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06 September 2021

Weser: Von Vlotho nach Porta Westfalica

Weser-Tag 5: Porta Desperata

gefahren im: Juli 2020
Start: Porta Westfalica/Hausberge, gemütliches Familienzimmer mit Netflix
Ziel: Vlotho, Bahnhof
Länge: 15 km
Weserquerungen: 1 (Brücke)
Ufer: links, außer zur Unterkunft
Bundesländer: nur NRW
Landschaft: vom Westwesertal durch die Hügellücke ins Flachland
Wegbeschaffenheit:
 Asphaltradwege
Steigungen: nur innerhalb von Vlotho und Porta
Wetter: grau mit ekligem Regen
Wind: Westfälischer Westwind
Highlight: Westfälische Pforte
Größte Hürde: Wind, Regen und Steinschlag
Zitat des Tages: "Peng!" - Schützenverein an der Westfälischen Pforte -


1. Fahren Sie diese kurze Etappe meinetwegen in die entgegensetzte Richtung, das ist eigentlich egal. Auf der Hälfte (am Werre-Kuss) wechselt die Weser die Richtung. So oder so haben Sie also zur Hälfte Gegenwind.

2. Wieder einmal stehen Sie vor der Frage: Linkes oder rechtes Ufer? Haben Sie Lust auf Natur und ein paar Badeseen, nehmen Sie das rechte. Ist das Wetter nicht so toll und Sie wollen einfach nur direkt am Fluss vorwärtskommen, bleiben Sie links an der Straße.


3. Überqueren Sie eine Flussmündung mit einem höchst romantischen Namen: Weser-Werre-Kuss. Nach dem Weserkuss von Hann. Münden ist das nun schon der zweite Flusskuss - ganz anders als am Rhein, wo alle Zusammenflüsse nüchtern-technisch als Eck bezeichnet werden.
Hier landet ein Drittel des Wassers des einzigartigen Nebenflusses Hase in der Weser.

Achtung, nicht verwechseln: Hier fließt die Werre in die Weser, nicht die Werra. Erstere kommt aus dem dicht besiedelten, industrialisierten Norden von NRW, letztere aus den Tiefen des Thüringer Waldes. Was ein kleiner Buchstabe doch für einen großen Unterschied machen kann.



4. Der Weserradweg führt am Randgebiet einer Großstadt namens Bad Oeynhausen entlang. Falls Sie da reinwollen, nehmen Sie den 3,5 km langen Radweg an der Werre am Casino vorbei. Für Bahnreisende ist die sogenannte Märchenstadt etwas unpraktisch: Sie erstreckt sich zwischen einem Nord- und einem Südbahnhof. Wer zwischen den beiden Bahnstrecken umsteigen will, muss die ganze Stadt durchqueren.

Dabei sieht er einen prächtigen Kurpark mit Fontänen und weißen klassizistischen Palästen. 1745 entdeckte ein verblüffter Bauer Salzkristalle in den Borsten seiner Schweine, die sich im Matsch gewälzt hatten. Das teilte er dem Amtmann mit, zack, fünf Jahre später stand die erste Saline. Daran erinnern verschiedene Schweinestatuen.
Am Jordansprudel sprudelt das Salzwasser bis zu 42 Meter in die Höhe. Die Innenstadt selbst ist halt weiß und nichts Besonderes, deswegen heißt die Stadt auch nicht Bad Schoeynhausen. Lassen Sie die Stadt also ruhig weg, wenn Sie an Parks und Salz nicht so interessiert sind.
Sollten Sie einmal abends am Nordbahnhof stranden und eine Stunde auf den letzten Zug warten müssen - keine Panik! Gegenüber ist ein leckerer Waffelladen.


5. Folgen Sie dem Radweg, der nun wieder gen Nordosten führt. Achtung! Da sind Poller!! Viele Poller!!!
Hier stoßen Sie endlich auf den langen Bergrücken, dem die Weser so lange ausgewichen ist: Das Weser- und Wiehengebirge beziehungsweise die östlichsten Ausläufer vom Teutoburger Wald. Das ist keine Hügelkette, auf der es immer auf und ab geht, nein, dieser Wald erstreckt sich gerade und gleichmäßig quer über den Horizont. Wie soll die Weser da bloß durchkommen?


Sie nimmt die einzige Lücke, die es gibt. Es gibt drei Theorien, wer für die Entstehung dieser Lücke verantwortlich ist. Suchen Sie sich die aus, die Ihnen am besten gefällt.
a) Es war die Weser. Sie hat sich rechtzeitig reingegraben, während sich das Gebirge gehoben hat.
b) Es war eine kleine namenlose Quelle am Berghang. Sie hat durch rückschreitende Erosion langsam alles kaputtgemacht, erst dadurch hat die Weser diesen Weg genommen. ("Oh, eine Lücke, wo kommt die denn her?")
Dass es am Hang früher Quellen gab, beweist die Wittekindsquelle. Sie wurde in Stein gefasst, aber dann haben Bergarbeiter ihre Wasseradern zerstört, deshalb ist sie ausgetrocknet.
c) Es war Gott. Der Teufel hat die schmale Schlucht verstopft, um die Leute mit Überschwemmungen zu ärgern, woraufhin der Herrgott mit Blitz und Donner eine noch breitere Lücke gesprengt hat, weil es damals noch kein Bundesamt für Hochwasserschutz gab und er alles selbst machen musste.
Fest steht nur: Weil diese Lücke weit und breit die einzige ist, fällt sie sehr auf, insbesondere, wenn da auch noch so ein breiter Strom drin ist. Deshalb wurde ihr im 19. Jahrhundert der eindrucksvolle Name Porta Westfalica gegeben - die Westfälische Pforte.


6. Stellen Sie Ihr Rad an einem Parkplatz ab und folgen Sie dem steilen Pfad nach oben. Lauschen Sie dezent beunruhigt den Schüssen des Schützenvereins und dem Rascheln des Laubs. Nach mehr als der Hälfte der Wanderung versperrt Ihnen das Land Nordrhein-Westfahlen den Weg, weil der Wald wegen Steinschlags gesperrt ist. Kehren Sie um. Danke, Nordrhein-Westfahlen! Wie wäre es mit einem Schild unten am Anfang des Weges?
Kehren Sie zwei Jahre später zurück und finden Sie endlich die richtige Route - nicht geradewegs hoch, sondern etwas länger seitlich am Berg hoch.



Was war eigentlich das Ziel?
Oben am Berg steht ein dickes steinernes Baldachin-Dings mit einer großen Statue drin. Eigentlich wollte der Architekt es noch viel, viel größer bauen, aber dafür reichte das Geld nicht.
Es handelt sich um das patriotische Kaiser-Wilhelm-Denkmal, das ähnlich wie die Wacht am Rhein daran erinnern soll, wie Kaiser Wilhelm I. Frankreich besiegt, das deutsche Kaiserreich geeint und überhaupt sehr kaiserliches, unzeitgemäßes Zeug gemacht hat. Gleichzeitig soll es seinen Enkel, Wilhelm II. ehren, der gerade an die Macht kam, als das Ding gebaut wurde.

Lieb Vaterland, dann gute Nacht,
hier wird geschossen, dass es kracht
zur Weserwacht.

Suchen Sie sich einen Tag mit klarem Wetter, dann ist die Aussicht großartig!
Falls Sie Hunger und viel Geld oder historisches Interesse und kein Geld haben, betreten Sie den Glaskasten und steigen Sie die Treppe runter. Dort finden Sie ein Luxusrestaurant und eine kleine Gratisausstellung über die Pforte, beides mit Panoramafenstern. Interaktive Landkarten zeigen, wie intensiv die Pforte industrialisiert wurde, obwohl sich die Unternehmer nie eindeutig auf eine Branche spezialisiert haben.

7. Wollen Sie noch mehr wandern? Dann laufen Sie ein Stück zurück (also stromaufwärts) auf dem Bergkamm, am sogenannten Wittekindsweg (wo mehrere Fernwanderwege verlaufen). Von der Felswand sehen Sie eher wenig, dafür liegen interessante Bauwerke auf dem Weg:
  • der Moltketurm, ein einfacher grauer Aussichtsturm mit Wendeltreppe zu Ehren eines Generalfeldmarschalls, ähnlich wie die zahlreichen Bismarcktürme
  • die Wittekindsburg, ein Burg- und Berghotel von großartigem Aussehen
  • eine grüne Sprungschanze für Paraglider unter der Wittekindsburg
  • die Kreuzkirche, eine ziemlich genau 1000 Jahre alte Familiengrabstätte, in der eine unbekannte Frau mit Kindern ruht. So ein altes Familiengrab gibt es nur fünfmal in Europa. Deshalb wurde über die verfallenen Mauern zum Schutz ein Glasdach errichtet.
  • die Wolfsgrotte, deren Weg aber geschlossen ist, weil er der Natur überlassen wurde und Äste runterfallen können


8. Auf der gegenüberliegenden Seite fällt der Berg schroff ab. Hier gucken ein paar Felsformationen heraus. Sie haben keine Lust mehr? Dann überqueren Sie die Weser auf der großen Brücke.
Der Name Porta Westfalica steht nicht nur für eine Landschaftsformation, sondern auch für einen Bahnhof. Falls Sie wegfahren möchten: Der liegt gleich links von der Brücke.


Und auch eine Stadt namens Porta Westfalica gibt es, die ist allerdings ein bisschen merkwürdig. Sie besteht aus verschiedenen Stadtteilen, die in der Landschaft verstreut liegen. Nur einer davon befindet sich direkt an der Pforte. Der besteht aus einem Haufen roter Ziegel und ist am ehesten so etwas wie das Zentrum der Stadt. Er heißt aber nicht Porta Westfalica - Zentrum, sondern Amt Hausberge.
Ein anderer Stadtteil heißt Holzhausen, was ein extrem häufiger Name ist. Wir haben auf der Karte bislang sieben Holzhausens in der Nähe der Weser entdeckt.


Falls Sie übernachten möchten, nehmen Sie das Zimmer in der Schneckenstraße. Da können Sie sogar den Lichtschalter mit ins Bett nehmen.


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