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24 Mai 2023

Weser: Von Neuwerk nach Scharhörn

 Weser-Tag 12: Die Spatzinsel

gewandert im: Mai 2023
Start: Neuwerk, Hus achtern Diek, Campingplatz
Ziel: Scharhörn, Vogelwärterhütte, und wieder zurück
Länge: zweimal ca. 8,6 km
Prielquerungen: etwa 2 mittelgroße und 2 Fahrwasser
Ufer: rechts der Weser, links der Elbe
Bundesländer: Hamburg
Landschaft: Watt und ein eigentümliches Strand-Watt-Mittelding
Wegbeschaffenheit: überraschend fest
Steigungen: eine Metalltreppe und eine ca. 30 Zentimeter hohe Prielkante
Wetter: ein bisschen bewölkter, doch immer noch ein Traum
Wind: seltener Ostwind für trockene Beine
Highlight: Muschelkonzert & Vogelführung
Größte Hürde: Schlickstelle in der zweiten Hälfte, abseits des ausgewiesenen Weges
Zitat des Tages: "Ich beneide meine Chefin nicht um ihre Position. Wenn ich vor Ort erzähle, wo ich arbeite, dann werde ich jetzt nicht persönlich angegriffen, aber es heißt dann schon so: Und, wie viele Tiere sind es dieses Jahr? Sind aber schon ganz schön viele, oder?" - J., Vogelwart von Scharhörn - 

1. Sie möchten zur Insel Scharhörn? Führungen dorthin werden bloß alle paar Monate mal angeboten, also machen Sie das lieber individuell. Wählen Sie einen Tag und berechnen Sie die richtigen Ge(h)zeiten: Wikipedia empfiehlt, vier Stunden vor Cuxhavener Niedrigwasser aufzubrechen und bei Scharhörner Niedrigwasser den Rückweg anzutreten. Das macht in der Theorie etwa fünf Stunden inklusive eine Stunde Aufenthalt. Mal sehen, wie das dann in der Praxis aussieht.
Stellen Sie fest, dass Sie laut Ihrer Berechnung am ausgewählten Tag um 5:40 Uhr starten müssen.
Rufen Sie den Vogelwart an und fragen Sie, ob er an dem Tag Zeit hat. Ansonsten dürfen Sie die Insel nicht betreten. Er ist zunächst überrascht, dass sie ernsthaft so früh aufstehen wollen. Dann empfiehlt er Ihnen, vorher im Nationalparkhaus auf Neuwerk nochmal abzuchecken, wie die Bedingungen gerade sind, und sich den Weg erklären zu lassen. Tun Sie das. Der Typ vom Nationalparkhaus wird von Ihrer sorgfältigen Vorbereitung eingeschüchtert sein und nur bestätigend nicken können. Verlassen Sie das Nationalparkhaus überaus selbstzufrieden.

2. Stehen Sie rechtzeitig auf und wandern Sie in Richtung Wattrampe. Dort sollen Sie eigentlich starten. Andererseits: Da drüben ist doch schon der Weg, und die paar Meter direkt vor der Insel kann man ja wohl auch querwattein gehen, oder?
Blicken Sie nachdenklich vom Deich aufs Watt und treten Sie dann kurzentschlossen in den Schlamm. Ja, die Abkürzung ist kein Problem.
Die Buschpricken hingegen sind eher unentschlossen als kurzentschlossen. Nirgendwo sieht man so gut wie hier, dass Wattwege jedes Jahr neu verlegt werden. Reihen aus Stümpfen abgebrochener Pricken reihen sich stumpf nebeneinander - manche nur einen Meter voneinander entfernt. Da drüben, nee, doch lieber hier, ach nee, doch da... 

2. Der Grund, warum Sie sich so viel abkürzen konnten, ist folgender: Bevor dieser Weg wirklich ins Meer hinausführt, umrundet er die halbe Insel Neuwerk. Uff.
Nach den ersten Pfützen erwartet Ihre nackten Waden viel zu früh am Morgen die tiefste Stelle des ganzen Wochenendes. Waten Sie durch das Fahrwasser am sogenannten Bauernhafen, der heute als Yachthafen dient. Und anschließend durch einen Ausläufer vom Fährhafen. Die Strömung ist zwar kaum spürbar, aber sogar bei Ostwind reicht Ihnen das Wasser bis über die Knie. Brr! Ihre Füße haben sich längst ans Wasser gewöhnt, doch von ihren Waden pellt sich nun eine imaginäre Eisschicht.
Die Belohnung lässt nicht auf sich warten: Ein unglaublicher Sonnenaufgang über Neuwerk. Und für einen Moment färbt sich der graue Schlamm feuerrot.

3. Dann endlich entfernt sich der Wattweg von der Insel, und die richtige Wanderung beginnt. Ist das da hinten Scharhörn? Hui, noch ganz schön weit weg. Die Vogelwärterhütte ist kaum mehr als ein weißer Punkt.

In einem Quadratmeter Watt können hunderte Muscheln leben. Glauben Sie nicht? Dann schauen Sie doch einfach mal in Ihren eigenen Fußabdruck.

Gestern haben Sie gelernt: Die Sandklaffmuschel lebt 20 Zentimeter unter der Erde, ziemlich tief für eine Muschel. Und weil ihr Grabfuß nicht mitwächst, kann Sie ihren Standort nie mehr wechseln, sobald sie erwachsen ist. Wie schafft sie da überhaupt Nahrung heran? Ihr liefert schließlich kein Trecker was vom Edeka auf dem Festland. Deswegen streckt die Sandklaffmuschel einen Sipho an die Oberfläche und saugt lecker Plankton und Kieselalgen ein. Dieses Teil wird bis zu 50 Zentimeter lang!
Aber huch, da nähern sich Vibrationen! Ob das wohl Touristen sind? Rasch zieht die Elefantenmuschel ihren Sipho ein. Dabei stößt sie alles Wasser aus, und eine kleine Fontäne spritzt aus dem Loch.
(Mein Gehirn gestern dazu: "Wie cool, eine Springbrunnenmuschel!"
Die Wattführerin: "...und deshalb nennt man sie auch Pissmuschel.")
Die gestrige Strecke war viel zu voll, als dass man solche ein Fontäne hätte sehen können - unter dem Getrampel waren vermutlich sämtliche Siphos längst so weit zurückgezogen, wie es nur ging.
Doch heute können Sie das Phänomen erleben - und zwar in Massen! Bei jedem Schritt spritzen aus winzigen Löchern feine Wasserstrahlen zehn Zentimeter hinauf in die Morgenluft. Und damit nicht genug: Auch in den größeren Löchern spritzt es ein bis zwei Zentimeter hoch. Bub. Bub. Bub. Es sieht aus, als würde eine Luftblase aufsteigen. Ob da eine andere Muschelart lebt, die etwas ähnliches macht? Die kleinere Herzmuschel vielleicht?
Bub. Bub. Bub. Es klingt wie sanft fallender Regen. Die Muscheln veranstalten ein Konzert am Morgen, mit nur zwei einsamen Wanderern als Publikum.
Wie kommt man nur auf die Idee, etwas derart Wunderschönes mit dem Wort Pissmuschel zu versehen?


Ein paar Meter entfernt sieht man den Grund, warum dieselben Muscheln an der Oberfläche so oft in Form geknackter Schalen zu sehen sind: Die Seevögel picken in ihrem schlammigen Frühstücksbuffet herum.

4. Die Priele heute sind weniger tief. Einer davon hat eine kleine Prielkante, so eine Art Klippe aus Matsch. Aber wirklich nur ganz klein, mit einem normalen Schritt sind Sie auch schon unten angekommen. Angeblich hat das Cuxwatt noch viel größere Prielkanten. Gestern im Nationalparkhaus hing die Schwarzweißfotografie einer wahnsinnig hohen Kante - aber wer weiß, vielleicht hat der Fotograf ja auch irgendwie mit der Perspektive getrickst.
Sie laufen mittlerweile durch die Schutzzone 1 des Nationalparks. Hier dürfen Sie den markierten Weg nicht verlassen. Und natürliche darf man hier auch nichts ins Watt einbetonieren: Rettungsbaken gibt es also keine, und auch die Orientierungsbaken für die Schiffe wurden längst abgerissen. (An einer Stelle kündet ein Steinhaufen davon.)

Wandern Sie und wandern Sie und wandern sie. Die Uhr tickt, doch die Inseln am Horizont rücken nur zögerlich näher. Nun ist schon mehr als die Hälfte der Hinweg-Zeit vergangen. Haben Sie schon die halbe Strecke geschafft? Hmm, nee, naja, wird schon.
Neben Scharhörn erstreckt sich ein zweiter gelber Streifen am Horizont, die Insel Nigehörn ("Neues Eck"). Die Insel ist komplett künstlich aufgeschüttet und enthält einen kleinen Wald, in dem verschiedene Vogelarten ihre Nester verstecken. Sie nehmen es in Kauf, ein paar Meter zu laufen, bis sie losfliegen können - dafür frisst ihnen keine Möwe die Eier weg.
Schon 1979 plante Hamburg, hier eine Insel aufzuschütten - damals aber aus komplett anderen Gründen. Ein Tiefwasserhafen in der Elbmündung sollte auf beiden Inseln entstehen, sogar mit Bahnanbindung, Stahlwerken, Chemieindustrie und Atomkraftwerk! Erst 1989 wurde die Aufschüttung dann zu einem ganz anderen Zweck umgesetzt als geplant, nämlich zum Naturschutz. Beide Pläne hatten immerhin ein gemeinsames Ziel: Sie wollten die Insel Scharhörn schützen und quasi vor dem Meer abschirmen. Die beiden Inseln sind eng verbunden, seit den 90ern können Sie sogar bei Hochwasser rüberlaufen. Dürfen Sie aber nicht: Außer dem Vogelwart ist es niemandem gestattet, Nigehörn zu betreten.
Mittlerweile spült das Meer hinter Nigehörn eine neue Sandbank an, die sich in Zukunft zu einer dritten Insel entwickeln könnte.

5. Folgen Sie der Traktorspur auf die Zielgerade. Bald müssten die Reifenabdrücke in einer Schlammpfütze enden.
Noch vor einem Monat haben Sie nämlich auf Instagram erschrocken gelesen, wie der Vogelwart sein Zeug per Traktor auf die Insel bringen wollte. Doch alle Neuwerker Traktoren blieben stecken und mussten rausgezogen werden - oje, werden Sie dann überhaupt zur Insel wandern können? Erst mit einem Monat Verspätung schaffte es der Vogelwart mithilfe eines Schlauchboots, alles mitzunehmen und endlich seinen Job anzutreten. Wattwagen können die Insel ohnehin schon seit Jahren nicht mehr ansteuern. Das liegt daran, dass sich immer mehr Schlick ansammelt. Vor kurzem hat Hamburg die Elbe ausgebaggert und wollte frischen Schlick in den Nationalpark kippen, das war ein großes Streitthema in der Politik. Am Ende landete das Zeug stattdessen in der Nähe von Helgoland.
Nach all den schlickigen Nachrichten haben Sie bestimmt nicht erwartet, dass der Weg weniger schlickig ist als gestern, stimmt's? Ist er aber. Und die Traktorspur nimmt einfach kein Ende, denn inzwischen kommen auch die Trecker wieder durch.
Und da vorn ist auch endlich die Insel, wird auch Zeit. Aber... was ist das? Die Buschpricken knicken ab und... führen von der Insel weg? Hö, das sah auf der Karte aber ganz anders aus! Eigentlich sollten Sie doch zwischen Scharhörn und Nigehörn hindurchwandern, über einen grünbewachsenen Priel, oder? Tja, auf der alten Strecke hat sich inzwischen eine Salzwiese entwickelt, die geschützt werden soll. Seit 2023 Jahr führt der Wattweg also noch einmal um Scharhörn herum und von hinten auf die Insel drauf. Umpf, das sieht noch ganz schön weit aus. Laut Zeitplan sollten Sie eigentlich in wenigen Minuten da sein.

6. Folgen Sie trotzdem brav dem neuen Weg, und lassen Sie sich überraschen: Auf einmal wird das Grau zu Gelb, und Sie laufen über einen Strand. Oder zumindest irgendwas in der Art. Gehört das schon zur Insel oder noch zum Watt? Das kommt drauf an: Je nach Wind und Wetter überspült die Flut diese riesige Fläche oder auch nicht. Ein Höhenunterschied ist fast nicht vorhanden, sodass schon winzige Unterschiede in der Windstärke über das Schicksal vieler Hektar entscheiden.
Am Wegesrand wachsen die ersten Queller. Diese dunkelgrünen Stummelpflanzen sind Pioniere, die ersten, die frisch aufgespülte Sandbänke besiedeln. Genau für so was lohnt es sich, nach Scharhörn zu wandern: Eine Insel wie Neuwerk, eingekreist von Deichen, kennt diesen langsamen Übergang vom Meer zum Land nicht.

Am Rande der Sandfläche wird das Gelb direkt zu Blau: Sie sind jetzt ganz nah an die Elbe herangekommen. Schon gestern konnten Sie die ganze Zeit Containerschiffe in der Ferne sehen, die durch den Matsch zu gleiten schienen. Aber nirgendwo war der Welthandel so nah wie an dieser Stelle. (Auf dem Foto sehen die Schiffe freilich trotzdem mikroskopisch klein aus.)

7. Wie lange beobachtet der Vogelwart Sie wohl schon durch sein Fernglas? Da, er kommt Ihnen entgegen... und jetzt steht er herum und wartet auf sie... und er wartet immer noch. Mann, sind Sie langsam.
Schließlich erreichen Sie den neuen Eingang nach Scharhörn, an dem sich der Sand zu einer richtigen Düne auftürmt. Wie spät ist es? Ach, Sie haben doch nur eine Viertelstunde Verspätung, das sollte noch für eine ordentliche Führung reichen. Begrüßen Sie den Wart mit einem einfachen "Moin". Er bringt sie die letzten Meter über die Dünen, wo Möwenmassen über ihren Köpfen kreisen.
"Keine Sorge, die machen nichts."

Als erstes zeigt er Ihnen ein Möwennest direkt am Wegesrand. Für Möwen ist den ganzen Frühling über Ostern, denn ihre Eier sind bunt gefleckt.
Als zweites zeigt er Ihnen die Eierschalen einer unvorsichtigen Eiderente, die ausgerechnet inmitten der Möwen brüten wollte. "Keine Sorge, die machen nichts." gilt nämlich nur, solange Sie kein Eiderentenei sind.

Immer von Frühling bis Herbst lebt der Vogelwart in einer Containerwohnung. (Der kleinere Container rechts enthält eine meteorologische Messstation, die meistens vollautomatisch läuft.) Der diesjährige Vogelwart ist ein sympathischer Biologiestudent und schreibt dort seine Bachelorarbeit. Er bekommt Strom durch Solarzellen, Internet durch Satelliten, Wasser durch einen Vorrat an Kanistern und Abwasser durch ein Plumpsklo. Seine Vorräte liegen in der Holzhütte, einen Kühlschrank gibt es nicht. Es sei denn, man zählt einen kaputten Kühlschrank mit, den das Meer einmal angespült hat.
Klingt einsam? Er meint, die Medien würden den Job viel zu Robinson-Crusoe-mäßig darstellen. Etwa einmal die Woche kommen schließlich Besucher auf die Insel, außerdem wandert er regelmäßig rüber von Scharhörn (Einwohnerzahl: 1) nach Neuwerk (Einwohnerzahl: 16), um unter Leute zu kommen. Im Ernstfall könnte er seine wöchentlichen Aufgaben sogar so schieben, dass er mehrere Tage pro Woche gar nicht auf der Insel sein müsste.
Steigen Sie die Metalltreppe hinauf, lassen Sie sich ein Fernglas reichen und löchern Sie Ihn mit Fragen. Seine Wohnung zeigt er Ihnen nicht, aber von der Plattform können sie die Insel in alle Richtungen überblicken.

Und was gehört zu seinem Job? Hauptsächlich Vögel überwachen und Müll zählen Müllmonitoring. Aktuell eine manchmal traurige Tätigkeit, denn die Zahlen sinken (bei den Vögeln, nicht beim Müll). Die Vogelgrippe ist nach wie vor ein Problem, auch wenn seine Vorgängerin von 2022 es noch viel schwerer hatte und ständig gefiederte Tote fand (und roch).
Zwischen all den großen Möwen, Gänsen und Enten ist es gar nicht so leicht, auch die kleinen Singvögel zu beobachten. Darum hat er es sich ein bisschen leichter gemacht und rund um den Container Stöcke aufgestellt, die den Singvögeln bequeme Sitzgelegenheiten bieten sollen. Funktioniert es? Dieser Stock ist leer, der nächste auch, der auch, aber da, da sitzt ein brauner!
Die größte Pflanze auf Scharhörn ist die Kartoffelrose, ein Busch mit rosaroten Blüten. Sie verdrängt aktuell andere Rosenbüsche mit weißen Blüten, aber was das für die Vogelwelt bedeutet, ist noch nicht richtig erforscht. Schleswig-Holstein will auf seinen Inseln die Kartoffelrosen direkt mit Baggern rausreißen, Hamburg hält sich da erstmal zurück.

Die Insel Scharhörn ("scharfes Eck") war jahrhundertelang bloß eine Sandbank mit Seebake und Schiffsfriedhof. Immer wieder hielten sich Schiffe auf der Elbe zu weit links (vom Festland aus gesehen) und verwandelten sich schnurstracks in Wracks. Irgendwann gab es extra ein Versteck mit Essen und Alkohol für gestrandete Seemänner. Der Alk wurde jedoch ständig von Einheimischen weggesoffen, die rübergewandert waren, um die Wracks auszuplündern.
Im Jahre 1902 entdeckte der Lehrer Heinrich Gechter, dass Brandseeschwalben auf der Sandbank brüten und dass sich erste Pflanzen angesiedelt hatten. Ihre Samen reisten unter anderem unter den Flügeln von Seeadlern auf die Insel - lassen Sie sich vom Vogelwart ganz anschaulich Federn zeigen, an denen die Samen kleben. Gechter setzte sich dafür ein, die Insel weiter zu bepflanzen, um die Nester vor den Stürmen zu schützen. Und sein Vorhaben klappte - abgesehen von einer Unterbrechung im Zweiten Weltkrieg, als Soldaten auf der Insel stationiert waren und Bunker gebaut wurden. (Immerhin konnte 1941 durchgesetzt werden, dass die Soldaten nicht wahllos irgendwelche Eier auffuttern dürfen.) Gechter wurde später der zweite Vorsitzende des Vogelvereins Jordsand, welcher sich bis heute um die Insel kümmert.
Scharhörn ist eine Wanderdüne, auf der einen Seite wird Land angespült, auf der anderen verschwindet es. So war es zumindest mal. Deswegen standen hier neun verschiedene Vogelwart-Hütten, jedes Mal ein Stückchen weiter östlich. Von manchen ragen die Pfähle und Ruinen noch immer aus dem Sand. Die aktuelle Containerunterkunft stammt aus dem Jahr 2018.
Mit dem Bau von Nigehörn wurde die Wanderdüne gestoppt. Im Prinzip. Ein bisschen Land verschwindet allerdings noch immer, nur kommt keines mehr dazu. Dafür entsteht, wie schon erwähnt, ein Stück entfernt eine ganz neue Insel. Also mal sehen, was aus diesem Gebiet wird.

8. Wenn Sie viel Glück haben, begleitet der Vogelwart Sie auf dem Rückweg nach Scharhörn. Der Grund dafür ist kurios: Offenbar haben sich seine Kollegen im Nationalparkhaus bei ihrer Lebensmittelbestellung verpeilt, und deswegen muss er ihnen jetzt von der kleinen Insel sein Essen zurück auf die größere Insel bringen. Dazu benutzt er einen ganz speziellen Wagen, der extra fürs Watt entworfen wurde. Seine breiten Räder können im Wasser schwimmen, auf festem Boden rollen und im Schlick gleiten. Trotzdem ist es auch ihm schon passiert, dass er sich mit den Gezeiten verschätzt hat und Trinkwasser aus dem Kanister ablassen musste, um das Ding noch rechtzeitig ans Ziel ziehen zu können.
Wenn Sie solch fachkundige Begleitung haben, können Sie die Pricken ignorieren und ihm schnurgeradeaus in Richtung Neuwerk hinterhermarschieren. Der Boden ist auch auf diesem Weg ziemlich gut.
Und noch besser: Wenn er in der Ferne graue Hubbel als Robben identifiziert, macht er Sie darauf aufmerksam und reicht Ihnen noch einmal sein Fernglas, damit dieser Tag perfekt mit ein paar Kegelrobben abgerundet wird.

9. Die letzte Abkürzung hätten Sie sie auch auf dem Hinweg nehmen können, wären Sie nicht so vorsichtig gewesen: Es geht mitten durch das Fahrwasser am Schiffsanlager, also genau da durch, wo Sie wenige Stunden später per Schiff heimkehren werden. Sogar eine Kartenapp zeigt diese Abkürzung als Weg, nur die Buschpricken und die Landkarte im Nationalparkhaus kennen sie nicht.
Auf dem Rückweg, mit sicherer Begleitung und noch niedrigerem Wasserstand, können Sie jedenfalls bedenkenlos durch das bisschen Wasser stapfen. Durch diese olle Pfütze soll nachher die Fähre durch?
Achtung: Der Durchgang hinter dem Anleger ist mit einem Drängelgitter versperrt. Zu Fuß passen Sie da durch, aber wenn Sie einen Ziehwagen dabeihaben, müssen Sie den irgendwie über die Steinmauer hieven.
Durch den schnurgeraden Rückweg sind Sie, trotz Ihrer Verspätung auf dem Hinweg, eine halbe Stunde früher als geplant zurück. Verabschieden Sie sich, und stapfen Sie zielstrebig zu Ihrem nächsten Ziel: Zeit für die zweite Fußdusche!

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