Ich habe Hunger. Da stand doch gestern Abend mindestens ein Symbol für Hier gibt's Essen auf dem Schild, oder?
In der Tat. Der kurz angebundene Bäcker von Trebatsch rührte mir auf anrührende Weise ein Bäckerührei an, das ich auf der Terasse verspeisen konnte, während einzelne Trebatscher zum Zeitung- und Brötchenholen eintrudelten. Soo viel Strecke war nun auch nicht mehr übrig, daher verbrachte ich den heutigen Morgen relativ gechillt.
Allerdings stand Beeskow an einem wichtigen Spreeübergang. Ansonsten ist die Spree viel zu breit zum Überqueren: Sie fließt durch den Schwielochsee und ein paar andere längliche, norddeutsche Spreeseen, von denen ich aber kaum etwas zu seen bekam.
Die DDR nahm im alten Forsthaus am See heimlich RAF-Aussteiger aus den Westen auf. Sie wurden umgeschult ("Sie sind jetzt bei den Guten, also bitte hier keine Politiker abmurksen.") und bekamen eine neue Idenität.
Dann bin ich auch schon an der Regionalbahnlinie Magdeburg-Berlin-Frankfurt (Oder) rausgekommen, ab jetzt geht es nach Westen.
Soll ich da jetzt wirklich noch reinfahren, um mir den Dom anzuschauen? Es haben doch so viele Städte eine große Kirche, als ob der Fürstenwalder da jetzt so einzigart... oh.
Kurz konnte ich in einem Park am Ufer fahren, dann vereinnahmte Baustelle2 den nächsten Uferweg. Das war wirklich schade, da ging es lange am Wasser lang.
Das erste, was mir an der Kirche auffiel, war der Geruch. Sie roch wahnsinnig gut. Nicht nach Weihrauch oder dergleichen, sondern nach Wachs. Bienenwachs. Viel mehr Bienenwachs als nur ein paar Kerzen. Der achteckige Altar aus Bienenwachs entpuppte sich als eher unauffälliges Wachstischchen vor dem Hintergrund, das auch die komplette Wand dahinter gewachst war. 1993 haben die hier „Wachset aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilands Jesus Christus.“ (2. Petrus 3, 18) mal ganz anders interpretiert. Am Eingang der Hoffnungskirche a.k.a. Honigkirche gibt es Blüten, betende Hände und Kreuze mit Psalmen zu kaufen, alles aus Wachs.
Das weltliche Symbol von Hartmannsdorf 2.0 ist eine Basketball spielende Spreejungfrau.
Im letzten Wald des Tages hat irgendein künstlerisch abgedrehter Mensch einen Haufen Skulpturen abgestellt, dazu folgenden Hinweis:
Erkner ist die letzte brandenburgische Stadt und besteht eigentlich nur aus einer endlosen Shoppingstraße mit Baustelle Nr. 3, an der ich ewig vorbeischieben musste. Zwei botanische Sehenswürdigkeiten ducken sich nebeneinander in eine Ecke: Die Blumenuhr (nein, es war nicht erst zwölf Uhr) und ein Maulbeerbaum. Er ist das letzte Überbleibsel der Maulbeerplantagen, die es einstmals um Berlin herum gab. Friedrich II. wollte darin Seidenraupen züchten, um sich von Importen aus Asien unabhängig zu machen. Die Plantage wurde ein ökonomisches Desaster. Wie sich herausstellte, ist es eine schlechte Idee, in Brandenburg exotische Bäume anzupflanzen und dann zu erwarten, dass die richtig gedeihen, während der Boden mehrfach von Kriegen verwüstet wird.
Auf dieser Strecke liegt Fürstenwalde. In dieser Stadt hat die Firma Pintsch Leuchttürme für die Ostsee zusammengeschweißt, darum steht einer vor dem Museum.
Dieser Dom einzigartig und gehört zusammen mit Havelberg und Brandenburg/Havel zu den drei märkischen Domen. Und zugleich zur verbreiteten Kategorie Lasst-uns-die-Löcher-im-kaputten-Bauwerk-so-modern-zubauen-dass-eine-malerische Ruine-quasi-im-Gebäude-inkludiert-ist. Und das sah so aus:
Ich lief durch eine Glaswand (also, durch die Glastür, um genau zu sein) und unter einer weißen Empore hindurch - hinein in einem Backsteinraum, der heute wahrscheinlich viel weiter wirkt als früher. Der Grund dafür sind die Säulen, denn die enden einfach so und stehen abgeschnitten in der Gegend herum. Ihre ursprüngliche Aufgabe des Stützens ist überflüssig geworden, denn das neue Holzdach trägt sich problemlos selbst. So können sich die Säulen ganz auf den eigentlichen Sinn ihrer Existenz konzentrieren: So stehen, dass der Blick nach vorn ausgerechnet von Ihrem Sitzplatz aus blockiert ist.
Das wurde doch bestimmt erst nach der Wende (quasi postwendend, höhö) wieder aufgebaut, oder? Jein, eigentlich stand der Plan schon vorher, und die Wiedervereinigung brachte nur die ganze Budgetplanung (4,5 Millionen DDR-Mark und 1,5... was zur Hölle sind Valutamark?) durcheinander.
Die Spree hat jetzt etwas von einem Kanal, immerhin ist sie nun selbst die Wasserstraße zwischen Oder und Berlin. Kein Wunder, dass schon 1840 das gefährliche Wildbaden durch eine Militärbadeanstalt ("Ab einer Wassertiefe von 1,5 m beginnt der Soldat selbstständig mit Schwimmbewegungen.") ersetzt wurde. Aber ich bin stattdessen auf dem deutlich stärker frequentierten Asphaltkanal für Autos gefahren, seufz.
Zum Glück ist der Spree diese Verkehrsachse auch zu laut, sie knickt in Mönchwinkel im 45-Grad-Winkel ab und macht schiebt einen Bogen in Richtung Süden ein. Puh, endlich Stille. Und das mitten im Dorf. Campingkocher raus, Zeit für's Mittag. Sogar da Flusswasser für den Abwasch war in Reichweite.
Dass dieser Bogen nach Süden wieder aus Dörferzickzack besteht, störte mich also eher weniger.
In Neu Hartmannsdorf sollte es noch eine weitere besondere Kirche geben. Ob ich hier mehr Glück habe als im gestrigen Hartmannsdorf? Immerhin passiere ich die besonderen Kirchen heute mitten am Tag, da muss doch mal was klappen.
Die fragliche Kirche war von außen in sehr unauffälligem Zahnarztgrün gestrichen. Vor dem Portal führte ein tüchtiger Inquisitor gerade ketzerisches Unkraut den Flammen der Hölle zu. Ich näherte mich daher mit der gebotenen Vorsicht und fragte sehr höflich, ob die Kirche wohl geöffnet sei. Natürlich, lautetet die freundliche Antwort, er senkte seinen Flammenwerfer und ließ mich gern hinein.
Die Wachswand hat etwas Unwirkliches. Blütenpollen wurden beigemischt, Nasen aus Wachs sind daran herunterlaufen und zu einer unregelmäßigen Oberfläche erstarrt. Aber was ist das? Da sind ja Buchstaben im Wachs eingekratzt und eingeschlossen, ganze Worte... VERGEBUNG, NOT, BEGNADIGT, SCHULD... das ganze Werk sieht aus wie ein Portal in ein Paralleluniversum, in dem eine riesige Bienenkönigin eine christliche Theokratie errichtet hat.
Ist mir aber egal, solange es dort so gut riecht.
Ihr könnt hier rasten und auch quatschen,
doch keine bösen Sachen machen.
Seid so lieb und so nett
schmeißt euren Müll auch hier nicht weg!
doch keine bösen Sachen machen.
Seid so lieb und so nett
schmeißt euren Müll auch hier nicht weg!
AAH! Die aus Baumstümpfen geschnitzten Zwerge ziehen qualvolle Grimassen unter dieser vogonischen Dichtkunst. Bitte sei so lieb und so nett und bleib bei der Bildhauerei, das kannst du, danke.
Erfolgreicher war da die Teeindustrie aus Erkner. Das mit den Verwüstungen wurde leider nur noch schlimmer: Von 1945 bis in die 70er war der Stadtkern nur eine "Barackenstadt".
So, das war der zweite große Fluss quer durch Brandenburg. Und auch ohne den Berliner Teil kann ich an dieser Stelle schon mal sagen: Ich glaube, die Spree hat mir tatsächlich besser gefallen als die Havel.
Bin selbst überrascht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen