein paar Schafe oder Ziegen?

Auf jeden Fall keine Pfauen. Was für ein bizarrer Anblick, diese Ziervögel nicht in einem Zoo oder Schlosspark, sondern einfach so auf einem Acker herumpicken zu sehen.

Unter den Felswänden des Finaltals liegt das putzige Örtchen Kallmünz. (Der Name hätte mir eine Warnung sein müssen.) Am rechten Ufer erstreckt sich ein kleiner Marktplatz, umgeben von bunten Häusern, deren Farben gegen den Nebel und die Abenddämmerung ankämpften. Hinter den Fenstern brannte warmes Licht. Zumindest in den Privatwohnungen, in den Geschäften war es kalt und still.

Am anderen Ufer werden die Gassen kleiner und weißer, dafür brannte endlich mal im Erdgeschoss ein Licht. Und zwar im Schmalzkuchl.
Als mein Magen den Namen las (also quasi), war er der Meinung, ich sollte da jetzt reingehen. Auch wenn ich dadurch das letzte Tageslicht verpassen würde, egal. Ich zwängte mich in den gut gefüllten und vor allem warmen Gastraum, und bestellte ohne nachzudenken. Auch, wenn ich nicht genau wusste, was sich hinter Worten wie Kiachlschmarrn verbarg (Im Prinzip halt Kaiserschmarrn ohne Rosinen).

Erst beim Warten fiel mir, siedendheiß wie die heiße Schokolade, ein, dass ich keine Geldautomaten gesehen, nicht mehr viel Bargeld und gar nicht gefragt hatte, ob sie Karte nehmen.
"Nein, aber kein Problem, Sie können anschreiben lassen."
Und weg war sie wieder, ehe ich weiter nachhaken konnte.
Anschreiben, aha. Diese kontaktlose Zahlungsmethode kannte ich bislang nur noch aus Geschichten. Soweit ich weiß, wird dabei der abgebuchte Betrag auf einem analogen Datenspeicher namens Tafel eingegeben. Dieser Bezahlvorgang ist, anders als Paypal, ApplePay und Visa, vollständig unabhängig von Strom- und Internetausfällen, kann jedoch mit einer simplen Hacker-Software namens Schwamm manipuliert werden. Außerdem, und das war das eigentliche Problem hier, ergibt Anschreiben doch nur Sinn bei Einheimischen oder Urlaubern, die länger bleiben und deshalb irgendwann zum Bezahlen zurückkommen, oder? Mein Auftreten und vor allem Aussprechen müsste eigentlich verraten haben, dass ich zu keiner der beiden Gruppen gehörte. Beim Abrechnen wollte ich einfach vorschlagen, dass sie mir Daten zum Überweisen geben, aber ehe ich mich versah, hatte schon jemand die fehlenden Kallmünzen auf den Tisch gelegt. Ach so, auch gut, danke sehr.

Nach den letzten Kilometern im engen Flusstal fuhr ich auf Mariaort rauf, eine Halbinsel mit kleiner Klosterkirche. Am anderen Ufer der Donau leuchtete bereit Regensburg und machte seinem Namen alle Ehre, denn es hatte ein leiser Nieselregen eingesetzt, zum Glück erst jetzt. Ein Bauer hat auf dieser Spitze zwischen den Flüssen ein keltisches Hügelgrab gefunden. Die Finaltäler der Naab und Regen waren natürliche Einfallschneisen, und deshalb mussten die Römer drüben in Regensburg dieses Gebiet besonders gut befestigen.
Ich fuhr über die überraschend wenig holprige Wiese, bis ich zwischen kahlen Hecken auf einen Grabstein stieß. Zumindest sah er auf den ersten Blick wie einer aus, aber im Licht der Handytaschenlampe erkannte ich... äh, soll das eine Zeichnung der beiden Flüsse sein? Und sind das Entfernungsangaben wie auf einem Meilenstein? Jap, danke, jetzt weiß ich, wo es zum Schwarzen Meer geht, da wollte ich heute noch hin.
Schwarz waren die beiden Flüsse ja immerhin schon, auch wenn die Donau im Licht der Stadt leicht orange glühte. Nur leicht, denn das eigentliche Stadtzentrum ist noch fünf Kilometer weiter. Ganz so weit musste ich zum Glück nicht mehr, denn der Stadtteil Prüfening da drübening hat einen eigenen Bahnhof.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen