Hase-Tag II
Teilung mit Wiedervereinigung - und wieder Teilung - und wieder Vereinigung - Mohnmatschmühle - Die Stadt der Erdbeben (also quasi) - Eine der absolut genialsten innerstädtischen Statuen ever - Keine Kunst, darf aber trotzdem nicht weg - Triste Turmstädte - Hardcore-Hundeschule - Mühle der Erlösung - Wodurch Jesus wirklich starb - Die grüne Stadt am Wasser - Komplizierte Mündungsverhältnisse
200 Kilometer in zwei Tagen sind ein straffes Programm, also bin ich früh losgefahren, auch wenn das Wetter mies war. So richtig mies. Mit anderen Worten: Es hat sogar noch mehr geregnet als im Hasestollen. Aber weil ich meinen Poncho seit dem Aufstehen getragen habe, bin ich einigermaßen trocken geblieben. Wobei der Regen zwischendurch auch schon mal aufgehört hat. Ungefähr zehn Minuten lang. Also exakt genau so lange, dass der folgende hoffnungsvolle Gedanke entstehen konnte: Oh, es regnet ja nicht mehr, vielleicht bleibt das ja so. Länger aber nicht.
Leider waren Teile meines Gehirns der Meinung, ich könnte ruhig noch etwas mehr Zeit als nötig im Regen verbringen. Deshalb habe ich in diesem Labyrinth aus Gehöften, privaten Sackgassen und Flussarmen andauernd den richtigen Weg verfehlt.
Zu Beginn der Strecke hat die Hase die meisten Flussarme wieder eingesammelt. Jetzt ist sie richtig breit und ähnelt fast einem Kanal. Wäre sie in Osnabrück so breit gewesen, hätte man den Verbindungskanal vielleicht gar nicht gebraucht.
Obwohl, vermutlich hätte man ihn trotzdem gebrauch, denn die Hase hat folgendes mit dem gleichnamigen Tier gemeinsam: Sie vermehrt sich sehr schnell und oft. Egal ob Bifurkation oder Delta - Teilungen sind ihr liebstes Hobby.
5. Die Hase (laut Karte)/Bersenbrücker Hase (so nenne ich die)
Dieser Arm durchquert einen klatschnassen verregneten Park in Bersenbrück mit einer Wassermühle. Auf einer steinernen Bank habe ich zwei nasse zermatschte Mohnschnecken verspeist. Naja, ich hatte schon besseres Frühstück auf einer Radtour.
6. Die Alte Hase
Dieser Altarm ist immer noch mit dem Fluss verbunden: Er fließt irgendwie ganz komisch unter der Bersenbrücker Hase durch, mündet in die Wrau und die landet dann in einem anderem Hasearm. Zumindest sah das auf der Karte so aus. Sehr seltsam.
7. Die Überfallhase und die Kleine Hase
Kurz vor Quakenbrück bildet die Hase ein paar ganz flache Stromschnellen mit Büschen drin und teilt sich nochmal - ein beeindruckender Anblick.
Beide Teile landen letztendlich im Essener Kanal (siehe unten), aber die Kleine Hase durchquert vorher noch Quakenbrück.
8. Die Kleine Hase/Hahnenmoorkanal und die Deichhase/Große Mühlenhase
Und weils so schön war, gleich nochmal eine Teilung! Die Hase muss das Kindergartenlied Teilen kann heilen sehr ernst genommen haben.
Das rechts ist die Große Mühlenhase, die im Tretlanger Kanal landet, die Kleine Hase links trifft erst viel später auf die vollständige Hase. Beide Hasen haben noch diverse Querverbindungen und ändern zwischendurch gerne mal ihren Namen.
Das Wappen der Stadt Quakenbrück zeigt einen Frosch, und durch die Altstadt führt der Poggenpad. Dieser Rundweg ist mit Froschspuren auf dem Bürgersteig markiert. Man sollte also meinen, dass das der Name Quakenbrück etwas mit quakenden Fröschen zu tun hat. Hat er aber nicht. Stattdessen hat der Name mit dem Hasedelta zu tun, denn er bedeutet "Brücke über das bebende Sumpfland" und ist verwandt mit dem englischen Wort (earth)quake.
Eines der beeindruckendsten Gebäude der schönen Fachwerkstadt ist links zu sehen. Nein, das ist nicht das Rathaus, sondern das Finanzamt. Davor steht eine Statue mit dem Namen Der arme Steuerbürger. Ich habe noch nie ein Finanzamt gesehen, das sich derart prächtig und gleichzeitig humorvoll präsentiert. Da bezahlt man seine Steuern doch fast gerne... aber nur fast.
9. Der Essener Kanal
Dieser wunderbare braune Kanal bahnt sich seinen Weg zwischen Bäumen, Schafen und sehr nassen Anglern hindurch. Er verfügt über einen tollen Radweg, eine Schleuse und (das allerbeste) eine Schutzhütte mit Bänken, die auch vor starkem Dauerregen schützt.
10. Der Bünne-Wehdeler-Grenzkanal
Bitte was?
11. Die Lager Hase
Die fließt gar nicht durch Lage, jedenfalls nicht durch das Lage, wo ich das Nonnenkloster gesehen habe. Ein Lager habe ich da auch nicht gesehen. Und überhaupt, wo zum Geier kommt denn jetzt auch noch diese Hase her?
Über die Lager Hase fährt zum letzten Mal eine normale Bahn. Ab jetzt gibts bis zum Ziel nur noch Güterzüge und eine Museumsdampflok an jedem zweiten Samstag. Heute ist kein zweiter Samstag und ich bin kein Gut, also muss ich durchhalten.
Schade, dass hier keine Bahn fährt, denn an dieser Strecke liegt alle 10-15 Kilometer ein hübsches Städtchen mit einem hohen, rechteckigen Ziegelkirchturm, der mal mehr, mal weniger aufwändig verziert ist.
Das Städtchen an der Lager Hase nennt sich Essen (Oldenburg). Das Oldenburg in Klammern soll vermutlich klarstellen, dass es sich nicht um das Essen im Ruhrgebiet handelt. Da wäre ich allerdings auch so drauf gekommen.
Ein Stück weiter verquirlen und vermischen sich die Lager Hase und der Essener Kanal. Auf einem Aussichtspunkt konnte ich mir dieses wunderbar verworrene Wasserwirrwarr genau ansehen - und, was noch viel wichtiger war, mich vor dem Regen schützen.
2009 haben die Menschen hier eine eine Art See mit tiefen und flachen Zonen sowie Sandbänken angelegt. Das sollte zum einen Grabwespen und Sandbienen eine Heimat bieten und zum anderen unerwünschte Schadstoffeinträge ins Wasser verhindern. Wie genau das Wasserwirrwarr Schadstoffe stoppt, erklärt die Hinweistafel nicht. Es wurden 25000 Kubikmeter Erde abgetragen, genug, um woanders zwei neue Sportplätze und mehrere Lärmschutzwälle aufzuschütten.
11. Der Tretlanger Kanal
Leider hat dieser Kanal kein neues Tretlager für mein Rad. Enttäuschend.
12. Die Große Hase
Und dann sind endlich wieder alle Arme vereint und die Hase schlängelt sich breit nach Westen. Radwege am Ufer gibts trotzdem nur in der Nähe der Städte, aber zumindest sind die etwas länger geworden.
Auf dem Weg nach Löningen soll es Kunst am Fluss geben, behauptet die Karte. Hmm, stellt diese Skulptur vielleicht die absurde Neigung des Menschen, sich selbst immer wieder einzusperren und die ihm innewohnende Natur zu begrenzen... ach nee, ist ein Weidezaun.
Das einzige Kunstwerk, das ich entdeckt habe, war der wunderbare bunte Wildblumenstreifen am Rand des Ackers. Aber auch sonst gefällt mir die Landschaft selbst im Regen ganz gut.
Klar, niedersächsisches Flachland ist nicht sonderlich spektakulär, aber das hier ist zumindest so richtig grün und lebendig, nicht so trist wie das Flachland an der Weser oder Leine nördlich von Hannover.
Der Kirchturm von Löningen sieht besonders profan aus, und sehr zugig, da er offenbar aus nur aus roten Seilen besteht... ach nee, das ist der Spielplatz.
Es folgt ein dichter, sumpfiger Wald, in dem ich trotz strömenden Regens einem Rudel aus Hunden, Menschen und einem großen aufgespannten Tuch ausweichen musste. Offenbar hatte die Hundeschule Wandertag und wollte ihn keinesfalls verschieben.
Aus völlig undurchschaubaren Gründen ist in der Karte neben diesem Wald das "Hasetal" als Sehenswürdigkeit eingezeichnet. Dabei sieht die Große Hase genau so aus wie immer, soweit ich das sehen konnte.
Im Umland scheint es hingegen einige seltsame Naturschutzgebiete zu geben - und noch seltsamere Prüfungen, die man in der Natur ablegen kann. Es werden das
Moordiplom oder das
Wacholderabitur angeboten.
Die nächste Sehenswürdigkeit ist die Aselager Mühle. Es handelt sich um eine Erdholländer-Kappenwindmühle, was immer das ist (sie steht definitiv auf der Erde in der Nähe von Holland und hat eine Kappe obendrauf, so viel ist richtig). Erwartet habe ich eine Windmühle, die wie die meisten Exemplare allein in der Gegend herumsteht. Stattdessen ist die Aselager Mühle Teil eines edlen Hotel-Restaurant-Komplexes aus historischen Fachwerk-Bauernhäusern, alles total schick saniert. Stand da nicht was in der Karte über diese schicken Bauernhöfe? Genau, die heißen Artland-Höfe und sind typisch für die Region. Ich wette, das ist so einer.
Weil ich tierischen Hunger hatte, bin ich im erstbesten Restaurant verschwunden, das zur Mittagszeit seine Pforten geöffnet hat, und das war zufällig dieses hier - auch wenn es eigentlich etwas über meiner Preisklasse lag. Als ich eine Stunde später wieder herauskam, war der Regen plötzlich weg. Die Sonne ist da! Darauf hatte ich gar nicht mehr zu hoffen gewagt. Aber ganz ehrlich, bei den Preisen war die Wetterveränderung nur angemessen.
Nächster Halt: Herzlake. Der hiesige Kirchturm ist eine 700 Jahre alte Baustelle.
Achtung, hier ist wirklich ganz schwerer Verkehr unterwegs! Die hiesigen Traktoren sind lebensgefährlich, sie haben sogar Jesus überfahren, wie dieses Gedenkkreuz beweist.
Haselünne hat wieder einen dieser superidyllischen, spiegelglatten Badeseen, diesmal etwas moderner mit Motorbooten und Glasrestaurant. Der Name der Stadt kommt von den Worten
hassa lunni. Das heißt
dunkles Wasser und ist bezogen auf diesen See schonmal Quatsch.
Die Innenstadt von Haselünne hingegen besteht größtenteils aus unspektakulären Ziegelwänden. So viele alte Gebäude hat die älteste Stadt des Emslands gar nicht zu bieten.
Nachdem sie so viele Kilometer gleich ausgesehen hat, ändert die Hase kurz vor dem Ende doch noch mal ihr Outfit und hüllt sich in urigen, norddeutschen Laubwald.
Dann bin ich auch schon im Vorgarten-Heckenlabyrinth von Meppen angekommen.
In Meppen mündet die grüne Hase in den Dortmund-Ems-Kanal. Genau an der Mündung steht Windmühle Nummer zwei, die holländische Höltingmühle. Was aber noch viel wichtiger ist: Die Hase endet selbstverständlich mit einem grünen Geländer. Alles andere wäre einfach unpassend. Meppen wird auch
Grüne Stadt am Wasser genannt, und das, wie jeder, der auf dieser Brücke steht, zugeben muss, völlig zu Recht.
Damit Schiffe unten durchpassen, ist die Brücke etwas höher, sodass ich das Rad durch eine Metallrinne neben den Treppenstufen hochschieben musste.
Meppen ist schon ziemlich nah dran an den Niederlanden, und das sieht man der Stadt auch an. Diese putzige Ziegelaltstadt könnte so auch auf der anderen Seite der Grenze stehen (obwohl Meppen selbst mit Hase, Ems, Dortmund-Ems-Kanal, Hase-Altarm und Stadtwall-Graben längst nicht so viel Wasser wie Amsterdam hat).
Das Meppener Rathaus hat ein uraltes Untergeschoss, das aus richtig großen Findlingen besteht.
Die letzte Brücke für heute ist nicht grün, sondern blau, und außerdem eine Hubbrücke. Zum Glück war die gerade unten, sonst hätte ich womöglich den Zug verpasst. Dahinter ist ein Altarm der Hase zu sehen, der heute als Hafen von Meppen fungiert (links). Schon im Mittelalter stand hier eine bewegliche Brücke aus Holz.
Hinter der Hubbrücke trifft der Dortmund-Ems-Kanal auf die
Ems. Aber weil dieser Kanal eh ständig in die Ems rein- und rausfließt, kann man eigentlich auch die Mühlenmündung an der grünen Brücke als "Mündung in die Ems" bezeichnen.
Die Hase ist sogar der größte rechte Zufluss der Ems, obwohl ein Drittel des Quellwassers gar nicht hier ankommt.
Um 15:50 bin ich zufrieden in die Westfalenbahn gestiegen. Ich hatte tatsächlich die 200 Kilometer in zwei Tagen geschafft. Nun weiß ich, wie die Hase läuft.
Der Radweg
Hase-Ems-Tour geht noch weiter, denn bisher gab es zwar viel Hase, aber nur wenig Ems. Deshalb folgt die Radroute der Ems
stromaufwärts bis Rheine und kehrt dann auf einer
Querverbindung nach Osnabrück zurück. Auf der Karte ähnelt der Radweg entfernt einem Q - eine Rundtour mit einem kleinen Anhängsel zur Hasequelle.
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